Wobei nicht alle Schritte vom Procurator unternommen werden mussten – oder konnten. Als Ehefrau oblag es schließlich Sentia Laevina, sich um den toten Kaiser zu kümmern, und selbstverständlich war ein Cubicularius als erstes zu ihr gerannt, um ihr mitzuteilen, dass man ihren Ehemann nicht wecken konnte.
Gefasst, aber schnellen Schrittes, machte sich Sentia daraufhin auf den Weg, den der Bedienstete ihr wies. Den Procurator musste sie dabei wohl knapp verpasst haben, sehr wohl aber bemerkte sie das rege und wirre Treiben, das sich um ihren Mann gerade bemerkbar machte.
“Alle hinaus“ befahl Sentia schlicht und ließ keinen Zweifel daran, wer momentan die Oberhoheit der Domus Augustana innehatte. Selbstverständlich kamen die Diener dem Wunsch ihrer Herrin sofort nach und ließen Sentia mit ihrem Mann allein. Auch der Cubicularius, der sie geholt hatte, wartete draußen vor der Türe.
Natürlich genügte ein Blick auf ihren Mann, um zu sehen, was geschehen war. Irgend jemand hatte eine Art Trage neben ihm abgestellt, und leicht verärgert trug Sentia das Ding beiseite und lehnte es an die Wand. Ein Vater, Ehemann und Kaiser wurde doch nicht einfach so vom Ort seines Todes ins Atrium abtransportiert, ohne dass zuvor die nötigen Riten ausgeführt worden waren!
Langsam näherte sich Sentia wieder ihrem Mann in diesem wohl letzten wirklich intimen Moment zwischen ihnen beiden und strich ihm einmal zart über die Wange. Er fühlte sich schrecklich kalt an, und tatsächlich rollte eine kleine Träne über die Wange der Kaiserin. Sie war seit dem Ende seiner Quaestur die Ehefrau von Cornelius Palma gewesen, hatte mehrere Provinzen mit ihm bereist, lange Trennungen und Feldzüge mit ihm erlebt, ihm eine Tochter geschenkt und ihn zum Kaiser aufsteigen sehen. Sentia gab ihm einen kleinen, sanften Kuss auf die Stirn als letztes Lebewohl.
Dann nahm sie ihre kunstvolle Perrücke ab, legte sie beiseite und nahm die kleinen Spangen aus ihrem Haar, um es zu öffnen und sich zu zerraufen. Als Ehefrau – gerade als Augusta – hatte man die Pflicht, die Trauer des gesamten Imperiums nach außen offen sichtbar zu tragen, wenn der Imperator verstarb. Dann öffnete sie wieder die Tür und gab Anweisungen.
“Weißt alle Sklavinnen an, sich die Haare zu raufen, die Wangen zu kratzen und die Brüste zu schlagen, während sie klagen, dass ihr gütiger Herr tot ist. Dann bringt Wasser, Öl und das beste Gewand eures Herrn herbei. Und wenn nicht schon ein Bestatter gerufen wurde, so sollt ihr den besten von ganz Rom herbeirufen, damit dieser den Kaiser standesgemäß aufbahren kann.
Sobald das geschehen ist, können die hohen Magistrate, Senatoren und seine Klienten ihn sehen.“
Dass die einfachen Cubicularii hier keine Hand an den Toten legen sollten, brauchte Sentia wohl nicht extra zu erwähnen. Für so etwas gab es Fachmänner (und vor allen Dingen: Fachfrauen und Verwandte).