Nach seinem Sieg über M. Antonius [I 9] 31 v. Chr. suchte Octavianus (Augustus), ein p. civitatis (Nep. Att. 19,2), seine im Bürgerkrieg usurpierte Machtstellung zu legitimieren. Er benötigte hierzu in erster Linie die Anerkennung der polit. und sozial bedeutsamen Senatsaristokratie, auf deren Erfahrung er zur Verwaltung des großen Reiches angewiesen war [5; 6]. Die Einbindung des Machthabers in die öffentl. Rechtsordnung versprach wiederum der senatorischen Elite Sicherheit und Wahrung ihrer sozialen Stellung (libertas; Freiheit). Es kam zu einem ‘Kompromiß zwischen Macht und Recht’ [5. 62]. Der Senat (senatus) verlieh Octavianus/Augustus vom Jan. 27 v. Chr. an unterschiedliche Amtsgewalten, Privilegien und Teilrechte, wodurch seine unumschränkte Gewalt in Rechtsformen gekleidet wurde. Die rechtlichen Grundlagen seiner überragenden Machtstellung waren das imperium proconsulare und die tribunicia potestas (tribunus) [5]. Die machtpolit. Verhältnisse, die Verfügungsgewalt eines einzelnen über ein riesiges Heer und sein hieraus resultierendes Übergewicht im Innern wurden so in das überkommene republikan. Recht integriert.
Die aus den unterschiedlichsten Kompetenzen zusammengesetzte Herrschergewalt verschmolz früh zu einer einheitlichen Rechtsgewalt, die en bloc den Nachfolgern vom Senat übertragen wurde (vgl. die Lex de imperio Vespasiani, CIL VI 930; [7]). Dieses Arrangement zwischen Gewaltherrscher und Senat war für mehr als zwei Jh. konstitutiv.
Unter Rückgriff auf die adligen Werte der republikan. Zeit nannte sich der Militärpotentat jetzt p. (R. Gest. div. Aug. 13; 30; 32), da er innerhalb der senatorischen Führungsschicht (ordo senatorius), der er sich zugehörig fühlte, die absolute Vorrangstellung (principatus; Prinzipat) einnahm, die er nicht durch die faktischen Machtverhältnisse (Befehlshaber über das Heer) oder seine Rechtstitel (potestas), sondern durch seine auctoritas (R. Gest. div. Aug. 34) offiziell begründet sah. Der Alleinherrscher war der p. schlechthin [8], allerdings wurden hochangesehene Männer weiterhin p. civitatis oder auch p. viri genannt. Der p. war kein magistratus, er konnte jedoch Ämter bekleiden. P. wurde zwar titular gebraucht, fand aber nicht Eingang in die offizielle Titulatur [9; 10].
Seit Tiberius findet sich p. in Verbindung mit ehrenden Prädikaten im Superlativ (z. B. optimus, optimus maximusque, iustissimus, indulgentissimus, sacratissimus, providentissimus; sehr selten divinus [9; 11; 12]). Imperator und p. können synonym verwendet werden (Tac. hist. 1,1,4; 1,56,3; [8]), wie auch p. bis in das 8. Jh. in der allg. Bezeichnung von “Kaiser” gebraucht wird [13]. Femina p. meint weibliche Angehörige des Kaiserhauses (Ov. Pont. 3,1,125; Tac. ann. 2,75,1; s. auch Kaiserfrauen). Eine feste griech. Entsprechung für p. findet sich nicht, ἡ³µ¼Î½ (hgemṓn) ist häufig (z. B. R. Gest. div. Aug. 13; 30; 32; vgl. aber im zweisprachigen Edikt des Sotidius für principum maximus das griech. autokratórMn mégistos: SEG 26, 1392; frühtiberisch).
Der p. verstand seine Machtstellung als statio (Augustus, epist. fr. 22 Malcovati; SC de Pisone: AE 1996, 885, Z. 130: paternae stationis; vgl. Vell. 2,124,2; Plin. paneg. 86,3 u. a.). Dieser aus dem mil. Bereich stammende Begriff sollte auf die Selbstverpflichtung des Machthabers verweisen, in ständiger Wachsamkeit auf seinen ihm vom consensus omnium (Tac. hist. 1,49) zugewiesenen “Posten” für das Wohl aller zu sorgen (pater patriae). Er allein war Patron aller Bewohner des Reiches, v. a. galt seine Fürsorge “seinen” Soldaten (R. Gest. div. Aug. 26; 30: exercitus meus, classis mea), deren Gefolgschaft das Fundament seiner Macht darstellte, und der entpolitisierten plebs urbana Roms, dem launischen Publikum für kaiserliche Selbstinszenierungen. Alle erwarteten von ihm die Sicherung ihrer sozialen Existenz (z. B. Sold, Getreide-, Geldspenden, Veteranenversorgung, pax; [14; 15]). Um seine Herrschaft vor möglicher Konkurrenz und Opposition aus dem Kreis der Senatsaristokratie zu schützen, suchte der p. den adligen röm. Familien ihre ererbten Gefolgschaften zu entziehen und zugleich ihre Chancen zu mindern, neue soziale Beziehungen zu knüpfen [5; 19]. Treueeide wurden auf seine Person geleistet [16]. Die Fürsorgepolitik wurde finanziert durch das enorme Vermögen des p. (patrimonium, fiscus). Seine Großzügigkeit (liberalitas) war denn auch eine der vielen Tugenden (virtutes; s. Tugend), die der p. - gleich den republikanischen p. - aufweisen sollte, darüber hinaus v. a. aber jetzt noch herrscherliche Milde (clementia), pflichtgemäßes Verhalten (pietas) und Gerechtigkeit (iustitia). Einen festgelegten Kanon hat es aber nicht gegeben [17].
Der p. hatte als primus inter pares (“Erster unter Gleichen”) eine “bürgerliche Gesinnung” zu pflegen (civilitas), doch stand dem Wesen des Prinzipats als Rechtsordnung entgegen, daß er sich im Reich als Gott verehren ließ [18] (vgl. Kaiserkult) und die dynastische Erbfolge durchzusetzen suchte. Da der p. aber seine ihm vom Senat verliehene Gewalt nicht vererben konnte, sollte dieser dem präsumptiven Nachfolger, entweder einem leiblichen oder adoptierten Sohn, zu Lebzeiten des Vaters das imperium proconsulare und die tribunicia potestas übertragen. Beim Herrscherwechsel hatte der neue p. dann durch scheinbare Verweigerung der Nachfolge (recusatio imperii) den Senat als Rechtsquelle anzuerkennen, der ihn daraufhin in seinem Kaisertum bestätigte.
Mit der allmählichen Entmachtung des Senats, der in der Reichsverwaltung entbehrlich wurde (ordo equester), löste sich der p. im 3. Jh. endgültig vom augusteischen Rechtsgedanken, der jedoch bis weit in die Spätant. lebendig blieb (Cod. Iust. 1,14,4; [5; 19]).
(Loretanade Libero, Art. "Princeps", B. [Hervorhebung von PPP])