Beiträge von Publius Helvetius Pinna

    Dieses Frage-Antwort-Spiel war irgendwie ermüdend. Doch irgendwie musste man die tirones wohl während des Marsches beschäfitgen. Kampfübungen ließen sich im Laufen mit Marschgepäck nicht unbedingt durchführen. Wobei Publius die Vorstellung recht lustig fand. Das würde aufjedenfall Verletzte geben, und zwar nicht zu wenige. Bei den Tribunen war sich Publius leider auch unsicher, so dass er lieber den Mund hielt. Lieber nichts als etwas falsches sagen.


    Währenddessen meldete sich ein sichtlich verunsicherter, etwas kleinerer tiro aus der zweiten Reihe zu Wort. Er hob sogar seine Hand, um auf sich aufmerksam zu machen. »Optio, es gibt fü-ünf ritterliche tribuni angusticlavii und einen senato-orischen tribunus laticlavius, optio.« Irrte sich Publius oder stotterte der Kerl tatsächlich etwas? Das könnte noch ein Spaß werden. »Der senatorische Tribun nimmt allerdings eher nur Aufgaben in der Ver-verwaltung war. Ihm fehlen nämlich oft die militärischen Kenntnisse, weil er das nur für seine, äh, politische Karriere macht, optio«, konkretisierte er die etwas ungenauen Ausführungen des Quintiliers. Dessen Formulierung war etwas ungenau gewesen. »Die tribuni angusticlavii übernehmen auch militä-ärische Aufgaben, leiten beispiels ... beispielsweise Manöver und so, optio.«

    Publius marschierte direkt neben dem Quintilier, so verstand er, was er sagte. Doch er war sich sicher, dass die hinteren Reihen der tirones relativ wenig von der Antwort mitbekommen haben dürften. Zu stark waren die Geräusche, die durch den Gleichschritt und die Karren eines gesamten Legionszuges verursacht wurden. Ein denkbar unpraktischer wie auch außergewöhnlicher Ort für die Ausbildung. Doch war man eben darauf angewiesen die Frischlinge so schnell wie möglich kampfbereit zu machen. Sie marschierten schließlich nicht zu irgendeinem Manöver, sondern um sich dem germanischen Truppenverband anzuschließen. Das war kein symbolischer Zusammenschluss. Hier ging es darum die eigene Kampfstärke zu erhöhen. Was nichts anderes hieß, als dass Kämpfe letztendlich auch anstehen.


    Erneut erwischte sich Publius dabei, wie er in Gedanken abschweifte. Die nächste Frage des optios konnte ihm gelten, er musste aufmerksam sein. Er zog ein wenig die Trageriehmen des Schildes zurecht und achtete darauf nicht aus dem Takt zu kommen. Währenddessen überprüfte er lieber die Antwort seines Kameraden. Gab es nicht mehr als einen der ritterlichen Tribune? Und was genau verstand er denn unter einer ›politischen Komponente‹?

    Den spöttischen Kommentar ließ Publius an sich abperlen. Sollte sich der Kerl doch ruhig etwas auf seine Erfahrung einbilden, ihn kümmerte es nicht. Er wusste schließlich, wieso er hier war. Auch auf die Frage nach seinen Lesekünsten ging er nicht weiter ein, sondern glich einfach die aufgelisteten Bestandteile mit dem Stapel ab, der vor ihm lag. Es war tatsächlich alles da. Es hätte ihn auch nicht gewundert, wenn der Soldat, der bestimmt keinen besonderen Dienstgrad hatte, aus Spaß ab und zu etwas wegließ. »Danke, es ist alles da«, sagte er und schob ihm die Wachstafel zurück. Für ihn war es das soweit, trotzdem wartete er ab, ob der Soldat ihm noch etwas zu sagen hatte.


    Hiermit bestätige ich den Erhalt der folgenden Ausrüstung


    - I lorica segmentata (Schienenpanzer)
    - I paenula (Mantel)
    - II tunicae
    - II cingulae militares (Gürtel)
    - II Paar caligae (Stiefel)
    - I loramentum (Lederriemen)
    - I lucerna (Öllampe)
    - I furca (Tragestange)
    - I reticulum (Tragenetz)
    - I pera (Tasche)
    - I mantica (Sack)
    - I situla (Bronzetopf)
    - I patera (Kasserolle)
    - I ligula (Löffel)
    - I cultellus (Messer)
    - I ampulla (Feldflasche)
    - I cingulum (Gurt)
    - I cassis (Helm)
    - II ocreae (Beinschienen)
    - I gladius
    - I pugio
    - II pilae
    - I scutum
    - I tegimentum (Schildhülle)
    - I focale (Halstuch)


    Unterschrift des Soldaten:
    P Helvetius Pinna

    Wohl fühlte er sich bei den Untersuchungen des Arztes nicht, aber er hatte schon mit so etwas gerechnet. Also ließ Publius es einfach über sich ergehen, es dauerte schließlich auch nicht lange. Zumindest entdeckte der medicus keine Krankheiten - wobei das auch nicht weiter erstaunlich war. Publius hatte sich in letzter Zeit ganz und gar nicht krank gefühlt. Im Gegenteil, eher kerngesund. Ein guter Zeitpunkt um zur legio zu gehen.


    Wo wollte der Rekrutierungsoffizier ihn doch gleich nach der medizinischen Untersuchung haben? Es war ihm entfallen. Er war kurz davor den medicus zu fragen, was wohl peinlich geworden wäre. Den Göttern sei Dank fiel ihm aber wieder ein, dass er in die Rüstkammer sollte.

    Die Rüstkammer war im Gegensatz zum Rekrutierungsbüro voll. Gut ein Dutzend Soldaten hatte kleinere oder größere Probleme mit seiner Ausrüstung, die es vor dem Abmarsch noch zu beheben galt. Publius stellte sich natürlich hinten an und wartete bis er an die Reihe kam. Als es endlich soweit war, unterbreitete er dem ebenfalls über einen Neuling erstaunten Soldat sein Anliegen: »Salve, miles! Ich komme aus dem Rekrutierungsbüro und würde mir gerne meine Ausrüstung aushändigen lassen.«

    Publius schielte auf die Tafel, auf der der Arzt Vermerke über ihn niederschrieb, konnte aber nicht viel erkennen. Ob er in der letzten Zeile den richtigen Begriff genannt hatte, ließ er auch offen. Wobei sein Kommentar über Publius' Augen vielversprechend war. Die Gleichgewichtsübung war ebenfalls kein ernsthaftes Problem für ihn. Nach einigen anfänglichen Wacklern auf dem linken Bein fand er schnell einen sichern Stand, während er wieder laut bis 30 zählte. Auf dem rechten Bein gab es keinerlei Probleme. Daraufhin entkleidete er sich bis auf den Lendenschurz und wartete ab, dass der Arzt das Einpacken seines Bestecks abgeschlossen hatte.

    Der Quintilier hatte einen Punkt angesprochen, der Publius letzte Nacht auch beschäftigt hatte. Die Frage, ob es tatsächlich zum Bürgerkrieg kommen würde. Gegen die eigenen Brüder kämpfen, wie einst nach dem Tod Caesars. Dazu stellte sich auch noch die Frage, wie sich die Frischlinge schlagen würde. »Ich bin nicht besonders gut über die politische Lage informiert. Doch diese Mobilmachung verheißt nichts Gutes«, er zögerte kurz, »Aber schau, was aus der Republik nach dem letzten Bürgerkrieg geworden ist. Augustus hat eine prosperierende Ära eingeleitet. Vielleicht wird es Zeit für eine Art Erneuerung? Vielleicht müssen verkrustete Strukturen mal wieder aufgebrochen werden? Auch wir werden die Kämpfe überstehen - und wenn nicht, dann haben wir unser Leben für eine gute Sache gegeben.« Er konnte es kaum fassen, dass er tatsächlich die letzten Worte ausgesprochen hatte. Er hatte nämlich nicht im geringsten vor dem Ende seiner Dienstzeit auf diese Art und Weise auszuscheiden.


    Den Göttern sei Dank tauchte dann auch der optio schon wieder auf - auch wenn Publius dessen autoritäres Verhalten auf die Nerven ging. Aber so lange er sich nicht den Kopf über potentielle Kampfhandlungen zerbrechen musste, konnte er mit ihm leben. Im richtigen Marschrhythmus war er allerdings schnell, und auch die Antwort des Quintiliers interessierte ihn nur halbherzig - schließlich war das soweit nichts neues für ihn. Also schweifte er gedanklich wieder etwas ab, während er einen Fuß vor den anderen setzte, stets im Gleichschritt mit den anderen tirones.

    Die Leibesübungen waren wohl abgeschlossen, es folgte der Sehtest. Etwas vergleichbares hatte Publius vorher noch nie gemacht und war erst einmal etwas überrascht ob der leichten Übung. Dann entdeckte er aber noch einen Schriftzug mehr und hinfort war der Übermut. Nichtsdestotrotz fing er an die ersten Zeilen vorzulesen. »quidquid. agis. prudenter ... agas.« Soweit so gut. Auch die nächste Zeile kriegte er noch raus, für die letzte musste er seine Augen schon sehr anstrengen, brachte dann aber doch noch ein erleichtertes »finem!« heraus.

    Ein wenig erstaunt war Publius schon, dass der optio seine Antworten zum größten Teil überging. Das war ihm schon bei seinem Vorredner, dem Quintilier, aufgefallen. Er wertete es allerdings als Indiz dafür, dass er zumindest nichts falsches gesagt hatte. Der optio lehrte eben ganz der alten Schule nach. Bloß kein Lob oder Anerkennung. Bei dem Gedanken daran wurde Publius abermals bewusst, dass er nun Teil der elitärsten regulären Militäreinheit der Welt war - und das hoffentlich noch für zwei Jahrzehnte bleiben würde. Disziplin und Stärke. Mut und Ruhm. Das waren die Schlagworte, die von nun an sein Leben bestimmen würden. Jetzt, in der Krise um den Kaiser, kurz vor dem Bürgerkrieg, noch viel mehr. Und Publius war stolz darauf.


    Aber er musste aufpassen sich nicht zuviele Gedanken zu machen. Schließlich galt es nun jederzeit aufmerksam zu sein, bereit für Befehle oder sonstige Anordnungen. Also folgte er den anderen zum Marschgepäck. Es gab ein kleines Durcheinander, weil jeder natürlich sein eigenes wiederfinden musste, aber das ging schon ganz ordentlich von statten. Zurück in der Formation landete Publius abermals neben dem Quintilier - kein schlechtes Los. Er schien nicht der ungeselligste Kamerad zu sein, schließlich suchte er schnell die Konversation mit ihm. »Publius Helvetius Pinna, ich denke aber Publius reicht,« er schmunzelte ein wenig, »Danke. Mein Vater diente einst bei dieser Legion, später sogar bei den Prätorianern. Ich bin praktisch mit militärischem Drill aufgewachsen.« Hinter ihnen grübelten einige tirones über die Ränge, die unerwähnt geblieben waren - jeder vermutlich darauf aus, punkten zu können, sollte dem Quintilier nichts einfallen.


    »Meint ihr, er will auch die der Reiterei hören?«
    »Oder was ist mit den ganzen Tribunen?«

    Er wurde also doch noch heute gemustert. Aber zwanzig Liegestütz? Ein wenig verdutzt schaute Publius den Arzt schon an. Bei der Legion hätte er die Messlatte höher gelegt. Diese Anzahl stellte für ihn kein Problem dar. Allerdings achtete er gerade deshalb auf eine möglichst perfekte Ausführung. Von der Ausgangsstellung beugte er die Arme, bis die Oberarme wagerecht standen. Der Körper blieb gestreckt. Diesen Vorgang wiederholte er nun, wie vom Arzt gewünscht, zwanzig mal, langsam und sorgfältig. Jedesmal wenn seine Arme wieder gestreckt waren, erwähnte er deutlich die Anzahl der bereits absolvierten Liegestütz. Daraufhin nahm er wieder seine Ausgangshaltung ein, lockerte seine Muskeln für die nächste Übung.

    Der Arzt, sofern es denn einer war, hatte Publius wohl zu Kenntnis genommen, beachtete ihn aber nicht weiter, sondern eilte weiter. War wohl doch mehr los. Also setzte Publius seine Tasche auf dem Boden ab und bereitete sich darauf vor noch ein wenig warten zu müssen.

    Langsam kam eine richtige Ordnung in das Chaos, es wurde sogar ein bisschen ruhiger um die tirones, die abseits des Trosses ihre Ausbildung begannen. Der optio entsprang, zumindest Publius' Meinung nach, dem perfekten Klischee für Unteroffiziere. Er brüllte, sein Gesichtsausdruck war alles andere als freundlich. Das konnte einen schon einschüchtern - vorausgesetzt man ließ sich davon beeindrucken. Doch Publius blieb ruhig und lauschte seinem Nachbarn. Eben diesem, den er eben noch etwas gefragt hatte. Zu einer Antwort war jener allerdings nicht mehr gekommen. Seine Ausführungen deckten sich soweit mit dem Wissen von Publius, wobei es sich allerdings auch nur um das gröbste Basiswissen handelte.


    Nachdem sein Kamerad geendet hatte, fragte sich Publius, ob er der einzige war, dem auffiel, dass die Augen des optios etwas verrückt spielten. Ein Auge schien stillzustehen, während das andere hin- und herfuhr. Wahrscheinlich auf der Suche nach dem nächsten Freiwilligen. Das beeindruckte Publius nun. Er spürte diesen seltsamen Blick des optios auf sich, so dass er sich zunächst kurz räusperte, bevor er mit klarer Stimme versuchte eine Antwort zu formulieren. »Die Legion hat eine Sollstärke von etwa 5500 Mann. Jede der zehn Kohorten ist in sechs centuriae zu je 80 Mann aufgeteilt, eine solche wiederum in zehn contubernia zu je acht Mann.« Bei den letzten beiden Zahlen war er sich nicht sicher, ob er sie nicht vielleicht durcheinandergebracht hatte. Möglicherweise waren es auch acht contubernia à zehn Mann? Er versuchte sich nicht davon beirren zu lassen und fuhr fort. »Eine Ausnahme bildet die erste Kohorte. Sie ist in fünf centuriae mit je 160 Mann Sollstärke aufgeteilt. Dort dienen die besten der Legion.« Vielleicht sollte er auch gar nicht derart in die Tiefe gehen? Über die Struktur hatte im Prinzip schon sein Vorredner gesprochen, doch ohne Zahlen zu nennen. In diesem Moment etwas ratlos, versuchte er etwas aus dem Gesicht des optios abzulesen, doch das war nicht mehr oder weniger grimmig als zuvor. »Die Legionen des Imperiums sind auf Grund ihrer hervorragenden Ausbildung und der starken Disziplin die beste Truppe der Welt. Im Kampf ist sie wegen der Möglichkeit in engen Formationen zu kämpfen, als schwere Infanterie im Zusammenspiel mit Kavallerie und Hilfstruppen überlegen. Im Angriff helfen ihr auch die innovativen Belagerungsgeräte, Meisterwerke römischer Ingenieurskunst.« Ausamten. Bei den letzten Worten hatte Publius mit tiefer Überzeugung gesprochen.

    Im hinteren Teil des Zuges herrschte ein ganz anderer Lärm als im vorderen. Hörte man vorne tausende Legionäre marschieren, dazu das ein oder andere Marschlied, glich der Tross doch eher einem Durcheinander. Zwischen den Karren wuselten jede Menge Zivilisten und Laufburschen herum, das allgemeine Gewimmel und das Knarren der Ochsenkarren sorgten für eine entsprechende Geräuschkulisse. Doch mitten drin fanden sich eben die tirones, die nun erstmals Instruktionen von einem Offizier bekamen, der sich auf einem vor ihnen rollenden Wagen aufgebaut hatte. Genauergesagt bekamen nur die ersten Reihen der marschierenden Neulinge die Informationen, Publius, der etwas weiter hinten lief, verstand praktisch nichts. Er fuhr als fort wie bisher und achtete auf seine Kameraden, um es ihnen gleichzutun.


    Dann tauchte auch schon der nächste Vorgesetzte auf, den Dienstgrad vermochte Publius nicht zu erkennen. Der Helm, anhand dessen man ihn als centurio oder optio hätte identifizieren können, war natürlich beim Marschgepäck verblieben. So führte er einfach gemeinsam mit den anderen den gegebenen Befehl aus. Man rückte etwas zusammen und bemühte sich in einer etwas geordneteren Formation zu marschieren, welche man vorher bei weitem nicht erkennen konnte. Ab und an geriet so durch das engere Zusammenlaufen das Marschgepäck zweier Soldaten aneinander, Publius hörte auch das Klirren eines Topfes, wie er auf den Steinen aufschlug. Da hatte wohl jemand sein Geschirr nicht ordentlich festgebunden. Publius hatte sich durch die Neuordnung einen etwas besseren Platz weiter vorne verschaffen können, so dass er sogar Sichtkontakt zum ausbildenden Offizier hatte. So leise es bei dem Lärm ging, wandte er sich fragend an seinen linken Nebenmann: »Hast du Namen & Rang von dem mitbekommen?« Wohlbedacht darauf, dass der Offizier ihn nicht hören, wahrscheinlich aber dabei sehen konnte.


    Sim-Off:

    Ich gehe mal davon aus, dass wir noch marschieren? Für ein Nachtlager wäre es wohl etwas früh.

    Der Offizier hatte ihn wohl falsch verstanden - oder er hatte andere Erfahrungen gemacht als Publius. Das letzte und einzige Lupanar, was dieser aufgesucht hatte, war nämlich fast ausschließlich mit Frauen aus allen Ecken des Imperiums besetzt gewesen. Italia ausgeschlossen. So war Publius zu der Aussage gekommen, dass man sich echte Römerinnen eben außerhalb des Lupanars erkämpfen musste. Doch er ließ es auf diesem kleinen Missverständnis beruhen und dankte dem Offizier für seine Zeit, bevor er die Rekrutierungsstube verließ um das valetudinarium aufzusuchen.

    Der Weg zum valetudinarium war kurz und auch nicht besonders schwer zu finden - dank des einfachen Lageraufbaus. Die Tür stand offen, so trat Publius schon einmal ein und betrachtete die verschiedenen Ärzte oder medizinisch ausgebildeten Soldaten, wie sie Soldaten scheinbar letzten Untersuchungen vor dem Abmarsch unterzogen. Der zivil gekleidete Publius fiel durchaus auf, so dass er schon bald dem nächsten Arzt, der auf ihn zukam, sein Anliegen erklären konnte - sofern es sich dieser nicht schon gedacht hatte. »Salve! Publius Helvetius Pinna, ich wurde vom Rekrutierungsoffizier zur Musterung hergeschickt.« Wirkliche Bedenken bezüglich dieser hatte er keine. Durch seine vorherige berufliche Betätigung als Handwerker war er körperliche Arbeiten gewohnt und war entsprechend trainiert. Sofern nun also keine ihm unbekannten Krankheiten entdeckt wurden, sollte der Besuch hier nur von kurzer Dauer sein.

    Publius musste in Anbetracht des Gesichtsausdrucks des Offiziers fast ein wenig schmunzeln. Aber auch nur fast. Die Nachricht des Abmarsches kam dann doch ein wenig überraschend für ihn. Ihm war bewusst, dass sich die politische Situation im Imperium zugespitzt hatte - doch Truppenbewegungen innerhalb Italias waren ihm neu. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr, also bewahrte er Fassung und antwortete: »Seid ihr nicht froh über jeden zusätzlichen Mann, centurio?« Die herablassende Art seines Gegenübers versuchte er dabei bestmöglich zu übergehen und beantwortete ruhig die Fragen.


    Die nach dem Beruf war etwas knifflig. So richtig etwas gelernt hatte Publius nie, man könnte ihn als sehr vielseitig bezeichnen. »Ich habe die letzten Jahre als Handwerker in Mantua gearbeitet, geschreinert, gemauert. Auch ein bisschen als Dachdecker. Komme ursprünglich allerdings aus Rom.« Das würde ihn wahrscheinlich auch gar nicht so unbrauchbar für die Legion machen, aber die bildeten vermutlich sowieso entsprechende Leute in ihren eigenen Werkstätten aus. Seine Qualifikationen hatte sich Publius allerdings sicherheitshalber von seinem Arbeitgeber schriftlich bescheinigen lassen. Die entsprechenden Briefe lagen abrufbereit in seiner Tasche. »Mir geht es gesundheitlich soweit gut, vererbare Krankheiten sind mir nicht bekannt.« Tatsächlich war er sogar durch seine körperlich anspruchsvolle Arbeit in erstaunlich guter körperlicher Verfassung. »Und ich habe römische Frauen schon immer den lupae aus den Provinzen vorgezogen.«


    Sim-Off:

    Meine verwandtschaftlichen Verhältnisse sind noch nicht abschließend geklärt. Am besten übergehen wir einfach den Namen des Vaters.

    Ein wenig überrascht war Publius jetzt schon. Gestern erst hatte er das Rekrutierungsprocedere durchlaufen. Doch anstatt ihn in das Lagerleben einzuführen, war ihm der Marschbefehl mitgeteilt worden. Er wusste jetzt auch, weshalb er sich im Lager so wie auf Roms Straßen gefühlt hatte: die Legion bereitete gerade ihren Abmarsch vor. Sein Nachtquartier war also eher provisorischer Art gewesen, so dass er nicht wirklich ausgeruht in diesen Tag ging. Ein Problem, wie sich sehr schnell herausstellte.


    Bepackt mit der gesamten Ausrüstung - er hatte etwas länger gebraucht, um alles an und in seinem Rucksack zu verstauen - fand er sich also plötzlich in einem Versorgungszug wieder, zusammen mit dem Teil der Legion, der für die für die Logistik des Feldzuges verantwortlich war und blutigen Anfängern wie ihm selbst. Es waren gar nicht so wenig tirones, die sich noch in der letzten Zeit zum Dienst gemeldet hatten. Gründe gab es dafür vermutlich verschiedene. Mochte es für die einen das politische Bekenntnis gegen den Kaiser sein, so war es für andere die Abenteuerlust, die sie bewog sich freiwillig zu melden. Für Publius spielte weder das eine, noch das andere eine Rolle. Er war seit jeher ein eher unpolitischer Mensch gewesen. Wieso allerdings dieser Vescularius dem alten Kaiser nachfolgen musste, konnte er nicht ergründen. So plagten ihn keinerlei Gewissensbisse der legio prima beigetreten zu sein, deren politische Ausrichtung durchaus vorher zu ihm durchgesickert war.


    Und allen Widrigkeiten zum Trotz fühlte sich Publius in diesem Tross, umgeben von Gleichgesinnten, wohl. Das war wohl das Gefühl, was er sich erhofft hatte. Das eine große Rolle dabei gespielt hatte, dass sein Kindheitstraum schon immer war, der Legion beizutreten. Wäre da nicht der centurio, der seinen Gedankenfluss unterbrach. Zwar verstand Publius nicht alles, aber dass es um die Ausbildung ging, war klar verständlich. Plötzlich war er hellwach und die Müdigkeit verschwand aus seinen Beinen. Fast ein wenig euphorisch wartete Publius ab, während er weitermarschierte.

    Sobald er hereingebeten wurde, trat Publius auch direkt ein und war erst einmal überrascht von der Kahlheit des Raumes. Also ordentlich war man bei der Legion anscheinend sehr. Er schloss die Tür hinter sich und blickte den Rekrutierungsoffizier an, der etwas hilfslos im Raum herumstand. Der Eindruck vom Tor wiederholte sich: Besonders spannend wirkte es nicht auf Publius, hier seinen Dienst zu tun. Mit deutlichem Respekt in der Stimme - schließlich handelte es sich hier offensichtlich um einen Offizier - trug Publius sein Anliegen vor: »Salve. Publius Helvetius Pinna. Ich würde gerne der Legion beitreten«, er stockte kurz, »sofern ich denn hier richtig bin?« Der Gedanke, dass er trotz klarer Beschilderung aus Versehen im falschen Büro gelandet sein könnte, kam ihm erst jetzt - in Anbetracht des leeren officiums auf jeden Fall keine all zu absurde Annahme.