Herein kam eine junge Frau, etwas älter als Corvina, die ein wenig abgespannt wirkte. In ihren Augen glänzte es leicht, der Saum ihres Kleides war staubig und sie schien.... Corvina war sich nicht sicher, ob es eher nervös, gestresst oder doch einfach durcheinander war. Dennoch blieb kaum Zeit, sich darüber zu wundern, da die Tiberia sie gleich mit Informationen überschüttete, die ein wenig viel auf einmal waren.
Unruhen? Ausharren? Eigene Bleibe? Hatten die Tiberier nicht am Esquilin eine eigene Bleibe? Corvina wollte gerade nachfragen, als Tiberia Corvina so prompt das Thema wechselte, dass sie selbst nur mit offenem Mund ziemlich undamenhaft erst einmal dastehen konnte und sich kurz einmal fangen musste. “Oh, äh, ja. Ich meine danke, und ja, ich webe. Ich habe die Wolle vor drei Tagen auf dem Markt gekauft. Ich versuche mich zwar auch selber darin, Fäden zu spinnen, aber ich bekommen sie nicht so fein hin und sie haben immer wieder Knoten.“
Vermutlich waren die Ausführungen nicht unbedingt das, was unter geistreicher Konversation zu verstehen war. Aber es war das einzige, was Corvina auf die Schnelle eingefallen war, was nicht komplett verrückt klang. “Aber entschuldige bitte, ich hab nicht ganz verstanden, was du vorhin meintest mit einer eigenen Bleibe?“
Beiträge von Aurelia Corvina
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Das Klopfen an der Tür überraschte Corvina ein wenig. Beinahe hätte sie gezuckt und damit diese Reihe des Stoffes wohl ruiniert. Die Verwirrung wuchs noch, als sie eine unbekannte Stimme hörte, die verkündete, dass ihr Onkel jemanden zu ihr hinaufgeschickt hatte, anstatt wie sonst üblich sie zu bitten, hinunter zu kommen und Gäste zu begrüßen. Das war alles höchst eigenartig.
Corvina durchtrennte vorsichtig den feinen Faden am Ende der Reihe mit ihrem kleinen Messerchen und drehte sich zur Türe um. “Dann bitte ich sie herzlich herein“, antwortete sie also sogleich pflichtbewusst und strich sich noch einmal ihr Kleid glatt. Hoffentlich hingen nirgendwo Fusseln vom Weben! -
Wie alle Räumlichkeiten der Villa Aurelia war auch Corvinas Schlafzimmer sehr großzügig geschnitten. Neben dem Bett und den zwei großen Kleidertruhen besaß es eine Kline, einen Stuhl, einen Spiegel nebst Tischchen für allerlei Tigelchen und Duftwasser, und sogar ein Regal, in dem einige Bücherrollen direkt hier zum Lesen bereit standen. Das Fenster, das nach innen zum Garten ging, besaß sogar einen kleinen Alkoven mit gepolsterten Bänken, so dass man dort im Schatten mit Blick ins Grüne bequem sitzen oder liegen konnte und besagte Bücher lesen konnte.
Aber was Corvina am meisten erfreute, war, dass ihr Onkel ihr einen Webstuhl ins Zimmer hatte bringen lassen. Viele betrachteten das Weben ja eher als lästige Pflicht, die man als Frau eben erlernen musste, aber Corvina machte es tatsächlich Spaß. Es hatte so etwas ruhiges und befriedigendes, die Fäden einzuspannen und das kleine Schiffchen hindurchfliegen zu lassen, mit dem Kamm alles glatt zu bürsten und zu sehen, wie der Stoff wuchs und wuchs, wie man selber etwas wirklich greifbares und nützliches schuf. Natürlich war dies nicht feine Seide aus dem Osten, sondern nur gute, römische Wolle. Dennoch entstanden daraus feine Stoffe, leichte Stoffe, schwere Stoffe... ganz, wie Corvina es wollte.
Gerade arbeitete sie an einem hellblauen, leichten Stoff. Die Wolle war so fein zum Faden gesponnen, dass man vorsichtig sein musste, sie nicht zu zerreißen, während man webte. Und so arbeitete sie konzentriert und sorgfältig, ohne mitzubekommen, was unten oder draußen los sein mochte. -
Mein Schäfer harrt auch der Freischaltung. Gibt sonst keine Wolle!
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Ihr Onkel bat sie dazu, und Corvina hoffte, nicht schüchtern oder unsicher zu wirken, als sie zu ihm trat. Dennoch schlug ihr das Herz so heftig in der Brust, dass sie der festen Überzeugung war, man müsse es von außen sehen können. Sogleich stellte er sie auch den beiden Gästen vor. Der ältere von beiden, der wohl auch ein gutes Stück älter als ihr Onkel war, war tatsächlich der zum Essen erwartete Consular. Der jüngere der beiden durfte in etwa ihr Alter haben und war selbstredend kein Consular. Nicht in diesem Alter. Er war vielmehr der Tiro von ersterem. Corvina schenkte ihm ein schüchternes Lächeln und weitete es auch auf Purgitius Macer aus, um auf seine freundliche Begrüßung zuerst zu reagieren. “Salve, Consular Purgitius. Es ist eine große Ehre für dieses Haus, dich hier begrüßen zu dürfen. Und für mich ist es noch eine viel größere, denn immerhin bist du der erste Consular, den ich kennen lerne. Das macht es sehr aufregend. Ganz Rom ist aufregend. Da könnte ich gar nicht enttäuscht sein.Auch wenn ich bisher nicht viel von Rom gesehen habe.“
Auch die Begrüßung des jungen Mannes ging in eine ähnliche Richtung. Und auch, wenn Corvina merkte, dass ihr Onkel den Decimus weit kürzer vorgestellt hatte, antwortete sie ihm dennoch herzlich. “Mein Onkel ist sehr gut und großzügig zu mir und tut sein möglichstes, damit ich mich hier schnell einlebe. Aber in Rom gibt es so viel neues zu sehen, zu beachten und zu lernen, dass ich fürchte, es wird noch etwas dauern, bis ich mich hier in dieser wirklich riesigen Stadt vollständig zurecht finde.“
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Ein Sklave war zu Corvina gekommen und hatte ihr von ihrem Onkel einige Wünsche ausrichten lassen. Sie solle sich mit der Köchin noch einmal über das für den Abend angesetze Essen unterhalten. Selbstverständlich hatte Corvina diese Aufgabe übernommen, wenngleich sie sich nicht sicher war, was genau sie dabei tun konnte. Es ehrte sie auf der einen Seite, dass ihr Onkel sie so beteiligte. Corvina wusste, dass ein Consular mit ihnen speisen würde, und ein Mitglied der Nobilitas im Haus bewirten zu dürfen, war auch für einen Patrizier eine große Ehre. Und für sie wäre es eine noch viel größere, da sie bislang in Rom noch gar niemanden kannte, erst recht keinen Consular. Allerdings wusste Corvina gar nicht, ob sie ihn überhaupt kennenlernen würde, denn ihr Onkel war nicht besonders auskunftsfreudig gewesen, was die genauen Abläufe anging. Überhaupt war er wenig auskunftsfreudig.
Corvina hatte also mit der Köchin gesprochen. Oder besser gesagt, sie hatte gefragt, wie die Vorbereitungen bezüglich des Essens liefen und dann sehr lange zugehört, was es alles gab und wie viel dabei noch zu tun wäre. Und Corvina hatte keinerlei Ahnung, was sie dazu sagen sollte oder wo sie tatsächlich etwas verbessern hätte können. Da war es fast wie eine Erlösung, als nach einer ganzen Weile wieder der Sklave erschien und ihr ausrichtete, dass ihr Onkel sie sprechen wolle. Sie entschuldigte sich also bei der Köchin, versuchte, die soeben erhaltene Informationen möglichst detailgetreu zu erinnern, und folgte dann dem Sklaven durch das weitläufige Haus zum Oecus.
Der Sklave machte eine einladende Bewegung bereits im Gang, als der Oecus in Sicht war, und Corvina schritt an ihm vorbei und nichts ahnend um die Ecke. Und wünschte sich direkt darauf, dass sie es nicht getan hätte.
Die kurzfristige Hoffnung, sie könne vielleicht nicht gesehen worden sein, verflüchtigte sich sofort wieder. Und in jedem Fall wollte sie ihrem Onkel die Peinlichkeit ersparen, eine herausschleichende Verwandte erklären zu müssen, die noch nicht einmal Gäste im eigenen Hause begrüßt hatte.Abgesehen davon hatte ihr Onkel sie ja hinzu gebeten. Oder hatte der Sklave, der nun auch nicht mehr zu sehen war, ihr nur einen makaberen Streich gespielt?
“Geehrter Onkel. Verzeih, ich wusste nicht, dass wir schon Gäste haben“, grüßte sie also ihren Onkel so leise, wie es ohne aufzufallen möglich war. -
Corvina atmete einmal leise und tief aus, als ihr Onkel zu reden anfing. Offenbar war er zu dem Entschluss gekommen, sie nicht auf die Straße zu setzen oder postwendend zu ihrem Vater zurück zu schicken. Vielmehr klärte er sie über die jüngsten Geschehnisse in der hiesigen Verwandtschaft auf und schmiedete auch gleich Pläne für ein Kennenlernen derselben. Und dies gleich im Hause eines möglichen Consuls! Corvina war weniger erstaunt als vielmehr eingeschüchtert von dem, was hier auf sie einstürmte. Vor wenigen Momenten hatte sie sich noch auf einem einfachen Wagen an der Stadtwache vorbei geschlichen und ihr Fahrer hatte selbige bestochen, und jetzt sollte sie schon die feinste Gesellschaft Roms kennen lernen. Und ihr Onkel sagte dies einfach so dahin, noch ehe sie auch nur wirklich ein Zimmer in diesem pompösen Haus bezogen hatte.
“Pläne und Erwartungen?“ wiederholte sie also fragend. Sie hatte sich selbst nie Gedanken darüber gemacht, was sie denn von Rom erwarten sollte. Sie wusste, welche Erwartungen ihr Vater an sie stellte und welche Pläne er mit ihrer Reise nach Rom verknüpfte. Aber sie selbst hoffte einfach nur, von all diesen Erwartungen und Plänen nicht überrollt zu werden und niemandem eine Schande zu machen oder zur Last zu fallen.
“Ich hoffe einfach, dass ich meiner Familie zur Ehre gereichen kann. Und ich bin dir, Onkel... Lupus, sehr dankbar, dass du mir dabei hilfst.“ Corvina hoffte, dass diese Antwort ihren Onkel zufriedenstellen würde. Überhaupt hoffte sie, dass ihre ganze Person dies vermochte.Corvina erinnerte sich an das letzte Gespräch mit ihrem Vater über ihren Onkel, ehe er sie verabschiedet hatte. Er hatte sie gewarnt, sie solle sich benehmen und ihm folgen. Corvinas Vater hatte einige sehr unschöne Bezeichnungen für seinen Bruder gefunden, die Corvinas Angst vor diesem Treffen befeuert hatten.
Jetzt und hier schien ihr ihr Onkel aber doch recht nett zu sein. Ziemlich groß und einschüchternd, aber trotzdem freundlich und nett. Corvina hoffte, dass dieser Eindruck sich noch weiter festigen würde. -
Corvina war noch immer nervös. Und mit jedem Moment, den sie warten musste, wurde es eher schlimmer. Das alles hier kam ihr so unendlich groß vor! Nicht nur die Stadt, von der sie bislang ja nur einen Bruchteil gesehen hatte. Doch selbst dieser Bruchteil war weit mehr gewesen als alles, was sie von Athen kennengelernt hatte. Nein, allein schon dieses Haus! Ihr Vater und ihr Großvater waren ja sicherlich nicht die ärmsten gewesen, in Athen hatten sie ein sehr privilegiertes und schönes Leben geführt. Es hatte an nichts gemangelt, sie hatten immer genug und auch frisch zu essen, konnten sich erlesene Stoffe kaufen (wenngleich Corvina gerne und auch gut weben konnte), Corvina hatte sogar sehr schönen Schmuck mit echten Perlen und echten Steinen, nicht nur Glas und Emaille. Aber trotzdem war ihre Villa in Athen geradezu eine bescheidene Hütte im Vergleich zu dem hier! Corvina traute sich noch nicht einmal, die Malereien an den Wänden zu berühren, aus Angst, sie könnte etwas an den Kunstwerken kaputt machen.
Unruhig knetete sie ihre eigenen Hände, weil sie nicht wusste, was sie sonst mit ihnen tun sollte. Auf jeden Fall nichts anfassen. Aber sonst? Herunterhängen lassen fühlte sich falsch an. Was machte sie denn sonst mit ihren Händen, wenn sie nicht darüber nachdachte?Dann endlich kam jemand, der sie mit Namen begrüßte. Corvina drehte sich ihm zu und versuchte sich mit einem Lächeln, während ihr der Mann, der sicherlich doppelt so alt war wie sie, ihr einen Kuss auf die Stirn gab. “Sei gegrüßt, geehrter Onkel“, schloss sie, wer er sein konnte. Soweit sie wusste, war er der einzige männliche Aurelier in betreffendem Alter gerade in Rom, und wer sonst würde sie so begrüßen? “Ich danke dir vielmals, dass du dein Haus für mich geöffnet hast“, bemühte sie sich artig weiter, einen möglichst guten und demütigen Eindruck auf ihn zu machen. Und in der Tat hoffte sie, dass er sie nicht gleich wieder zurückschicken würde. Oder noch schlimmer, sie einfach auf die Straße setzen würde, wo sie dann sehen konnte, wo sie blieb. Auch wenn diese Möglichkeit sehr gering schien. Denn wer schickte schon einen Sklaven und bezahlte eine Wagenkarawane von Ostia nach Rom, nur um den Gast dann abzuweisen?
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Da war sie also. Die Villa Aurelia. Ihr neues Zuhause. Ziemlich groß und ausladend stand sie zwischen anderen großen und herrschaftlichen Häusern und erweckte den Eindruck von sehr viel Geld, das hier hinein investiert worden war. Und von sehr vielen Bewachern, die dieses sehr viele Geld beschützen würden.
Corvina blieb etwas zögerlich stehen, nachdem ihr Rufus vom Wagen heruntergeholfen hatte. Inzwischen war die Sonne untergegangen und das einzige Licht hier draußen rührte von den Häusern her. So im dunklen wirkte das alles eher bedrohlich als einladend, und noch immer war Corvina sich nicht sicher, wie ihr Onkel sie denn überhaupt willkommen heißen würde. Abgesehen davon, dass es ohnehin ein komisches Gefühl war, zu wissen, dass man die nächste Zeit seines Lebens irgendwo verbringen würde, wo man fremd war, nur um dann einen fremden zu heiraten und wieder in ein fremdes Haus zu ziehen.
“Na, komm schon. Die paar Schritte müssen wohl oder übel noch sein“, forderte Rufus sie nonchalant auf. Gehorsam setzte Corvina sich auch in Bewegung und ging in kleinen Schritten auf die Tür zu.
Rufus ging vor, wechselte ein paar Worte mit einem riesigen Nubier, den er Leone nannte, lachte und kam wieder auf sie zu. “Dein Onkel wird informiert und erwartet dich. Dann mal viel... Glück. Ich muss mich um den Wagen kümmern.“
Und schon war Corvina ganz allein am Hauseingang, schlich sich mit einem entschuldigenden Lächeln an dem schwarzen Riesen vorbei und versuchte, nicht zu nervös zu wirken, als sie das Haus betrat. -
Rufus griff in die Falten seines Überwurfes und zählte mit der Hand kurz einige Münzen ab. Kurz blickte er in seine Hand hinab, sortierte noch Silber gegen Messing ein wenig hinzu, um möglichst teilbar auf 50 Sesterzen zu kommen. Am Ende wechselten also zehn Denare, drei Quinarii und vier Sesterzen unauffällig den Besitzer.
“Allerbesten Dank“, bedankte sich Rufus auch höflich und schwang sich schnell auf den Kutschbock, ehe die Wachen es sich anders überlegten. Mit einem kurzen Zungenschnalzen brachte er das Maultier dazu, weiter zu laufen, und der Wagen holperte über das Pflaster davon.Corvina blickte etwas ungläubig zurück, als sie durch das Tor ritten. Natürlich kannte sie das Prinzip der Bestechung, aber dennoch war es etwas anderes, das so ganz hautnah mitzukriegen.
“Hat der grade....?“
“Jup.“
“Und haben wir grade...?“
“Jup. Wie eine Räuberbande.“
“Aber müsste er nicht eigentlich...?“
“Doch, wahrscheinlich schon. Aber wenn die Stadt wollte, dass sie das tun, sollten sie die Wachen besser bezahlen. Aber auf mich hört ja keiner!“
Corvina blinzelte noch einmal und wandte sich dann wieder nach vorne. Hier innerhalb der Stadtmauern sah die Stadt auch nicht anders aus als außerhalb derselben, höchstens ein wenig gedrängter. “Aber was ist, wenn uns jemand jetzt anhält?“
“In der letzten Stunde vor dem Schichtwechsel mit den Vigiles? Die Urbaner wollen auch Feierabend machen und können da auf alles, was diesen nach hinten verschiebt, verzichten. Abgesehen davon ist es von hier aus nur ein paar Straßen weiter. Uns hält da schon keiner an. Sei ganz beruhigt, Domina, du bist gleich zuhause.“Zuhause... irgendwie klang das falsch in Bezug auf diese Stadt.
Sim-Off: Mal eben den reichen Onkel um eine kleine Aufmerksamkeit für diese großartige Stadtwache angebettelt
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Kurz zögerte Rufus – noch immer eisern weiterlächelnd – und schien zu überlegen. Dann zuckte er einfach kurz die Schultern. “Na gut. Ihr kriegt hier immer 30 Sesterzen im Monat fürs rumstehen, nicht? Wie wär's, wenn ich den Verdienst diesen Monat verdopple?“ Kurz sah er noch zu der Wache neben dem grimmigen Haudegen. “Und für deinen Freund auch nochmal 20, damit wir auf einer glatten Summe sind?“
Kurzer Blick zwischen den beiden hin und her. Erst einmal wollte er abwarten, wie die zwei reagierten und ob diese nicht ganz so dezente Aufforderung zur Bestechung nun auf tatsächlich fruchtbaren Boden gefallen war, oder ob das eher eine besondere Art von Humor hatte sein sollen. -
Corvina hätte es bereits an dieser Stelle gut sein lassen. Sie sah betreten beiseite und versuchte, möglichst unsichtbar zu sein. Einen fremden Mann anzusprechen wäre ihr schon peinlich genug gewesen. Bei einer Stadtwache hätte sie es sich erst gar nicht getraut. Und erst recht nicht so direkt und unverfroren. Aber den Sklaven ihres Onkels schien der finstere Blick der Stadtwache nur mäßig zu beeindrucken. Rufus lächelte unbekümmert freundlich. “Na, na, kein Grund, so ein Gesicht zu machen. Der Feierabend ist doch schon in Reichweite. Da sollte man sich doch eigentlich freuen! Oder habt ihr heute Abend nichts schönes vor?“
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Der Tag näherte sich seinem Ende, als der Wagen mit Corvina und dem Sklaven Rufus schließlich die stadt Rom erreichte. Corvina war beeindruckt. Zwar war auch Athen durchaus eine große Stadt mir altehrwürdiger Geschichte gewesen, aber das hier war wirklich bedeutend größer. Sie hatten die Via Osteniensis noch vor dem eigentlichen Stadttor in Richtung Westen verlassen und fuhren nun in Richtung des Tibers. Es war verwirrend, denn bereits hier waren Wohngebäude, Tempel und alles, was zu einer Stadt gehörte, dennoch versicherte Rufus ihr, dass hier außerhalb des Pomeriums das Wagenfahrverbot noch nicht galt. Ein Umstand, den auch diverse andere Wagen zu nutzen wussten und sich schon auf den Weg machten, um mit Anbruch der Nacht ebenfalls nach Rom hinein zu fahren.
“Aber keine Sorge, Domina. Wir haben ja einen Bonus“, zwinkerte Rufus ihr zu, als sich ihre Birota an einem Eselgespann vorbeischummelte. Der Händler schimpfte nur kurz, ehe er mit Blick auf Corvina abrupt verstummte. Zuerst hatte sie gedacht, dass die Leute hier wohl freundlicher waren als in Athen, dass sie junge Damen nicht anmaulten. Dann aber ging ihr auf, dass er wohl doch eher ihre Schuhe und damit ihren Stand gesehen hatte, und daher auf allzu lautstarken Protest verzichtete.So ging es am Tiberufer weiter. Der Fluss roch doch recht streng, und Corvina zog sich die Palla vor die Nase. Über Seitenstraßen führte Rufus ihren Wagen weiter nach Norden. Inzwischen war Corvina eigentlich sicher, dass sie schon innerhalb des Pomeriums sein müssten. Das hier fühlte sich an wie die Mitte einer Stadt. Ringsherum waren Häuser mit Tabernae für verschiedenste Dinge: Schuhe, Stoffe, Öl, Wein... Der Geruch einer Garküche trug bis zu ihnen heran. Aber noch immer war Rufus sich sicher, dass sie mit dem wagen hier entlang fahren durften. Corvina war kurz davor, doch vom wagen zu steigen, nur um wirklich sicher zu gehen.
Und da, mitten drinnen in diesem Gewühl, war auf einmal ein Tor.
“Da! DAS ist die Porta Quirinalis. Jetzt müssen wir da durch und wieder ein Stück nach Südosten, und dann sind wir auch schon da.“ Rufus grinste verschmitzt. Zumindest, bis er einen Blick gen Himmel warf und bemerkte, dass die Sonne noch da war. “Mist. Naja, mal schauen. Eventuell müssen wir warten.“Sie ratterten also über das Pflaster zu dem Tor – drängelten sich dabei wieder an ein paar Händlerwagen vorbei, die ebenfalls auf das Startsignal warteten – und kamen so schließlich bis vorne vor das Tor.
“Und was jetzt?“ fragte Corvina etwas verschüchtert.
“Lass mich einfach mal machen. Hey da, Urbaner! Könnt ihr heute nicht mal ein bisschen früher Feierabend machen ? Ist doch nicht mehr lange, bis die Sonne weg ist.“ -
Am Morgen nach ihrer Ankunft hatte man zwei Ochsenkarren vor dem Haus ihrer Gastfamilie abgestellt, die mit sämtlichem mitgebrachten Hab und Gut von Aurelia Corvina beladen wurden. Vermutlich hätte hierzu auch schon einer genügt, denn allzuviel Gepäck hatte sie von Griechenland nicht mitgebracht. Immerhin war die Villa Aurelia in Roma wohl gut ausgestattet, so dass man nicht das persönliche Bett und anderes Mobiliar erst einschiffen musste. Für ihre wenigen Kleidertruhen und die paar Geschenke, die sie mitgebracht hatte, wäre also ein Wagen mehr als ausreichend gewesen. Allerdings wollte Corvina da nicht altklug klingen oder gar undankbar wirken, indem sie darauf aufmerksam machte. Überhaupt schien hier alles gut organisiert zu sein, so dass sie sich bis zum Vormittag noch etwas unterhalten hatte können.
Erst ungefähr zur vierten Stunde kam schließlich auch eine von einem Maultier gezogene Birota, auf der dann Corvina Platz genommen hatte.Während ihre Sklaven also sich ebenfalls noch auf die Ochsengespanne verteilt hatten, um nicht laufen zu müssen, fuhr sie mit dem Sklaven Rufus auf der Birota in Richtung Rom. Ein überdachter Wagen wäre sicherlich etwas geschützter gewesen, aber das Wetter war gut und so ging es wohl auch etwas schneller. Die Ochsengespanne lagen bald schon ein gutes Stück zurück. Was Corvina etwas besorgte, aber sie bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. Sie zog ihre Palla etwas besser über den Kopf, um von der Frühlingssonne keinen Sonnenbrand zu bekommen und damit der Wind nicht ihre Haare zerzauste, und besah sich die Gegend.
“Und, ist Italia sehr anders als Griechenland?“ begann der Sklave auf dem Weg auch ein Gespräch, um sie etwas abzulenken. Die Reise war immerhin lang.
Corvina sah sich also noch einmal etwas um und wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. “Ich bin in Griechenland nie weitere Strecken über Land gefahren. Wir wohnen – also ich wohnte – in Athen ziemlich zentral in der Nähe der Akropolis, und es gab wenig Anlass zum Reisen. Im Sommer sind wir einmal zu Freunden meiner Eltern gefahren. In Sparta, glaube ich. Aber ich war noch sehr klein. Das hier ist meine erste weite Reise. Aber die Pappeln wirken nicht sehr viel anders als die in Achaia. Hier stehen höchstens weniger Olivenbäume.“ Damit war das Gesprächsthema wohl auch eher erschöpft.
Aber Rufus war wohl gut darin, sich zu unterhalten, denn er nahm den fallen gelassenen gesprächsfaden ohne Probleme wieder auf. “Nun, in Griechenland war ich noch nie. Eigentlich nur in Italia, und da meistens auch nur bis Ostia. Ich fänd es interessant, mal mehr zu reisen, aber gut, als Sklave kann man sich das ja nicht so aussuchen. Und für einen Mann ist das auch etwas anderes als für eine Frau.
Aber da hast du ja Glück, dass du erst gestern angekommen bist und nicht schon vor ein paar Wochen. DA hättest du später erst einmal etwas zu erleben gehabt auf deinen Reisen!“
“Wieso denn?“ fragte Corvina dankbar für die Abnahme des Gesprächsthemas nach.
“Tja, ich weiß ja nicht, ob ihr auf dem Schiff die Nachrichten gehört habt, aber der Kaiser ist gestorben.“
“Was? Nein, wir... auf See haben wir da nichts gehört. Oder zumindest hat mir keiner was gesagt. Wie denn?“
“Oh, doch, doch. Vor ein paar Wochen. Hat einfach den Löffel abgegeben... äh, verzeih mir, Domina. Ich wollte sagen, er ist einfach eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Sagte zumindest Senator Aurelius. Der muss es wissen, ist Testamentsvollstrecker und all sowas, war auch kaiserlicher Klient.“
“Oh, ja, Vater sagte sowas. Dann... ist das jetzt wohl vorbei. Oder wer ist der Nachfolger? Es gibt doch einen, oder?“
“Ja, der Senat war grade dabei, zu wählen, als ich nach Ostia aufgebrochen bin. Wenn das Stadtgespräch von Ostia stimmt, ist ein neuer nun auch gewählt. Fehlt nur noch das ganze Brimborium wegen Priesterämtern und Machtübertragung und so. Der zeremonielle Teil halt. Ist wohl ein Aquilius. Auf jeden Fall ein Patrizier wieder. Aber kein Verwandter des Cornellius. Was das für die Familie bedeutet, musst du aber wohl deinen Onkel fragen. Ich fahr nur Kutsche und mach keine Politik.“
“Oh, natürlich. Entschuldige bitte.“
“Domina, ich sag das ja nur ungerne, aber du musst dich bei einem Sklaven nicht entschuldigen.
Naja, auf jeden Fall kam da irgend so ein genie auf die Idee, zwischen dem Tod des letzten Kaisers und der Wahl des neuen jetzt die Stadttore schließen zu lassen.“
Corvina guckte etwas entgeistert. “Wie...? Du meinst... man konnte gar nicht mehr nach Rom hinein? Ich wäre vor verschlossenen Toren gestanden?“
Der Sklave lachte, als wäre das ein großer Scherz gewesen, und Corvina lächelte unsicher mit, verstand aber die Pointe des Scherzes nicht. “Hahaha... nein, nein, das ist ja grade der Witz an der Sache! Man könnte meinen, die hohen Herren schauen sich nie eine Stadtkarte an! Oder kommen auch nur aus ihrem Haus raus. Weißt du, Rom ist schon ein paar hundert Jahre über die Servianische Mauer hinausgewachsen. Die halbe Stadt liegt jetzt schon außerhalb der Mauern! Zur Not hätten wir dich dann im Haus deines Vetters, des ehrenwerten Senators Aurelius Ursus, untergebracht. Der hat wegen seines Militärkommandos sich extra außerhalb des Pomeriums ein Haus gekauft und renovieren lassen.
Aber das wär nichtmal nötig gewesen. In der Servianischen Mauer klafft schon seit ein paar Jahrhunderten ein Loch von der Größe eines ganzen Stadion, wenn nicht von zwei! Jetzt musste nur jeder einen Umweg über das Forum Boarum und die Umgebung machen, und die Tiberbrücken in Rom, ich sag dir, da kam man gar nicht mehr drüber, so verstopft waren die andauernd. Und die weniger ortskundigen stapelten sich vor verschlossenen Toren und haben nach drinnen Nachrichten für Sondergenehmigungen geschickt!“ Wieder lachte Rufus, und Corvina, die jetzt zwar den Witz verstand, lächelte mehr aus Höflichkeit weiter mit. Wirklich witzig fand sie das Ganze trotzdem nicht. “Wenn du mich fragst, sollten die Leute öfter ihre Landkarten studieren, oder die einfachen Leute von der Straße fragen, bevor sie etwas entscheiden. Aber... uns fragt ja nie einer.“
Was Corvina auch irgendwie richtig fand. Sie war so erzogen worden, dass möglichst die gebildete Elite ein Reich lenken sollte, und der würdigste unter ihnen Kaiser war. Wenn man da jeden fragen würde, auch wenn der gar nicht die nötigen Kenntnisse hatte... das wäre doch viel zu kompliziert.
“Aber jetzt sind die Tore wieder ganz normal offen und wir können ganz normal nach Rom fahren?“
“Keine Angst, dOmina. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ja, wir können jetzt ganz beruhigt nach Rom fahren. Aber hinein dürfen wir erst mit der Dunkelheit. Tagsüber ist das Fahren in Rom verboten. Wär sonst zu viel Verkehr. Aber ich werde dafür sorgen, dass du heil und gesund noch vor Mitternacht dort ankommst.“ -
Es dauerte etwas, bis Kara sich umgehört hatte, wo man hier denn vernünftig übernachten konnte. Gegen ein paar Münzen gaben die Hafenarbeiter aber gerne Auskunft, und nachdem die Sklavin mehrere gefragt hatte und anschließend ein paar betuchtere Händler dann über die Ergebnisse rückversichert hatte, war schließlich ein respektables Gästehaus für eine Nacht gefunden. Also ließ man das Gepäck vorerst einmal dorthin tragen und machte sich selbst auf den Weg.
Allerdings kam man nicht allzu weit. Unvermittelt wurde Corvina von einem Mann aufgehalten und angesprochen.
“Verzeih, edle Dame, bist du vielleicht die Domina Aurelia Corvina?“
Da war Corvina erst einmal überrascht und sah hilfesuchend zu ihrer Sklavin, die sich auch gleich schützend vor sie stellte. “Wer will das wissen?“ fragte die pflichtbewusste Sklavin und ersparte ihrer Herrin damit, sich mit dem Fremden unterhalten zu müssen.
“Ich bin Rufus, Sklave in der Villa Aurelia in Roma und von Senator Aurelius geschickt, seine verehrte Nichte hier abzuholen. Und der Trierarchus des Schiffes meinte, das wäre deine Herrin. Er hat zumindest auf sie gezeigt“, rechtfertigte sich der Mann.
“Da hat er auch recht, aber was bringt dich dazu, sie einfach so auf offener Stra..“
“Mein Onkel schickt dich?“ unterbrach Corvina ihre Sklavin Kara, da sie nicht wollte, dass die beiden Sklaven sich jetzt hier um sie zankten, wo doch beide nur ihre Pflicht machten. Außerdem wollte sie ja wirklich wissen, was los war, und wie es von hier an weitergehen sollte.
“Ganz recht, Domina. Senator Aurelius hat mich bereits vor einigen Tagen hierher geschickt, damit ich bei deiner Ankunft schon vor Ort wäre und dir helfen kann. Nur wusste niemand genau, wann dein Schiff hier eintreffen wird, und deshalb hat es etwas gedauert, bis ich dich gefunden habe, ich hoffe, du verzeihst.“
Corvina machte mit einer abwinkenden Handbewegung klar, dass es nichts zu entschuldigen gab. Sie war nur erleichtert, dass es jetzt wohl wirklich voran ging und für alles Sorge getragen wurde. Es hätte ja auch gut sein können, dass ihr Onkel von gar nichts wusste, immerhin hatte ihr Vater keine große Rücksprache mit ihm gehalten. In der Tat wurde sie nur wenige Wochen nach dem Brief und dem Entschluss ihres Vaters, sie in Rom möglichst gewinnbringend für die Familie zu verheiraten, schon auf die Reise geschickt, so dass nicht einmal eine Antwort ihres Onkels hätte da sein können. Somit konnte ja kein Mensch wissen, ob die Nachricht angekommen war, oder das Schiff, mit dem sie befördert worden war, in Neptuns Reich nun weilte.
“Wenn du erlaubst, Domina, ich habe ein Zimmer für dich bei einer befreundeten Familie herrichten lassen, und morgen werden wir uns dann auf den Weg nach Roma machen, so dass wir zur Nacht dort ankommen.“
“Ja, ist gut, nur habe ich das Gepäck gerade schon fortbringen lassen. Zu einem Gasthaus...“ “Hinter dem Merkurtempel“, half Kara ihrer Herrin aus.
“Das ist kein Problem, ich werde mich um alles weitere kümmern. Doch erst bringen wir dich unter, damit du nach der langen Zeit auf See dich erholen und frisch machen kannst.“
Hatte sie das so nötig? Corvina unterdrückte den Impuls, an der eigenen Kleidung zu schnuppern. Nach den langen Wochen auf See duftete sie wohl nicht unbedingt nach Veilchen und Zitronenmelisse. Trotzdem wollte sie wohl lieber annehmen, dass das nur höflich gemeint war. “Gut, dann... machen wir das so. Für Kara und die drei anderen ist dort ja bestimmt auch Platz?“
Der Sklave besah sich nur kurz die anderen Sklaven, wohl mehr instinktiv, denn seine Antwort kam fast augenblicklich. “Selbstverständlich, Herrin. Wir hatten eigentlich mit mehr Begleitung deiner Person gerechnet. Deine Sklaven haben also genügend Platz.“
Corvina lächelte also einmal erleichtert ihrer Sklavin Kara zu, die allerdings nicht ganz so begeistert dreinsah, und dann begab sich die kleine Gruppe auf den Weg zu ihrer Unterbringung. Und am nächsten Tag schon sollte es nach Rom weitergehen. Corvina war schon gespannt, wie es dort wohl sein würde. Vor allen Dingen, wie ihr Onkel sie empfangen würde. Sie konnte ja nur auf das beste hoffen. -
Die Überfahrt war lang und unbequem gewesen. Corvina hatte zwar einen recht starken Magen, aber im Winter war das Mare Internum einfach an und für sich so rauh und ungemütlich, dass auch der stärkste Magen ordentlich durchgeschüttelt wurde. Noch dazu war an Bord des Handelsschiffes, mit welchem sie fuhr, nicht unbedingt sehr viel Platz für die Passagiere gewesen. Das machte die Überfahrt natürlich auch nicht bequemer.
Überhaupt war es doch sehr befremdlich gewesen, nur mit zwei Sklavinnen als Gesellschaft unter sonst fremden Leuten zu sein. Ihr Vater hatte ihr zwar versichert, dass die Frau des Gewürzhändlers, der ebenfalls mit diesem Schiff reiste, sich um sie kümmern wollte und eine sehr patente und freundliche Dame sei, allerdings hatte Corvina sich eher um sie gekümmert als andersherum, da bei ihr die Reisekrankheit sehr viel schlimmer aufgetreten war als bei ihr selbst. Und ihr Mann bereitete Corvina ein kleines Unwohlsein, auch wenn er natürlich nichts tat oder sagte, was das rechtfertigen würde.Als sie dann schließlich nach langen Wochen der Überfahrt endlich in Ostia ankamen, war es doch in mehrfacher Hinsicht eine Erlösung. Die Passagiere durften auch sogleich von Bord gehen, auch wenn sie auf ihre Gepäckstücke noch eine ganze Weile würden warten müssen. Wie immer wurde zuerst die Fracht ausgeladen, und hernach erst die Habseligkeiten der Mitgereisten. Aber Corvina war es egal. Sie hatte ohnehin nicht allzu viel mitgenommen, hatte ihr Vater ihr doch ebenso versichert, dass es ihr in Rom an nichts mangeln würde. Und ob die mitgebrachte Kleidung und die wenigen Schriftrollen nun in der Truhe an Bord noch eine Weile bleiben würden oder gleich abgeladen, war da nun wirklich gleichgültig.
Zumal Corvina ohnehin keine wirkliche Ahnung hatte, was als nächstes genau zu tun war. Sie musste nach Rom, soviel war klar, aber mit dem genauen Wie hatte sie bislang doch recht wenig zu tun gehabt. Vermutlich benötigte man dafür eine Kutsche. Aber woher man die in Ostia bekam, oder wie lange es dauerte, dann endgültig nach Rom zu reisen, das wusste Corvina nicht. Sie war nie aus Athen wirklich herausgekommen. Zumindest bis jetzt. Und auch, wenn die griechische Stadt ziemlich groß war, auch größer als Ostia, hieß das ja noch lange nicht, dass man irgendwo anders zurecht kam.Ein wenig wackelig stand Corvina also auf dem gemauerten Kai des Hafens und versuchte sich daran zu gewöhnen, dass der Boden unter ihr zwar fest war, dennoch aber zu schwanken schien. Hilfesuchend sah sie sich um, aber außer ihren Sklaven schien ohnehin keiner Notiz von ihr zu nehmen. Links und rechts drängten sich Träger mit Amphoren, Kisten, Seilen und anderen Dingen vorbei, und Corvina wollte sie ja auch bei ihrer Arbeit nicht aufhalten. Überhaupt sprach man ja nicht so einfach fremde Leute an.
“Wisst ihr, wie es jetzt weitergeht?“ fragte Corvina schließlich Kara, ihre Sklavin.
“Vielleicht sollten wir für heute ein respektables Gasthaus suchen und einen Boten zu deinen Verwandten schicken, Herrin? Es scheint schon recht spät.“
“Hm... und wo finden wir ein respektables Gasthaus in Ostia?“ -
An einem schönen Nachmittag landete ein Brief aus dem fernen Griechenland bei der abgegebenen Post in der Villa Aurelia.
Ad
Sextus Aurelius Lupus
Villa Aurelia
RomaQuintus Aurelius Corvus fratri suo s.d.
Kleiner Bruder, wir haben weniger Kontakt, als ich mir gerne wünschen würde. Daher verzeihst du sicherlich, dass ich dich einfach anschreibe und diesen Brief gleich auch mit einer Bitte an dich verknüpfen werde.
Zunächst einmal hoffe ich, der Familie in Rom geht es soweit gut und ihr habt euch von den Repressalien der Vergangenheit gut erholen können. Bis hierhin nach Griechenland drang zum Glück nicht so viel vor, als dass man sich auf irgendwelche Seiten hätte stellen müssen. Wenngleich im Süden des Landes wohl einige Schlachten stattfanden, war es hier bei Athen merklich ruhiger.
Jetzt nach dieser langen Zeit aber hege ich die Hoffnung, dass deine Stellung in Rom wieder gefestigt ist. Und ich bin ehrlich, ich würde gerne an deinem Ruf indirekt partizipieren.
Meine jüngere Tochter Corvina ist nun in einem Alter, in dem ich sie gerne verheiraten würde. Natürlich könnte ich dies auch hier in der Provinz bewerkstelligen, aber in Rom nützt diese Verbindung wohl weitaus mehr. Da du der einzige Spross unseres Vaters bist, der es zu irgend etwas gebracht hat, möchte ich dich damit betrauen, ihr in Rom einen angemessenen Mann zu finden, der dann die ganze Familie unterstützen kann.
Damit du sie kennenlernst, und bevor du nein sagst: Wenn dieser Brief Rom erreicht, wird sie wohl schon auf dem Mare Internum unterwegs sein nach Ostia. Sei so nett und nimm sie als deine Nichte freundlich auf.Ich weiß, ich lasse dir wenig Wahl. Du kannst später wütend auf mich sein. Aber beachte die Vorteile, die eine junge Frau bei der Heiratspolitik wohl bieten wird. Selbst wenn sie aus der Provinz kommt.
Vale
Dein Bruder
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Ich bitte um Aufnahme in die Gens Aurelia.
Name: Aurelia Corvina
Wohnort: bei meiner Familie in RomIch hoffe, das klappt so alles