Beiträge von Duccia Valentina

    Nach und nach beruhigten sich die Gemüter wieder und irgendwann hatten die drei Frauen die Braut wieder so hergerichtet, dass sie als Mittelpunkt des Festes vor die Hochzeitsgäste und ihren Zukünftigen treten konnte. Danach mischten sie sich wieder unter die Gäste. Irgendwann kam auch Runa herein, begleitet von Rhaban, der dazu auserkoren worden war, das Schwert zu tragen. Dagny war schon ein bisschen stolz, ihn in dieser exponierten Position zu erleben … auch, wenn das seinem Ego garantiert keinen – Dagnys bescheidener Meinung nach eigentlich notwendigen – Dämpfer verpassen würde. Schließlich verkündete Phelan, dass es weitergehen würde – und erwähnte gleichzeitig, dass sein Vetter aus Roma der neue Statthalter war. Das sorgte dann doch dafür, dass Dagny kurzfristig die Kinnlade herunterklappte. Alrik war der neue Statthalter? Das war nicht nur eine mehr als beeindruckende Errungenschaft, die in ihrer Familie ihresgleichen suchte, sondern formulierte in ihren Gedanken auch die verwunderte Frage, ob er dann derjenige gewesen war, der die Hochzeit aufgehalten hatte und wieso. Vermutlich, weil er dabei sein wollte und das der schnellste Weg gewesen war, das zu bewerkstelligen. Dagny hatte aber keine große Gelegenheit, darüber zu sinnieren, denn die Gesellschaft setzte sich in Richtung Hain in Bewegung. Die Zeremonie wurde von den beiden Goden abgehalten, die Runa im Vorfeld ausgesucht hatte – unterstützt von einem römischen Priester, um der Herkunft und dem Glauben des Bräutigams Tribut zu zollen. Es war eine Trauung nach germanischer Tradition, die Dagny mit der gebotenen Andacht und einer gehörigen Portion Gerührtheit verfolgte.

    Dagny lächelte. „In Anbetracht der Tatsache, dass ich kein Naturtalent mit der Sticknadel bin, hast du vermutlich Recht.“ Sie gab sich da keinerlei Illusionen hin. Zwar war die Margerite, die sie mittlerweile fertiggestellt hatte, schon als solche zu erkennen, aber eine Blume hatte – ebenso wie ein Speer – klare Formen, während ein Helm doch etwas komplexer war. „Andererseits wäre es auch lustig, wenn mein Bruder raten müsste, was er da bekommt. Wenn er dann später fragt, werde ich niemals zugeben, dass es ein Helm sein sollte, sondern erfinde einfach etwas Interessanteres …“ Was das betraf, waren Dagnys Fantasie kaum Grenzen gesetzt.


    „Ja, das kann ich mir vorstellen“, erwiderte sie auf Nelas Vergleich, dass Romas politisches Pflaster oft dem Lauf über ein gemähtes Getreidefeld glich. Gut, das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Sie wusste, wie unangenehm und schmerzhaft ein gemähtes Getreidefeld sein konnte, wenn man mit nackten Sohlen darüber lief, aber von der römischen Politik verstand sie im Grunde genommen gar nichts. Und es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, dass Politik unangenehm und schmerzhaft sein sollte. Unangenehm vielleicht im Sinne von zäh und mühselig, aber ansonsten … Fakt war allerdings, dass Dagny von Politik im Allgemeinen und römischer Politik im Speziellen schlicht und ergreifend keine Ahnung hatte. „Mal sehen, was Eldrid mir schreibt. Ich bin eigentlich optimistisch, dass sie sich gut behaupten kann. Ich bin auch gespannt, was sie so über ihren Mann erzählt.“ Dagny wusste im Grunde genommen nichts darüber, außer dass Eldrid eben nach Roma gegangen war um eine vorteilhafte Partie zu machen. Sie musste ihrer Schwester unbedingt bald schreiben!


    „Das kann ich verstehen.“ erwiderte Dagny als es um Dagmar ging. „Ich glaube, ich fände es auch anstrengend, immer wieder darauf angesprochen zu werden. Ich werde sie die Tage mal besuchen und ihr vorschlagen, einen Spaziergang im Wald zu machen. Mir fallen gewiss ein paar Themen ein, die sie nicht traurig machen. Und Nachhilfe in Geschichte schadet mir sicherlich nicht. Gerade, wenn sie aus erster Hand berichten kann, ist das doch wesentlich aufregender, als etwas über drei oder vier Ecken zu erfahren.“ Dagny mochte Geschichten aller Art und hörte gern zu. Und wenn jemand tatsächlich auf ein ereignisreiches Leben zurückblicken konnte, so wie es bei Dagmar der Fall war, dann würde sich Dagny sehr freuen, wenn ihre ältere Verwandte sie daran teilhaben ließ. Allerdings konnte sie sich vorstellen, dass Nela die Geschichten schon des Öfteren gehört hatte und von daher nicht mehr so unbefangen zuhören konnte wie Dagny.


    Beim Thema Männer musste Dagny hingegen wieder grinsen. „Na schade! Aber das wäre vermutlich auch zu einfach gewesen!“ So wie jetzt bei Runa funktionierte es in den seltensten Fällen. Ihr waren die Götter tatsächlich hold gewesen, egal ob nun im übertragenen oder wortwörtlichen Sinne, und sie würde den Mann heiraten können, den sie liebte. So etwas passierte allerdings äußerst selten. Meist war eine Heirat politisch motiviert – ihre Mutter pflegte immer zu sagen, dass die Liebe sich später schon einstellen würde und dass das nichts war, wonach man im Vorfeld suchen sollte. „Ja, träumen darf man. Tue ich auch gelegentlich … oder des Öfteren mal, um der Wahrheit genüge zu tun.“ Sie lächelte und zwinkerte Nela zu. Ja, im Traum war sie ihrem Traummann oft genug über den Weg gelaufen. Aber sie versuchte, solche Gedankenspiele nicht zu ernst zu nehmen. Das führte einfach zu nichts. Zumindest hatte Eldrid ihr das versucht einzutrichtern, die bei diesem Thema ziemlich pragmatisch veranlagt war. „Nein ein unaufgeregtes Leben will ich auch nicht … ich will … so viel machen und erleben! Das Schlimmste, das ich mir vorstellen kann, ist Langeweile!“ Eine Lebenseinstellung, die in Dagnys Alter wohl normal war. „Oh ja, auf jeden Fall begleite ich dich! Ich liebe Sänger! Das lasse ich mir nicht entgehen … und ja, Runa nehmen wir auch mit. Ein bisschen Zerstreuung kann ihr nicht schaden.“ Dagny konnte verstehen, dass Runa bei ihrer Hochzeit, auf die sie so sehenlich wartete, nichts dem Zufall überlassen wollte, aber für ein paar Stunden mal den Kopf frei zu bekommen war sicherlich nicht das Verkehrteste.

    „Ja, an Einfällen mangelt es uns zum Glück nicht“, grinste Dagny zurück. Tatsächlich war es mit den Mädels immer lustig und Dagny wüsste gar nicht mehr, was sie ohne sie tun sollte Der Alltag wäre jedenfalls um einiges grauer, das stand fest. Der Gedanke, dass dieses sorglose Beisammensein irgendwann ein Ende finden würde, stimmte sie etwas wehmütig. Runas Hochzeit war der erste Schritt in diese Richtung. Auch, wenn Runa dadurch natürlich nicht aus der Welt war, würde sie dann ihre eigene Familie und damit einen anderen Fokus haben. Und auch Nela oder sie selbst würden vermutlich eines Tages heiraten und ausziehen. Aber gut, sie wollte die Zeit genießen, solange sie anhielt! Dennoch war sie froh über die Ablenkung, die Nela ihr bot, indem sie über das „Soldatentuch“ sprach. „Gute Idee, das werde ich machen. Ich kann da ja was anderes draufsticken … einen Speer vielleicht, oder einen Helm? Wie er reagieren wird, kann ich ehrlich gesagt auch nicht sagen. Damit rechnen wird er jedenfalls nicht und über Briefe von mir freut er sich, glaub ich, schon. Von daher bin ich guter Dinge!“


    Als Nela sagte, Roma sei noch nicht bereit für so viele Damen aus Mogontiacum, musste sie wieder lachen. „Wieso, ich denke, wir werden frischen Wind da rein bringen. Schadet bei so hohen Temperaturen mit Sicherheit nicht.“ Sie zwinkerte Nela zu. So konnte man es natürlich auch umschreiben. Sie selbst würde sich vermutlich benehmen wie ein Bär im Ziergarten. Hadamar hatte ihr geschrieben, dass viele Dinge anders waren als in Germanien, selbst wenn man die romanisierten Gebiete wie Mogontiacum und Umgebung als Vergleich heranzog. Bei Eldrid konnte sie sich hingegen gut vorstellen, dass sie wenige Anpassungsschwierigkeiten haben würde. Ihre Schwester war zwar ebenfalls temperamentvoll und ihrer Heimat sehr verbunden, aber sie war auch zielstrebig, diszipliniert und wusste sich zu benehmen. Wenn sie etwas wollte, würde sie ihr Ziel auch erreichen, davon war Dagny überzeugt. „Ich glaube schon, dass sie uns sehr vermisst. Aber sie wäre zu stolz, um sich das anmerken zu lassen, zumindest vor Fremden. Ich denke, dass sie das Zeug dazu hat, es in Roma zu schaffen. Mehr als wir anderen Geschwister – außer Iring vielleicht. Ich hoffe, dass sie Mogontiacum nie für ein Provinznest hält, aber wer weiß, wie sich der Blickwinkel verändern mag, wenn man viele Jahre fort ist. Geschrieben habe ich ihr noch nicht. Irgendwie ist das untergegangen in dem ganzen Hochzeitsstress. Aber das werde ich bald tun. Ich will ja selbst wissen wie es ihr geht! Ich werde dann berichten.“ Als Nela dann vom Bürgerkrieg erzählte, hörte sie gespannt zu. Scheinbar war hatte Dagmar es geschafft, die größten Schrecken von ihr fernzuhalten, aber ein bisschen was bekam man ja trotz allem mit. „Das … kann ich sogar verstehen. Würde ich als Mutter vermutlich auch wollen. Je weniger man davon mitbekommt, desto besser ist es wahrscheinlich auch.“ Dagny hatte keine Vorstellung vom Krieg. Eigentlich hatte sie generell keine Vorstellung von schrecklichen Dingen, davon war sie bisher zum Glück größtenteils verschont geblieben.


    Dagmars augenblickliche Gemütsverfassung musste für Nela tatsächlich sehr schwer sein. Dagny ergriff kurz die Hand ihrer Freundin und drückte sie. „Tut mir wirklich leid, dass es deiner Mutter so schlecht geht. Vielleicht ist es irgendwann einfach zu viel. Das Feuer muss ja noch nicht einmal das schlimmste Ereignis gewesen sein, das sie erlebt hat, aber es war vielleicht der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Wenn es irgendetwas gibt, das ich für sie tun kann, dann sag Bescheid. Ich kann sie ja auch mal besuchen, um sie ein bisschen aufzuheitern. Sie einmal die Woche abholen und mit ihr in den Gärten und im Wald spazieren gehen. Dann kommt sie raus, aber muss nicht mit vielen Leuten zusammensein. Und du musst dich nicht immer allein darum sorgen … Natürlich nur, wenn ihr das möchtet.“ Vielleicht wollte Dagmar ja auch lieber nur mit ihren Kindern reden oder fühlte sich in Dagnys Gegenwart unwohl, weil sie meinte, ihr keine adäquate Unterhaltung bieten zu können. Und Dagny wollte ja, dass Dagmar sich besser fühlte und nicht schlechter. An das Feuer konnte sie sich auch noch lebhaft erinnern, obwohl sie selbst in dieser Nacht nicht in der Casa gewesen war. Sie hatte damals ihre Mutter auf dem Gehöft besucht, auf dem diese zu der Zeit noch gelebt hatte. Allerdings waren einige ihrer Besitztümer den Flammen zum Opfer gefallen, unter anderem Briefe von Hadamar und andere unersetzbare Dinge.


    Bei Nelas Beschreibung ihres Traummannes musste sie wieder grinsen. „Du hast ja schon eine sehr genaue Vorstellung! Vielleicht sollten wir mal bei der Castra Alae vorbeigehen und schauen, ob etwas Passendes dabei ist.“ Der Gedanke daran, wie sie dort standen und die vorbeiziehenden Reiter mit den Worten 'Du nicht.', 'Könnte vielleicht was sein.' oder 'Nee, also, tut uns leid, aber du entsprichst den Kriterien leider überhaupt nicht.' bewerten würden, sorgte bei Dagny wieder für einen Heiterkeitsausbruch. Nicht, dass sie das tatsächlich machen würden, aber allein der Gedanke war schon ziemlich lustig. „Oder hast du schon jemand Bestimmtes im Sinn?“ Könnte ja durchaus sein, allerdings glaubte Dagny das nicht wirklich, weil sie ihr oder Runa dann bestimmt schon davon erzählt hätte. „Gegen einen Soldaten hätte ich auch nichts, wobei meine Mutter sich dann bestimmt anstellen würde. Ihr wäre es, glaube ich, lieber, ich würde jemanden heiraten, der ein völlig gefahrloses und unaufgeregtes Leben führt.“ Ihrer Mutter reichte es schon, dass Hadamar sich entschlossen hatte, Soldat zu werden.

    Der Bote ritt davon und danach passierte zunächst nichts weiter. Phelan ordnete an, dass die Vorbereitungen normal weiterlaufen sollten und kaum etwas deutete darauf hin, dass sich eben etwas Seltsames abgespielt hatte. Scheinbar war Phelan davon überzeugt, demnächst eine weiterführende Erklärung zu erhalten – und zwar eine, die nicht zum Abbruch der Veranstaltung führen würde. Dagny dachte noch darüber nach, zu Witjon zu gehen und ihn zu fragen, was das alles zu bedeuten hatte und sich von ihm explizit versichern zu lassen, dass die Hochzeit nicht abgesagt würde. Dann würde sie zu Runa gehen und sie beruhigen können – denn eine explizite Versicherung von Witjon war sozusagen fast so gut wie ein unumstößlicher Fakt. Zumindest war Dagny felsenfest davon überzeugt! Aber sie kam nicht dazu, denn sie wurde von diversen anderen Gästen – unter anderem ihrer eigenen Mutter – angesprochen und ehe sie sich versah, war sie in die eine oder andere Diskussion verstrickt, was der Zwischenfall zu bedeuten hatte. Deshalb bekam sie weder Thorgalls Hereinstürmen noch den Auftritt von Alrik und seiner Gemahlin mit. Erst als ihre Mutter sie auf die Neuankömmlinge aufmerksam machte und ihr mitteilte, dass das ihr Verwandter Alrik aus Roma sei, schaute sie hinüber. Ehrfürchtig betrachtete sie die elegante Aufmachung der Beiden, besonders der römischen Dame, die tatsächlich so aussah, wie sich Dagny immer eine römische Dame vorgestellt hatte. Sie hörte, wie Alrik überschwänglich von Phelan begrüßt wurde und fragte sich, ob er extra wegen der Hochzeit aus Roma hergekommen war. Na, dann würde er sich aber ganz schön ärgern, wenn er erfuhr, dass der Statthalter die Veranstaltung aufgehalten hatte!


    Dagny schwankte zwischen ihrer Neugierde, die sie dazu antrieb, sich einfach zu der Runde dazu zu gesellen und ihrem Wunsch, Runa von den besonderen Gästen zu erzählen. Sie entschied sich schließlich für die zweite Variante, immerhin hatte sie Runa lange genug vernachlässigt! Sie eilte zurück zum Haus und traf Runa gemeinsam mit Nela und Alpina vor der Tür an. Runa sah immer noch verheult, aber wesentlich gefestigter aus. Wahrscheinlich hatten die anderen sie schon getröstet. „Habt ihr gehört, wer gerade angekommen ist? Alrik, unser Verwandter aus Roma und … öhm … eine elegante römische Dame, ich denke, sie ist seine Frau? Aber genau weiß ich es auch nicht. Jedenfalls war dein Vater ganz aus dem Häuschen, Runa!“ Sie unterbrach schließlich ihren Redeschwall und umarmte ihre Freundin kurz. „Ich hoffe, dir geht es wieder etwas besser! Ich bin mir sicher, dass deine Hochzeit wie geplant von statten gehen wird. Zumindest gehen die Vorbereitungen drüben normal weiter und alle tun so, als sei der Reiter nie da gewesen.“ Na ja, nicht so ganz – die Gespräche hatten in der letzten Stunde von kaum etwas anderem gehandelt, aber sie wollte Runa unbedingt aufheitern.

    Dagny grinste als Nela ihr weitere „Nettigkeiten“ zuwarf. „Unglaublich, dass es Leute gibt, die so etwas den ganzen Tag betreiben, findest du nicht?“ Ihr würde es zumindest irgendwann zu anstrengend werden, jede Aussage als Kompliment verpacken zu müssen. Vor allen Dingen weil die eigentliche Aussage früher oder später im Wortedickicht verloren gehen würde … sie musste zumindest kurz überlegen, was überhaupt der Ausgangspunkt ihres kleinen Geplänkels gewesen war. Andererseits könnte das auch eine gute Taktik sein, um das Gegenüber nicht zu lange bei einer Sache verweilen zu lassen – in diesem Fall zum Beispiel bei einem etwas missratenen Tuch. Als Nela die Soldaten erwähnte musste Dagny wieder lachen. „Ein großartiger Gedanke! Schade, dass mein Bruder nicht da ist, ansonsten würde ich ihm so eine Sonderausgabe für Soldaten anfertigen. Aber gut, dann eben die klassischen Variante …“


    „Ja, ich erinnere mich dunkel … purpurne Streifen tragen die wichtigen Leute, richtig?“ Diese Togae waren nicht nur kompliziert anzuziehen, sondern hielten auch noch die eine oder andere Information bereit, die man besser zu wissen hatte. Gut, das war in Mogontiacum auch nicht viel anders als in Roma, nur war das Kleidungsstück hier bei weitem nicht so verbreitet wie dort. „Oh, das wäre großartig! Allein wäre ich dort vermutlich hoffnungslos überfordert.“ erwiderte Dagny auf Nelas Angebot, sie herumzuführen, sollte ihr Weg sie jemals in die Hauptstadt führen. Nelas Beschreibung derselben war so gewählt, dass Dagny sich die Menschenmassen in den Straßen Romas gut vorstellen konnte. „Ja, jetzt habe ich zumindest ein Bild im Kopf. Das stelle ich mir auf die Dauer anstrengend vor – auch wenn du sicher recht hast, dass man sich irgendwann dran gewöhnt. Wenn Eldrid mal wieder hierher zu Besuch kommt, ist sie vielleicht irritiert, dass alles hier kleiner und leerer ist, als sie es in Erinnerung hatte.“ Dagny lächelte beim Gedanken an ihre ältere Schwester. Beim Thema duccisches Stadthaus in Roma tippte sie sich hingegen kurz mit der Sticknadel gegen die Stirn. „Stimmt, ich vergesse immer, dass du gar nicht in unserem Haus gewohnt hast.“ In ihrem Kopf war Nela eine Duccia – gut, wenn man es genau nahm, war sie das durch ihre Mutter tatsächlich, aber natürlich hatte sie in Roma in der Casa der Familie ihres Vaters gelebt. „Falls wir jemals nach Roma kommen, können wir das Haus ja in deine Stadtführung integrieren.“ Dagny grinste. Beim letzten Teil der Erzählung war sie hinreichend beeindruckt. „Du hast wirklich schon eine ganze Menge erlebt. Hast du denn von dem Bürgerkrieg viel mitbekommen? Und wie ist es in Hispania?“ Dagny wusste, dass Hadamar ebenfalls in diesem Bürgerkrieg gekämpft hatte, aber wirklich etwas davon mitbekommen hatte sie nicht, dazu war sie einfach zu klein gewesen und zu weit weg.


    Als Nela von ihrer Mutter erzählte, wurde Dagnys Gesichtsausdruck ernster. „Ja, ich verstehe, was du meinst.“ Dagnys eigene Mutter hatte sehr unter dem Tod ihres Vaters gelitten – und obwohl sie sich mittlerweile wieder sehr gut gefangen hatte und sie auch oft unter Leute ging, haftete ihr stellenweise immer noch eine gewisse Traurigkeit an. Es war bei weitem nicht so schlimm wie bei Dagmar, aber Dagny konnte sich zumindest ansatzweise vorstellen, wie es für Nela sein musste. „Ich finde es schwierig, wenn man jemandem so gar nicht helfen kann, selbst wenn man nichts lieber möchte. Geht es deiner Mutter denn besser? Wird sie auch zur Hochzeit kommen?“ Dagny hatte Dagmar bisher selten gesehen, seit ihrer Rückkehr nach Germanien lebte sie sehr zurückgezogen. Beim Thema Traummann grinste Dagny. „Groß, breitschultrig, blond. Ein germanischer Krieger.“ Ihr Grinsen verwandelte sich in ein Lachen. „Aber im Ernst … am wichtigsten ist mir, dass er nicht von mir verlangt jemand zu sein, der ich nicht bin. Und wenn er Humor hat, wäre das auch ganz schön. Was ist mit dir?“

    Dagny saß gerne mal der Schalk im Nacken – ein Charakterzug der nicht zwangsläufig überall Anklang fand, wie sie selbst schon hatte feststellen müssen. Nela war diesbezüglich zum Glück ganz ähnlich veranlagt, sodass sie in ihrer Gegenwart herrlich herumalbern konnte, ohne sich in irgendeiner Form zurückhalten zu müssen. „Oh, das ist auszunehmend reizend von dir! Du weißt gar nicht, welch große Freude du mir damit bereitest!“ setzte sie das kleine Spiel fort, nahm aber gleichzeitig ihre Handarbeit wieder auf. Immerhin würden die Tücher sich nicht von allein fertigstellen und jetzt, wo ihre Laune definitiv bestens war, erledigte sie die Arbeit nebenbei, ohne große Gedanken daran zu verschwenden wie wenig sie das Sticken eigentlich mochte. Sie grinste, als Nela ihr versicherte, dass sie niemanden weiter brauchten, um Konversation zu betreiben. „Hervorragend! Dann sind wir uns ja einig!“ Bei ihrem Kommentar zu den blutigen Tüchern musste Dagny wieder lachen: „Na ja, möglicherweise gibt es den einen oder anderen martialisch veranlagten Gast, dem dieser Zusatz gefallen würde, aber … mmh … ich würde es nicht riskieren.“


    „Ja, das macht Sinn.“ kommentierte sie Nelas Beschreibung wie Menschen in warmen Ländern der täglichen Hitze begegneten. Jegliche Bewegung um die Mittagszeit musste auch die reine Tortur sein! Bei Erwähnung der Toga huschte hingegen ein Lächeln über ihr Gesicht. „Als ich klein war und zum ersten Mal einen Mann in einer Toga gesehen habe, habe ich meine Mutter gefragt, warum der Mann ein Kleid trägt. Meine Mutter war überhaupt nicht begeistert, aber er hat es mir nicht übel genommen. Zumindest hat er gelacht … das weiß ich noch. Praktisch finde ich sie allerdings auch nicht! Ich nehme an, in Rom sieht man das Kleidungsstück an jeder Ecke.“ So stellte sie sich das zumindest vor. Ihre Verwandten hier besaßen zwar auch römische Kleidung, aber oft wurde auch germanische Tracht getragen. Die Größe Roms konnte Dagny sich hingegen immer noch schwer vorstellen. „Das ist echt unglaublich. Mir fällt es wirklich schwer, mir Orte vorzustellen die größer sind als Mogontiacum. Aber ich war auch noch in keiner anderen Stadt. Hast du denn gerne dort gelebt? In Roma? Ich meine, einerseits muss es sehr aufregend sein und ständig etwas Neues zu sehen geben, andererseits würden mir die Menschenmassen irgendwann auf die Nerven gehen. Wie sieht denn das Haus unserer Familie in Rom aus?“ Der Gedanke, mit Nela bei ihren Brüdern aufzuschlagen und sie effektiv von der Arbeit abzuhalten, sorgte hingegen wieder für Erheiterung. „Ach so, wenn Kunden da sind meinst du. Keine Ahnung, das kommt vermutlich drauf an, wie viele Leute da sind, was sie wollen, wie gut sie meine Brüder kennen. Und was meine Brüder sich ausdenken, um zu kontern. Aber ausprobieren möchte ich es auf jeden Fall, allein die Vorstellung ist viel zu amüsant um sie nicht in die Tat umzusetzen. Und wenn du dabei bist, müssen sie sich mehr zusammenreißen!“ Dagny grinste. „Also haben wir demnächst eine Verabredung auf dem Markt?“


    Die Tatsache, dass die Götter aktiv eingegriffen und die beiden Brautleute zusammengeführt hatten, weckte in Dagny eine Mischung aus Ehrfurcht und Furcht. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie an Phelans Stelle reagiert hätte, wenn sie mit „drastischen Maßnahmen“ der Götter konfrontiert werden würde. Sie vermochte es nicht. „Ja, die Stimmung war ziemlich düster!“ ging sie deshalb erst einmal auf den Teil der Geschichte ein, den sie verstand. „Runa hat mir unheimlich leid getan. Ich habe mir zwischendurch wirklich Sorgen um sie gemacht.“ Runa hatte in der Zeit kaum ihr Zimmer verlassen – ein für sie ziemlich untypisches Verhalten. „Umso mehr freue ich mich, dass sich für sie doch alles zum Guten gewendet hat! Und dann gleich aus so einem Grund … da kann nun wirklich niemand mehr etwas gegen sagen.“ Sie lächelte leicht, auch wenn ihr die Ganze nach wie vor etwas unheimlich war.

    Dagny hatte sich unter die Wartenden gemischt, um die Ankunft der Hochzeitsgäste zu beobachten. Sie trug ein grünes Kleid im germanischen Stil, das an den Schultern mit einer goldenen Fibel verschlossen war. Ein Blick verriet ihr, dass germanische und römische Tracht recht gut verteilt waren. Ihre eigenen Verwandten trugen hauptsächlich germanische Kleidung, während die Helvetier und andere Gäste ohne germanische Wurzeln ihre heimatliche Gewandung gewählt hatten.


    Während sie noch die Garderobe der Gäste und der Gastgeber studierte, ereignete sich plötzlich ein seltsamer Zwischenfall. Ein Soldat kam herein und überbrachte lauthals eine Nachricht des Legatus Augusti Pro Praetore, der verkünden ließ, dass die Hochzeitsfeierlichkeiten nicht fortgeführt werden sollten. Dagny starrte ihn aus großen runden Augen an. Hatte sie gerade recht gehört?? Sie konnte jedenfalls sehr gut nachvollziehen, dass Runa und Curio erbost waren. Natürlich sollte man nicht vor allen Anwesenden so über einen Statthalter zu sprechen, aber Dagny vermutete, dass in einer solchen Situation ihr Temperament ebenfalls mit ihr durchgangen wäre. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass „Weil ich es kann.“ die einzige Begründung für den Zwischenfall war. Zugegebenermaßen war ihr dieser Satz auch schon das eine oder andere Mal über die Lippen gekommen, aber im eher informellen Rahmen, im Gespräch mit ihren Geschwistern oder Freunden. Eine komplette Hochzeit damit zum Stillstand zu bringen – das musste man erst einmal schaffen! Weil ich es kann. Also echt! Phelan und dem Vater des Bräutigams gelang es, die Situation einigermaßen zu entschärfen, aber auch sie erhielten keine wirkliche Antwort darauf, was das Ganze sollte. Runa eilte unter Tränen wieder zurück ins Haus, gefolgt von einer – aufgrund der Schwangerschaft etwas langsameren – Alpina. Dagny wandte sich ebenfalls in Richtung Haus. Allerdings warf sie beim Gehen immer wieder einen Blick über die Schulter in der Hoffnung, ob nicht doch noch jemand mit einer Erklärung um die Ecke käme. Also, einer richtigen.

    Dagny lächelte, als Nela ihr versicherte, dass sie ihre Gesellschaft der einer perfekt stickenden Dame vorzog. Als ihre Freundin weitersprach, wandelte sich Dagnys Lächeln in ein lautes Lachen. „Mir gefällt es, wie du unsere zukünftigen Kunstwerke umschreibst … individuelle Interpretationen, Unikate. Das klingt wirklich großartig!“ Sie hielt ihr Tuch hoch, auf dem bisher noch nichts außer einigen gelben Fäden zu sehen war und drehte es ein paar Mal hin und her wie sie es von Tuchhändlern auf dem Markt gesehen hatte. „Meine Liebe, darf ich dir dieses zauberhafte Tuch mit Blumenarrangement zum Geschenk machen? Ich versichere dir, es ist ein Unikat!“ ahmte sie den singsang-ähnlichen Tonfall nach, der gerne bei oberflächlichen Plaudereien verwendet wurde. Dann grinste sie. „Siehst du, ich kann dir auch leichte Konversation bieten. Da brauchst du ehrlich und wirklich niemanden sonst dazu zu holen!“ Ebenso wie Nela konnte Dagny auf steifes Herumsitzen, Sticken und langatmiges Palaver in der gepflegten Damenrunde sehr gut verzichten. „Und ich möchte auch nicht, dass du die Tücher in Blut tränkst. Ich glaube, das wäre der Romantik ziemlich abträglich …“ Sie grinste. „Von daher haben wir eigentlich nur Vorteile, wenn wir zu zweit bleiben.“ Das war eigentlich auch der Grund, warum sie hier war … um Nela Gesellschaft zu leisten und ihr ein bisschen zu helfen. Dass sie dabei noch einer ungeliebten Tätigkeit wie Sticken nachgehen musste, nahm sie dafür billigend in Kauf.


    Beim Thema Roma und Hispania wurde Dagny hellhörig. Sie wusste, dass Nela nicht in Germanien geboren war und auch schon an anderen Orten gelebt hatte. Und auch, wenn Dagny sich keinen besseren Ort zum Leben vorstellen konnte als diesen hier, war sie doch fasziniert von der weiten Welt und was es dort alles zu sehen gab. Hadamar hatte sie in seinen – zugegebenermaßen nicht sonderlich langen – Briefen ein bisschen teilhaben lassen an seinem Leben in der Ferne und Eldrid lebte jetzt in Rom, sodass Dagny dorthin nach wie vor Kontakt hatte, aber sie selbst war noch nirgendwo anders gewesen. „Puh … noch wärmer als heute, das mag ich mir kaum vorstellen. Ich frage mich, wie die Leute überhaupt ihrem Tagwerk nachgehen können bei der Hitze. Aber das ist wahrscheinlich alles Gewohnheitssache. Wie ist Roma denn sonst so? Mein Bruder hat mir geschrieben, dass dort unendlich viele Leute auf einem Fleck leben und Mogontiacum dagegen klein wirkt.“ Das konnte sich Dagny gar nicht vorstellen, sie konnte sich noch sehr gut erinnern, als das erste Mal durch die Tore Mogontiacums getreten war. Die schiere Größe hatte sie damals sehr beeindruckt und auch jetzt fiel es ihr schwer, sich einen Ort auszumalen der viel größer und voller war als dieser. Bei der Erwähnung ihrer Brüder musste Dagny hingegen wieder lachen. „Das stelle ich mir unheimlich lustig vor, allerdings werden meine Brüder das Spiel nicht lange mitspielen. Da es meine Brüder sind, müssen sie ja nicht höflich zu mir sein. Aber ich kann ihnen auch so auf die Nerven gehen, indem ich sie einfach von der Arbeit abhalte.“


    Die Geschichte von Runa und Curio entlockte ihr zunächst nicht mehr als ein erstauntes „Oh!“. Sie hätte gedacht, dass Phelan sich nun doch von Runas Verzweiflung hatte erweichen lassen, aber dass die Götter ihre Finger im Spiel haben sollten, fand sie … nun ja, eigentlich nicht so erstaunlich, in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um Runa handelt. Und ihr Verlobter wurde ebenfalls im Tempel als römischer Priester ausgebildet, soweit sie wusste. „Das klingt wirklich sehr seltsam. Andererseits … wenn ich mir so eine Geschichte bei irgendjemandem vorstellen kann, dann bei Runa. Sie scheint den Göttern wirklich sehr nahe zu stehen ...“

    Dagny hasste dieses Wetter. Genauso wie sie es hasste, still zu sitzen. Und diese beiden Dinge gingen heute quasi Hand in Hand, denn es war SO WARM, dass jede Bewegung einfach zu viel des Guten schien. Eine Welle des Mitgefühls für ihren Bruder Hadamar umfasste sie, als sie daran dachte, an welchen Orten er schon hatte ausharren müssen. Karthago. Dagny hatte sich das Klima dort immer so ausgemalt wie die Luft im Inneren eines Backofens. Sie würde die Stadt trotzdem gerne einmal sehen … ebenso wie Ägypten. Aber auf das Wetter dort konnte sie sehr gut verzichten. Irgendetwas, das NOCH HEIßER war als der heutige Tag … das war im Moment unvorstellbar. Gemeinsam mit Nela saß sie im Säulengang auf der nördlichen Seite des Hauses im Schatten und sehnte den einen oder anderen Luftzug herbei. Sie hatte sich bereit erklärt, Nela bei den Vorbereitungen für Runas und Curios Hochzeit zu helfen. Nela hatte die Verantwortung für die Dekoration übernommen und jetzt standen bestickte Tücher als Gastgeschenke für die anwesenden Damen auf dem Programm. Dagny wollte Nela ja wirklich gerne helfen. Wirklich. Denn die arme Nela hatte sich da ganz schön viel Arbeit aufgehalst. Allerdings war Sticken … nun auch nicht so wirklich Dagnys liebste Freizeitbeschäftigung, um es einmal freundlich zu formulieren. Aber sie wollte Nela auch nicht im Stich lassen … und natürlich einen Beitrag dazu leisten, dass Runa eine schöne Hochzeitsfeier hatte.


    „Ja, das glaube ich dir gern.“ erwiderte sie auf Nelas Worte. Und in Gedanken fügte sie hinzu: „Ich werd jetzt schon wahnsinnig!“ Als sie letztens versucht hatte, ein Pferd aufzusticken, hatte es eher Ähnlichkeit mit einem Straßenköter gehabt. Das war zumindest das ungnädige Urteil der Dienerin gewesen, die sie in dieser Kunst ausbilden sollte. „Es ist auch eine schöne Idee, da wird Runa sich bestimmt freuen! Und ich würde dich niemals damit allein lassen, auch wenn du … na ja, bestimmt kompetentere Hilfe haben könntest.“ Dagny blickte auf Nadel und Faden in ihren Händen. Sie hatte sich das gelbe Garn genommen, um die Innenseiten der Margeriten zu sticken. „Ich denke, auch wenn die Variante mit dem Weitergeben theoretisch schneller ist, sollte vielleicht jeder sein eigenes Tuch machen. Dann fällt der Unterschied zwischen deiner und meiner Stickerei nicht so auf.“ Im Bereich Sticken war bei Dagny nun einmal noch Potential nach oben – sie war einfach zu ungeduldig für diese Tätigkeit. Als Nela vom Markt erzählte, erschien hingegen ein Leuchten in Dagnys Augen. „Nein, den habe ich noch nicht gesehen. Aber lass uns unbedingt mal auf den Markt gehen, wenn das Wetter nicht mehr ganz so grausam ist. Dann könnten wir vielleicht nach einem schönen Hochzeitsgeschenk für Runa schauen. Und natürlich für ihren Zukünftigen. Bei der Gelegenheit kann ich auch meinen Brüdern auf die Nerven gehen.“ Dagnys Brüder Iring und Rhaban waren Händler und zumindest Rhaban war des Öfteren auf dem Markt anzutreffen. „Sag mal, wie kommt es eigentlich, dass Runa Curio jetzt doch heiraten darf?“* Dagny hatte nur mitbekommen, dass Runas Vater seinen Widerstand aufgegeben und der Hochzeit nun doch zugestimmt hatte. Die genauen Details hatte sie bei ihrer Freundin jedoch noch nicht erfragen können, weil Runa eben in letzter Zeit – verständlicherweise – sehr beschäftigt gewesen war.


    Sim-Off:

    *Ich bin jetzt mal davon ausgegangen, dass Dagny das auch mitbekommen hat. Falls es nicht so sein soll, gerne Bescheid sagen, dann kann ich editieren.

    Salve Tiberius Magnus,


    folgender Charakter möchte gerne im IR aufgenommen werden:


    Name: Duccia Valentina
    Stand: Civis
    Gens: Duccia
    Wohnort: Mogontiacum


    Vater: Volusus Duccius Briganticus
    Mutter: Iska


    Vielen Dank!