Beiträge von Iulia Vestina

    Gut, die Fremde schien geneigt ihr zu helfen!
    So bekannte Vestina dann ohne große Verlegenheit:
    "Nun denn, Ihr müsst wissen, ich lebe erst seit Kurzem hier in Rom und kenne mich in der Stadt gar nicht aus. Heute bin ich zunächst mit einer ortsvertrauten Sklavin hierhergekommen, doch in dem Trubel hier, habe ich sie leider verloren und bisher nicht iwedergefunden."
    Dass das Verschwinden Nicaeas ihre eigene Schuld war, verschwieg Vestina der Anderen vorsorglich.
    Die Arme hatte ihre Unachtsamkeit schließlich schon sehr deutlich vorgeführt bekommen.


    Jetzt als die Fremde vor ihr stand, nahm Vestina sich die Zeit, um ihr Gegenüber genauer zu betrachten. Die junge Frau vor ihr überragte sie um einen halben Kopf und man erkannte trotz der Tatsache, dass sie soeben Bekanntschaft mit dem Erdboden der Stadt geschlossen hatte, dass sie recht elegant gekleidet war.
    "Was mag sie wohl auf den Markt führen? Ist sie vielleicht hier um einen Sklaven zu kaufen oder andere der angepriesenen Waren? Doch sie scheint ja ganz allein hergekommen zu sein. Suchte sie auch etwas bestimmtes?
    Vestina beschloss ihre Neugier zu stillen und fragte die Frau vor ihr vorsichtig:
    "Entschuldigt meine Neugier, aber was führt Euch hierher? Gibt es hier Dinge, die man unbedingt einmal gesehen haben muss oder besonderes zu kaufen?"
    Vielleicht war diese Frau ja geborene Römerin und konnte Vestina sowohl bei der Suche nach Nicaea, als auch bei ihrer Erkundungstour durch die Stadt behilflich sein!

    Die andere lebte noch und war anscheinend auch unverletzt, sodass Vestinas Sorgen in der Hinsicht erstmal beruhigt worden waren.
    Jedoch hatte die Fremde gerade ruhig, aber sehr explizit angemerkt, dass sie Vestina noch immer als Schutzlage vor dem Straßenschmutz diente, was die Situation noch peinlicher machte.
    Argh, die Götter waren ihr heute eindeutig nicht wohlgesinnt.
    Erst Nicaea und nun das.
    Vestina hätte sich ein Schild mit der Aufschrift "Bauerntrampel" umhängen können, sie wäre nicht stärker aufgefallen als jetzt.
    " Tut mir leid, dass ich Euch umgefäl...zum Stürzen gebracht habe, ich hoffe sehr, dass Ihr unverletzt seid.", entschuldigte sie sich bei der jungen Frau und bot ihr eine Hand zum Aufstehen an.


    Da die Situation kaum noch unbehaglicher werden konnte, beschloss sie einfach, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und zu schauen, was passieren würde:
    "Mein Name ist Iulia Vestina, seid ihr zufällig einer kleinen, schwarzhaarigen Sklavin begegnet, die aussah, als ob sie etwas dringend suchen würde?", fragte sie die Frau am Boden.
    Zu spät fiel ihr ein, dass dies angesichts der Tatsache, dass es ein sonniger Tag war und sie sich auf einem gut besuchten Markt befanden, zu den weniger erfolgsversprechenden Fragen gehörte, die man hätte stellen können.

    Puh, da hatte sie ja Glück gehabt!
    Vestina war bei dem Sturz offensichtlich sanft gelandet, denn soweit sie es beurteilen konnte, war sie unverletzt geblieben. Schnell versuchte sie, ihre Tunika einigermaßen in Ordnung zu bringen und ließ dabei ihre Augen wieder umherwandern.
    HOLY SHI...- dies war der einzige Ausdruck aus dem Griechischen, den Vestina kannte und schon des Öfteren gedanklich genutzt hatte- kein Wunder dass es ihr gut ging:
    Sie war direkt auf einer jungen Frau gelandet, die offensichtlich nicht besonders erbaut über diese Art von Nähe war.


    Oder hatte Vestina sie womöglich noch verletzt?! Panik stieg in ihr auf, als sie die mit geschlossenen Augen vor ihr liegende Person betrachtete.
    " Geht es Euch gut?", schrie sie die Frau in ihrer Angst, keine Antwort zu erhalten, fast an.

    So ein verdammter Mist!!!.
    Verzweifelt sah sich Vestina in der Menschenmenge um, aber sie hatte kein Glück: ihre Sklavin Nicaea blieb spurlos verschwunden. Auf dem Markt herrschte buntes Treiben, die Händler priesen lautstark ihre Ware an und die Menschenmasse schob sich wie eine Schlange zwischen den Läden hindurch. Zu einer anderen Zeit hätte Vestina diesen Anblick als sehr interessant und überwältigend empfunden, doch jetzt war es einfach nur überwältigend.
    Undzwar negativ überwältigend.
    So wie ein Felsen, der den Menschen unter sich langsam erdrückt.
    Gut, blöder Vergleich. Nun fühlte sich Vestina, als ob die Menschenmenge sie langsam zerquetschte und das half ihr in der gegebenen Situation überhaupt nicht weiter.


    Verdammt, verdammt, verdammt!!
    Was musste sie auch so neugierig sein und ohne große Gedanken an etwaige Gefahren losstürmen, sobald der Markt vor ihr aufgetaucht war?! Nicaea war schon länger Sklavin der römischen Iulier und kannte sich demzufolge sehr gut in der Stadt aus, ideal, um Vestinas Erkundungsdrang zu stillen.
    Zumindest hatte sie das in der Casa gedacht, als sie auf die Sklavin getroffen war. Stadtvertraute Skalvin, die dich sicher durch die Straßen führen wird, interessante oder wichtige Dinge zeigt und rechtzeitig vor Taschendieben warnt. Perfekt!
    Naja....denn das größte Problem hatte Vestina nicht erkannt: Sich selbst.
    Das Bauernmädchen, das von seinen Gefühlen geleitet unbesorgt losstürmt und die arme Leibsklavin hinter sich lässt.
    Und natürlich sofort komplett aus den Augen verliert.


    Hektisch schob Vestina sich durch die Leute und schaute sich immer wieder nach Nicaea um.
    Ihre Suche wurde aprupt beendet, als sie urplötzlich in eine Person hineinrannte...

    Schüchtern lugte Vestina hinter ihrer Cousine hervor. Vorsichtig ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen, den sie soeben betreten hatte. Von der ungewohnt großzügigen, edlen Ausstattung etwas eingeschüchtert, blieb er letztendlich an der Person, die Torquata angesprochen hatte, hängen: Sie erblickte (höchstwahrscheinlich) den Herrn des Hauses.
    Der Mann, der hinter dem großen Schreibtisch stand, sah sehr viel jünger aus als erwartet - und eindrucksvoller!


    Vestina kannte sich zwar nicht wirklich mit Uniformen und dem, was sie repräsentierten, aus, doch war es nicht schwer zu erkennen, dass der Hausherr ein hohes Tier in Rom war. Zuhause in Baiae gab es zwar diverse Beamte mit unterschiedlichsten Uniformen, doch eine so Ausgeschmückte war ihr noch nie untergekommen. Außerdem hatte es nie Vestinas größtem Interesse entsprochen, sich eingehend mit den politischen Ämtern in ihrem kleinen Dorf auseinanderzusetzen.


    "Guten Abend", imitierte sie Torquata - sicherheitshalber hielt sie sich an die Begrüßungsform ihrer Freundin -," mein Name ist Iulia Vestina und ich bin hergekommen, um um Aufnahme in der Casa Iulia zu bitten. Vor kurzem sind meine Eltern gestorben und ich weiß nicht, wohin ich mich sonst wenden soll.", erklärte Vestina dem Hausherren ihr Anliegen. Unsicher wanderte ihr Blick nun zwischen Torquata und dem Hausherren hin und her. War sie zu unhhöflich gewesen? Hätte sie ihn anders ansprechen müssen? Sie merkte, dass sie begonnen hatte, unbewusst mit ihren langen, blonden Haaren zu spielen, was ihre wohl ohnehin zerzauste Frisur noch mehr durcheinander brachte und ihrem ersten Eindruck nicht gerade zugute kam. Im Geiste sah sie sich schon Bilder auf der Straße malen.

    Aufgeregt und mit schwitzenden Händen stand Vestina vor der Tür des Officum des Hausherren.
    "Alles wird gut!", dachte sie bei sich,
    "falls er dich rausschmeißt, musst du eben kreativ werden und dir überlegen, wie du alleine überleben willst. Aber hey!- mehr Kreativität, größere Kunstwerke, also reicht es auf der Straße noch zur Künstlerin. Sehr aufmunternd, oder?"
    Eher nicht so..
    Seufzend schob Vestina diese absurden Gedanken beiseite und schaute kurz zu Torquata, die neben ihr stand und eine friedliche Gelassenheit ausstrahlte. Nach außen hin beruhigt, nahm Vestina all ihren Mut zusammen und klopfte an der Tür.

    Vestina beobachtete die beiden stillschweigend. Zuerst hatte sie Torquatas Verhalten nicht so recht verstanden, als diese plötzlich angesichts der Sklavin anfing, von der Iulischen Bibliothek zu schwärmen, doch als Torquata einen Namen fallen ließ, dämmerte es ihr.
    "Das ist also die Sklavin Tsuniro, vor der man sich in Acht nehmen soll.. Sie ist erstaunlich schön und scheint dies auch gut einzusetzen zu wissen."
    Zumindest schien die Sklavin selbstbewusst zu sein angesichts der "motivierten" Miene, die sie zur Schau trug. Vestina war sehr erstaunt, denn die Sklaven die sie von zuhause aus gewöhnt war,waren entweder Feldarbeiter, oder halfen ihrer Mutter bei der Hausarbeit. Exotische Schönheiten oder Aufmüpfigkeit unter Sklaven kannte sie nicht.
    "Und erneut musst du dich dran erinnern, dass du nun in Rom, ich wiederhole R-O-M und nicht auf dem Lande bist. Hier ist alles, selbst die Sklaven anders!", mahnte sie sich.


    Erst jetzt sickerte der Grund für die Unterbrechung durch Tsuniro so richtig zu ihr durch.
    Bei den Göttern!! Der Hausherr wollte sie sehen!! Jetzt! Dabei sah sie sicher furchtbar aus, erschöpft und ausgelaugt nach der langen Reise. Torquata meinte zwar, er sei ganz nett, aber sie war auch ein sehr gut ausgebildetes junges Mädchen, das der Gens Iulia würdig war. Reichte die Nettigkeit des Hausherren auch für ein zerzausten Bauerntrampel, der in seine Casa gestolpert war? Nervös zupfte Vestina an ihrem langen blonden Haar und versuchte die Strähnen einigermaßen zu ordnen.
    Dann nahm sie einen tiefen Atemzug und folgte ihrer Freundin zum Officium des Hausherren.
    Officum

    "Nun, das macht es nur noch interessanter für mich zu sehen, was mich erwartet!", grinste Vestina.
    Torquata lag richtig, langsam spürte sie Hunger in sich aufkommen.
    "Audata ist gut, auf Tsuniro und Callisto aufpassen, das müsste ich mir merken können. Gibt es sonst noch etwas, worauf ich hier achten sollte?", fragte Vestina.

    " Bist du mit diesem Avianus sehr gut befreundet?"
    Vestina blickte ihre Cousine neugierig an. Als Torquata die Thermen erwähnte, hellte sich ihr Gesicht auf.
    "Oh ja, lass uns das machen! Ich liebe Bäder und neue Leute lernt man immer wieder gerne kennen!"

    " Eine Leidensgenossin also!", freute Vestina sich. " Auf die Begegnungbin ich schon gespannt."
    Dann schaute sie ihre Freundin tadelnd an, doch das Lächeln ihres Mundes verriet sie.
    "Liebste Torquata, ich denke ich kann mich ja erstmal mit den ganzen Herren anfreunden, bevor ich mir einen geeigneten Partner suche!"

    " Du kannst bei diesem Wetter schlafen?", staunte Vestina.
    "Das geht bei mir nicht, ich liege bei Gewittern oft stundenlang wach und lausche dem Donner, es ist wie Musik der Natur." Mit ihren grünen Augen schaute sie kurz in die Ferne, wie als würde sie in Erinnerungen schwelgen.
    Dann setzte sie sich wieder auf und stupste ihre Freundin in die Seite.
    "Damit du mir hier nicht einschläfst, erzähl mir doch mal von deinen Freunden in Rom oder den Hausbewohnern. Wie sind sie alle denn so?"

    "Das kann sein, aber wie gesagt keine Sorge, bei den Vestalinnen wirst du sicher viele Freunde finden!", munterte Vestina ihre Cousine auf.
    Sie lauschte dem Regen und dem Donnergrollen. Irrte sie sich, oder wurde das Donnern immer lauter? Vestina liebte Gewitter.
    "Heiraten? Nun ja, formulieren wir es so, wenn mir ein Mann begegnet, der mir so gut gefällt, dass ich mit ihm soviel Zeit wie möglich verbringen möchte, dann warum nicht?
    "Auf alle Fälle könnte ich 30 Jahre Jungfräulichkeit sicher nicht über mich bringen!", stellte Vestina mit einem Grinsen fest.

    "Ja, das tut es.", sagte Vestina.
    " Nun denn, auch ich interessiere mich für die Götter. Immer dann, wenn ich in den Wäldern herumlief, konnte ich den Göttern nur für diese wunderschönen Anblicke, die sich mir darboten, danken. Ich finde, dass gerade ihre Unnahrbarkeit, sie so faszinierend macht."
    Sie schaute Torquata an und lächelte.
    "Wenn ich jetzt auf die schnelle eine Bestimmung für mich finden sollte, so würde es garantiert etwas im Dienste der Götter sein!"
    Dann streckte sie die Arme zur Decke und ließ sich neben Torquata auf das Bett fallen.

    Während sie ihrer Cousine aufmerksam zuschaute, setzte Vestina sich vorsichtig auf das Bett. "Torquata ist ja ganz schön vorsichtig!", dachte sie bei sich.
    Dann antwortete sie ihr:
    "Um ehrlich zu sein, habe ich noch keinerlei große Pläne für Rom. Im Vordergrund stand für mich erstmal, langwierig Unterkunft bei Familienmitgliedern zu finden. Hattest du denn von Anfang an gewusst, dass du einmal Vestalin sein wirst?"
    Vestina bewunderte Menschen, die sich ihres Lebensweges so sicher waren.

    Vestina schaute sich interessiert um. Der Raum war sehr hübsch hergerichtet und verstrahlte eine gemütliche Atmosphäre, alles in allem größer, als sie es von zuhause gewohnt war.
    Würde sie auch so ein Cubiculum bekommen?
    Dann jedoch richtete Vestina ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Cousine, denn diese hatte gerade irgendetwas am unteren Rande der Tür überprüft.
    " Was hast du da an deiner Tür gemacht?",
    fragte sie Torquata neugierig.

    "Das stimmt, sobald man sich in die höheren Sphären der Gesellschaft begibt, wird es immer solche Menschen geben. Aber sei nicht traurig- du findest bei den Vestalinnen sicher genügend Freunde, die schon Erfahrung im Umgang mit Neidern und Schmeichlern haben, da kannst du dir sicher genügend Rat holen!"
    Vestina zwinkerte ihrer Cousine zu. Dann stand sie auf und streckte sich kurz.
    "Das ist eine wunderbare Idee! Ich bin schon sehr gespannt auf deine Freunde!"

    Vestina hörte ihrer Cousine interessiert zu.
    "Griechisch würde ich sehr gerne lernen, danke Torquata! Oh und es ist schön zu wissen, dass ich auf andere freundlich und vertrauenswürdig wirke.."- schließlich hatte Selenus ja genau das geschrieben- ".., dann wurde bei meiner Erziehung ja doch nicht alles falsch gemacht."
    Vestina grinste, wurde dann aber wieder ernster.
    " Ich weiß nicht, ob du meine Meinung teilen wirst, aber ich denke, dass gerade wir als unerfahrene, neu in die Stadt gekommene, das Land gewöhnte Mädchen, bei den ganzen Intriganten überhaupt kein Interesse wecken.
    Sie haben Wichtigeres zu tun, als sich um solche Menschen wie uns zu sorgen. Aber gerade die Position ist für uns ideal, WIR können uns das "Machtgerangel" in Ruhe ansehen, OHNE Teil zu haben und daraus lernen!
    Des Weiteren ist es gerade am Anfang wichtig, sich keine Feinde zu machen. Feinde kann man sich für später aufheben- dann, wenn man entweder mächtig genug ist ihnen die Stirn zu bieten oder Freunde hat die mächtig genug dafür sind. Lieber suchen wir nach Menschen, die das Potential für langfristige Freundschaften haben. Gerade in dieser riesigen Stadt, Rom, sollten sich genügend finden!"

    Vestina schaute ihrer Cousine fest in die Augen.
    "Ich habe jedenfalls vor, mir die Bewohner dieser Stadt und auch dieser Casa in Ruhe anzusehen und dann zu entscheiden, wen ich mag und wen eben nicht!"

    Vestina setzte sich neben ihre Cousine. Sie war ein wenig verlegen, denn als Bauerstochter auf dem Land war ihre Bildung in der Tat kürzer ausgefallen als die Torquatas und so war sie des Griechischen nicht mächtig.
    "Ähm nein, das tue ich nicht...", antwortete sie und spielte mit einer Haarsträhne.
    "Was steht denn in dem Brief?"