Beiträge von Quintus Flavius Catus Atilianus

    Er hatte noch immer seinen Blick durch die anwesenden Gäste wandern lassen, sodass er sich doch erst leicht überrascht an die Braut wandte und kurzerhand aus reiner Intuition heraus das freundliche Lächeln der Sergia erwiderte. Glücklicherweise übernahm seine Tante die Aufgabe, ihn und ihre restlichen Neffen mit dem Brautpaar bekanntzumachen, sodass er vorerst lediglich seinen heiteren Gesichtsausdruck zu wahren brauchte. Stattdessen nutzte er die Zeit, die beiden interessiert zu mustern, die zweifellos einen dem Anlass würdigen Anblick darstellten, wenn auch der Ausschnitt des Brautkleides doch eher Geschmackssache war. Ob dieser absichtlich leicht provokant gewählt war oder vom Brautpaar schlicht als schön empfunden wurde, erschloss sich dem Jüngling natürlich nicht.
    "Salvete, ich freue mich, genauso wie meine Verwandten, hier sein zu dürfen", grüßte er abschließend als letzter der drei Begleiter galant, auch mit Blick zu dem beinahe schon scheuen Manius. Dabei schien das Brautpaar auf den ersten Blick einen durchaus sympathischen Eindruck zu machen, selbst wenn vorerst wohl die Sergia das Zepter in der Hand hatte. Aber daran sollte Catus sich nicht stören.

    Angenehm überrascht konstatierte Catus, dass es keinerlei Problem für sie darstellte, ihn im Stammbaum der Gens Flavia einzuordnen. Natürlich, eine Tante, wenn auch über mehrere Ecken.
    "Ja, ein Fest… und meine Tante sollte ich auf diesem Fest vermutlich auch zu den Gästen zählen, oder?", fragte er mit einem fröhlichen Lächeln. Tabula und Stilus, die noch immer vor ihm auf dem Tisch gelegen hatten, nahm er wieder in die Hände und musterte sie einen Augenblick erwartungsvoll.
    "Wo du gerade hier bist, kannst du mir bestimmt ein paar Namen nennen, die ich auf keinen Fall vergessen sollte", meinte Catus noch und versuchte dabei natürlich mehr beiläufig als hilfsbedürftig zu klingen. Man wollte schließlich nicht den Eindruck vermitteln, bei der recht simpel anmutenden Aufgabe, eine Gästeliste zusammenstellen zu müssen, Hilfe zu benötigen. Und eigentlich war Domitilla ja aus einem völlig anderen Grund hier. Catus warf einen kurzen Blick über die Schulter zu seinem Leibsklaven.
    "Und wenn du willst, kann ich Taurion nach deiner blonden Sklavin schicken. Oder er könnte etwas zu trinken bringen, ganz wie du willst."
    Er deutete mit einer flüchtigen Geste zu Taurion der sich, wie es der Meinung seines Herren nach sein sollte, unauffällig im Hintergrund hielt, und bei dem er sich, wenn der eher wortkarge Sklave sich nicht in seinem Blickfeld befand, oft nicht einmal sicher sein konnte, ob er überhaupt in seiner Nähe war.



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    Taurion hatte seine Fassung inzwischen zurückerlangt und ließ Blick fast schon wieder gelangweilt durch den Raum wandern. Was zwischen den beiden Flaviern geredet wurde war ihm ebenfalls ziemlich gleichgültig, in dem Moment, in welchem sich herausgestellt hatte, dass ihr Gespräch in das gewöhnliche Geplauder abdriftete, hatte er beschlossen, sich wichtigeren Dingen zuzuwenden – wie etwa ob die Möbel sachgemäß abgestaubt wurden.

    Keine Sekunde hatte Catus gezögert, dem Vorschlag seiner Tante zu folgen und sie zu diesem Fest zu begleiten, zu welchem wohl wahrlich jeder eingeladen war. Und zumindest wo die feine Gesellschaft Roms zusammenkam durften selbstverständlich auch die Flavii keineswegs fehlen, vor allem er selbst hatte sich vorgenommen, sich keine derartige Möglichkeit entgehen zu lassen, sodass er an diesem Tag dank der überaus aufmerksamen Flavia Domitilla das Vergnügen hatte, Teil der Gäste zu sein.
    Die offensichtlich schiere Menge der Anwesenden ließ den Jüngling allerdings noch in der Sänfte angestrengt ausatmen. Doch was wäre ein solches Ereignis denn ohne seine Festgesellschaft, und je größer diese war, desto höher war schließlich auch die Wahrscheinlichkeit, auf jemanden zu treffen, mit dem er eine amüsante oder bestenfalls interessante Unterhaltung zu führen imstande war. So glänzte der junge Flavius, aus der Sänfte entstiegen und an der Seite seiner Verwandtschaft, wieder mit einer durch seinen Leibsklaven zurechtgerückten und dadurch tadellos sitzenden Toga, sowie einem geradezu perfektionierten Lächeln, und ließ den Blick die restlichen Anwesenden musternd durch seine Umgebung gleiten.

    Erst hatte Catus das Gefühl gehabt, sie würde sein Angebot nicht annehmen und sich stattdessen wieder aus seinem Cubiculum davonmachen. Was von beidem er in diesem Augenblick bevorzugte, konnte er für sich selbst nur schwerlich beantworten, doch es bestand kein Zweifel, dass sich inzwischen doch Interesse geregt hatte, genauer herauszufinden, wer zuvor aus einem bloßen Missverständnis heraus über ihn hergefallen war.
    "Darüber mache dir keine Sorgen", kommentierte er als sich Domitilla setzte und erwiderte ihr Lächeln flüchtig. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, war seine Zeit so eng auch wieder nicht bemessen, dass er nicht ein wenig davon für ein Familienmitglied opfern konnte. Sein Ärger war doch eher Resultat dieses Missverständnisses gewesen, dass die Flavia bereits aufgeklärt hatte.
    "Lediglich Notizen." Auch er selbst besah sich erneut kurz die Tabula. "Für eine Gästeliste…" Besonders viel war in der Wachsschicht noch nicht zu erkennen, lediglich Namen, die sein Ziehvater erwähnt hatte. Wo sie nun aber bereits danach gefragt hatte, würde er bei Gelegenheit allerdings nicht davon absehen, sie nach eventuellen weiteren Kandidaten zu fragen.
    "Flavia Domitilla… ich muss mich für meine Unwissenheit entschuldigen, aber du weißt nicht zufällig, in welchem Verwandtschaftsverhältnis wir zueinander stehen?", stellte er ihr aus purem Interesse heraus eine Frage, denn sie genau einzuordnen vermochte er noch immer nicht und bis auf ihren Namen hatte sie ihm keinerlei Anhaltspunkte gegeben.

    "Eigentlich war ein Fest geplant, bei welchem ich auch die Möglichkeit gehabt hätte, mich mit einigen Senatoren und anderen wichtigen Persönlichkeiten bekannt zu machen. Es steht also noch nichts fest", antwortete Catus erst etwas nachdenklich. Jegliche Überlegungen steckten schließlich auch bei ihm noch in Kinderschuhen, dabei schien er allerdings nicht der einzige zu sein. So machten auch Gracchus Minor und Fusus den Eindruck, noch keinen konkreten Entschluss gefasst zu haben. Nur kurz darauf zierte allerdings wiederum ein Lächeln Catus' Züge.
    "Ich könnte euch ebenfalls auf die Liste der Gäste setzen." Die beiden waren immerhin Mitlgieder der Gens Flavia und wurden damit sicherlich zu den, von seinem Adoptivvater erwähnten, vielversprechenden Sprösslingen patrizischer Familien gezählt. Und wenn nicht sie, wer dann? Ganz am Rande wäre es vermutlich auch für ihn angenehm, sollten annähernd Gleichaltrige zugegen sein, deren Bekanntschaft er bereits gemacht hatte. Somit würde er sich nicht alleine zwischen größtenteils vollkommen Fremden wiederfinden.


    "Du hast Recht, mein Vater ist Teil der Arvalbrüder …" … und wie er Furianus kannte, hatte dieser bestimmt bereits einige Überlegungen angestellt, was Sodalitäten und seinen Ziehsohn betraf. Schlussendlich dürfe es dennoch keine Schwierigkeit werden, eine geeignete Sodalität zu finden, unter anderem auch aus den Gründen, die Fusus soeben erklärt hatte.
    "Ich will doch hoffen, dass weitere Flavii in allen Sodalitäten willkommen sind."

    Unkonventionell. Catus vermochte ein flüchtiges Lächeln nicht zu vermeiden. Nur langsam bröckelte jedoch seine leichte Verstimmtheit ihr gegenüber.
    "Auch mich freut es, mit dir Bekanntschaft zu machen…", bemerkte er in noch immer recht reserviertem Ton. Doch inzwischen fand er sich damit ab, sich zumindest für die nächsten Minuten seiner Verwandten widmen zu müssen. Seine hellen Augen ruhten auf ihr, während sie ihm etwas anbot, dass einer Erklärung gleichte. Ihre Sklavin suchte sie. Hier war sie jedenfalls nicht, soviel stand fest. Catus schüttelte nach einer kurzen Pause langsam den Kopf.
    "Nein", antwortete er schlicht. Und selbst wenn sie ihm irgendwann über den Weg gelaufen wäre… es war nicht seine Aufgabe und noch weniger sein Bestreben, sich das Gesicht oder gar die Haarfarbe eines jeden Sklaven des Haushalts einzuprägen, wenn er sie denn überhaupt genauer beachtete. Mit einem "Sowas interessiert mich nicht" zu antworten, würde aber vermutlich nicht nur er als recht unhöflich empfinden. Er warf einen Blick über die Schulter zu seinem Sklaven. "Taurion?"
    "Was? Nein, nichts… niemanden habe ich gesehen", meinte dieser noch immer leicht nervös.
    Catus wandte sich wieder an seine Verwandte, musterte sie etwas ratlos und deutete schließlich mit einer kurzen Geste zum zweiten Stuhl.
    "Willst du dich vielleicht… setzen?", fragte er. Jetzt, da sie sich bereits als Flavia vorgestellt hatte, konnte er sie wohl kaum noch aus seinem Zimmer werfen. Und wie sie so herumstand behagte ihm ebenfalls nicht. Was ihm allerdings noch weniger behagte war, dass eine Flavia es offenbar nötig hatte, ihrer eigenen Sklavin hinterherzulaufen. Zustände herrschten hier. Darum konnte sich allerdings auch nachher noch irgendwer kümmern.

    Die genaueren Hintergründe des weiteren Kommentars seines Vetters blieben Catus schleierhaft, folglich wusste er auch Manius' angedeutetes Lächeln nicht so recht einzuordnen und fand sich schlichtweg mit einem kurzzeitigen Gefühl des Deplaciertseins ab, bis endgültig ein Themenwechsel erfolgte, und verzichtete unterdessen selbstverständlich nicht darauf, die beiden dennoch mit freundlicher Miene zu bedenken - unter anderem natürlich, um zu überspielen, dass er nicht im Geringsten wusste, wovon die Rede war.


    Mit den einzelnen Sodalitäten hatte er sich bis dato kaum auseinandergesetzt. Umso überraschender kam deshalb Fusus' Frage. "Bisher nicht, aber ich werde mich wohl bald für eine der Sodalitäten entscheiden müssen." Allerdings war noch nicht einmal geklärt,ob sein Vater womöglich bestimmte Präferenzen hinsichtlich der Wahl hegte, und dies galt es vermutlich als erstes herauszufinden. "Aber auch von einem Tironicium Fori werde ich lediglich profitieren können", antwortete er nur einen Augenblick später. "Natürlich habe ich mir vorgenommen, eines zu absolvieren. Ihr werdet doch mit Sicherheit dasselbe tun?" Ihm wollte beim besten Willen keine rationale Begründung einfallen, darauf zu verzichten, einen erfahrenen Senator zu begleiten und von ihm zu lernen. Und gerade als Teil der Gens Flavia boten sich bestimmt genügend Möglichkeiten dazu. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass sein Ziehvater vermutlich nichts anderes von ihm erwartete.
    "Und die Sodalitäten? Habt ihr euch denn bereits einer angeschlossen?"

    Ein weiterer – verspätet eintreffender – Schüler riss Catus kurzzeitig aus seiner Konzentration. Dennoch setzte er ein dünnes Lächeln auf, man wollte schließlich nicht unhöflich erscheinen, und wandte sich wieder dem Rhetor zu, der den neu eingetroffenen vorerst nicht beachtete. Wie schade es jedoch war, dass er nicht geneigt war, seinen Schülern die Kunst einer gelungenen Rede zu präsentieren. Aber natürlich, die Gründe des Rhetors schienen plausibel, so hielt sich seine Enttäuschung in Grenzen, selbst wenn er sich selbst nicht zu denjenigen zählte, die noch nicht genügend Verständnis für eine derartige Präsentation besäßen.
    Nach kurzer Unterbrechung wurde damit der Unterricht fortgesetzt und sogleich konfrontierte der Rhetor seine Schüler erneut mit Sachwissen und Fachbegriffen. Einiges war Catus bereits von früheren Unterrichtsstunden bekannt, doch gab er Taurion dennoch hin und wieder unauffällig ein Zeichen, sobald etwas genauer zu notieren war.


    Nur kurz darauf waren die Schüler zur aktiven Mitarbeit aufgefordert, einige von ihnen, um genauer zu sein, und so blickte Catus erst unbeeindruckt auf die Tabula die ihm vorgelegt wurde, nur um nach einem Blick darauf nachdenklich die Stirn zu runzeln.
    Dem sonst recht sachlich denkenden Jüngling verlangte die Phantasie fordernde Aufgabe einige mentale Arbeit ab. Lautlos ging er die kurze Fabula schrittweise durch, die er sich, da war er sich sicher, auch ohne eine bestimmte Technik in Erinnerung hätte behalten können, dennoch ging es doch primär darum, die erklärte Technik zu demonstrieren. Glücklicherweise wagten sich ohnehin erst der rechthaberische Fremde und schließlich Gracchus Minor nach vorne, und zumindest seinem jüngeren Onkel nickte er ermutigend zu und lächelte freundlich, als sich dieser nach bewältigter Aufgabe wieder zu seinen Mitschülern gesellte.
    Nun war es an ihm, so fand er, sein Können unter Beweis zu stellen. Selbst wenn der Inhalt seines Vortrags zu wünschen übrig lassen würde, was zu bewerten ohnehin Aufgabe des Rhetors war, so wollte er sich zumindest gut verkaufen. Gekonnt wartete er einen kurzen Augenblick ab, stellte sicher dass zumindest ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit auf ihm ruhte und unterdrückte selbstverständlich jegliche aufkeimende Nervosität.
    "Der Titel meiner Geschichte lautet Der Affe und der Fuchs. Der Affe wird von den anderen Tieren ob seiner Geschicklichkeit und Leichtigkeit mit Begeisterung zum König gewählt. Doch der Fuchs missgönnt dem Affen seinen Rang. Er findet einen Graben, in dem unter einem Netz verborgenes Fleisch liegt. Dort führt er den Affen hin und meint, er habe einen Schatz gefunden und der Affe als König müsse sich dieses Schatzes bemächtigen. Der Affe steigt leichtfertig in den Graben hinab, verfängt sich in dem Netz und beschuldigt den Fuchs der Treulosigkeit", trug er vor, machte eine kurze Pause und musterte erwartungsvoll seine Mitschüler, ein kurzer Blick huschte selbstverständlich auch in Richtung des Rhetors. "Da du so unvorsichtig bist, wie kannst du die Herrschaft über alle anderen Tiere verlangen?, erwiderte schließlich der Fuchs."
    So weit, so gut. Bisher war ihm offenbar kein Fehler unterlaufen, die Geschichte selbst zu wiederholen war dabei aber noch der eher simple Teil der Übung gewesen.
    "Äh ja… mein Haus, im Vestibulum erblicke ich auf einem Wandbild einen Affen, daneben liegt, auf einem kleinen Tischchen platziert, ein goldener Lorbeerkranz als Zeichen der Herrschaft und Macht, begann er zu erklären. "Ich gehe ins Atrium, wo, um die Säulen drapiert, Netze hängen. An der ersten Säule findet sich Fleisch darin…" Er stockte kurz, da ihm die Vorstellung etwas unangenehm war. "… und ein Fuchspelz hängt daran. An der zweiten Säule findet sich ein zerbrochenes Glas darin, als Zeichen der Unvorsichtigkeit und um das Netz schlingt sich vertrockneter Efeu, da Efeu ein Sinnbild der Treue ist … und an der nächsten Säule, im letzten Netz, hat sich der Lorbeerkranz darin verfangen."
    Doch recht zufrieden mit seiner Leistung blickte er noch einmal in die Runde und setzte sich wieder auf seinen Platz. Allzu schnell würde er die Fabula zumindest bestimmt nicht wieder vergessen, da war sich Catus sicher.

    Eine sarkastische Bemerkung bezüglich ihrer Aufmachung hielt Catus aus purer Höflichkeit gekonnt zurück, denn seine Vermutung, ein Familienmitglied vor sich zu haben, hatte sich soeben bestätigt. Einzuordnen wusste Catus die Frau dennoch nicht. Vielleicht sollte er Taurion ebenfalls damit beauftragen, ihm einen Stammbaum herbeizuschaffen, selbst wenn es ihn abschreckte, sich unzählige Namen, Beziehungen und Verwandtschaften einprägen zu müssen, nur um auf eventuelle Begegnungen weitestgehend vorbereitet zu sein.
    Das Lächeln der Frau erwiderte er unterdessen mit einem mäßig gelungenen, und stellte sich inzwischen die Frage, ob er womöglich ganz und gar nicht den Eindruck machte, als hätte er zu tun. Er ließ mit zusammengepressten Lippen die Tabula auf den Tisch sinken und sah wieder auf. "Quintus Flavius Catus Atilianus", meinte er in einem Atemzug. "Flavius Furianus ist mein Ziehvater und ich bin erst kürzlich hier in Rom angekommen", fügte er knapp hinzu, um denkbaren weiteren Fragen zuvorzukommen. Erst jetzt bemerkte er, wie seine Finger erneut begonnen hatten, mit dem Stilus herumzuspielen, sodass er sich dazu entschied, ihn fein säuberlich neben der Tabula zu abzulegen. Selbstredend hielt sich seine Begeisterung der unbekannten Flavia gegenüber noch immer in Grenzen, was nicht unwesentlich ihrer jüngsten Darbietung zu verdanken war. Das Wissen um den Anlass, weshalb er in seiner Arbeit unterbrochen worden war, blieb ihm ebenfalls nach wie vor verwehrt – durchaus ein wenig ärgerlich, denn wer sich dazu entschied auf derart unpässliche Weise seine Überlegungen zu sabotieren, sollte dafür zumindest einen triftigen Grund vorbringen können und wie es schien hatte er wohl erst explizit danach zu fragen.

    Seine Ablehnung Fusus' Einstellung gegenüber war an den beiden anderen rückstandslos abgeprallt - ob bewusst oder lediglich nicht als solche erkannt, erschloss sich Catus nicht. Zweifellos bemerkte er jedoch mit Freude, dass sich das Gespräch wieder anderen Themen zuwandte.
    Am Ende war doch vom Imperator höchstpersönlich die Rede. Und so kam es, dass ihn die durch seine beiden Verwandten geschaffene Vorstellung zwar reizte, sie ihm aber gleichzeitig dennoch unangebracht erschien. Gleichzeitig machte man aber bereits den Eindruck, ins skurrile abzudriften, sodass er sich dazu entschloss, den unangenehmen Beigeschmack schlichtweg zu ignorieren und gewissermaßen mitzuziehen.
    "Dessen bin ich mir sehr wohl bewusst", sagte er mit an gespielter Frustration an Fusus gewandt.
    "Aber gewiss steht uns großes bevor." Ein verschwörerisches Lächeln zierte unterdessen seine Lippen und wich wiederum einer wesentlich gleichgültigeren Miene, als er endete: "Und zumindest der Senat wird sich unser nicht enthalten können."
    Vollkommen bewusst hatte er es dabei vermieden, weiterhin auf den Princeps und dessen Situation einzugehen und seine genaueren Intentionen schlichtweg der Interpretation seiner Gesprächspartner überlassen. Vielleicht würde der Augustus irgendwann einen Nachfolger aus den Reihen der Patrizier bestimmen, doch die Utopie, selbst als solcher erwählt zu werden, erschien, bei all seinem Stolz, auch Catus absurd.

    Beinahe etwas enttäuscht musste er erfahren, dass der jüngere der beiden anderen Flavii allem Anschein nach bisher kaum auch nur Rom verlassen hatte. Fast war er geneigt, ihm gegenüber das Reisen als anstrengend und lediglich mit Unannehmlichkeiten verbunden abzutun, denn er glaubte durchaus ein gewisses Fernweh aus Manius' Worten herauszuhören. Doch war er ehrlich, so wollte auch Catus seine Zeit in Achaia nicht missen, und sei es alleine aus dem Grund, auch einmal etwas anderes von der Welt gesehen zu haben als nahezu nur Italia oder gar die Urbs Aeterna. Den flüchtigen mitfühlenden Blick des Gracchus vermochte er derweil nicht zu deuten und erwiderte ihn stattdessen schlichtweg mit einem freundlichen, wenn auch etwas dürftigen Lächeln. "Bestimmt ergibt sich auch für dich noch die Möglichkeit, fernere Gegenden zu sehen, werter Manius."
    Aufmerksam verfolgte er daraufhin wiederum Fusus' Erkärungen, woraufhin seine Züge das vorhergehende Lächeln wieder missen ließen. Seiner Jugend war es wohl zu verdanken, dass er sich nur allzu voreilig zu einer Reaktion hinreißen ließ.
    "Nun, auch an mich stellt die Familie gewisse Erwartungen", entgegnete er nicht unmerklich erstaunt und zog mit leichter Missbilligung eine Augenbraue hoch. Natürlich wurden Erwartungen an einen jungen Flavius gestellt. Was hatte sein Gegenüber sich denn erhofft? Selbst er, in dessen Adern kein flavisches Blut floss, war mit dieser Tatsache konfrontiert. Und hätte Catus Fusus' Einstellung geteilt, selbst dann hätte er seine Gedanken nicht offengelegt. Viel zu klar zeigte sich in seinen Gedanken die Reaktion, die er auf derartige Worte von Seiten seines Adoptivvaters wohl zu erwarten hätte. Nicht zuletzt aber war es auch sein eigener Wunsch, nach höherem zu Streben, sich zu beweisen. Ob dieser Wunsch nun ursprünglich auf der Tatsache fußte, dass diese Einstellung von ihm erwartet wurde, war einerlei, denn wenn es so war, so schienen die Vorstellungen der Familie und seine eigenen inzwischen eins geworden zu sein.
    "Allerdings lebe auch ich mich erst noch ein und bereite mich weiter auf die Zukunft vor…", meinte er daraufhin wieder milder, um seinen vorhergehenden doch leicht harschen Kommentar zumindest ansatzweise zu revidieren und warf schließlich ganz unverblümt einen allzu offensichtlich erwartungsvollen Blick auf das noch nicht begonnene Spiel, welchen er mit Worten zu ergänzen nicht bedurfte.

    Hatte Catus gerade eben noch nachdenklich den Stilus zwischen den Fingern gedreht, schwang nun völlig unerwartet die Tür des Cubiculums auf - noch ehe er sich versah, stand eine ihm fremde Frau im Raum. Tatsächlich irritierte ihr plötzliches und mit lauten Beschimpfungen einhergehendes Aufteten ihn derart, dass sogar dem sonst so kontrollierten Jüngling für einen Augenblick die Gesichtszüge entgleisten und der Griffel fast zu Boden fiel. Beinahe hätte er damit reagiert Taurion anzuweisen, sie noch im selben Moment wieder aus dem Zimmer zu befördern. Im Augenwinkel nahm er noch seinen geschätzten Sklaven wahr, der sich in seiner Verwirrung nicht anders zu helfen wusste, als die Fremde entsetzt anzustarren.
    "Und… mit wem habe ich das Vergnügen?", fragte Catus als er nur kurz darauf seine Contenance wiedergefunden hatte, denn er kam nicht umhin zu vermuten, dass sie ein Teil der Familie war. Den Eindruck einer Sklavin machte sie nicht, und wer sonst sollte sich in diesem Teil der Villa aufhalten? Ob Flavia oder nicht, hoffentlich war sie zu einer Erklärung fähig, so brachte seine gesamte Körpersprache und Mimik vollends Catus' Einstellung ihr gegenüber zum Ausdruck. Ein kühler und dennoch seltsam erwartungsvoller Blick, noch immer saß er am Tisch und machte weder Anstalten aufzustehen, noch vermittelte er den Eindruck, zumindest die Tabula und den Stilus beiseitelegen zu wollen. Die Augen des nach wie vor wie angewurzelt dastehenden Sklaven dagegen sprangen mit inzwischen mäßiger Schockierung zwischen seinem Herrn und der Fremden hin und her - vermutlich hoffte er einfach, möglichst bald irgendeinen Befehl zu erhalten, nur um wieder Gewissheit zu erlangen, wie er sich verhalten sollte.

    Der jüngst erst eingetroffene Flavius Catus hatte sein Cubiculum inzwischen bezogen, die mitgebrachten Habseligkeiten waren verstaut und es galt, sich wieder weniger trivialen Angelegenheiten zuzuwenden. Furianus hatte nicht gezögert, seinen Ziehsohn bereits bei seiner Ankunft im Atrium mit den ersten Aufgaben zu betrauen, so oblag es nun Catus, ihm alsbald den Entwurf einer Gästeliste zu präsentieren. Ein durchaus auch etwas fordernder Auftrag, wenn man bedachte, dass der junge Flavier kaum einen der zukünftigen Gäste persönlich kannte. Da sein Vater aber bereits einige Namen genannt hatte, zog Catus es vor, zumindest diese zu notieren, bevor sie seinem Gedächtnis wieder entfielen.
    Da an einen Schreibtisch eigens für diverse Arbeiten scheinbar nicht gedacht worden war, setzte sich Catus also kurzerhand an den verzierten Holztisch, griff nach der Tabula, die sein Sklave ihm reichte und wollte bereits zu notieren beginnen.
    "Claudii, Tiberii, Aurelii hat er gesagt. Ein gewisser Vinicius Hungaricus und Flavius Gracchus", rief er sich ins Gedächtnis, bevor wieder Stille einkehrte. Taurion ging natürlich davon aus, dass sein Herr vor allem mit sich selbst kommunizierte und blieb folglich stumm. Der Jüngling hingegen kaute nachdenklich auf der Unterlippe, von der Hoffnung erfüllt, nichts vergessen zu haben. Mit der Frage dem Kaisers höchstselbst einen Platz zwischen den Gästen zu offerieren, würde er sich allerdings später eigens auseinandersetzen.
    "Taurion, du wirst mir demnächst eine Liste aller amtierenden Senatoren beschaffen", meinte er nüchtern und dieses Mal explizit an den Sklaven gerichtet. Irgendein Scriba, der die entsprechenden Informationen bereitstellen konnte, würde sich in der Villa mit Sicherheit finden, und es würde seine Aufgabe bedeutend erleichtern.

    Taurion hatte unterdessen einen weiteren Stuhl beschafft, stellte ihn neben dem Tisch ab und trat wieder zurück, auf dass sein junger Herr sich setzen konnte. Dieser zögerte keinen Augenblick und nahm am Tisch der beiden anderen Flavii Platz. Als der jüngere ihm nun ebenfalls seinen Namen nannte und sich nebenbei als Onkel seinerseits herausstellte, konnte Catus eine gewisse Verwunderung, gepaart mit einem flüchtigen Schmunzeln, nicht verbergen.
    "Tatsächlich? Erstaunlich." Er bedachte den jüngeren Onkel erst mit interessiertem Blick, bis er sich von einer neuen Frage wieder ablenken ließ, wobei ihm die Antwort leichter fiel als manch einer womöglich erwartet hätte. "Korrekt. Nun, mein leiblicher Vater ist… war Marcus Atilius Proximus, der verstorbene Gatte meiner Mutter Claudia Catilina", antwortete er recht sachlich und rechnete nicht damit, dass Fusus das Thema noch weiter würde vertiefen wollen, deshalb wandte er sich wieder ein wenig mehr Gracchus Minor zu.
    "Ich bin erst vor kurzem angekommen, die letzten Jahre habe ich zum Studium in Achaia verbracht", begann er bereitwillig zu erklären und setzte mit ungetrübter Selbstsicherheit fort. "Vorerst werde ich in Rom bleiben, um mich weiterzubilden und in der Politik Erfahrung zu sammeln. Aber wer weiß wohin meine spätere Laufbahn mich noch führen wird."
    Dass die beiden auf seine Aufforderung zum Beginn des Spiels unbeachtet gelassen hatten, war ihm natürlich nicht entgangen, doch hielt er es nicht für nötig erneut zu drängen, sondern blickte stattdessen interessiert auf das Spielbrett, auf dass seine Verwandten aus freien Stücken ihre strategische Raffinesse unter Beweis stellten.
    "Haltet ihr euch etwa schon länger in Rom auf?", erkundigte Catus sich, als ihm auffiel dass bisher vor allem von ihm geredet worden war.

    Die Aufmerksamkeit der beiden lenkte sich wie erwartet auf Catus und eine Antwort ließ nicht lange auf sich warten, sodass auch er nicht zögerte, seinen Namen zu nennen.
    "Dann freut es mich, mich vorstellen zu dürfen. Quintus Flavius Catus Atilianus, Ziehsohn des Flavius Furianus …", antwortete er mit nicht gänzlich zurückgehaltenem Stolz, aber vor allem sichtlich erfreut, von den anderen beiden willkommen geheißen zu werden, denn kaum etwas erheiterte ihn mehr, als mit guter Gesellschaft Bekanntschaft zu machen. Und Flavii waren allemal gute Gesellschaft, daran konnte er keine Zweifel hegen.
    "… damit bist du wohl ein Vetter, werter Flavius Fusus", fügte er noch fröhlich an Fusus gewandt an, der sein Lächeln erwiderte und ihn mit freundlicher Miene musterte. Dennoch klangen Catus' Worte für seine Verhältnisse sogar ein wenig zögerlich, da er sich trotz allem nicht zur Gänze sicher war, sich in ihrer Verwandtschaftsbeziehung, wenn man sie als solche bezeichnen konnte, nicht doch zu irren. Er gab Taurion, der sich im Hintergrund gehalten und das Gespräch wie gewöhnlich mit mäßigem Interesse mitverfolgt hatte, schließlich einen kurzen Wink, und wartete dann einerseits darauf, dass ein dritter Stuhl beschafft wurde, und andererseits, dass sich ihm auch der jüngere der beiden vorstellte.
    "Aber lasst euch nur nicht zu sehr von mir ablenken", meinte er mit Blick auf das noch nicht begonnene Spiel, das er ursprünglich ein wenig zu beobachten beabsichtigt hatte.

    Es erstaunte Catus, wie sehr der Müßiggang ihn dazu verführen wollte, ihm noch etwas länger zu frönen, denn er kannte sich selbst voller Tatendrang und Wissbegier, dennoch hatten die etwas ruhigeren Tage eine willkommene Abwechslung dargestellt. Diesen wenigen Tagen, die seit seiner Ankunft vergangen waren, und vermutlich auch seinem Alter war es zu verdanken, dass die Anstrengungen der langen Reise bereits weit zurücklagen.
    So zog es ihn, den Mantel über der Tunika um die Schultern gezogen, aus den Räumen der Villa Flavia nach draußen, sein Sklave folgte ihm mit wenigen Schritten Abstand, um seinem Herrn jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Catus wollte es sich nicht nehmen lassen, den Hortus noch zu genießen solange es sowohl das angenehme, wenn auch etwas kühle, Wetter als auch seine Pflichten noch zuließen. Dort verfing sich sein schweifender Blick an zwei jungen, über einem Ludus latrunculorum sitzenden Herrschaften. Dies wiederum weckte stante pede seine Neugier, sodass er sich ohne weiteres Zögern den beiden näherte und sie unterdessen musterte. Einen von ihnen schätzte er etwas jünger, den anderen ein wenig älter als sich selbst ein. Vermutlich waren sie ebenfalls Flavii, oder zumindest einer von ihnen, aber mit größter Sicherheit waren es junge Leute, die es wert waren, die Zeit, sich mit ihnen bekanntzumachen, aufzubringen.
    "Salve", grüßte er deshalb freundlich lächelnd und doch nicht vollkommen sicher, ob er inzwischen bemerkt worden war. "Findet sich an eurem Tisch noch Platz für einen Zuschauer?"
    Ein Blick auf das Spielbrett verriet ihm, dass die beiden noch gar nicht begonnen hatten. Umso besser, dachte er sich, wenn er das Spiel ein wenig mitverfolgen wollte.

    Beinahe wäre ihm ein vollkommen deplaciertes "Hä?" entfahren, erkennbar war für seinen Vater allerdings nur, dass Catus' Augenbrauen etwas nach oben wanderten. "Natürlich, Vater", stimmte er nur einen Augenblick später bereitwillig zu, obwohl er innerlich noch immer ein wenig ratlos war. Er sollte für die Cena eine Liste von Gästen erstellen, die er wiederum erst bei ebendieser Cena kennenlernen würde. Fabelhaft. Dass er bei seiner Aufgabe Hilfe durchaus begrüßen würde, ließ er zunächst außen vor. Denn vielleicht war alles zusammen auch nur eine durchdachte Methode seines Vaters, ihn dazu zu bringen, sich mit den aktuellen politischen Gegebenheiten in Rom ausgiebig zu beschäftigen. Aber was auch immer in seinem Gegenüber vorging, er wollte sich wie von ihm verlangt erst selbst an der Liste versuchen und sich nicht jetzt bereits darüber beklagen, dass zu viel verlangt wurde, bevor er überhaupt auch nur einen Finger gerührt hatte. "Ich werde mich darum kümmern, sobald meine Zeit es mir ermöglicht."
    Der Rat seines Vaters umfasste lediglich absolut selbstverständliche Dinge und da alles Nötige ebenfalls vorerst abgeklärt war, nickte Catus schlicht. "Ich danke dir, Vater." Praktisch zeitgleich kehrte sein Sklave zurück, der in der Zwischenzeit mit Sicherheit alles seine Unterbringung betreffende geregelt hatte. "Wenn dem so ist, würde ich mich nun gerne von der langen Reise erholen", formulierte er mehr oder weniger eine Bitte entlassen zu werden, denn in gewisser Weise entschied immer noch sein Vater, wann das Gespräch beendet war.