Beiträge von Marcus Decimus Livianus

    Livianus wollte nicht wirklich viele Worte über seine Gefangenschaft verlieren und nickte nur, als sein Klient die Götter erwähnte. Viel Interessanter war für den Senator, was Dragonum nun machte.


    "Bei der Legio II sagst du. Eine großartige Einheit. Ich denke du hast es mittlerweile weit gebracht und dienst dort als Tribun?"

    Wie auch schon sein erster Vorstoß in diese Richtung, ging auch sein Zweiter und Letzter im üblichen Geschwafel der Senatoren unter. Es gab anscheinend keinerlei Konsequenzen für die Nichteinhaltung der Gesetze durch einen Senator. Livianus konnte also nichts anderes als sich geschlagen zu geben. Eine Abstimmung hatte keinen Sinn, das war deutlich geworden. Das Ergebnis stand bereits fest durch die Unterstützung von Macer und Quarto, die einen starken Einfluss auf die plebejischen Senatskollegen hatten und die Patrizier würden ohnehin nicht einen der ihren angreifen. Sollten sie doch alle machen was sie wollten. Es war abzuwarten, ob dieser eingeschlagene Kurs des Senats der richtige Weg war. Mit steinerner Mine sah Livianus den Consul an.


    "Unter diesen Umständen ist eine Abstimmung wohl unnötig. Ich danke für das Gehör."


    Dann setzte er sich wieder und zeigte wenig Interesse für die restliche Diskussion um die Vergabe der Ämter.

    Auch Livianus schien einen Moment lang mit der Situation überfordert zu sein, dass Seiana, von der sie gerade noch gesprochen hatten, nun plötzlich in der Türe stand. Wieder einmal ein Beweis dafür, dass Frauen ein seltsames Gespür für solche Momente hatten. Als er seine kurze Irritation wieder abgelegt hatte, rang sich der Senator ein Lächeln ab.


    "Salve. Wenn es dich nicht stört das auch Faustus anwesend ist, dann kannst du gerne offen sprechen Seiana. Ansonsten lasse ich dich später rufen."

    "Hmm."


    Der Decimer wirkte einen Augenblick lang sehr nachdenklich ehe er dem Consular antwortete.


    "Natürlich habe ich daran gedacht, vor allem wenn ich sehe wie der Cursus Honorum von Patriziern überrannt wird. Der Gang in die Politik ist anscheinend tatsächlich zu einer elitären Angelegenheit geworden. Auch dem würde ich gerne entgegen wirken und habe mir diesbezüglich schon einige Gedanken gemacht.


    Doch glaube ich nicht, dass die Zeit schon reif für eine Kandidatur ist. Bei der Wahl zum Praetor hatte ich bereits Fortuna auf meiner Seite und ich glaube nicht, dass ich es ein weiteres Mal darauf ankommen lassen sollte. Daher wollte ich mich zuerst wieder in die Dienste des Kaisers stellen und durch Taten glänzen, nicht nur durch Worte."


    Für einen kurzen Moment zweifelte Livianus jedoch an seinen Überlegungen und sah seinen Patron fragend an.


    "Oder bist du der Meinung ich könnte eine Wahl tatsächlich für mich entscheiden?"

    Natürlich konnte es sein, dass Bularchos etwas derart unüberlegtes plante, doch hielt der Decimer es für mehr als unwahrscheinlich und dementsprechend ruhig konnte er der jungen Iunia auch antworten.


    "Ich denke nicht. Diese Männer sind zwar Kriminelle, aber dennoch haben viele von ihnen Respekt vor Traditionen und ein gewisses Ehrgefühl. Einen Senator Roms anzugreifen würden sie kaum wagen. Du kannst also unbesorgt sein. Wie du richtig festgestellt hast waren sie jetzt auch nicht darauf aus die Allgemeinheit mit in ihre Streitigkeiten zu ziehen."

    Livianus war bei besagten Sitzungen nicht anwesend, da er zu dieser Zeit bereits im Krieg bzw. später dann in parthischer Gefangenschaft festsaß. Natürlich kannte er die Baustelle des Ulpianums und hatte davon gehört, doch sich bisher nicht wirklich näher damit beschäftigt. Dementsprechend verwirrt sah er von einem Sprecher zum nächsten, bis er sich selbst kurz zu Wort meldete, um für sich selbst etwas mehr Klarheit zu schaffen.


    "Also liegt es nun an den finanziellen Mitteln oder einer fehlenden Aufsicht?"

    Als Valeria sich aus ihrem Bett erhob, stand auch Livianus rasch wieder auf und nickte verständnisvoll.


    "Natürlich. Ich werde dir sofort das Bad herrichten lassen und nach Mattiacus schicken. Es soll dir an nichts fehlen Valeria."


    Dann trat er wieder vom Bett zurück und entfernte sich in Richtung Türe.


    "Nun werde ich dir wieder Ruhe gönnen. Wir können uns noch später in aller Ruhe unterhalten. Es gibt bestimmt viel, dass du zu erzählen hast und auch hier in Rom ist einiges seit deiner Abreise passiert.


    Die Sklaven werden gleich hier sein um dir neue Kleider zu bringen. Bis nachher Valeria."


    Noch ein letztes Mal musterte sein Blick die junge Frau. Ihr Zustand war wirklich bedenklich, doch er hatte sich fest vorgenommen die Vergangenheit auf sich beruhen zu lassen und sich um Valeria zu kümmern. Mit einem kleinen Lächeln schloss er die Türe hinter sich und machte sich auf um den Sklaven Bescheid zu geben.

    "Eine junge Frau die mit der hohen Kunst der Kriegsführung vertraut ist! Ich muss gestehen junge Iunia, du überraschst mich immer mehr. Leider waren meine strategischen Berater bisher immer weitaus weniger bezaubernd als du es bist. Ein Umstand den ich bei einem zukünftigen Kommando überdenken sollte, sofern ich noch einmal dazu berufen werden sollte."


    Er prostete seinem Gast erneut lächelnd zu und nahm einen Schluck, ehe er weitersprach.


    "Aber auch die Dichtkunst ist eine ehrbare Freizeitbeschäftigung. Es wäre mir eine große Ehre, wenn du mir etwas rezitieren würdest. Ich selbst komme leider sehr selten dazu Gedichte zu lesen, doch höre ich immer gerne zu, wenn sich eine passende Gelegenheit bietet. Also bitte."


    Erwartungsvoll sah der Senator die junge Frau an.

    Als Livianus von der Ankunft seines langjährigen Klienten erfuhr, eilte er zum Atrium und trat ihm mit offenen Armen entgegen.


    "Octravius Dragonum. Es tut gut dich zu sehen und es freut mich ganz besonders, dir nach so langer Zeit wieder die Hand reichen zu dürfen."


    Solche treuen Klienten waren es, die seinen Dank und seine Anerkennung mehr als alle anderen Verdienten. Während er ihm seine Hand zum Gruß reichte, klopfte er dem Octavier mit der anderen Hand freundschaftlich auf die Schulter.


    "Willkommen in meinem Haus!"

    "Sehr gut. Dann werde ich euch in den nächsten Tagen eine Einladung zukommen lassen. Ich danke dir für diese besondere Ehre dich in meinem bescheidenen Heim als meinen Gast begrüßen zu dürfen. Dort können wir dann auch in Ruhe über dieses Thema sprechen."


    Dankend nickte Livianus seinem neuen Patron zu. Für ihn gab es nun nichts mehr, das man zu verheimlichen hatte und so sprach er in einer dem Straßenlärm angepassten Lautstärke weiter.


    "Eine Sache gebe es da noch, die ich gerne mit dir besprechen möchte.


    Ich denke, ich bin nun lange genug wieder zurück in Rom und konnte mich seitdem weitestgehend von meinen erlebten Strapazen erholen, um unserem Kaiser nun wieder etwas aktiver zu dienen. Das Leben als einfacher Senator ist nichts für mich. Das habe ich in den letzten Monaten deutlich gemerkt."


    Livianus lächelte beim letzten Satz einen kurzen Moment. Er wusste das man ihn weitestgehend nicht gerade als begabten geschweige denn herausragenden Politiker sah, so wie es bei Quarto der Fall war. Der Decimer hatte andere Eigenschaften, mit denen er überzeugen konnte. Er wurde jedoch gleich wieder ernst.


    "Daher hatte ich gehofft, du könntest dich umhören oder beim Kaiser ein gutes Wort für mich einlegen. Vielleicht gibt es ja einen Posten der meinen Erfahrungen und meinem Rang gerecht wird und wo der Kaiser und vielleicht auch du einen verlässlichen Mann benötigt. Ich selbst hätte so auch die Möglichkeit meine Ehre wieder herzustellen, die viele seit meiner Rückkehr aus Parthien als beschmutzt ansehen."


    Livianus dachte dabei natürlich vorrangig an ein militärisches Kommando oder gar eine Statthalterschaft, die bisher auf Grund der unterschiedlichsten Umstände immer wieder unter den Tisch gefallen war. Vielleicht hatte der Kaiser ja auch bereits daran gedacht einen Legatus Augusti als Sondergesandten nach Aegyptus zu schicken, um sich dort ein Bild von der Lage zu machen, die vor allem durch die Berichterstattung der Acta immer wieder in ein eher schlechtes Licht gerückt wurde. Wie dem auch war, so wusste bestimmt auch Quarto das Livianus als Bürokrat nicht viel taugte. Er war eher ein Mann der Tat.

    Es war verständlich das gerade Macer Partei für die Gültigkeit der Wahl ergriff. Seit er mit einer Patrizierin verheiratet war, schien er den patrizischen Senatoren wesentlich näher zu stehen als seinen plebejischen Kollegen. Zumindest war dies die Schlussfolgerung des Decimers. Anders konnte er sich nicht erklären warum gerade ein sonst so genauer und pflichtbewusster Senator wie Macer es gutheißen konnte, dass man sich nicht an das Römische Gesetz hielt, noch dazu wo es dem Adel einen derart großen Vorteil verschaffte.


    Magistrate die zu einem Großteil aus den patrizischen Reihen gewählt waren, schienen Macer also nicht sonderlich zu stören. Vielleicht hatte er ja bereits das eine oder andere Abkommen mit dem Adel geschlossen, falls er bei der nächsten Wahl als Consul kandidieren wollte. Doch ein patrizischer Consul der bei einer Wahl das Gesetz beugte und nun auch noch ein Haufen patrizische Magistrate die aus dieser Wahl hervorgingen? Nein! Das konnte Livianus nicht akzeptieren. Er beharrte daher auf seiner Meinung.


    "Sich bei allen anderen Punkten, außer bei Wahlfälschung oder Wählernötigung nicht an das Gesetz zu halten hältst du also für unproblematisch und vertretbar Senator Macer? Dann frage ich dich wofür wir überhaupt solche Gesetze haben? Schaffen wir sie doch ab? Warum den Ablauf der Kandidatur genau festlegen? Warum einen Wahltermin oder ein Wahlende vorschreiben? Überlassen wir doch alles den Gutdünken des gerade amtierenden Consuls so wie dieses Mal.


    Ehrenwerte Senatoren. Wenn keine Konsequenzen aus der Nichteinhaltung von Gesetzen gezogen werden, können wir sie doch ebenso gut abschaffen."


    Theatralisch hob Livianus die Hände in die Höhe und schüttelte seinen Kopf.

    Livianus hatte lange mit sich gehadert. Seine letzte Anfrage über die Rechtsgültigkeit dieser Wahlen würde einfach abgewürgt und ad acta gelegt, sehr zum Missfallen des Decimers und aus seiner Sicht ein herber Rückschlag für die Glaubwürdigkeit dieses Gremiums. Bestimmt war es auch ein schlechtes Omen für die weitere Zukunft des Senats, vor allem in Zeiten wie diesen. Die ganze Zeit über hatte er sich gewundert und geärgert, dass keiner der Senatoren die hier fleißig über Gesetze diskutierten und diese dann beschlossen nun auch auf die Einhaltung selbiger pochte, Keiner von ihnen hatte sich erhoben um gegen diese Vorgangsweise zu protestieren, die der Consul mit Hilfe des Praefectus Urbis durchziehen wollte. Dies war nun die letzte Chance um die Einhaltung der Gesetze einzufordern. Bis zum letzten Moment ging der Senator alles noch einmal durch. Alle Vor- und Nachteile mussten durchdacht werden und schließlich traf er seine Entscheidung. Langsam erhob sich Livianus von seinem Platz.


    "Ja die gibt es Consul!


    Da die Veröffentlichung des Wahltermins nicht gemäß § 40, Absatz 2 des Codex Universalis rechtzeitig stattgefunden hat, müssen die Wahlen für ungültig erklärt werden. Ich fordere den Consul daher auf sich an die römischen Gesetze zu halten und dementsprechend zu handeln"

    Noch ehe Serapio antworten konnte, klopfte es an der Türe. Es war nicht das typische zaghafte Klopfen eines Sklaven und daher ersparte sich Livianus ein lautes Raunen um nicht unnötig gestört zu werden. Doch wer konnte es sonst sein?


    "Einen Augenblick."


    Einhalt gebietend hob er die Hand und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Türe.


    "Herein!"

    "Mattiacus geht es gut. Er ist nachwievor kaiserlicher Advocatus und vermutlich noch am Kaiserhof. Du wirst ihn bestimmt heute Abend sehen."


    Livianus tat sich schwer über den schlechten Zustand Valerias hinwegzusehen. Er streckte daher noch einmal seine Hand aus und legte sie sachte auf ihr Bein.


    "Ich werde nun die Sklaven kommen lassen. Sie sollen sich um dich kümmern. Ich bin mir sicher, dass sich frische Kleidung auftreiben lässt. Meine Nichte Seiana sollte deine Größe haben. Die Sklaven werden sich um alles kümmern. Danach lasse ich nach einen Medicus rufen, nur um ganz sicher zu gehen."


    Er zog die Hand wieder zurück und erhob sich langsam von der Bettkante, Valeria keinen Moment aus den Augen lassend. Es schmerzte sie in einem solchen Zustand zu sehen. Es schmerzte sehr. Doch das wichtigste war, dass es ihr gut ging und sie wieder sicher in Rom war.

    Auch Livianus wurde jetzt klar, dass Valeria nicht ganz bei sich sein konnte und er hoffte inständig, dass es nur eine vorübergehende Angelegenheit war und nicht von Dauerhaftigkeit. Mit einem etwas mitleidigen Blick sah er sie an und presste die Lippen zusammen. Sie war also unterwegs. Diese Information verriet nicht besonders viel über die Erlebnisse und Aufenthaltsorte in der langen Zeit ihrer Abwesenheit. Und dann die Frage nach den anderen. Sollte er sie im Moment etwas schonen und alles schönreden oder sollte er ihr die Wahrheit sagen. Er war kein Arzt und wusste nicht was richtig war, doch wäre er in der gleichen Situation, würde er die Wahrheit hören wollen. Ganz egal wie sehr sie ihm treffen würde. Er hoffte auch bei Valeria war es der richtige Weg und versuchte dabei so einfühlsam wie möglich zu sein.


    "Meridius und Severa haben sich vor längerer Zeit auf ihr Landgut zurück gezogen. Er hat dem Militär und der Politik den Rücken gekehrt und kümmert sich nun ganz um seine Familie.


    Und deine Schwester…….. deine Schwester ist nicht mehr unter uns. Aber das weißt du doch Valeria. Geht es dir wirklich gut? Soll ich einen Arzt kommen lassen? Bitte sag mir die Wahrheit."