Glücklicherweise konnte Corvina nicht sein Gesicht sehen, als Callistus ihre Bemerkung für sich einordnete. Der Fußboden war auch nach zigfacher Betrachtung noch immer der Ort, zu dem Corvinas Blick immer und immer wieder zurückkehrte. Erst, als er gestand, Senator werden zu wollen, sah sie wieder auf und sah sein Lächeln. Ganze Gebirgsketten fielen von ihrem Herzen dabei ab, und auch sie lächelte ihn einen Augenblick lang nur glücklich an. Warum er sie eben noch mit seiner Frage auf den Arm genommen hatte, war da gar nicht wichtig. Sie war einfach nur glücklich, ihre kleine Träumerei noch einen Augenblick lang weiterführen zu können. “Dann wirst du das auch ganz sicher werden.“ Und nicht nur, weil Corvina sich dies wirklich wünschte.
Erst nach einem Augenblick, in dem sie sich gegenseitig einfach nur anzulächeln schienen, fing Callistus an, etwas sagen zu wollen. Doch je mehr er versuchte, etwas zu sagen, umso weniger verstand Corvina, was er sagen wollte. Eine vage Ahnung kam ihr in den Sinn, aber das war sicherlich nur Einbildung! Ein junger, aufstrebender Mann wie er würde sicher nicht so direkt nach einem Treffen fragen! Nein, es musste etwas anderes sein, wenngleich Corvinas Herz sich mit seinem Herzschlag noch einmal steigerte. Wenn das so weiter ging, würde es sicher im Laufe dieses Gespräches noch aus ihrer Brust springen. Ach, was gäbe sie wirklich dafür, wenn sie einfach nur ein wenig allein mit Callistus sein konnte! Ein wenig im Garten spazieren, oder... nein, an ein verschwiegenes Zimmer traute sich Corvina nicht einmal, zu denken.
Schließlich aber fand Callistus noch die Worte, die er wohl sagen wollte, und bot ihr etwas zu trinken an. Das brachte Corvina kurz in eine moralische Zwickmühle. Frauen im allgemeinen und ihr im Besonderen war es eigentlich nicht erlaubt, Wein zu trinken. Es hieß, das sei gegen die Moral, wenngleich sich die wenigsten Damen daran hielten. Nichts desto trotz trank Corvina üblicherweise keinen Wein, aber ihn abzulehnen wäre irgendwie unhöflich gewesen. Und zur Feier dieses Tages und der Hochzeit zweier patrizischer Familien würde ihr Onkel sicherlich einen einzelnen Becher verdünnten Weines genehmigen.
Also bejahte Corvina die Frage und ließ sich von Callistus einen Becher Wein anreichen. Als er ihn ihr übergab, streiften sich kurz wieder ihre Finger, und beinahe hätte Corvina dabei vergessen, den Becher auch festzuhalten. Du bist dennoch eine Närrin!
Als Callistus also ihr zuprostete, erwiderte Corvina die Geste und nahm auch einen dezenten, kleinen Schluck. Der Wein schmeckte verboten, süß, wagemutig und warm. Unsicher drehte sie den Becher leicht in ihren Händen und überlegte, wie sie ihre Freude in Worte fassen sollte, dass er Senator würde. Es sollte ja nicht vollkommen übertrieben klingen, auch wenn Corvina absolut sicher war, dass er einen wundervollen Senator abgeben würde. In einer toga praetexta sah er sicherlich noch beeindruckender aus, als ohnehin schon.
Während sie aber gedanklich schon wieder ins schwärmen geriet, stellte Callistus nun eine Frage, die sie so unvermittelt traf, dass sie gar nicht wusste, wie ihr geschah. “W... Womit...?“ brachte Corvina nur heraus und ihre Hände fingen an, zu zittern. War ihr Verhalten so ungebührlich gewesen? Fand er sie aufdringlich? Hatte jemand umstehendes das ebenfalls so gesehen? Sie konnte doch nicht hier hergehen und sagen, dass ihr Herz jedesmal flatterte, wenn sie ihn nur sah! Und dass er in nicht nur einem Traum eine tragende Rolle gespielt hatte!
So sehr von diesem kurzen Schreck ergriffen fiel das Trankopfer an die Götter etwas größer aus, als es wohl üblich war. Corvina schüttete einen guten Schluck Wein über ihre zittrigen Hände und auf den Boden und verfehlte dabei nur sehr knapp ihr eigenes Kleid und auch Callistus' Schuhe. “Oh, das tut mir leid. Ich... das war sehr ungeschickt von mir. Ich wollte nicht...“ Corvina starrte erschreckt auf den verschütteten Wein. Was machte sie nur hier? Warum konnte sie nicht wenigstens ein bisschen so sein wie ihre Cousinen, die das alles mit einem Scherz und ein paar zweideutigen Worten aus der Welt geschafft hätten. Warum musste sie die schüchterne, kleine, ungeschickte, brave Corvina sein, die noch nicht einmal zehn Sätze mit ihrem Angebeteten wechseln konnte, ohne sich komplett zur Närrin zu machen?
Corvina gab ihren Weinbecher dem nächstbesten Sklaven und sah noch einmal zu Callistus auf. “Es tut mir leid. Ich... ich sollte meinen Onkel suchen“, bevor sie noch mehr Dummes tat und sich vollkommen lächerlich machte.