Beiträge von Marcus Decimus Livianus

    Serapio wechselte das Thema, was an der allgemeinen Stimmung des Senators nicht sonderlich viel verbesserte. Auch ihm lag diese Heirat im Magen. Nicht nur, da er erst vor kurzem selbst von Quarto darüber erfahren hatte, sondern da auch ehr die Vorstellung mit Serapio teilte, wie eine solche Verlobung angegangen werden sollte. Er seufzte daher laut und lehnte sich zurück.


    "Ein Aelier sollte allerdings das Wort Demut und Respekt kennen. Leider habe ich es auch erst vor kurzem eher zufällig von Aelius Quarto erfahren. Auch ich bin nicht besonders glücklich über den Weg, den dieser Archias und deine Schwester gewählt haben. Auch ich hätte es vorgezogen, wenn man mit mir gesprochen hätte."


    Er überlegte kurz, ehe er resignierend weiter sprach.


    "Natürlich ist Seiana vollkommen unabhängig und frei bei der Wahl ihres Mannes, allerdings ist es seit jeher Brauch auch die Familien mit einzubeziehen in solch große Entscheidungen. Es hat mich sehr enttäuscht, dass sie nicht bei mir war. Weder davor, noch danach. Doch uns sind wohl die Hände gebunden Faustus."

    "Ich stimme dir bei allem was du gesagt hast ohne zu zögern zu junge Iunia. Allerdings handeln nicht alle Männer die solche Positionen erreichen so ehrenhaft oder aus so ehrbaren Gründen wie du sie eben beschrieben hast. Viele treibt auch falscher Ergeiz, gier nach Macht oder einfach nur das schlichte Verlangen nach Geld und Reichtum zu besonderen Taten. Und bist du einmal in einer Position wie ich, so hast du auch sehr oft mit solchen Männern zu tun, ob du es willst oder nicht.


    Und ein Feldherr mag als schillernde Persönlichkeit erscheinen, wenn er hier in Rom ankommt und mit einem Triumphwagen durch die Straßen gezogen wird, mit all dem Pomp, der Folklore und der Festlichkeit. Doch dies sind nur kurze flüchtige Momente im Leben. Die Kehrseite, das tatsächliche Leben eines Feldherrn sieht anders aus. Es besteht die meiste Zeit aus Blut, Eisen und Dreck."


    Livianus hatte in seinem bisherigen Leben alles erreicht, dass ein Plebejer erreichen konnte und gesehen, was für viele Römer kaum vorstellbar war. Einzig das Consulat fehlte um seinen vollkommenen Werdegang abzuschließen und diese Hürde, sofern sie tatsächlich eine war, lag vermutlich noch vor ihm. Da er nichts über Axilla wusste konnte er nicht ahnen, dass auch sie bereits die eine oder andere Erfahrung mit solchen von Macht und Gier korrumpierten Leuten gemacht hatte. Er ging davon aus, dass sie aus einem gut behüteten Haus kam, so wie er es von den Iuniern seit jeher gewohnt war und wollte sie auch nicht weiter mit dem Wissen über Politik oder gesellschaftlichen Intrigen belasten.


    "Aber lass uns über etwas anderes sprechen. Was interessiert eine junge Dame wie dich, wenn du nicht gerade mit deinen Betrieben beschäftigt bist oder an eine Karriere in der Politik denkst?"

    Vermutlich sah er Valeria mit ebenso großen Augen an wie sie ihn. Erst jetzt, wo sie sich aufsetzte und er sie besser sehen konnte nahm er war, dass sie sehr mitgenommen wirkte. Anscheinend war es ihr in letzter Zeit nicht all zu gut ergangen. Ihre Tunika hatte deutlich sichtbare Flecken und ihr Haar wirkte ungepflegt und ungewöhnlich lang. Doch Livianus ließ sich dadurch nicht irritieren und zog seine Hand wieder zurück auf seinen Schoß.


    Ihre erste Reaktion war verwirrend für den Decimer. Sie wirkte einerseits gefasst und ruhig, ganz als wäre seit dem letzten Treffen erst eine Woche vergangen und es das normalste der Welt, dass sie sich nun gegenübersaßen, was andererseits vollkommen unlogisch erschien und nicht zur momentanen Situation passte. Als sie schließlich zu sprechen begann konnte Livianus seine Verwunderung nicht mehr verbergen. Eine formelle Begrüßung, ein „Es tut gut dich zu sehen“ und ein „Wie geht es dir“? Er hatte sich natürlich kein überschwängliches um den Hals fallen erwartet, aber auch nicht derart ruhige und kontrolliert wirkende Worte, die auf den ersten Eindruck wirkten, als wäre Valeria nicht ganz bei Sinnen. Seine Nervosität ließ dadurch wieder etwas nach, doch musste er schlucken ehe er ihr antworten konnte, da sein Hals in der Zwischenzeit durch das aufgeregte Ein- und Ausatmen trocken geworden war. Zaghaft und in einer sanften, leisen Stimmlage begann er zu sprechen.


    "Es tut auch gut dich gesund und wohlbehalten zu sehen Valeria und wie du siehst geht es mir gut. Die Frage ist wohl eher: Wie geht es dir? ......und vorallem.... Wo warst du so lange Zeit?"

    Direkt vom Eingang kommend trat Livianus an das Zimmer, das auch schon früher Valeria gehört hatte und seit ihrem Fortgang nicht mehr in Verwendung war. Gleich würde sich zeigen, ob es sich nur um einen bösen Traum oder eine trügerische Täuschung der Götter handelte, oder ob sie tatsächlich Heim gekehrt war. Die schweren Stoffbahnen seiner Senatorentoga lasteten stärker als sonst auf seinen Schultern, als seine Hand zögerlich nach dem Riegel griff und ihn langsam beiseite schob. Wie in Trance setzte er langsam einen Fuß vor den Anderen und betrat das Zimmer. Es war still. Sehr still und er konnte deutlich sein Herz schlagen hören, als er sich umsah. Wie auch schon unten im Atrium war kein Reisegepäck zu sehen und alles schien auf den ersten Blick wie immer zu sein - verlassen und Ruhig. Erst jetzt merkte der Decimer, dass die Staubfänger nicht mehr auf den Möbelstücken hingen und…….. das eine zierliche Gestallt im Bett lag.


    Schritt für Schritt ging Livianus auf das Bett zu, während ihm sein Herz vor Aufregung mittlerweile bis zum Hals schlug. Solch starke Empfindungen und eine solche Verwirrung hatte er schon lange nicht mehr empfunden. Selbst seine Gefangenschaft in Parthia hatte ihn nicht derart aus der Fassung gebracht, als dieser Moment der Ungewissheit und der…… Er wusste es nicht. War es Angst die er empfand? Doch wovor? Vor einem Wiedersehen mit Valeria? Als er nahe genug herangetreten war um das Gesicht auszunehmen erkannte er sie schließlich. Es war tatsächlich Valeria, die seelenruhig und friedlich schlafend vor ihm lag. Ihre Gesichtszüge hatten sich kaum geändert und auch wenn sie etwas älter geworden war, hatte sie sich kaum verändert. Sie war schön wie bei ihrer letzten Begegnung. So wie er sie all die Zeit in Erinnerung behalten hatte. Noch einmal atmete er schwer, ehe er sich weiter an sie heranwagte und schließlich am Rand ihres Bettes Platz nahm. Automatisch bewegte sich seine Hand zaghaft in ihre Richtung. Fast als wollte er durch eine Berührung feststellen, ob sie tatsächlich Realität war. Doch kurz vor ihrem Ziel hielt sie an. Was, wenn es doch nicht Real war? Was wenn er nun gleich feststellen musste, dass es sich nur um ein Trugbild handelte. Vielleicht schlief er ja oder hatte Halluzinationen wie auch schon während seiner Gefangenschaft. Sollte er diesen Moment nicht so lange wie möglich auskosten? Nein! Er musste es wissen. Er musste die Wahrheit wissen. Sanft legte er seine Hand auf ihre Schulter und sprach sie leise an.


    "Valeria?"

    Am späteren Nachmittag kam Livianus aus dem Senat zurück. Die heutigen Sitzungen hatten sich als äußerst zermürbend und langatmig erwiesen und der Decimer hasste das Geschwafel mancher Senatoren, die einfach viel zu viel um den heißen Brei redeten und nie zum eigentlichen Punkt ihrer Anträge kamen. Am Rückweg zur Casa dachte er noch, dass ihm etwas Abwechslung bestimmt nicht schaden würde und überlegte, was er nach seiner Rückkehr unternehmen konnte, um sich aufzumuntern und den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, was ihn bei seiner Ankunft erwarten sollte.


    Kaum im Hause eingetroffen wurde er überfallsartig von einem Sklaven abgefangen, der ihn aufgeregt über die Heimkehr einer lang vermissten Verwandten informierte. Nun war der Kreislauf des Decimers mehr als in Schwung. Im ersten Moment glaubte Livianus an einen schlechten Scherz, doch wurde ihm bald bewusst, dass sich kein Sklave einen solch schlechten Scherz mit seinem Herrn erlauben würde. Es musste also stimmen. Er merkte wie sein Blutdruck stieg und sein Herz schneller zu schlagen begann. Konnte es tatsächlich sein? Valeria hier in Rom? Zurückgekehrt von… wo auch immer? Nach solch langer Zeit ohne Nachricht oder Wissen um ihren Verbleib. Er strauchelte kurz und musste sich an der Wand abstützen um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Der Sklave trat sofort an seinen Herrn um ihn zu stützen, doch Livianus schob ihn mit der anderen Hand von sich weg. Er atmete durch und richtete sich wieder auf. Nach dieser mehr als überraschenden Nachricht musste Livianus erst kurz verschnaufen ehe er richtig das Haus betreten konnte. Die Gedanken in seinen Kopf drehten sich. Er dachte an die Vergangenheit, an Momente seines Lebens, die er bereits tief in seinem Unterbewusstsein vergraben hatte und die dennoch unvergesslich waren. An Augenblicke trauter Zweisamkeit, an starke Gefühle, an Zuneigung, an Liebe und schlussendlich an einen kühlen Herbstmorgen in Confluentes. Alles schien ganze Menschenleben zurück zu liegen und hätte er die Bilder nicht genau vor sich, würde er sie für verschwommene Träume halten, die fern jeder Realität schienen. Er schob die Gedanken wieder rasch beiseite. Zu sehr belasteten sie den Senator in diesen schwachen Moment. Dann nickte er dem Sklaven dankend zu und betrat die Casa.

    Erst jetzt viel dem Senator auf, welch wunderschönes und strahlendes Lächeln das junge Mädchen hatte. Einfach bezaubernd wie er für sich selbst feststellte. Auch die Konversation war abwechslungsreich und erfrischend. Bei dieser Gelegenheit nahm sich Livianus vor in Zukunft öfter solche Gespräche, sofern sie sich ergaben, zuzulassen und sich nicht zu eher verschließen wie bisher.


    "Senator und Feldherr wirst du vermutlich keiner, aber glaube mir wenn ich dir sage, dass ich mich schon oft selbst gefragt habe, ob dies wirklich so erstrebenswerte Ämter und Aufgaben sind, für die sie die meisten Leute halten. Ich bin bisher noch zu keinem Schluss gekommen, da ich mir diese Frage oft jeden Tag aufs Neue stellen muss. Und du hast Recht. Die Option einer Heirat steht dir ja trotz deiner vielfältigen Geschäfte und Ideen auch noch immer offen."


    Als Axilla das Haus ansprach, sah sich Livianus kurz im Raum um, ehe er mit einem Lächeln auf den Lippen antwortete.


    "Ja, mehr oder weniger. Es hatte einst meinen Vater gehört, der es erwarb als er nach Rom zog. Er wurde damals noch von Kaiser Iulianus an den Kaiserhof geholt um der kaiserlichen Kanzlei vorzustehen. Man könnte sogar sagen, dass er einer der Vorgänger von Silanus war, auch wenn die Ämter damals noch andere Namen und teilweise andere Aufgaben hatten."

    Der Senator konnte seine Überraschung wohl nicht verbergen, als er die junge Frau vor ihm noch einmal genauer musterte. Er hatte zwar gleich anfangs festgestellt, dass sie noch ziemlich jung aussah, aber auf siebzehn Jahre hatte er sie keinesfalls geschätzt. Sie wirkte bereits wesentlich älter und auch durch ihre Erzählungen über Alexandria und ihre Betriebe hatte er sie auf mindestens Anfang Zwanzig geschätzt. Ein weiterer Beweis dafür, dass er sich bereits länger nicht mehr mit der holden Frauenwelt beschäftigt hatte. Siebzehn war in jedem fall seeehr Jung. Zumindest seiner Ansicht nach.


    "Erst Siebzehn sagst du? Nun ja. Dann hast du ja bereits mehr in deinen jungen Jahren erreicht als so mancher Mann. Die Iunier haben sich anscheinend sehr der alexandrinischen Lebensart angepasst, wenn sie einer jungen Frau aus ihren Reihen solch weitgehende Freiheiten gestatten. Für die meisten römischen Familien wäre so etwas schlicht unvorstellbar. Wie sagt man aber so schön? Andere Länder, andere Sitten. Und der Weg in die Politik hätte deinem bisherigen Werdegang dann wohl noch die Krone aufgesetzt. Dann hätten sich wahrlich die meisten römischen Männer im gleichen Alter vor Scham verstecken müssen."


    Livianus schmunzelte.


    "Aber du bist noch sehr jung und hast bestimmt noch ein langes Leben vor dir. Wer weiß welche Chancen dir dabei noch offen stehen."

    "Natürlich. Verzeih bitte."


    Erst jetzt wurde Livianus bewusst, das er wohl nicht leise genug gesprochen hatte. Er sah sich wieder um, konnte jedoch nichts Auffälliges erkennen. Dann wandte er sich wieder an Quarto.


    "Vielleicht könnten wir uns ja bei einem gemütlichen kleinen Essen treffen und über dieses Thema den einen oder anderen Gedanken austauschen. Als dein neuer Klient werde ich dich selbstverständlich in die Casa Decima einladen. Vielleicht kann ja auch dein Klient Balbus diesem Treffen beiwohnen und andere Gäste deiner Wahl."

    Die Geschichte der jungen Iunia ließen auch den Senator für einen kurzen Moment in Erinnerungen schwelgen und machte ihm zugleich bewusst, wie alt er schon im Vergleich zu Axilla war. Welch ein Zufall das Axillas Vater im selben Krieg wie Livianus gekämpft hatte. Mit ziemlicher Sicherheit sogar unter dem Kommando von Meridius. Doch der Senator hatte damals wohl mehr Glück als der Iunier.


    "Der Aufstand des Sertorius. Ja, auch ich habe dort gekämpft und als viele gute Männer und Freude fallen sehen. Ein sehr dunkler Fleck in der Vergangenheit unserer Heimatprovinz."


    Zum Glück wechselte Axilla das Thema sofort gekonnt auf Alexandria, was Livianus sehr begrüßte. Überrascht lächelte er sie wieder an.


    "Zwei Betriebe?! Und das schon in deinem jungen Alter! Du weißt wohl ziemlich genau was du willst junge Iunia? Aber an Zielstrebigkeit hat es deiner Familie nie gemangelt. Man sieht, dass auch du ganz nach den Iuniern kommst, die ich bisher kennen gelernt habe. Und über diese Freiheit der Frauen habe ich bereits gehört. Sie sollen sogar in die Politik aktiv sein dürfen. Leider hatte ich zuwenig Zeit mir ein genaueres Bild von Alexandria zu machen und ein erneuter Besuch wird mir wohl Zeit meines Lebens nicht mehr gestattet sein."

    Das Seiana heiratete, hatte er bereits so ganz nebenbei bei seinem kürzlich geführten Gespräch mit Quarto erfahren. Seit dem hatte sich keine Gelegenheit zu einem Gespräch mit ihr geboten. Mit nachdenklicher Mine sah er kurz zum Türbogen, aus dem Seiana vorhin gegangen war. Er war enttäuscht, dass sie nichts gesagt hatte, immerhin war sie seine Nichte und lebte unter seinem Dach. Ihre Wahl war zweifellos hervorragend. Eine Verbindung mit dem Kaiserhaus, auch wenn nur entfernt verwandt, war der Traum vieler römischen Familien, doch wäre es nicht zuviel verlang gewesen, wenn ihr Zukünftiger dem Hausherrn der Decimer zumindest seine Aufwartung gemacht hätte. Doch dazu später.


    Der Senator lächelte sanftmütig als er Axillas Frage hörte.


    "Keine Sorge. Du bist nicht der Erste und bestimmt auch nicht der letzte Mensch der mir diese Frage stellt."


    Bevor Livianus zu erzählen begann nahm er einen kräftigen Schluck aus seinem Becher und ließ sich dann endgültig auf der Liege nieder.


    "Entkommen ist das falsche Wort. Ich habe es meinem Bruder und seinen Gefährten zu verdanken das ich Lebe. Sie sind in einer Nacht- und Nebelaktion nach Parthia gereist, haben mich aufgespürt und konnten mich bei einer passenden Gelegenheit aus den Händen unserer Feinde befreien. Es folgte eine längere Fluch, die uns schließlich nach Aegyptus führte, wo ich unter falschen Namen reiste. Für einen Besuch blieb da leider keine Zeit, doch beinahe hätte ich euch kennengelernt. Ich habe mich als Iunier ausgegeben, da ich nicht wusste, das Silanus dort bereits als Tribun gedient und noch Familie in Alexandria hatte. Es wäre also möglich gewesen, dass die Stadtwachen meine Identität kontrolliert hätten. Es wäre interessant gewesen, wie ihr darauf reagiert hättet. Doch dazu ist es dann nicht mehr gekommen. Du warst damals auch schon in Aegyptus. Was hat dich von Tarraco dort hingeführt?"


    An
    Lucius Iunius Silanus
    Casa Iunia
    Roma, Italia



    Lieber Freund Lucius!


    Ich möchte dich um einen kleinen Gefallen bitten. Es betrifft meinen Bruder Mattiacus. Es wäre mir ein großes Anliegen, dass er im kommenden Jahr ein senatorisches Tribunat zugeteilt bekommt. Da du selbst mit der Aufteilung dieser Posten beauftragt bist, bitte ich dich um deine Fürsprache und Unterstützung.


    Ich danke dir.


    Vale Bene, dein dir verbundener Patron

    MARCUS DECIMUS LIVIANUS
    Senator



    "Glaube mir. Der Kaiser wäre Tor, würde er die Gelegenheit verpassen eine so bezaubernde junge Frau kennen zu lernen geschätzte Iunia."


    Lächelnd prostete Livianus seinem Gast zu, die seine charmante Art hoffentlich nicht missinterpretierte. Er war keineswegs ein Frauenheld, ganz im Gegenteil, jedoch war er es gewohnt einfach auszusprechen was er dachte und dabei war es ihm gleich ob es sich bei seinem Gesprächspartner um einen untergebenen Soldaten oder eine junge Frau handelte.


    Interessant war es auch zu erfahren, dass Axilla so wie er aus Tarraco stammte. Vielleicht konnten sie darüber später noch ein paar Worte wechseln. Sein letzter Besuch in der Heimat lag Jahrzehnte zurück. Zumindest schien es ihm so.


    "Der Vetter deines Vaters. Ich verstehe. Und wie lange hast du vor hier in Rom zu bleiben? Ich hoffe du musst nicht all zu bald wieder nach Alexandria."

    "Es geht um den bereits angesprochenen Praefectus. Ich habe von Prudentius Balbus erfahren, dass nicht alle einflussreichen Männer mit diesem Mann und vor allem mit seinen Machenschaften einverstanden sind. Auch du sollst nicht gerade zu seinen Befürwortern zählen. Als Bruder des Kaisers müsstest du doch am ehesten intervenieren können? Dieser Mann ist eine Schande für unseren Stand und wird uns in eine Katastrophe stürzen sofern der Kaiser nicht bald gesundet."


    Livianus blickte sich wieder um. Ein Mann wie der Vescularier hatte bestimmt unzählige Agenten, die auf der Straße nach Aufrührern und Verschwörern Ausschau hielten. Welches Ziel konnte da lohnender sein als Senatoren, die ohnehin nicht gerade zu Salinators Freunden zählten.

    Ach was! Der Consul hatte vollkommen Recht mit dem was er sagte und Livianus überlegte einen erneuten Unterstützungsvorstoß für diesen Antrag. Dabei gingen ihm Praxisbeispiele aus seiner Erfahrung als Soldat durch den Kopf, die bestimmt auch der eine oder andere militärerfahrene Senator hier im Saal mit ihm teilen konnte. In Kriegszeiten wurden in einer Legion römische Legionäre die sich des Diebstahls schuldig gemacht hatten sofort erhängt und Desserteure sogar gekreuzigt. Wie konnte man dann Mitleid mit schäbigen Räubern empfinden, die das Leben unschuldiger Menschen bedrohten?! Livianus seufzte und schüttelte den Kopf. Bei einem kurzen Blick in die Runde viel ihm auf, dass von denen an der Diskussion beteiligten Senatoren bisher seinem Wissen nach keiner ein eigenes Kommando geführt hatte. Er entschied daher vorerst nichts zu sagen sondern wartete auf weitere Wortmeldungen, denn vermutlich hatten sie ohnehin kein Verständnis für diesen Vergleich.

    Es war interessant zu hören, welche Kontakte dieses junge Mädchen bereits hatte. Sie kannte also einen Aelier und das so gut, dass sie mit einem Besuch im Palast rechnete. Bei ihrem letzten Satz hatte der Senator etwas mühe der immer noch aufgeregten jungen Dame zu folgen, doch schließlich verstand er was sie meinte und lächelte.


    "Also ganz so würde ich das nicht sehen. Mach dich bitte nicht unbedeutender als du bist. Immerhin bist du die Verwandte des Procurator ab epistulis, einem der wichtigsten Posten am Kaiserhof. Iunius Silanus hat einfach einen außerordentlich ungünstigen Zeitpunkt erwischt dieses besondere Amt anzutreten. Wäre der Kaiser hier in Rom und nicht dauerhaft auf seinem Landbesitz in Misenum, würde Silanus vermutlich jeden Tag mit ihm konferieren. Und nicht zu vergessen Iunia Attica, die früher ebenso ein Procuratorenamt am Kaiserhof innehatte. Die Iunier mögen nicht die größte Gens des Reiches sein, aber sie haben schon bedeutende Persönlichkeiten hervorgebracht."


    Vermutlich viel es Axilla nicht auf, aber als Livianus Atticas Namen aussprach überschlug sich seine Stimme etwas. Er hatte bereits lange nicht mehr an sie gedacht und war für einen kurzen Moment tief getroffen, überspielte diesen Zustand jedoch gekonnt. Attica war eine wunderbare und wunderschöne Frau und wer weiß was aus den beiden hätte werden können, wäre sie nicht bereits so früh aus dieser Welt geschieden. Der Senator seufzte kurz auf und drängte die Gedanken wieder beiseite.


    "Wie bist du eigentlich mit Silanus verwandt, wenn ich das fragen darf?"

    "Das Meer macht auch mir immer wieder zu schaffen. Daher verreise ich auch sehr ungern und bin Froh in der Legion gedient zu haben und nicht etwa als Offizier bei der Classis."


    Livianus ließ sich auf der freien Liege gegenüber von Axilla nieder. Aufmerksam trat ein neuer Sklave herbei um dem Hausherrn einen Becher mit verdünnten Wein zu reichen und brachte auch erneut einen Becher Saft für den Gast.


    "Serena. Ja natürlich. Ich habe bereits ihre Bekanntschaft gemacht. Nur der gute Silanus hatte bisher anscheinend keine Zeit mich aufzusuchen. Aber ich will ihm das nachsehen, schließlich hat er nun am Kaiserhof bestimmt einiges um die Ohren."


    Ob er es seinem Klienten tatsächlich nachsah, dass seine Verwandten mehr Interesse für die Kontakte der Familie zeigten als er selbst behielt er dabei tunlichst für sich. Das würde er mit seinem Klienten selbst klären.
    "Rom ist tatsächlich sehenswert und ich hoffe du hast genug Zeit mitgebracht um dir alles anzusehen. Ich kann mich noch an meine erste Reise nach Rom erinnern. Ich war schlichtweg überwältigt. Als junger Mann der bis dahin nicht wirklich aus Tarraco herausgekommen ist war dies ein unbeschreibliches Erlebnis. Ich kann also gut verstehen wie es dir gehen muss. Ich hoffe doch das Silanus dir auch den Palast gezeigt hat. In seiner Position kann er bestimmt einen Gast einschleusen. Ich kann dir nur raten diese Möglichkeit nicht verstreichen zu lassen. Der Kaiser selbst weilt zwar derzeit nicht in Rom, aber es können nicht viele behaupten im Palast des Kaisers gewesen zu sein."


    Lächelnd hob Livianus den Becher, um Axilla zuzuprosten.

    "Der Dank gilt vielmehr dir für dein Kommen und den weiten Weg den du dafür auf dich genommen hast. Für mich ist es eine Sebstverständlichkeit, dass mein Haus jedem Iunier offen steht und als ich deinen Brief gelesen habe, war es mir ein großes Bedürfnis dich auch einmal persönlich kennen zu lernen. Die Anteilnahme eurer Familie an meinem Schicksal hat mich sehr gerührt und auch gefreut."


    Erneut bot der Senator seiner jungen Besucherin mit einer einladenden Geste einen Platz an.


    "Wenn es dir nichts ausmacht, dann werde ich mich kurz von dieser unbequemen Toga befreien lassen."


    Die Frage war eher aus Höflichkeit, da es sich der Decimer ohnehin nicht mit dieser Toga auf einer der Liegen bequem machen konnte. Livianus winkte erneut zwei Sklaven herbei, die den Wunsch ihres Herrn bereits verstanden hatten und umgehend damit begannen den Senator vorsichtig aus der Toga zu wickeln und sie sorgsam zusammen zu legen. Es war eine Prozedur die fast jeden Tag gleich abief und hatte man einmal eine solche Toga angelegt gehabt, konnte man verstehen, warum Livianus sie schnellstmögich loswerden wollte. Abgesehen von ihrem stattlichen Gewicht, war sie auch nicht besonders bequem, vorallem wenn man sich im eigenen Haus aufhielt. Unter der Toga trug Livianus die obligatorische weiße Tunika, die ebenfalls ein breiter Purpurstreifen, das unübersehbare Erkennungsmerkmal der Senatoren, zierte. Während die Sklaven damit beschäftigt waren die lange Stoffbahn zu bändigen widmete sich Livianus seinem Besuch.


    "Also lass uns noch einmal von vorne beginnen. Deine Reise nach Rom verlief ruhig und ohne größere Zwischenfälle?"

    "Ja, die Göttin Concordia. Ein wunderbarer Vorschlag. Einen geeigneten Termin können wir später noch besprechen."


    Für Livianus war eine solche gemeinsame Opferung doppelt von Bedeutung. Vorrangig natürlich um die Götter positiv auf diesen Zusammenschluss zu stimmen, zum Anderen um mit Quarto in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Keine Frage dass sich diese Neuigkeit in gewissen Kreisen schnell herumsprechen würde. Dafür würden schon Quartos Klienten sorgen, denen Livianus bei dieser Gelegenheit einen kurzen Blick zuwarf, doch es war nie schlecht, wenn auch das einfache Volk eine kurze gemeinsame Zeremonie zu sehen bekam.


    Nun wo er Quarto schon einmal für sich alleine hatte, wollte er auch noch ein weiteres heikles Thema ansprechen. Livianus nahm daher den Schritt wieder auf und bat den Aelier mit einer einladenden Geste es ihm gleich zu tun. Dabei senkte er seine Stimme erneut und sah sich kurz um, ob auch wirklich niemand in der Nähe war.


    "Es gibt da vorher noch eine Kleinigkeit, die ich bei dieser Gelegenheit gerne mit dir Besprechen möchte."

    "Ich bitte euch ehrenwerte Senatoren!" mischte sich Livianus wieder in das Gespräch ein.


    "Es ging mir bei meiner Frage nicht darum einen Schuldigen zu finden, sondern vielmehr zu klären, ob diese Wahlen überhaupt gesetzeskonform und somit gültig sind. Denn so wie es aussieht haben wir nun sogar zwei Punkte die dagegen sprechen. Zum einen der bereits erwähnte zu spät bekannt gegebene Wahltermin und zum anderen haben wir eben erfahren, dass der Kaiser oder vielmehr sein momentaner Vertreter der Praefectus Urbi diesen Termin nicht einmal abgesegnet hat."


    Der Decimer räusperte sich kurz ehe er weiter sprach. Es war ein heikles Thema und er wollte bei weitem keinem der Verantwortlichen zu nahe treten. Es ging ihm dabei lediglich um den Ruf und die Glaubwürdigkeit des Senats, die gerade in Zeiten wie diesen nicht zu Schaden kommen durften. Gewisse Kreise würden ansonsten bestimmt ihre Freude an einem geschwächten Senat haben. Sein Blick wanderte einen kurzen Moment zu Salinator, ehe er sich wieder dem ganzen Senat zuwandte.


    "Eine sehr prekäre Situation wenn man bedenkt, dass gerade in letzter Zeit sehr viel betreffend unserer Gesetze in dieser Halle diskutiert und entschieden wurde. Wir als Senat verlieren meiner Ansicht nach unsere Glaubwürdigkeit, wenn wir dem Volk Gesetze vorschreiben und uns dann nicht einmal selbst an die Einfachsten und Unmissverständlichsten halten."