Beiträge von Duccia Sila

    Ein leises Kichern entwich mir, als Lentidia plötzlich in eine philosophische Redewendung verfiel. Ihr Lächeln war offen und unbeschwert, fast wie das eines Kindes, das gerade entdeckt hat, dass die Welt doch nicht so schwer ist, wie sie manchmal scheint. "Frisch ans Werk also", wiederholte ich schmunzelnd. "Aber zuerst brauchen wir Töpfe. Und Farben…"


    Mein Blick wanderte über den Garten, wo Sonnenstrahlen durch das dichte Blätterdach tanzten und die kleinen Blüten im Licht schimmerten. Die Luft war erfüllt vom Duft frischer Erde und einem Hauch von Blütennektar, während sich das Summen der Bienen wie ein leises Flüstern in die Stille legte. "Was denkst du…", begann ich und ließ meinen Blick auf die alten Tonvasen gleiten, die entlang des Gartenwegs standen. "Sollen wir ein paar von denen umgestalten? Oder lieber etwas völlig Neues schaffen? Dann müsste ich erst noch ein paar anfertigen." Ich sah Lentidia mit einem verschmitzten Funkeln in den Augen an, dass eine Herausforderung andeutete. Die Idee von leeren Töpfen, die darauf warteten, in Farben und Mustern zum Leben zu erwachen, ließ mein Herz ein wenig schneller schlagen.

    Ich hielt ihrem Blick stand, ließ die Frage in mir widerhallen. Geschichten, die man später erzählt. Ich spürte ein leichtes Kribbeln in meinen Fingern, wie immer, wenn ich mit dem Ton arbeitete, als könnten die Worte selbst eine Form annehmen, noch bevor ich sie aussprach. "Vielleicht beides", erwiderte ich leise. "Manchmal denke ich an Ildrun und frage mich, was sie später einmal von all dem hier erzählen wird. Ob es ihr Halt gibt oder eine Last wird, ob sie ihren Weg in den Schatten von Witjon finden muss oder ob sie es schafft, sich davon zu lösen." Ich zögerte, sammelte meine Gedanken. "Aber vielleicht frage ich mich das auch, weil ich selbst noch nicht weiß, welche Geschichte ich erzählen werde."


    Ich drehte ein Grashalm zwischen meinen Fingern, betrachtete, wie er sich verbog und schließlich wieder aufrichtete. "Ich glaube, du hast recht. Manchmal weiß man erst später, wer man war, während man es ist." Ein sanftes Lächeln spielte um meine Lippen, ehrlich und ein wenig nachdenklich. "Vielleicht müssen wir alle Ton sein, bis wir endlich in die Form finden, die für uns bestimmt ist."


    Ich sah wieder zu ihr, suchte ihren Blick. "Du hast deinen Platz gefunden, oder? Trotz allem? Trotz der Dinge, die nicht geplant waren?" Ich fragte es nicht aus Neugierde oder Zweifel, sondern aus echtem Interesse. Octavena war für mich immer wie eine feste Säule gewesen, jemand, der nicht nur wusste, was zu tun war, sondern auch, warum. Jemand, der nicht nur aushielt, sondern formte. "Du bist nicht nur in diese Rolle hineingerutscht. Du hast sie angenommen. Und jetzt ist sie ein Teil von dir."


    Die Sonne sank weiter, und das Licht färbte die Wiese in warmes Gold. Ich fühlte die Stille zwischen uns nicht als Last, sondern als Raum, der uns erlaubte, die Worte nachklingen zu lassen. "Glaubst du…", setzte ich nach einer Weile an, die Worte vorsichtig wählend, "glaubst du, dass man seinen Weg irgendwann wirklich kennt? Oder lebt man sich einfach hinein?" Meine Stimme war ruhig, doch ich spürte, wie mein Herz ein wenig schneller schlug, als ich fragte. Vielleicht war es nur eine Frage, vielleicht auch mehr. Vielleicht wollte ich wissen, ob ich irgendwann einmal diese Sicherheit spüren würde, die ich in ihren Worten zu hören glaubte.

    Ich grinste breit, als ich Ildruns Begeisterung sah. Ihre Energie war ansteckend, und die Vorstellung, sich an Octavena und den Angestellten vorbeizuschleichen, fühlte sich sehr gut an. Ein winziger Funke Abenteuer, mitten in all dem Staub und der Stille. Ich streckte mich ein wenig, spürte, wie meine Muskeln sich angenehm dehnten, und stand dann auf. Papias hob den Kopf, blinzelte uns verschlafen an, als hätte er genau verstanden, dass es jetzt gleich spannend wurde.


    "Ein Bach und ein paar Bäume zum Klettern klingen perfekt", sagte ich leise, beinahe verschwörerisch, als könnte uns jemand belauschen. Ich trat leise auf den Boden und öffnete das Fenster ein winziges Stück auf, damit frische Luft hereinkam. "Meinst du, wir schaffen das? Ich meine, ich bin vielleicht nicht ganz so leise wie du." Mein Grinsen verriet allerdings, dass ich bereit war, es herauszufinden.


    Papias schüttelte sich einmal, als wollte er den Schlaf endgültig abschütteln, und stand dann auf. "Gut", flüsterte ich und sah Ildrun an. "An dir liegt es. Du führst, ich folge. Und wenn wir erwischt werden…" Ich hielt kurz inne, zog gespielt dramatisch die Augenbrauen hoch. "Dann müssen wir einfach rennen. So schnell wie wir können." Ich zwinkerte ihr zu, meine Finger trommelten leicht auf den Fensterbank. "Also? Wie ist der Plan, Anführerin?"

    Ich lachte leise, das Bild von ihrem Bruder als schwarzes Schaf war einfach zu köstlich. "Kniesköpfe also…", wiederholte ich, mehr für mich, mit einem Schmunzeln. Dann legte ich den Kopf leicht schräg und sah Aemilia mit einem verschwörerischen Glitzern in den Augen an. "Weißt du, ich glaube, wir sollten dringend über etwas anderes sprechen. Zum Beispiel… über verzierte Töpfe." Ich deutete in Richtung des Gartens, wo zwischen den beiden Olivenbäumen das Sonnenlicht flirrte. "Stell dir das mal vor. Bauchige Vasen mit kunstvollen Mustern, kleine Töpfe mit eingeritzten Symbolen ... Sonne, Wellen, vielleicht sogar ein paar freche Hähne." Ich grinste. "Wir könnten sie aufstellen, entlang des Weges. Jeder Topf mit einer kleinen Geschichte, weißt du? Vielleicht sogar benannt nach gewissen… Kniesköpfen. Dann hätten sie endlich ihren Platz gefunden ... fest verwurzelt und dekorativ." Ich zwinkerte. "Und wenn Secundus jemals fragt, warum die eine Vase immer umfällt, sagen wir einfach... 'Ach, die ist halt ein bisschen herrschsüchtig.'" Ein Lachen stieg in mir auf, ehrlich und leicht. "Was meinst du, fangen wir heute damit an?"

    Ich nickte langsam, fast unmerklich, während ich ihr zuhörte. Ihre Stimme war ruhig, und obwohl sie sagte, dass alles gut sei, klang da etwas mit, das ich nicht ganz benennen konnte. Nicht Traurigkeit, aber vielleicht eine Art… Müdigkeit, die sich hinter vernünftigen Worten versteckt hatte. Oder ich bildete mir das nur ein, weil ich gerade selbst so empfand. "Ich weiß, dass du für viele da bist", sagte ich leise, mehr ins Licht als direkt zu ihr. "Und ich glaube dir auch, dass es dich wirklich interessiert. Es ist nur…" Ich zögerte, ließ den Satz erstmal in der Luft stehen, bis mir die richtigen Worte einfielen. "Manchmal weiß man selbst gar nicht, ob man Hilfe braucht. Oder ob man nur müde ist. Oder ob das eigentlich das Gleiche ist."


    Ich drehte den Kopf wieder zu ihr, langsam, suchte ihren Blick. "Ich finde es schön, dass du fragst. Auch wenn ich nichts Konkretes brauche. Oder es vielleicht nur nicht benennen kann." Ich lächelte ein kleines bisschen, diesmal ehrlicher als vorher, glaube ich. "Manchmal reicht das ja schon. Dass jemand da ist und fragt, ohne gleich etwas lösen zu wollen." Mein Blick glitt wieder zur Wiese. Die Sonne hatte sich weiter geneigt, warmes Licht tanzte über die Halme. "Ich weiß nicht, ob ich je so sein werde wie du", fuhr ich fort, nach einer Weile. "So… klar in allem. Ich finde das bewundernswert. Du wirkst, als wüsstest du immer, was zu tun ist, auch wenn es schwierig ist."


    Ich hob eine Hand, betrachtete sie mit einem kleinen, nachdenklichen Lächeln. "Ich bin eher wie der Ton manchmal. Ich brauche eine Form, aber ich bin nicht sicher, ob ich sie schon habe." Dann sah ich sie noch einmal an, offen, ruhig. "Aber ich glaube, ich bin trotzdem froh, dass du da bist." Und diesmal sagte ich es nicht, um etwas zurückzugeben. Ich meinte es so.


    Ich schwieg einen Moment, ließ meine Worte noch ein wenig in der Luft stehen, ehe ich wieder zu ihr sah. Da war etwas, das mich nicht ganz losließ, seit sie Ildrun erwähnt hatte, nicht direkt, aber zwischen den Zeilen, wie so oft bei ihr. Vielleicht hatte sie es nicht einmal selbst gemerkt. "Und Ildrun?" fragte ich schließlich leise. Es war keine Herausforderung, kein Misstrauen, nur ehrliches Interesse. "Wie siehst du sie in all dem? In deinem Platz… und Witjons Erbe?" Ich legte den Kopf leicht zur Seite, sah sie dabei nicht zu fest an, gab ihr Raum. "Ich frage nur, weil… ich manchmal nicht weiß, was für einen Weg sie suchen wird. Ob sie deinen folgt. Oder Witjons. Oder ob sie sich ihren ganz eigenen schaffen muss."


    Ich fuhr mit dem Daumen über eine kleine Schrunde an meinem Zeigefinger, während ich sprach. "Ich weiß, sie ist nicht mehr klein. Aber sie ist auch noch nicht fertig." Ein schmaler Anflug von Lächeln zuckte über meine Lippen. "Wie wir alle, wahrscheinlich." Dann blickte ich zurück zu ihr, ganz sanft. "Ich frag nur, weil ich manchmal an sie denke. Und mich Frage, was für eine Geschichte sie später mal erzählen wird, wenn man sie fragt, wie es war. Jetzt. In dieser Zeit."

    Ich hielt die Luft an, als ihre Arme sich um mich legten. Es war keine stürmische Geste, kein dramatischer Ausbruch, eher etwas Vorsichtiges, Bedachtes, wie das letzte Stück eines Mosaiks, das plötzlich passte.


    Die Stofffasern ihrer Tunika waren leicht rau, ein wenig nach draußen riechend, nach Wind, nach Erde, nach jemandem, der den ganzen Tag unterwegs gewesen war. Ich schloss die Augen. Sagte nichts. Manchmal war Schweigen das Ehrlichste, was ich zu bieten hatte. Worte hätten hier zu viel gewollt oder zu wenig gesagt. "Ein bisschen weniger nervig ist schon ziemlich viel", murmelte ich schließlich, kaum mehr als ein Hauch, gerade genug, um den Moment nicht komplett im Stillen verhallen zu lassen. Ihr Atem streifte meinen Hals, nicht aufdringlich, einfach da. Warm, echt, wie ein Zeichen dafür, dass auch sie geblieben war. Dass sie diesen Schritt gemacht hatte, freiwillig, ohne Ironie, ohne den Schutz der Götter. Das bedeutete mehr, als ich in Worte hätte fassen können. Also tat ich es auch nicht.


    Papias schnaubte leise im Halbschlaf, ein tiefer, fast demonstrativ entspannter Laut, wie ein kleiner Kommentar. Als wollte er uns daran erinnern, dass alles gut war, oder zumindest gut genug. Und irgendwie, obwohl ich es besser wusste, obwohl ich es tausend Mal angezweifelt hatte, glaubte ich ihm. Ein bisschen zumindest. "Ich wünschte, ich hätte dich bereits viel früher aufgesucht", flüsterte ich. Es war kaum mehr als ein Gedanke, der sich einen Weg nach draußen gesucht hatte, leise und unaufdringlich. Vielleicht hatte sie es gehört, vielleicht auch nicht. Es war nicht wichtig. Ich meinte es. Und das reichte.


    "Wie schaut es aus?" Meine Stimme war ruhig, fast beiläufig, aber irgendetwas darin schnitt durch das Dickicht in meinem Kopf. "Möchten wir beide etwas unternehmen? Den Staub hier sein lassen." Der Satz hing kurz in der Luft, leicht, aber nicht bedeutungslos. Als hätte jemand ein Fenster geöffnet, mitten in einem Raum, der zu lange stillgestanden hatte. Der Staub, von dem ich sprach, war nicht nur der auf den Möbeln. Es war der Staub in den Gedanken, in der Stille, in allem, was man zu lange aufgeschoben hatte.

    Ich sah sie an, für einen Moment still, doch nicht sprachlos. Ihre Worte hatten etwas berührt, das lange still in mir gelegen hatte. Dieses seltene Gefühl, wirklich gemeint zu sein. "Deine Freundschaft…" Ich wiederholte das Wort leise, als wollte ich seine Form mit der Zunge prüfen, bevor ich es annahm. "…ist vielleicht das Wertvollste, das man mir seit Langem angeboten hat. Und ich nehme sie gerne an."


    Ein sanftes Lächeln zog sich über meine Lippen, ein wenig schief, ein wenig vorsichtig. "Und was deine Brüder betrifft…" Ich legte eine Hand an mein Herz, gespielt theatralisch. "…ich fürchte, sie müssten mit einer Frau auskommen, die mehr Fragen stellt als Komplimente verteilt. Ob das ihrem Stolz bekommt?"


    Ein leises Lachen entrang sich meiner Kehle. "Doch wer weiß, vielleicht verliebt sich einer von ihnen in die Art, wie ich schweige, wenn die Worte nicht reichen. Oder in das Chaos, das ich mit einem einzigen Blick stiften kann."


    Ich sah sie an, ehrlich, ohne Masken. "Aber bis dahin, Aemilia… danke. Für deine Offenheit. Für deinen Mut. Und dafür, dass du mir zutraust, dich ein Stück weit zu begleiten."

    Ich sah sie an, ihre Worte hallten in mir nach. Schmerz, Wut, Entschlossenheit. All das lag in ihrer Stimme. Und doch war da auch etwas Zerbrechliches, kaum sichtbar hinter dem stolzen Ausdruck. "Dann bist du also nicht nur Botanikerin deiner eigenen Freiheit, sondern auch Hüterin eines Schmerzes, den du nicht verschweigst. Das verlangt Respekt, Aemilia."


    Ich lehnte mich etwas zurück, betrachtete den Garten, wie das Licht durch die Blätter fiel, wie der Wind mit den Schatten spielte. "Wenn dein Bruder dich binden will, so liegt es doch an dir, ob du dich führen lässt oder ob du deinen eigenen Pfad weitergehst. Ich glaube nicht, dass man dich leicht in Ketten legen kann… es sei denn, du legst sie dir selbst an."


    Ich ließ eine kurze Pause zu, nicht aus Unsicherheit, sondern weil ich wollte, dass sie die Worte wirklich hörte. "Was auch immer geschieht. Ich wünsche mir, dass du wählst, wohin du gehst. Nicht weil man es von dir erwartet, sondern weil du es selbst willst."


    Ein leiser Hauch von Lächeln spielte um meine Lippen, mehr Geste als Gefühl, und doch ehrlich gemeint. "Und vielleicht, wenn du es zulässt, begleite ich dich ein Stück weit."

    Ich nahm Platz auf der Bank, griff zu dem Gebäck und ließ den Geschmack einen Moment auf mich wirken. Dann sah ich Lentidia ruhig an. "Merkwürdig? Nein, das bist du mir nicht. Ich sehe vielmehr eine Frau, die ihren eigenen Weg geht. Eine, die den Mut hat, zu tun, was ihr Herz verlangt, auch wenn es nicht dem entspricht, was andere erwarten. Und vielleicht gerade deswegen ist dieser Ort so lebendig geworden."


    Ein Lächeln zeigte sich in meinen Zügen, ehe ich fortfuhr. "Es braucht Stärke, um anders zu sein, um man selbst zu sein. Dieser Garten, ist dein Werk. Er ist nicht nur schön, er spricht von Freiheit und Echtheit. Das inspiriert mich tatsächlich. Sag mir, Aemilia: Wohin soll dein Weg dich noch führen?"

    Ich nickte auf ihre Worte hin, lächelte leicht. "Dein Werk", das klang nach etwas, das nicht nur mit Händen, sondern mit Herz gemacht war. Ich folgte ihr, ohne zu drängen, ließ mir Zeit für jeden Schritt. Die Luft roch nach feuchter Erde und Rosmarin, irgendwo war der Hauch von Lavendel, kaum greifbar. Der Garten hatte nichts von den künstlich zurechtgestutzten Anlagen, wie man sie in anderen Häusern fand. Hier war Ordnung, ja. Es war ein leiser Ort. Einer, der einen atmen ließ. Ich konnte sehen, wo alte Strukturen freigelegt, wo Neues gepflanzt worden war. Stein auf Stein, Pflanze zu Pflanze…


    Wir kamen zur Tafel. Gebäck, schlicht, wie es gute Hände formen. Und Most, nicht Wein. Ich schätzte das. Es sagte mehr über Lentidia, als Worte es je könnten. "Du hast diesen Ort gerettet", sagte ich schließlich. "Nicht nur den Garten. Man spürt, dass hier wieder jemand lebt." Ich sah sie an. "Und was wünschst du dir?"

    Ich sagte erst nichts. Meine Finger glitten noch einmal über den Stoff. Dann zog ich ein Bein an, stützte mein Kinn darauf und ließ meinen Blick über das Gras wandern, das sich leicht im Wind bewegte. "Wie es mir geht …" Ich schmeckte die Worte auf der Zunge, als müsste ich erst entscheiden, ob ich sie aussprechen wollte. "Ich glaube, ich bin gerade in so einer Phase." Ein schmaler, schräger Lächelversuch spielte um meine Lippen, einer von der Sorte, die nicht wirklich Freude bedeuteten. "Es läuft alles irgendwie. Ich bin müde, aber ich mache weiter. Der Brennofen tut, was er soll, die Leute sind zufrieden, meine Finger tun abends weh, also ist alles in Ordnung, oder?" Ich lachte leise. Nicht aus echter Heiterkeit, mehr wie ein kurzes Schulterzucken in Lautform.


    Dann sah ich zu ihr. Ihr Gesicht war ruhig, aufnahmebereit, wie so oft. "Und du?" fragte ich. "Wenn du nicht nur für die Sonne hier bist, wolltest du wirklich mit mir reden, oder brauchst du jemanden, der dir zuhört?" Ich meinte es nicht spitz. Es war mehr ein offenes Türchen, das ich ihr hinstellte. Nicht, weil ich auf etwas wartete, sondern weil ich es ihr lassen wollte, wenn sie wollte.


    Ich wandte den Blick wieder ab, zurück ins Licht. Die Sonne war inzwischen ein kleines Stück tiefer gesunken, und ihre Strahlen warfen langgezogene Schatten über die Wiese. Ich spürte, wie meine Schultern sich gesenkt hatten, ohne dass ich es bemerkt hatte. Ein Vogel hüpfte im Gras, und ich fragte mich für einen Moment, ob ich gestern vergessen hatte, die Tonreste vom Boden aufzufegen. Und ob es überhaupt wichtig war. Ich sah meine Hände an, kleine Risse an den Fingern, eine feine rote Linie am Daumen, wo der Ton scharf gewesen war.


    Witjon ging mir durch den Kopf. Einfach so. Nicht aus einem bestimmten Grund, sondern weil er zu Octavena gehörte wie der Geruch nach Feuer. Ich hatte nie viel mit ihm gesprochen. Aber ich erinnerte mich an sein Lachen, tief und weich, so selten, dass es wie ein Geschenk war. Ich wusste nicht, ob sie an ihn gedacht hatte, bevor ich kam. Vielleicht. Wahrscheinlich. Ich atmete langsam aus. Die Luft roch nach Erde und Wärme. Und ich war froh, dass sie gefragt hatte. Auch wenn ich nicht sicher war, ob ich wirklich geantwortet hatte.

    Ich lachte leise, aber nicht spöttisch, eher warm. "Na ja… glaub mir, das sieht von außen vielleicht so aus, als würde mir niemand reinreden. Aber manchmal habe ich das Gefühl, mein Kopf macht das ganz alleine." Ich lehnte mich ein Stück zurück, die Schultern gegen die Bettkante gedrückt, und betrachtete Ildrun. "Manchmal wünschte ich, ich hätte jemanden, der mir sagt, was ich tun soll. Einfach nur, damit ich mal aufhören kann, alles ständig selber entscheiden zu müssen. Dieses Gefühl, dass jeder Schritt von mir irgendwie richtig sein muss, sonst… fällt alles auseinander."


    Papias rollte sich jetzt halb auf den Rücken, eine Einladung, weiterzukraulen, die ich ohne Zögern annahm. Seine Augen waren halb geschlossen, vollkommen entspannt. Ein kleines, zufriedenes Geräusch entwich ihm, und ich spürte, wie sich mein Brustkorb ein bisschen leichter anfühlte.


    "Aber vielleicht ist das einfach so: Du wünschst dir meine Freiheit, und ich beneide dich um deine Klarheit. Um dieses Feuer in dir." Ich sah wieder zu ihr, ein kleines Lächeln auf den Lippen. "Du sagst, du bist es leid, immer für Farold verantwortlich zu sein. Aber trotzdem… du gibst ihn nicht auf. Nicht mal, wenn du wütend bist. Das zeigt doch, wie stark du eigentlich bist."


    Ich schwieg einen Moment, lauschte dem leisen Atem der Tiere, dem entfernten Knarzen des Hauses. Dann, fast flüsternd: "Vielleicht sagen uns zu viele Leute, was wir sein sollen. Und wir verlieren dabei aus dem Blick, wer wir wirklich sind." Langsam streckte ich eine Hand aus, zögernd, und legte sie dann leicht auf ihren Arm, nur wenn sie es zulassen wollte. "Ich will dich nicht ändern, Ildrun. Ich mag dich genauso, wie du bist."

    Der Morgen war kühl gewesen, als ich das Viertel betrat. Nicht kalt, nicht unangenehm, aber kühl genug, dass die Schultern sich wie von selbst strafften, die Schritte aufmerksamer wurden. Ich hatte mich nicht angekündigt. Lentidia hatte gesagt, ich solle kommen, wenn ich Zeit fände. Und jetzt war Zeit. Der Weg zur Domus Aemilia war mir beschrieben worden. Von einem Händler, der sie "die mit dem Blick" genannt hatte. Ich verstand, was er meinte, als ich vor dem Eingang stand. Kein übermäßiger Prunk, keine goldene Übertreibung, aber jedes Detail durchdacht. Selbst der Schattenwurf des Portikus war komponiert wie ein Bühnenbild.


    Der Wächter musterte mich kurz. Ton unter den Fingernägeln, das Haar gebunden, die Kleidung schlicht, aber sauber. Ich nannte den Namen. "Lentidia erwartet mich." Er nickte nur, ließ mich wortlos ein. Die Schwelle war kühl unter den Sohlen. Der Innenhof öffnete sich wie ein gemalter Raum, Wasser in der Mitte, ein feines Plätschern, das sich in den Stimmen der Welt verlor. Weinranken warfen tanzende Muster auf die Steinplatten. Ich blieb kurz stehen, ließ das Licht auf meine Haut treffen. So fällt es also hier, dachte ich. So lebt sie also.

    Ich trat ein und schloss vorsichtig die Tür hinter mir. Der vertraute Duft nach Holz, Papier und einem Hauch Lavendel empfing mich, und ein leises Gefühl von Geborgenheit machte sich in mir breit. Papias blieb dicht an meiner Seite, als würde er wissen, dass ich gerade ein bisschen Halt gebrauchen konnte, während Asper sich wieder auf seinem Kissen niederließ. "Das klingt… echt anstrengend", sagte ich leise und ließ mich auf dem Boden neben dem Bett nieder, die Beine unter mich gezogen. "Ich versteh dich. Dieses ständige Gefühl, irgendwas erfüllen zu müssen. Als würde immer jemand erwarten, dass man funktioniert."


    Meine Finger fuhren langsam durch Papias’ Fell, weich und ein wenig strubbelig. Der kleine Kerl beruhigte mich mehr, als ich zugeben wollte. Ich blickte zu ihr hoch. "Farold ist echt süß, aber…" Ich verzog das Gesicht leicht. "… er ist halt auch ein ziemlicher Wirbelwind. Und wenn man einfach mal für sich sein will, macht das alles nur noch anstrengender."


    Ich holte kurz Luft, zögerte. "Weißt du, ich find’s ziemlich beeindruckend, wie du das alles machst. Du wirkst immer, als wüsstest du genau, was du willst. Und selbst wenn du wütend bist oder genervt. Du bleibst irgendwie stark dabei. Ich wünschte, ich könnte das auch." Ich senkte kurz den Blick, dann sah ich sie wieder an. Mein Herz schlug schnell, zu schnell vielleicht, aber ich ließ mich nicht davon abhalten. "Ich bin froh, dass ich hier bin. Bei dir. Es fühlt sich einfach richtig an."

    Ich blieb kurz stehen, als ich sie dort sitzen sah. Allein auf der Bank vor der Casa, in das Licht der Nachmittagssonne getaucht. Octavena hatte dieses Lächeln, das sie immer hatte, wenn sie etwas im Kopf hatte, das mehr war als bloße Höflichkeit. Ich kannte es inzwischen gut genug. Meine Finger glitten über den Stoff meiner Tunika, als wollte ich prüfen, ob noch Ton daran hing. Wahrscheinlich war da längst nichts mehr, denn ich hatte mich schließlich extra umgezogen, aber ich brauchte die Bewegung. Vielleicht, um mich zu sammeln. Ich war müde, das wurde mir in diesem Moment erst richtig klar. Die Wärme der Sonne, das Zwitschern der Vögel, das entfernte Rufen aus dem Haus. All das lullte mich ein. Und gleichzeitig hielt mich Octavenas Blick wach.


    "Salve, Octavena", grüßte ich sie, wie es sich gehörte, aber meine Stimme war weicher als sonst, fast ein wenig schmunzelnd. "Der Tag war lang. Aber ich denke, das ist er für uns alle, nicht wahr?" Ich setzte mich neben sie, als sie mir den Platz anbot. Ihre Geste war einladend, wie immer. Ich strich den Stoff glatt, eine Angewohnheit, die ich mir vermutlich von ihr abgeschaut hatte, und schwieg erst einmal.


    Ein paar Atemzüge lang genoss ich einfach nur das Licht. Es war warm, wirklich warm, endlich, nach diesem elenden Winter. Und doch konnte ich nicht verhindern, dass mir Ildrun durch den Kopf ging. Ihre Stimme noch vom Vormittag, scharf wie frisch geschliffenes Eisen. "…so eine blöde Spaßbremse..." Es war kein Geheimnis für mich, dass sie nicht gut auf ihre Mutter zu sprechen war. Nicht mehr. Vielleicht nie so richtig. Und ich fragte mich kurz, ob Octavena das heute mehr belastete als sonst.


    Ich sah sie von der Seite an, ihr Gesicht im goldenen Licht. Fast weich wirkte es. Fast. "Du wartest nicht zufällig einfach nur auf einen Sonnenuntergang, oder?" fragte ich. Meine Stimme klang ruhig, aber ich ließ durchscheinen, dass ich nicht ganz so naiv war, wie ich vielleicht manchmal wirkte. "Ich kenne dieses Lächeln."

    Der Tag verging langsam, jede Minute schien sich zäh in die Länge zu ziehen. Die Hitze lag schwer auf meinen Schultern, jeder Handgriff forderte mehr Kraft als gewöhnlich. Die Stimmen der Käufer, das Schleppen der Ware, das endlose Ausharren. Es war ein erschöpfender Tag gewesen. Doch endlich sank die Sonne tiefer, tauchte den Himmel in warme, bernsteinfarbene Töne. Die Händler packten ihre Waren ein, Stimmen wurden leiser, und bald war ich allein auf dem Markt. Ich sammelte meine Stücke, legte sie vorsichtig in den Wagen und wandte mich dann meinen Gedanken zu.


    Ich blickte über den leeren Platz, sah, wie das Licht die verlassenen Stände in ein weiches Leuchten hüllte.


    Auf dem Weg nach Hause holperte der Wagen über das Kopfsteinpflaster. Zwei der Schalen, schlecht gestapelt oder zu hastig geladen, zerbrachen mit einem dumpfen Knirschen. Ich hielt kurz inne, atmete tief durch und anschließend fuhr ich weiter.

    Ich blinzelte überrascht, als Ildrun plötzlich vor mir stand, den Blick halb erleichtert, halb genervt. Schnell löste ich meine Finger von der Wandvertäfelung, versuchte, so beiläufig wie möglich auszusehen. Es gelang mir vermutlich schlecht. "Ich wollte eigentlich nur sehen, ob du Gesellschaft brauchst", antwortete ich leise, meine Stimme klang etwas atemlos, "Aber ich wollte nicht stören. Du schienst beschäftigt." Mein Blick wanderte zu Papias, dessen große dunkle Augen mich neugierig musterten. Vorsichtig streckte ich meine Hand aus, ließ ihn an meinen Fingern schnuppern, bevor ich ihn sanft hinter den Ohren kraulte. Er wedelte leicht mit dem Schwanz und schob seinen Kopf gegen meine Handfläche, offensichtlich zufrieden mit der Aufmerksamkeit. "Keine Sorge, dein Geheimnis ist bei mir sicher."


    Ich trat einen Schritt näher, lächelte Asper zu, der jetzt aufmerksam geworden war und mich mit leicht geneigtem Kopf musterte. "Darf ich reinkommen? Vielleicht brauchst du ja wirklich etwas Ablenkung, und außerdem haben deine beiden Beschützer doch sicher nichts dagegen." Mein Herz schlug mir bis zum Hals, und ich hoffte, dass meine Stimme die Nervosität nicht allzu deutlich verriet. Papias drängte sich dichter an mich, während ich ihn weiter kraulte, was mir ein bisschen Mut gab. Ich blickte kurz zur Seite, kämpfte mit der Röte, die mir ins Gesicht stieg, und sah Ildrun dann wieder an. Die Wärme ihres Zimmers lockte mich, und irgendetwas sagte mir, dass ich genau hier sein sollte, auch wenn ich nicht genau wusste, warum. Aber etwas in mir wollte unbedingt, dass sie ja sagte.

    "Wohlhabend durch Kunst", murmelte ich leise, mehr zu mir selbst als zu irgendjemand sonst. Die Amphore unter meiner Hand war kühl geworden. Wohlstand war nie mein Ziel gewesen. Wahrheit vielleicht. Oder das leise Aufleuchten eines Blicks, wenn jemand vor einem meiner Werke stand und für einen Moment innehielt.


    Ich richtete mich wieder auf, ließ die Finger vom Ton, als wollte ich ein Versprechen nicht zu früh brechen. Ich sah ihr nach, wie sie sich entfernte. Ihre Haltung aufrecht, das Gewand wie fließendes Wasser um sie. Es war, als hätte der Name plötzlich Gewicht bekommen. Der Markt um mich herum erwachte wieder, Stimmen, Gerüche, das Klirren von Münzen und Keramik. Doch in meinem Kopf drehte sich bereits alles um den Wolf. Um ihre Räume. Um das Feuer.


    Ich griff unter den Stand, zog eine kleine Tafel hervor ... Wachsschrift, eingeritzt mit schnellen, geübten Zeichen: Maße, Motive, Namen. Am Rand notierte ich nur ein einziges Wort: Lentidia. Dann schob ich sie zurück, nahm eine neue Amphore zur Hand und ließ die Fingerspitzen über den noch rauen Ton gleiten. Mein Blick wanderte zum Himmel. Noch stand die Sonne hoch, aber ich wusste, dass der Abend mir gehören würde. Der Ofen wartete. Und das Feuer würde brennen ... heißer als sonst.

    An die hochgeschätzten Duumviri

    Manius Pontidius Musca und Memmius Pomponius Agrippinus



    In Demut und Hoffnung wende ich mich an euch, angesehene Magistrate des Municipium Mogontiacum, mit dem Anliegen, mein Bürgerrecht in dieser ehrwürdigen Stadt bestätigen bzw. offiziell anerkennen zu lassen.


    Ich, Duccia Sila, wurde in Mogontiacum geboren und bin seit meiner Geburt eine treue Bewohnerin dieser Stadt, die mir Heimat, Schutz und Identität gegeben hat. Niemals habe ich sie verlassen. Meine verstorbenen Eltern, Tiberius Duccius Lando, ein angesehener Eques, Decurio und engagierter Förderer unserer Stadt, sowie Duccia Elva, eine treue Stationaria dieser Stadt, haben sich stets um das Wohl Mogontiacums verdient gemacht.


    Es wäre mir eine große Ehre, mich persönlich bei euch vorstellen zu dürfen, um mein Anliegen vorzutragen und die Bande zwischen mir und der Stadt, die mich hervorgebracht hat, weiter zu festigen.


    Casa Duccia | Mogontiacum | Germania Sup.

    Ich neigte leicht den Kopf, nicht zu tief, aber gerade genug, um den Respekt zu zeigen, wie es dem Stande verlangte.


    "Ah, Aemilia. Und ein interessantes Angebot."


    Mein Blick glitt kurz über ihre Haltung … fest, bestimmt, mit jener Art von Stolz, die keine Worte braucht, um Wirkung zu entfalten. Doch da war auch etwas in ihrem Blick. Ein Hauch von Erwartung, vielleicht sogar ein stilles Herausfordern. Ich erwiderte es mit einem knappen, aber echten Lächeln.


    "Ich werde kommen. Nicht morgen, aber bald."


    Meine Stimme blieb ruhig, doch ich ließ einen Moment der Stille folgen, bevor ich fortfuhr. "Ich will nicht einfach nur Ton aufstellen in einem Raum. Ich muss sehen, wie das Licht fällt, wie der Wind durch die Fenster streicht. Kunst braucht mehr als nur Platz. Sie braucht Gefühl."


    Im Vorbeigehen strich meine Hand über den Henkel der Amphore mit dem Wolf. Fast wie ein stummer Beweis dafür, dass meine Hände nur das formen, was mein Herz mitträgt.


    "Und keine Sorge", sagte ich, ohne mich noch einmal umzudrehen. "Ich bin nicht bekannt dafür, mich dreinreden zu lassen. Ich nehme nur Aufträge an, die ich mit Überzeugung ausführen kann." Ein letzter Blick über die Schulter … ein kurzer, prüfender … dann wandte ich mich wieder meinem Stand zu. Der Rauch meines kleinen Ofens stieg bereits auf, als hätte er geahnt, dass das nächste Werk mehr als nur Geschick verlangen würde.