Ihre Finger griffen die Kante des Tisches und glitten an dieser entlang, glattes Holz und doch an einigen Stellen unterbrochen von feinen Kerben. Groß schien er nicht zu sein, aber dafür hätte er sie verraten können und alles nur, weil sie hier im Raum nicht wirklich etwas sehen konnte. Wie gut, dass es Nacht war und, dass es sehr Unwahrscheinlich war, dass sich jemand hier noch aufhielt. Wie man sich doch manchmal täuschen konnte. Ihre Sorgen waren im ersten Moment einfach nur bei den Soldaten, deren Schritte sie noch immer hören konnte. Aber sie liefen weiter und keiner kam auf die Idee anzuhalten und nachzusehen, ob sich wer in einem Hinterhof aufhielt.
Noch war ihr gar nicht bewusst wo sie eigentlich eingestiegen war, denn nachzusehen dazu hatte sie keine Zeit gehabt und lesen konnte sie so gut wie gar nicht. Einige Worte und so bekam sie noch hin, aber alles was darüber hinaus ging, wurde sehr schwer. Ihr passte es nicht wirklich, dass das Lesen und Schreiben bei ihr nicht funktionierte, aber sie hatte auch niemanden gehabt der es sie lehrte. Derzeit war sie stets alleine unterwegs, zwar hatte sie ein paar wenige Freunde, aber diese gingen überwiegend ihrem eigenen, erbärmlichen Leben nach. Wobei, wenn man alleine arbeitete hatte es auch viele Vorteile, denn so musste sie wenigstens nichts teilen, sei es Essen oder Geld.
Die Schritte der Soldaten verhallten, aber aufatmen konnte sie nicht, denn schon im nächsten Moment hörte sie etwas aus dem Nebenraum was sie erneut erstarren lies. Die Diebin wagte es kaum noch zu atmen und spürte wie die Hitze ihren Kopf ergriff und es hektisch zu pochen begann in ihren Schläfen. Sie war hier nicht alleine....verdammt, wie hatte ihr ein solcher Fehler nur passieren können? Schwer schluckte sie und ließ widerwillig die Kante des Tisches los und suchte mit ausgestreckten Fingern die Wand, die sie nach wenigen Schritten auf fand. Mit dem Rücken presste sie sich dagegen, unweit von der Tür entfernt. Viele Möglichkeiten blieben der jungen Frau nun wirklich nicht, denn entweder blieb sie hier stehen und versuchte das Beste draus zu machen, oder aber sie flüchtete hinaus durch das Fenster, dann aber würde sie den Soldaten in die Arme laufen. Nun hatte sie die Qual der Wahl und beide Aussichten waren wirklich nicht gerade die Besten.
Das Problem war einfach, dass sie hier nicht sehen konnte ob es etwas gab, wo sie sich verstecken konnte. Nun blieb ihr nichts weiter übrig als zu hoffen, dass die Tür, die nicht weit von ihr weg zu sein schien, in ihre Richtung aufging und sie verdecken würde.....wenn nicht.....
Rasch ging sie in die Hocke, schob den rauen Stoff der Tunika nach oben und zog den schmalen und kleinen Dolch aus der Halterung. Kühl lag der Griff in ihrer Hand und fast zärtlich legten sich ihre zierlichen Finger um den dunklen Griff, bevor sie wieder aufstand und der Stoff ihre Beine erneut bedeckte. Nun war es ihr Herz welches immer schneller zu schlagen begann....so laut, dass sie schon befürchtete, dass jeder es hören müsste. Den Dolch trug sie schon sehr lange mit sich herum, aber bis jetzt hatte sie ihn noch nie einsetzen müssen......doch irgendwann war immer einmal das erste Mal.....Sie hasste diesen Spruch. Feste biss sie sich auf die Unterlippe, etwas was sie immer tat wenn sie schrecklich nervös war oder Angst hatte. Chiomara hätte lügen müssen, wenn sie nun behauptet hätte, sie hätte keine Angst. Irgendwo war es auch spannend, aber da sie nicht wusste wer diese Person war, war es extrem gefährlich und konnte ihr Leben kosten.
Immer fester drängte sie sich mit dem Rücken gegen die Wand, als würde sie hoffen jeden Moment von dieser aufgesaugt zu werden, aber nichts dergleichen geschah, stattdessen wurde die Tür geöffnet. Die Götter waren ihr hold, denn sie ging wirklich in ihre Richtung auf und zum Glück, war sie nur zwei Schritte von ihr entfernt.
Ein flackerndes, schwaches Licht erschien und tauchte das kleine Räumchen, denn mehr war es wirklich nicht, in ein unheimliches Geflimmer. Erneut hielt sie ihre Luft an, wollte nicht schon viel zu früh auf sich aufmerksam machen. Ein Mann trat ein, seine Stimme erklang.....zeugte von Jugend und nicht von Alter. Immer fester schlossen sich ihre Finger um den Griff des Dolches, welches sie dicht an ihrem Körper hielt. Das diffuse Licht konnte einen verrückt machen, war es eben doch noch stockdunkel gewesen. Die Tinte hatte Spritzer nicht nur auf dem Boden hinterlassen sondern auch auf dem schmutzigen Stoff ihrer Tunika. Egal. Das interessierte sie derzeit nicht wirklich. Noch immer drängte sie sich gegen die Wand neben der Tür, aber nun war die Stunde der Wahrheit gekommen....oder nicht?
Es waren nicht mehr als drei Schritte die sie zu ihm brauchte, aber dennoch hatte sie Angst, er könnte sie vorher bemerken oder sich einfach herumdrehen. So blieb ihr nichts anderes übrig als zu hoffen, dass das was sie vor hatte klappte und es gut gehen würde.
Schnell wie eine Katze huschte sie zu ihm und blies gegen die Kerze damit es dunkel wurde, zeitgleich drückte sie ihm den Dolch gegen die Seite, so dass er die Spitze sehr deutlich spüren konnte. Die Kerze hinterließ einen leicht beißenden Geruch, nachdem die Diebin sie ausgeblasen hatte.
„Solche Fragen stellt man nicht,“ hauchte sie ihm flüsternd entgegen und dennoch war die zarte Art in ihrer Stimme nicht zu verkennen. „Beweg dich nicht, dann werde ich davon absehen die Spitze des Dolches in deine Seite zu rammen,“ flüsterte sie weiter und deutete an, dass sie es ernst meinte in dem sie die Spitze noch etwas mehr gegen seine Seite drückte. Ihre andere Hand legte sich auf seinen nackten Unterarm, versuchten ihn somit zu halten, was bei der Zierlichkeit ihrer Finger schon witzig wirken musste. Aber sie hatte ja den Dolch.....und sie würde ihn nutzen, irgendwie wenn es denn sein musste. Ihre Finger waren regelrecht kalt, nicht nur kühl, was an dieser plötzlichen Aufregung lag. "Sag mir wo ich hier bin," verlangte sie von ihm.