Beiträge von Marcus Decimus Livianus

    Das Serapio nun ging machte die Angelegenheit nicht einfacher und verärgerte Livianus auch ein wenig. Während der kurzen Auseinandersetzung der beiden, hatte er zumindest genügend Zeit um sich seine eigenen Gedanken zu machen. Er erhob sich und kam hinter seinem Schreibtisch hervor, legte einfühlsam eine Hand auf die Schulter seiner Nichte. Er musste sich selbst ein Bild machen. Hier stand Wort gegen Wort und keinesfalls wollte er riskieren, dass sich die Familie entzweite.


    "Lassen wir es gut sein Seiana. Ich möchte deinem Glück bestimmt nicht im Wege stehen, wenn du sagst, dass du diesen Mann liebst. Doch arrangiere ein Treffen. Vielleicht kann er in den nächsten Tagen ja zum Essen kommen. Ich möchte ihn kennenlernen."

    "Die Gefangenschaft dauerte zum Glück nur wenige Monate. Mein Bruder Primus und ein Klient von Lucillas Mann Avarus konnten mich mit einigen Söldnern an ihrer Seite befreien. Ich versuche dieses Thema eigentlich zu meiden, immer noch, doch die Leute reden nach wie vor darüber, dass ist mir bewusst. Ich wollte, dass du es von mir erfährst und nicht durch irgendwelche Gerüchte oder Geschichten die man auf den Straßen aufschnappt."


    Seit seiner öffentlichen Anhörung vor dem Senat direkt nach seiner Rückkehr hatte Livianus nicht mehr über dieses Thema gesprochen und auch jetzt viel es ihm nicht leicht. Er hatte zurück ins Leben gefunden, hatte stärke gezeigt und sich sowohl von den Parthern, als auch von seinen eigenen Leuten nicht brechen lassen. Valeria wirkte nicht überrascht. Ganz im Gegenteil wirkte sie eher unbeeindruckt und nahm die Worte des Decimers ruhig und sachlich hin. Livianus war es hingegen gewohnt, dass dieses Thema eher polarisierte. Entweder man nahm Anteil an seinem Unglück, oder man warf ihm unehrenhaftes Verhalten vor. Zweites kam meistens von Leuten, die selbst weder in der Armee gedient, noch jemals einem Aug in Aug Feind gegenübergestanden waren.


    "Ich möchte das Thema damit auch gleich wieder auf sich beruhen lassen. Es war lediglich eine kurze Information gedacht. Lass uns wieder über dich reden. Hast du bereits Pläne? Wie soll es weitergehen hier in Rom? Man berichtete mir, dass du bereits oft das Haus verlässt."

    "Ich wurde während eines Aufklärungsritts von den Pathern gefangen genommen und war danach mehrere Monate in Kriegsgefangenschaft. Das war bereits vor dem Tod des Kaisers. Als dieser starb hat man wie du bestimmt weißt den Feldzug abgebrochen und ist zurück nach Rom. Nun ja - mich hat man in Parthia zurückgelassen."


    Livianus Stimme klag während seinen kurzen Ausführungen einfühlsam ruhig und sehr sachlich. Er war gespannt wie sie reagieren würde.

    Serapio hatte sich nicht getäuscht. Livianus war in seinem Cubiculum und ließ sich von zwei Haussklaven gerade dabei helfen, sich der schweren Senatorentoga zu entledigen. Als sie gerade damit begonnen hatten ihn aus der elendslangen Stoffbahn zu wickeln, hörte er die Stimme seines Adoptivsohnes hinter der Türe und wandte sich dieser zu.


    "Ja Faustus! Du kannst eintreten."

    "Ja, das meinte ich jedoch nicht."


    LIvianus seufzte und überlegte dabei, ob er Valeria von seiner Gefangenschaft erzählen oder sie zumindest darüber informieren sollte. Früher oder später würde sie es ohnehin erfahren und vermutlich war es besser, wenn dies durch ihn selbst passierte, als durch irgendwelche Gerüchte oder Geschichten. Es war jedoch schwierig. Er hatte bisher immer vermieden über dieses Thema zu sprechen und dementsprechend schwer war es nun auch, die richtigen Worte zu finden.


    "Ich bin zwar nach Parthia gezogen, aber nicht mit der Legion wieder zurück gekommen……"

    Livianus nickte bestätigend.


    "Meine Unterstützung ist dir bei diesem Vorhaben in jedem Fall gewiss. Es ist wohl die beste Möglichkeit diesem Mann Einhalt zu gebieten und ein klares Zeichen zu setzen. Mit Balbus als Praefectus Praetorio kann man auch für die nötige Sicherheit des jungen Caesaren sorgen. Ein wichtiger Schritt Aelius und wie mir scheint auch gut durchdacht. Solltest du irgendeine Unterstützung brauchen, welcher Art auch immer, so scheue dich nicht davor mir bescheid zu geben. Ansonsten sollten wir alles weitere beim nächsten Treffen besprechen. Ich werde dir demnächst eine Einladung zukommen lassen."

    "Alles Gute Dragonum."


    Livianus winkte einen Sklaven herbei, der seinen Klienten nach draußen begleiten sollte. Dann machte er sich wieder auf den Rückweg in seine Privatgemächer und dachte darüber nach, welche Entscheidung Serapio wohl treffen würde.

    "Ein Triberier" sagte Livianus sichtlich interessiert.


    "Ich habe mit einem Tiberier bei der Legio I gedient. Tiberius Vitamalacus. Ein guter Mann. Zuerst war er mein Stellvertreter und dann hat er schließlich selbst das Kommando über die Legion erhalten. Bist du mit ihm verwandt?"


    Auf die näheren Hintergründe zu diesem Kommandowechsel wollte Livianus selbstverständlich nicht eingehen, doch das tat eigentlich auch nichts zur Sache. Neugierig musterte er den Patrizier.

    Die Trockene Bemerkung schmerzte Livianus für einen kurzen Moment, doch er ließ sich nichts anmerken. Valeria konnte nicht wissen, was er selbst durchgemacht hatte. Ebenso wenig wie er wusste, wie es ihr in all der Zeit ergangen war und so wie es aussah, war sie auch nicht bereit darüber zu reden.


    "Ein guter Vorsatz, den ich mir vielleicht auch selbst zu Herzen nehmen sollte. Wenn du in Alexandria und den östlichen Provinzen unterwegs warst, dann waren wir beide wohl nicht so weit voneinander entfernt wie gedacht.


    Du weißt über meine Zeit in Parthia?" fragte Livianus vorsichtig nach.

    Livianus nickte verständnisvoll.


    "Natürlich Dragonum. Dann möchte ich dich auch nicht länger aufhalten. Du wirst deine kurze Zeit in Rom bestimmt auch für andere Dinge nutzen wollen. Es hat mich jedenfalls sehr gefreut dich nach so langer Zeit wieder zu sehen und noch mehr freut es mich, dass ich dich nach wie vor zu meinen Klienten zählen darf. Ich wünsche dir alles Gute in Alexandria und viel Erfolg bei deiner neuen Aufgabe."


    Der Senator streckte freundschaftlich seine Hand aus.

    "Ja, wir haben uns schon recht früh wieder zurückgezogen. Ich hoffe du verzeihst, dass wir so unhöflich waren uns nicht mehr zu verabschieden. Wir wollten nicht zusätzlich stören. Ansonsten kann ich mich nicht wirklich beklagen. Es geht mir meist so, wie es die anderen wollen."


    Livianus lächelte breit und wollte gerade die Gegenfrage stellen und sich nach Sedulus Wohlbefinden erkundigen, als sich ein weiterer Mann zu den Senatoren hinzugesellte, der dem Decimer gänzlich unbekannt war. Nachdem das Gespräch gerade erst begonnen hatte, konnte man noch nicht von einem privaten Gespräch reden, daher nickte Livianus einladend.


    "Natürlich Bürger. Bitte setz dich."

    "Nun.... solange dein Bruder, der Kaiser nicht einlenkt sondern die ganze Macht weiterhin auf diesen einen Mann konzentriert, werden wir wohl nichts dagegen unternehmen können. Wir sind zum zusehen verdammt.


    Du weißt besser als wir, was den Kaiser davon überzeugen könnte, dass der Vescularier nicht der richtige Mann auf diesen Posten ist. Vielleicht könnte man ja für den Senat weitere Entscheidungsrechte herausholen und so die Macht ein wenig mehr verteilen. Oder man teilt die Rechte und Pflichten unter den Reichspräfekten auf. Auch hier hätten wir ein halbwegs annehmbares Gleichgewicht. Wie auch immer. Wir sollten nicht mehr all zu lange zusehen und du weißt welcher Druck dabei insbesondere auf die lastet. Die Senatoren hoffen darauf, dass du in dieser Angelegenheit Einfluss auf deinen Bruder nehmen kannst."


    Wieder sah sich Livianus verstohlen um.

    Erst als Valeria sich nieder ließ, wurde dem Decimer bewusst, dass sie noch feuchte Haare hatte und es ausgesprochen kühl im Perisylium war. Er selbst war dahingehend eher abgehärtet und liebte es, die kalte Luft in seinen Lungen zu spüren, auch wenn er dabei ebenso gut eingepackt wie Valeria war. Dennoch trug Livianus einem Sklaven auf, einige Kohlenbecken herbeizubringen und sie um die beiden Liegen aufzustellen. In der Zwischenzeit ließ auch er sich wieder auf die Liege sinken.


    "Das ist gut zu hören. Ich wollte dir in den letzten Tagen Ruhe gönnen. Es wäre nicht gut, wenn alles auf einmal über dich hereinbricht. Immerhin ist viel Zeit vergangen, seit du zuletzt in Rom warst und ich weiß aus eigener Erfahrung wie es dir im Moment gehen muss."


    Livianus spielte dabei auf seine Rückkehr aus der Gefangenschaft an, von der Valeria vermutlich gar nichts wusste. Doch er wollte zum jetzigen Zeitpunkt nicht näher darauf eingehen. Viel wichtiger war es ihn, was Valeria geschehen war und wie sie sich ihre weitere Zukunft vorstellte. Seit ihrer Rückkehr hatte er, auch wenn er ihr bisher aus dem Weg gegangen war, oft an sie gedacht und auch an ihre gemeinsame Vergangenheit. Viele längst verdrängte Erinnerungen waren in den letzten Tagen zurückgekehrt und auch wenn er es nicht sofort wahr haben wollte, war da immer noch eine starke Verbundenheit, die ihr gegenüber verspürte. Bereits am ersten Tag ihrer Rückkehr, als er sie in ihrem Zimmer besucht hatte, waren diese Gefühle neu aufgeflammt und ließen ihm seitdem nicht mehr los. Doch er unterdrückte sie so gut es ging und ließ sich nichts anmerken. Stattdessen sprudelten ungewollt bereits die ersten Fragen aus ihm heraus.


    "Auch wir beide haben uns lange nicht mehr gesehen Valeria. Wie ist es dir ergangen? Was hast du all die Jahre getan? Bist du nach unserer Trennung in Germanien geblieben?"

    Die Wartezeit nutzte Livianus um einige Briefe zu lesen und zu beantworten. Er schrieb jedoch nichts selbst, sondern diktierte einem Sklaven den gewünschten Text, der diesen auf eine Wachstafel mitnotierte und so später die Briefe anfertigen konnte. Als Valeria den Raum betrat erhob sich Livianus und winkte den Sklaven davon. Freundlich begrüßte er sie.


    "Valeria. Ja. Bitte setz dich. Ich wollte mich ein wenig mit dir unterhalten und fragen wie es dir geht."


    Einladend deutete er auf die zweite Liege, die neben der seinen stand und sah sie aufmunternd an. Dabei viel ihm auf, dass sie schon ein wenig besser aussah, als bei ihrem letzten kurzen Aufeinandertreffen.


    "Ich hoffe die Sklaven kümmern sich gut um dich?"

    Livianus hatte es sich im Peristylium bequem gemacht und war einige Senatsprotokolle durchgegangen. Wieder einmal hatte der amtierende Consul ein paar Gesetze durch den Senat gebracht, die auch Livianus als wichtig erachtete. Nun waren sie auch schon veröffentlicht und rechtsgültig. Nach einiger Zeit legte er die Schriftrollen beiseite und rief nach einem Sklaven.


    "Sie nach ob Valeria im Haus ist und richte ihr aus, dass ich sie sprechen möchte und zu mir bitte, sofern sie Zeit hat."


    Der Sklave nickte und verschwand umgehend im Haus.

    Nun ja. Dieser Aelius Caius war kein direkter Verwandter des Kaisers. Auch wenn Livianus den Mann nicht persönlich kannte, so hatte er dennoch soweit Ahnung von dem engeren Familienkreis rund um den regierenden Imperator und seinen Bruder Aelius Quarto, um dies feststellen zu können. Dennoch war der Name mit einem großen Ansehen verbunden und würde das vor kurzem geschlossene Bündnis zwischen den Decimern und den Aeliern weiter festigen. Dennoch! Es ging um die Art und Weise wie diese ganze Sache abgelaufen war. Livianus fuhr sich mit der Hand nachdenklich über die Stirn.


    Meridius hatte also bereits seine Zustimmung zu dieser Verbindung gegeben? Das änderte die Sachelage grundlegend und Seiana war kein Vorwurf zu machen. Sie hatte sich richtig verhalten und wollte mit einem Brief sogar Livianus informieren. Das der Cursus Publicus das Schreiben verschlammte war auch nicht ihr Verschulden.


    Der Senator sah kurz zu Serapio und dann wieder zu seiner Schwester. Irgendwie hatte sie ihm nun den Wind aus den Segeln genommen und er wusste nicht so recht, wie er das Gespräch fortsetzen sollte. Serapio hatte doch vorhin gemeint, dass Meridius den Aelier weggeschickt hatte. Warum sprach Seiana dann nun doch von einer Zustimmung? Gespannt wartete Livianus auf eine Erklärung seines Adoptivsohnes.

    "Ich weiß, daher bin ich dir auch sehr dankbar, dass du an Serapio gedacht hast. Ich kann mir keinen besseren Kommandanten für ihn vorstellen. Er wird unter deinem Kommando sehr viel lernen und Erfahrung sammeln können. Da bin ich mir sicher. Wann wirst du nach Alexandria aufbrechen?"

    Wie der Zufall es so wollte, hatte sich auch ein weiterer Senator an diesem Tag in die Therme und in das dortige Caldarium verirrt. Decimus Livianus betrat mit umgeschlagenen Handtuch den warmen und dampfigen Raum. Es dauerte einen kurzen Moment, bis er sich halbwegs an das neue Klima gewöhnt hatte und so ging er erst nach einigen Atemzügen weiter. Mit einem suchenden Blick ging er wenige Schritte, bis er ein bekanntes Gesicht sah.


    "Senator Sedulus! Welch Zufall. Ich hoffe du hast nichts gegen etwas Gesellschaft?"

    Endlich war die Antwort da, die Livianus schon einige Wortmeldungen zuvor erfragt hatte. Wieder einmal ein Beweis dafür, dass einige Senatoren gerne und oft um den heißen Brei schwafelten, oder dass man ihn irgendwie ignorierte. Zweites machte ihn kurz nachdenklich, doch er beschloss für sich, dass es wohl eher an seinem ersten Gedanken liegen musste. Als er die Summe hörte rechnete er kurz in seinem Kopf nach und erhob sich.


    "Ich bin bereit im Namen der Gens Decima die Begleichung der Hälfte dieser genannten Rate zu übernehmen."