[Blockierte Grafik: http://oi68.tinypic.com/2nbsria.jpg] Zanus
Wie lange sein Bewusstsein den Dienst verweigert hatte, konnte Zanus nicht sagen. Lange genug offenbar, um seinen garstigen Gastgebern den Eindruck zu vermitteln, dass er weitgehend hinüber war. Was sonst hätte Catullus und Deargh dazu bewogen, sich derart offen und unverblümt über die leidige Angelegenheit zu unterhalten, während der Daker gerade einmal drei Schritte entfernt in einer Ecke lag? Entweder, sie gingen davon aus, dass Zanus nichts mitbekam oder aber – und diese Möglichkeit ließ nichts Gutes ahnen – es war ihnen gleichgültig. So oder so saß er tief in der Tinte, das zumindest hatte er bereits kapiert. Wie tief genau ließ sich wohl nur herausfinden, indem er weiterhin keinen Mucks von sich gab und versuchte, im Gespräch der beiden Mistsäcke irgend einen Sinn zu erkennen. Leicht war das nicht. Von der Nasenwurzel ausgehend donnerte ihm der Schmerz durch den Schädel wie ein Wintergewitter und das geronnene Blut in seinem Gesicht juckte zum Verrücktwerden. Trotzdem zwang er sich zur Ruhe. Schließlich sollte sich Deargh nicht den Vorwurf machen müssen, seine Arbeit nur halbherzig erledigt zu haben. Der Kelte war ohnedies schon völlig damit ausgelastet, dem tobenden Catullus als Spucknapf zu dienen.
„Red’ keinen Mist!“, blökte der aufgebrachte Händler, „DU hast die Männer ausgesucht! DU hast sie unterwiesen! DU bist für ihre Arbeit verantwortlich! Also kannst DU mir sicher auch sagen, wo diese Versager sich rumgetrieben haben! Oder etwa nicht?“
„Das weiß ich nicht, Herr .. ich war nicht dort. Vielleicht hat Peisander sie nachhause geschickt.“
Peisander! Als er diesen Namen hörte, verlor Zanus fast die Beherrschung. Die beiden waren im Bilde. Wozu dann diese dümmlichen Fragen nach der Herkunft des Diebesgutes? In der Tat, die Sachen stammten aus dem Lager des Goldschmieds Peisander am Clivus Suburanus. Na und? Peisanders Werkstatt lag eben günstig, gerade einmal eine halbe Meile vom Argiletum entfernt. Sollte Zanus seine Beute etwa durch die halbe Stadt schleppen, um sie zu veräußern? Er war doch nicht verrückt.
„Der hat bei den Wachen überhaupt nichts zu melden! Ich dachte, das hättest du ihm klargemacht!“
„Schon .. natürlich .. wie gesagt, ich kann es mir nicht erklären.“
„Das sollst du auch gar nicht! MIR sollst du das erklären! MIR! Wer bezahlt diese Arschlöcher? Du vielleicht? Oder dieser Klotz von Schmied?“
„Nein, Herr. Du bezahlst sie.“
„Das will ich doch meinen! Und dann noch dieser leblose Scheißhaufen da drüben! Da hast du wirklich ganze Arbeit geleistet, du hirnloser Ochse!“
„Das ist nur auf dein Zeichen hin geschehen, Herr. Entschuldige, wenn ich das einwende .. aber .. ich an deiner Stelle hätte ihm einfach das Geld gegeben und ihn ziehen lassen. Wäre es so nicht am klügsten gewesen?“
Dem konnte Zanus nur zustimmen. Catullus’ Geschäftsbeziehungen interessierten ihn einen Dreck. Hätte sich der Idiot nur ein klein wenig zusammengerissen, wäre sein Gast längst wieder verschwunden, unversehrt und ahnungslos. Sechzig Denarii waren ohnehin ein Witz, die ließen sich fraglos verschmerzen. Aber nein, Catullus musste ja unbedingt den Choleriker raushängen lassen.
„Du redest mir von Klugheit? Gerade du? Ich soll mich beklauen lassen und dann auch noch dafür bezahlen?“
„Nun ja .. ich denke, in diesem Fall ..“
„Hör auf zu denken, Kelte! Das ist offenkundig nicht deine Stärke! Du wirst fortan nur noch das tun, was ich dir ausdrücklich auftrage. Kapiert? Dass es bei dir nicht zu eigenverantwortlichen Aufgaben reicht, hast du ja anschaulich demonstriert.“
„Verstehe. Wie du meinst, Herr. Und wie lauten deine Anweisungen?“
„Das ganze Zeug muss hier raus. Wir sind da viel zu nachlässig geworden. Nimm dir Timarchus zu Hilfe und schaff die Sachen in die Werkstatt.“
„Jetzt gleich, Herr?“
„Ja, jetzt gleich! In Zukunft wird das Lager täglich geräumt, wenn nötig auch zweimal am Tag, je nachdem, was aufläuft. Bis Meridies will ich hier nichts mehr von der Ware sehen.“
„Wird erledigt. Und was machen wir mit dem ... Scheißhaufen?“
„Eins nach dem anderen. Vor Sonnenuntergang werden wir den sowieso nicht los. Räum’ jetzt die Ware zusammen. Der Illyrer läuft uns nicht weg.“
Daker! wütete es in Zanus, der Scheißhaufen ist Daker! Ein Illyrer, da musste er Catullus sogar recht geben, würde diesen Ratten wohl wirklich nicht entkommen. Nur war er nunmal kein verdammter Illyrer. Wie er es anstellen sollte, hier rauszukommen, wusste er allerdings auch noch nicht. Mit Catullus hätte er es aufnehmen können, sogar in seiner momentanen Verfassung, gegen Deargh dagegen hatte er nicht den Hauch einer Chance. Es war wohl am ratsamsten, erst einmal abzuwarten und seine Gedanken zu sortieren.
Da war ihm also in der vergangenen Nacht die unfassbare Glanzleistung gelungen, ausgerechnet dort einzubrechen, wo Catullus das erworbene Diebesgut einschmelzen oder umarbeiten ließ. Das musste man erstmal fertig bringen. Pech allein reichte für derartige Missgeschicke nicht aus, da brauchte es schon das Zutun ein paar missgünstiger Götter. Es war wie verhext. Seit sein einstiger Patron Disabithus die Geschäfte diesem düsteren Aculeus übergeben hatte, tappte Zanus von einer Jauchegrube in die nächste. Was er auch unternahm, um den Klauen des Decurio’s zu entkommen, nichts wollte ihm gelingen. Wenn ihm nicht schleunigst etwas einfiel, konnte er auch einfach hier liegen bleiben, bis die Sonne unterging. Ob ihm nun Deargh den Hals umdrehte oder Vitu, machte letztlich keinen großen Unterschied.