Quintus Minidius Geminus ließ sich den Bericht reichen und lauschte. Insgesamt klang das Ganze ja recht erfolgreich, wenngleich auf der anderen Seite das eigentliche Ziel der Reise nicht erreicht worden war, wenn er das jetzt richtig verstanden hatte. Aber ein paar kleine Punkte machten ihn doch etwas stutzig. “Wenn die Piraten sich nicht ergeben haben bis zum letzten Mann, wie konntet ihr dann einige von ihnen kreuzigen? Oder habt ihr Tote gekreuzigt?“ Minidius Geminus war, wie die meisten Römer, da durchaus etwas empfindlich, wenn es um Tote ging. Man musste sich ja nicht unbedingt piratische Lemuren anlachen. “Und was habt ihr mit dem getöteten Seemann gemacht, der hier im Bericht erwähnt wird? Und noch wichtiger: Was habt ihr mit unseren drei Toten gemacht?“
Beiträge von Quintus Minidius Geminus
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“Ah, Nauarchus. Ja, der 'letzte Bericht', nicht wahr? Ich muss ja zugeben, dass es mich traurig stimmt, dass dies der letzte Bericht sein wird.“ Quintus Minidius Geminus begrüßte den Nauarchus unmilitärisch und winkte ihn näher zu sich heran. Er sah keinen Grund darin, laut zu sprechen, nur, damit es besonders zackig aussah. Sie waren unter sich (wenn man von den Sklaven, ein paar Wachen und Pen-Nub einmal absah), kein Grund für übermäßige Förmlichkeiten.
“Also gut, dann erstatte Bericht.“ -
“Es ist ebenfalls ein Verbrechen, alexandrinische Bürger anzugreifen, was von der alexandrinischen Justiz verurteilt wird. Vom Verletzen und Töten ganz zu schweigen.“ Quintus Minidius Geminus konnte nicht so ganz glauben, was der junge Tribun hier von sich gab. Vor allen Dingen, da er seinen Vorgesetzten offenbar für dumm verkaufen wollte. Aber Minidius Geminus wäre nie so hoch in seiner Karriere aufgestiegen, wenn er dermaßen leichtgläubig wäre.
“Hast du nicht eben gesagt, dass ihr erst dazugestoßen seid, als die Männer am Fremdenmarkt sich schon gegenseitig prügelten? Eben um diese Prügelei zu stoppen?“ Minidius Geminus sah den Petronier fast schon herausfordernd an, dann seufzte er hörbar.
“Petronius, verstehst du denn ernsthaft nicht, was deine unüberlegte Handlung für die Lokalpolitik bedeuted? Wir sind hier nicht irgendwo am Limes, wo man mal eben einen Barbarenaufstand niederschlägt! Wir sind hier in Ägypten, das schon Kultur hervorgebracht hat, als Aeneas noch nicht einmal seinen Fuß auf latinischen Boden gesetzt hat! Wir stehen hier in einer Stadt, die von Alexander dem Großen gegründet wurde, als sich Rom noch mit den Latinern geprügelt hat! Und dieses Land ist nicht zu regieren oder zu halten ohne die griechische Oberschicht hier. Und die ist mindestens so stolz und borniert wie die römische und schätzt es außerordentlich nicht, wenn sich hier irgendjemand“, und bei diesem Wort blickte er den Tribun eindringlich an, “aufspielt, als sei er besser als sie.“ -
Ruhig hörte sich Quintus Minidius Geminus den Bericht an, und erst gegen Ende runzelte er dann deutlich die Stirn und hakte noch einmal nach. “Und wieso hast du nicht die alexandrinische Stadtwache informiert? Wieso wurden die Gefangenen nicht dieser direkt nach ihrer Verhaftung ihnen übergeben? Warum liegen mir hundert...“ “Zweiundvierzig... korrigierte Pen-Nub im Hintergrund pflichtbewusst. “... Beschwerden vor, teilweise sogar von Prytanen der Stadt, dass sich römische Soldaten wie Räuber auf der Xenai Agorai gebährdet hätten und unzählige Stände demoliert hätten? Wie kommt es, dass aus einer Massenschlägerei auf einmal ein politisches Problem wird?“
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Quintus Minidius Geminus lächelte leicht und nickte fast wie ein Lehrer, dessen junger Schüler eine Antwort richtig erraten hatte. “Richtig. Wegen dem, was am Xenai Agorai vorgefallen ist. Ich nehme an, du wirst noch keinen schriftlichen Bericht fertig haben. Daher frage ich dich jetzt einmal mündlich, was deiner Ansicht nach dort vorgefallen ist.“
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Als die Flügeltür zum großen Empfangssaal der Praefectur sich für den Tribun öffnete, konnte dieser noch die Verabschiedung des letzten Gastes des Praefectus Aegypti miterleben. Vor Zorn rot im Gesicht und einen etwas in Unordnung geratenen feinen Himation am Leib, stand der Archeprytanes noch da und verbeugte sich äußerst steif. “Ich erwarte, dass diese Sache geregelt wird, ansonsten übernehme ich keine Verantwortung für das, was hernach folgt!“ Er sprach's, und schon rauschte er ab. Nicht ohne einen äußerst verachtenden und vor Wut strotzenden Blick auf den eintretenden Tribun zu werfen.
Quintus Minidius Geminus hingegen saß augenfällig ruhig auf der Empore mit seinem Stuhl, atmete ruhig ein und wieder aus und wartete, dass der Tribun die Schritte durch die herrschaftliche Halle zu ihm hin gemacht hatte. Von seiner Leibgarde wurde die große Tür auch schon wieder geschlossen und fiel mit vernehmlichen Rauschen zu.
Die Hände leicht vor der Brust gefaltet, wandte sich Minidius Geminus dann auch an den Petronier. “Tribunus Petronius. Gut, dass du da bist. Kannst du dir vorstellen, warum ich dich habe rufen lassen?“ -
Kaiserliche Kanzlei
RomaQuintus Minidius Geminus Imp. Caes. Aug. Aquilio Severo s.d.
Ich gratuliere dir zu deiner Wahl durch den Senat zum Imperator unseres glorreichen Reiches. Sicherlich erhältst du derzeit aus allen Provinzen Berichte, die dich ins Bild über die Lage eben jenes Reiches setzen wollen. Daher wird dich sicher freuen,zu hören, dass mit deiner höchst eigenen Provinz Ägypten alles zum Besten steht.
Die Nachwirkungen des Bürgerkrieges sind inzwischen vergangen, so dass der Handel auf den Märkten wieder floriert und eine gute Menge Steuereinnahmen in die Kassen spült. Bei der Machtübernahme deines Vorgängers waren die Kassen leer, so dass wir eine Stundung der Zahlungen vereinbart hatten. Dieser Aufschub ist samt Zinsen nun zurückerstattet.
Die Lage in den ägyptischen Städten, allen voran Alexandria, ist ausnehmend ruhig und gelassen. Auch wenn der Tod des Cornelius unter der griechischen Bevölkerung, die ihn wie jeden Kaiser als wiedergeborenen Alexander verehrt, selbstverständlich Bestürzung ausgelöst hatte, ist nach deiner Einsetzung zum Imperator wieder alles ruhig. Selbst die Juden in der Stadt, sonst ein ständiger Quell der Unruhe, gehen friedlich ihren Geschäften nach und streiten noch nicht einmal mit den Christen.
Auch aus den anderen Städten Ägyptens bis hinunter zu den Katarakten zeichnen ein ähnliches Bild. Bubastis hat dir zu ehren einhundert Katzen opfern und mumifizieren lassen. Ich habe mir erlaubt, den Stadtoberen in deinem Namen zu danken. Wie mein Berater mir versichert, ist dies wohl eine besondere Ehre.
Ansonsten ist die Hitze beinahe Unerträglich geworden. Jeder wartet nur auf den Beginn der Regenzeit und der Überschwemmung, so dass die nächste Saat ausgebracht werden kann. Die letzten Weizenfelder sind schon einen Monat abgeerntet, aber noch sind die Getreidespeicher gut genug gefüllt, um die regelmäßigen Lieferungen nach Rom gewährleisten zu können. Die Nil-Priester hier sagen dieses Jahr eine besonders große Schwemme voraus, was wohl ein Segen für die Bauern sein sollte. Leider wohl auch ein solcher für die Mücken. Doch noch müssen wir warten.Die Classis Alexandrina Augustana unternimmt momentan eine Patrouillienfahrt in Richtung Carthago. Auch dort wird schließlich Getreide angebaut, und eine Patrouillie der Küste zur Sicherung schien Nauarchus Decimus Massa sinnvoll. Ich werde nach ihrer Rückkehr hierüber selbstverständlich auch berichten.
Womit ich auch gleich bei meinem letzten Punkt angelangt wäre: Nauarchus Decimus hat um ehrenvolle Entlassung aus dem Dienst gebeten. Auch wenn sein Verlust natürlich sehr schmerzlich ist, hat er seine Zeit gedient und sich seinen Ruhestand damit mehr als verdient. Ich schlage ihn daher ausdrücklich für eine Auszeichnung für seine Dienste als Nauarchus vor und rege an, da er sich in Alexandria niederzulassen gedenkt, sein Entlassungsgeld in Form eines Grundstückes bei der Stadt auszuzahlen.QMG
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Dass er eine Nachricht erhalten hatte, fand Quintus Minidius Geminus außerordentlich erfreulich. Er mochte Nachrichten. Er liebte Berichte. Schön sortiert konnte man damit immer wieder nachweisen, wer was wann wo gebraucht hatte, und wieviel es gekostet hatte. Das war außerordentlich hilfreich. So konnte man eine lückenlose Buchhaltung gewährleisten, und wenn er eines in seinem Dasein als Ritter in einer Verwaltungslaufbahn gelernt hatte, dann dass am Ende des Tages nur diese kleinen Zahlen auf dem Rechenschieber zählten. Sie entschieden, ob Rom expandierte, oder nicht. Sie entschieden, ob die Bevölkerung satt würde, oder nicht. Sie entschieden, was zu tun war. Geminus liebte Zahlen.
Was aber an dieser Nachricht außerordentlich unerfreulich war, war die Tatsache, dass darin gleichfalls um eine Entlassung gebeten wurde. Gut, der Nauarchus hatte sich seinen Ruhestand sicherlich verdient, aber dennoch war diese Zahl ein Minus, das in seine Gesamtrechnung nicht so recht passen wollte. Immerhin musste dieses Minus durch ein entsprechendes Plus wieder ausgeglichen werden. Und Geminus hatte viel zu wenig Erfahrung in der Seefahrerei, um auch nur ansatzweise eine Entscheidung treffen zu können, welche Person nun dieses Plus darstellen sollte. Da würde er mit dem Decimus noch einmal reden müssen.Zunächst aber galt es nun seinerseits, einen Bericht zu verfassen. Der war wohl ohnehin einmal wieder fällig. Also rief er Pen-Nub herbei, er möge für ihn aufschreiben, während er diktierte.
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Achso, schlafen musste der Mann ja auch. “In der Castra der Classis gibt es auch ein Haus für die Subpraefecten. Der Nauarchus zeigt es dir sicher, wenn ihr dahin zurückkehrt. Manche Tribuni bevorzugen ein eigenes Haus in der Stadt, was dir natürlich auch frei steht. Sofern du dir eines leisten kannst oder deine Familie hier ohnehin eines besitzt, heißt das. Und die meisten Tribuni bringen für solchen Schreibarbeiten und den Haushalt auch eigene Sklaven mit.“ Letzteres musste ja schließlich auch organisiert sein. Quintus Minidius Geminus wäre vermutlich ohne seinen Koch schon lange verhungert, da er selbst diese hohe Kunst nie hatte lernen brauchen. Daher schleppte er den Sklaven schon seit Jahren überall hin mit.
“Allerdings kann dir der Nauarchus auch für die Verwaltungsdinge sicher einen Miles oder Nauta, der lesen und schreiben kann, abstellen. Oder aber, du stellst selbst einen aus der Bevölkerung hier an. Die Stadt ist groß. Da gibt es sicher ein paar, die nicht nur Koiné können.“ -
“Na, den Plan hat so ziemlich jeder, haha“, lachte Quintus Minidius Geminus über den etwas schüchtern wirkenden Neuankömmling. Aber nur kurz, er wollte ihn ja nicht verpotten und damit noch mehr verunsichern.
“Nunja, du stehst ja noch am Anfang und kannst sehen, was dir mehr liegt. Vielleicht ist diese Carthago-Sache da eine gute Übung. Wir wollen es zwar nicht hoffen, aber vielleicht trefft ihr ja auf ein paar Störenfriede, dann kannst du sehen, ob dir das Militärische liegt. Und ansonsten freue ich mich da auf den Bericht.Im Grunde kann der Nauarchus selbst über seine Missionen entscheiden, deshalb kannst du dich auch direkt mit ihm kurzschließen. Ihr braucht mein Einverständnis nicht. Ich wüsste nur gerne, bevor ihr in See stecht, wohin es geht und wie lange ihr weg seid, aber da genügt eine Nachricht. Ich vertraue da dir, Decimus, dass du mit dieser Freiheit umzugehen weißt. Wenn ich ein spezielles Anliegen habe, melde ich mich rechtzeitig vorher.
Gut, Petronius, hast du noch Fragen? Oder du, Decimus, gibt es noch etwas zu besprechen?“
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“War er nicht?“ fragte Quintus Minidius Geminus etwas verwirrt. Wo war der Kerl dann? Ein kleineres Problem, denn einen verschwundenen Ritter sollte man wohl schon nach Rom weitermelden. Allerdings war dies nicht unbedingt die beste erste Meldung an einen neuen Kaiser.
“Gut, dann... mach ich das wohl eben.“ Den Punkt mit dem anderen Subpräfekten verschob er erst einmal. “Petronius. Wie du siehst, bin ich nicht nur der Praefectus Classis, sondern in erster Linie auch Praefectus Aegypti. Und damit ist mein lieber, langer Tag auch schon sehr gut ausgefüllt. Die griechische Oberschicht will von mir, dass ich die Ägypter niedrig halte. Die Ägypter wollen von mir, dass ich etwas gegen die korrupten Griechen unternehme. Die Juden stehen irgendwo dazwischen und berichten ständig von irgendwelchen Übergriffen gegen sie – wobei das kein Vergleich zu ihrem Verhalten in Iudaea ist, wo ich vor Jahren Procurator war. Und dann haben wir hier eine nicht unbeachtliche christliche Gemeinde, die mit jedem anderen Streit anzufangen scheint.
Kurzum: Ich habe nicht die Zeit, mich auch nur um jedes Detail der Classis zu kümmern. Ich habe auch gar nicht das nötige, nautische Können dafür. Ich bin ein Verwaltungsmensch.
Deshalb möchte ich von der Classis vornehmlich eins: Berichte. Positive Berichte, wenn es möglich ist, die ich nach Rom weitermelden kann. Dann bekommt ihr meine vollste Unterstützung, Belobigungen und eine freie Hand, und ich habe meine Ruhe, mich um die hiesigen Bevölkerungsprobleme zu kümmern.
Mit Nauarchus Decimus hier hast du einen fähigen Kapitän, dem du in nautischen fragen vertrauen kannst und sollst. Sobald er auf seinem Schiff ist, ist er das höchste Gesetz, und ich vertraue ihm in allen Fragen zu Missionen.“ Apropos Missionen. Geminus wandte sich kurz an den Nauarchus. “Wenn du die Mission nach Karthago für sinnvoll erachtest, stehe ich dem sicher nicht im Weg. Ich hätte dann nur gerne hinterher einen Bericht.“
Im Hintergrund räusperte sich Pen-Nub kurz und fügte leise an. “Du wolltest dem Nauarchus auch noch für seinen letzten Bericht deinen Dank aussprechen.“
“Oh“ kam es etwas peinlich berührt und ob des diplomatischen Unvermögens des Ägypters auch ein wneig ärgerlich daher. “Ähm, also, Nauarchus, danke für den letzten Bericht. Genau so wünsche ich sie mir. Wenn du einen besonderen Wunsch hast, wie ich meiner Dankbarkeit Ausdruck verleihen kann, höre ich ihn mir gerne an.“
So, zurück zum Petronier. “Wo war ich? … Achja! Deine Aufgaben als Subpraefect! Das ist ein Einstiegsposten in die ritterliche Laufbahn, also sollst du zu aller erst einmal lernen. Also lerne von den Mitgliedern der Classis, was es über Seemannskunst zu lernen gibt. Lerne von ihren Erfahrungen, lerne, wie man auf dem Wasser Schlachten schlägt! Zumindest, wenn du im militärischen weiter kommen willst, wird dir das später enorm nützlich sein.
Eine weitere deiner Aufgaben ist aber die Verwaltung. Berichte schreiben, Versorgungslisten prüfen, Warenbestellungen kontrollieren... du kannst selbständig Waren für den Bedarf der Classis ordern. Nur bei größeren Anschaffungen möchte ich im Vorfeld informiert sein, sonst meckert Rom, dass wir zu viel Geld ausgeben.“ Das waren erst einmal die allgemeinen Aufgaben. Für besondere Förderungen benötigte Geminus mehr Informationen. “Weißt du schon, in welche Richtung du weiter möchtest? Militär, oder doch eher der zivile Zweig? Hast du schon irgendwelche Ziele?“ -
“Mogntiacum, hm? Ist dann ja eine riesige Umstellung, so nach hier in Alexandria. Im Norden ist es doch etwas kalt, nicht? Und diese Hitze jetzt ist noch gar nichts im Vergleich zum Sommer. Die hiesigen Nilpriester...“ “Die Astrologen im Tempel des göttlichen Serapis“ warf Pen-Nub mit erstaunlich tiefer und ruhiger Stimme als Korrektur ein. “...sagen die Nilschwemme für in einem Monat voraus. DANN ist es hier heiß. Wenn ich ihr wäre, würde ich für dann eine längere Seereise ansetzen und Piraten jagen oder sowas.“ Quintus Minidius Geminus zwinkerte dem jungen, etwas schüchtern wirkenden Subpraefectus zu und auch gleichermaßen dem Nauarchus, der so stillschweigend mit herein gekommen war, dass Geminus ihn zuerst gar nicht bemerkt hatte.
“Naja, gut“, wurde der Praefectus Aegypti dann doch wieder etwas ernster und atmete einmal mit Blick auf den ärgerlichen Brief noch einmal tief durch. “Der andere Ritter... wie hieß er gleich? Fabius! Ich hoffe, der ist nicht auch über Board gegangen?“ Kurzer, fragender Blick in die Runde. “Hat er dich, Petronius, denn schon aufgeklärt, wie wir das hier handhaben? Oder warst du, Nauarchus Decimus, schon so freundlich? Überhaupt, wenn ihr dann wieder so richtig angekommen seid, brauche ich dann noch einen Bericht über die letzte Mission. Am liebsten in Schriftform.“
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“Gar nichts?“ Kurz blinzelte er, dann wandte er sich wieder kurz Pen-Nub zu. “Da siehst du mal, wie wichtig uns die Herren in Rom nehmen! Eine Kaiserin können wir transportieren, aber dann bekommt man monatelang sein Schiff nicht wieder und noch nicht einmal Nachrichten!“ Er schüttelte den Kopf, atmete einmal tief durch und ließ seinen Blick auf dem Subpraefectus ruhen.
“Nungut, da kann man wohl nichts machen. Also, Petronius, wenn es schon keine Nachrichten aus Rom gibt, dann mach einmal Meldung über die Herreise. Und wenn du schon dabei bist, erzähl auch gleich ein bisschen was von dir. “ Immerhin sollte man irgendwie zusammenarbeiten, wenngleich auf unterschiedlichen Hierarchieebenen. Aber dafür musste Minidius Geminus ein bisschen mehr wissen als den Namen. -
“Jetzt seh sich mal einer diesen Brief an. Wer schickt denn sowas? Da kriegt man mal eben zwischen Tür und Angel mitgeteilt, dass man einen neuen Kaiser hat. Alles Weitere ist durch dich zu veranlassen. Was soll denn das heißen? Soll ich nach Rom kommen und dem Mann die Kaiserwürde antragen, oder wie?“ schimpfte Quintus Minidius Geminus über das neueste Schriftstück, welches ihm sein Faktotum vorgelegt hatte.
“Eparchos, soll ich eine Antwort nach Rom...?“
“Ja... äh, das heißt nein, das mache ich später. Ich...“
Minidius Geminus schaute auf und blinzelte etwas verwirrt, dass da immer noch der junge Subpräfekt stand und gerade die ägyptische Version eines Bieres in einem Becher überreicht bekam.“Oh, achja. Also, Subpraefectus Classicus Petronius, ich nehme an, man hat dir Befehle mitgegeben oder sonstige Nachrichten?“ Es hatte schon seine Gründe, warum Minidius Geminus sich nie besonders für den militärischen Teil der Ritterkarriere begeistern konnte und daher im Grunde immer Verwaltungsposten übernommen hatte, so weit das möglich war.
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Mittlerweile hatte sich Quintus Minidius Geminus in Ägypten ganz gut eingelebt. Ihm hatte es ja sowieso schon immer hier gefallen – abgesehen von den Mücken, der Hitze, der Probleme der Einheimischen untereinander, den Sprachbarrieren und dem Gemecker seiner Frau über diese Dinge. Nach dieser Zeit hatte aber wohl auch seine holde Anvertraute eingesehen, dass es hier gar nicht so furchtbar heiß war, es hier auch nicht viel mehr Mücken gab als sonstwo auf der Welt, die Griechen eigentlich ganz brauchbare Leute waren, deren Sprache man wohl auch lernen konnte, und sein Stand diese misslichen Dinge doch irgendwo wett machte.
Im Moment saß Minidius Geminus also in der großen Marmorhalle der Regia. Nicht, weil es hier so besonders prunkvoll war, sondern einfach, weil der Marmor die Hitze irgendwie ein bisschen besser abhielt und es hier somit sogar noch ein bisschen kühler war. Er hatte sich sogar einen Schreibtisch extra in die Prunkhalle bringen lassen, um auch einmal tagsüber etwas arbeiten zu können, ohne an Hitzschlag zu sterben. Ein großer Nubier mit lächerlich großem Pfauenfederfächer fächelte dazu noch ein wenig Luft. (Auch auf den hatte seine Frau irgendwann einmal bestanden).
Seine helfende Hand – ein nach ägyptischer Manier kahlrasierter und geschminkter Mann namens Pen-Nub – reichte ihm gerade so nach und nach die anfallende Korrespondenz, als nach griechischer Manier pompös der nächste Gast von der großen Doppeltüre her angekündigt wurde.
“Der neue Subpräfektos Lukios Petronios Krispos.“ Hier war unüberhörbar ein Grieche am Werk.
“Ja, ja, er soll herkommen“, winkte Minidius Geminus unbürokratisch das Brimborium ab. Wenn es ein Tribun und kein weiterer griechischer Würdenträger war, konnte man die ganze Förmlichkeit mal etwas vergessen und nebenzu weiterarbeiten.“Salve, ähm... ich nehme mal an, dein Name ist Petronius, richtig? Möchtest du etwas trinken? Wir haben hier einen Fruchtsaft, Wasser mit sowas wie Minze oder das einheimische Bier. Für Wein ist es um diese Tageszeit zu heiß. Glaub mir, dass du vor Sonnenuntergang die nächsten Monate da keinen trinken willst.“
Minidius Geminus lächelte freundlich. Er selber hatte die Sache mit dem Wein erst lernen müssen, daher gab er diesen Tipp in dieser warmen Umgebung gerne weiter. -
Lucius Tiberius Lepidus
Quaestor Principis
Administratio Imperatoris
RomaQ. Minidius Geminus Quae.pri. Tib. Lep. s.d.
Meiner Einschätzung nach hat das Imperium vor vier Jahren, nach dem Tod des nabataeischen Königs Rabbel II. Soter, seine Chance versäumt, das Gebiet Regnum Nabbataei als römische Provinz einzunehmen. Vermutlich wäre allerdings auch jetzt mit wenig Widerstand zu rechnen, da die Araber, die dieses Gebiet bewohnen, wieder in ihre alten Stammesstrukturen zurückverfallen sind und sich zumeist nur gegenseitig bekriegen, wenn nicht dann und wann eine kleine Gruppe vereinzelt eine Karawane überfällt. Eine zusammenhängende Armee kann das Volk nicht aufbieten, und selbst wenn, wäre es wohl keine allzu große Herausforderung.
Der einzige Grund, warum dies noch nicht von parthischer oder dritter Seite geschehen ist, ist vermutlich, dass das gesamte Gebiet aus Wüste besteht, und dort gibt es gar nichts. Kein Mensch braucht gar nichts.
Eben deshalb gibt es auch keine Handelsbeziehungen zu diesen Stämmen, die weder große Kunstwerke anzubieten haben, noch Luxusgüter. Höchstens Kamele. Und ohne eine gemeinsame Regierung dieser Stämme ist es müßig, Handel zu treiben, da dies nur jeweils Kleinstkontingente umfassen könnte.Das Verhältnis zu den anderen Provinzen ist gut, insbesondere dort, wo die griechische Bildungsschicht an der Bevölkerung beteiligt ist. Überall dort, wo eine größere Menge an Juden sich ansiedelt, ist es erfahrungsgemäß immer heikel. Ihre seltsamen Bräuche und ihre Geheimnistuerei sind den meisten Menschen unheimlich, und wo sie in größerer Zahl anzutreffen sind, bilden sie ihre eigenen Strukturen parallel zu den griechisch-römischen. Und natürlich, wie ich aus meiner Zeit in Iudaea weiß, neigen solche größeren Gruppen dazu, Aufständische hervorzubringen, die die römische Herrschaft in Frage stellen. Ausschreitungen zwischen Griechen und Juden sind da nicht gänzlich auszuschließen.
Hier in Alexandria ist die Lage trotz der hohen Bevölkerungszahl an eben jener Volksgruppe sehr ruhig. Aus Iudaea selbst erreichten mich Berichte einer andauernden Negativeinstellung der Bevölkerung gegen die römische Herrschaft – aber wie gesagt, ist dies ja nichts ungewöhnliches oder neues.Zu den Völkern südlich der alten Grenzen des Ägyptischen Reiches haben wir wenig Beziehungen. Der Handel beschränkt sich auf die Wasserwege den Nil entlang. Vornehmlich, weil abseits davon die Wüste beginnt, die kein Mensch durchqueren kann. Wir handeln mit ihnen Schmuck, Sklaven und wilde Tiere, was aber vom Wasserstand des Flusses jeweils abhängt und seiner Befahrbarkeit. Gefahren aus dem Süden sind mir nicht bekannt.
QMG
Praefectus Aegypti -
Neben der üblichen Arbeit mit den vielen Bittstellern aus der näheren – oder auch weiteren – Bevölkerung, bestand die Arbeit eines Praefectus Aegypti sehr häufig darin, Briefe zu diktieren oder sich vorlesen zu lassen. Heute waren welche aus Rom dabei, einer von einem Quaestor, der andere von seinem Nauarchus.
“Der des Nauarchus zuerst“, entschied Minidius Geminus und lehnte sich auf seinem Sessel zurück, während sein Scriba den ausführlichen Bericht vorlas. Hin und wieder kommentierte er die eine oder andere Stelle mit einem “Schön, schön“, oder einem “Aha“. Für mehr Worte war es zu heiß. Minidius Geminus konnte kaum auf die versprochene Abkühlung in der Regenphase warten. Was waren die Götter hier in Ägypten doch unbarmherzig, dass sie einen mit solcher Hitze straften! Ein Wunder, dass Vulcanus hier nicht mehr verehrt wurde.
Am Ende des Berichtes winkte Minidius Geminus einmal kurz dem Scriba. “Erinnere mich daran, dass ich dem Nauarchus für den ausführlichen Bericht danke, wenn er wieder zurück ist. Der Tribun sollte sich daran mal ein Beispiel nehmen.“Kurze Notiz, nächster Brief. Nun der vom Quaestor.
Der verursachte bei Minidius Geminus eher Kopfschmerzen, also rieb er sich die Schläfen. “Nabataea... Das waren doch diese... Aribi, die dort wohnen, oder?“
“Araber.“
“Ja, genau die mein ich. Komisches Volk, betet die Sterne an. Die sind doch wieder in ihr altes Leben zurückgefallen, nachdem ihr König... Dingens... Aretas...“ “Rabbel Secundus mit dem Beinamen Soter“ Eine unwirsche Handbewegung von Minidius Geminus folgte “Aber tot ist er doch, oder?“ Ein kurzes Nicken folgte.
“Es ist zu heiß, um nachzudenken. Die Sklaven sollen das Bad mit frischem, möglichst kaltem Wasser füllen“ wies er in den Raum hinein an. Irgend ein Sklave würde das schon in die Wege leiten.
“Gut, dann schreib an diesen Quästor Typhus“ “Tiberius...“ “dass wir vor sechs Jahren da einfach hätten einmarschieren sollen und diese verfluchte Wüste einnehmen. Dass das billige Räuberbanden sind, die die Sterne anbeten, aber nichts zum Handeln haben außer Sand und Kamele. Und den üblichen Schmonz über Cyrene und Iudaea und die Juden an sich und die Schwarzen im Süden... du weißt schon.“ -
'Na, da bleibt zu hoffen, dass beides in ausreichender Menge fließt“ lachte Minidius Geminus über seinen eigenen Scherz herzlich, aber nicht herablassend. Und er hoffte, dass der Decimus ein wenig Humor hatte.
“Und nein, weiter habe ich nichts, hiermit bin ich schon wunschlos glücklich. Wenn du also die Chance hier und jetzt nicht noch für ein weiteres Anliegen nutzen willst, möchte ich dich sicherlich nicht aufhalten. Immerhin wartet eine Kaiserin.“ -
Loyalität war ein Grundsatz, mit dem Minidius Geminus durchaus viel anzufangen wusste. Er glaubte Decimus Massa da auch durchaus, dass der Octavius sich seinerzeit diese Loyalität auch durch gute Führung verdient hatte. Ob er es ebenfalls schaffen würde, eben dieses Vertrauen sich zu verdienen, war noch offen, aber er hoffte es.
“Nun, im Moment sehe ich zumindest keinen Grund, deine Loyalität in Zweifel zu ziehen, im Gegenteil. Dass du sehr loyal bist, hast du schon unter Beweis gestellt. Zwar nicht für mich, allerdings habe auch ich im Gegenzug noch nicht viel getan, um mir so etwas zu verdienen.“ Minidius Geminus lächelte leicht väterlich und nahm auch noch einmal einen Schluck verdünnten Wein.
“Aber ich hoffe, das werde ich noch. Ebenso wie ich hoffe, dass mein Vertrauen jetzt und hier in baldiger Zukunft sich als gerechtfertigt herausstellen wird. Darüber hinaus hoffe ich, dass du wiederum mir vertraust, dass ich gute Leistungen in jedem Fall honorieren und beim Kaiser auch anbringen werde.
Aber an dieser Stelle muss ich ein Geständnis machen: Ich habe im Grunde keine Ahnung von Schiffen. Ich bin eher ein Mensch der Verwaltung. Schon immer gewesen. Daher werde ich dir ebenso wie dem Subpraefectus vertrauen, was die Ausbildung und Mannschaftspflege angeht. Dir im besonderen vertraue ich bezüglich der Planung von Missionen und der Ergreifung notwendiger Maßnahmen zur Sicherung der Getreidetransporte. Und natürlich deinem nautischen Können speziell bei dieser Mission. Was ich im Gegenzug für diese Freiheit möchte, sind Berichte. Wie schon erwähnt, ich bin ein Verwaltungsmensch. Ich mag Berichte. Und je mehr ich wiederum dem Kaiser weiterberichten kann, umso wahrscheinlicher ist es auch, dass er die Classis mit der ein oder anderen Aufmerksamkeit bedenkt.“
Für Minidius war diese Abmachung nahezu perfekt. Die Männer, die Ahnung hatten, wurden durch ihn in ihrer Arbeit nicht gestört, und er wiederum musste sich nicht in Dinge einmischen, von denen er ohnehin wenig bis gar keine Ahnung hatte. Solange sämtliche Piraten von den Getreideschiffen fern gehalten würden und es keine Schwierigkeiten mit Rom war, war er durchaus bereit, recht großzügig mit Freiheiten seiner – nominell – Untergebenen zu sein. -
“Und ich hoffe, das sind sie?“ fragte der Präfekt auch gleich, was nach der Begrüßung und angesichts der wirklich wichtigen Mission nicht weiter verwunderlich war.
Ein Sklave kam vorbei und brachte Becher mit verdünntem Wein, von denen Minidius Geminus auch einen nahm und dem Nauarchus einen anbieten ließ. “Aber weshalb ich eigentlich mit dir sprechen wollte“, kam er dann auf das eigentliche Thema zu sprechen, “nun... fangen wir anders an. Ich habe mir sagen lassen, dass du dem Praefectus Classis Octavius lange Zeit treu gedient hast. Und natürlich habe ich auch gehört, dass du, wie viele andere auch – gerade auch die Männer des jetzigen Flaggschiffs der Classis Augustana Alexandria – auf der Seite von Vescularius im Krieg gestanden hast. Eine wirklich dumme Geschichte, nicht wahr? Hätte Palma verloren, wärt ihr die Helden gewesen. Und wenn man in einem militärischen Kontext stand, hatte man wohl wenig Wahl, außer, sich für eine der beiden Seiten zu entscheiden. Ich trage dem Octavius seine Entscheidung nicht nach, er wird hierfür Gründe gehabt haben, so wie du die deinen gehabt haben wirst, wiederum ihm zu folgen. Aber im Blick der Allgemeinheit da draußen ist es wohl ein Makel, den es auszubügeln gilt.
Und eben deshalb, weil dies eine sehr heikle und wichtige Aufgabe ist, mit der ich euch betraut habe, wollte ich mir nun ein genaueres, nicht von Gerüchten und früheren Entscheidungen geprägtes Bild von dem Kapitän machen, den ich auf diese Mission auch schicke. Immerhin muss nicht nur ich ihm vertrauen können, sondern mein Urteil bedingt ebenso das Vertrauen des Kaisers. Und mir ist bewusst, dass diese Aufgabe wohl genug Ehre abwirft, um frühere Makel auszuradieren.
Daher frage ich dich einmal ganz direkt, Decimus: Kann ich dir diese Aufgabe anvertrauen? Kann ich dir vertrauen?.“
Minidius Geminus sprach weder anklagend, noch irgendwie unfreundlich. Er hätte auch durch irgendwelche Winkelzüge und Gesprächsfetzen sich zusammenkonstruieren können, ob er dem Decimus nun vertrauen konnte oder nicht. Aber die ehrlichste Reaktion erhielt man wohl beim Blick in die Augen seines Gegenübers, wenn man ihn sehr direkt fragte, ohne Andeutungen und versteckte Hintergedanken.