Kreuzstich oder doch lieber Perlstich?

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    Es war ein besonders warmer Tag. Wenn man schon nur einen Gedanken daran verschwendete sich zu bewegen, brach einem der Schweiß aus. Also war man versucht sich so wenig wie möglich zu bewegen. Aber angesichts der ganzen Arbeit, die aufgrund der bevorstehenden Hochzeit von Runa und Curio zu bewältigen war, blieb wenig Zeit sich nicht zu bewegen. Es mussten viele Dinge erledigt werden. Nela hatte die Verantwortung für die Dekoration übernommen und auch für die Gastgeschenke der Damen. Gemeinsam mit Dagny wollte sie die Tücher besticken, die die Damen erhalten sollten. Wenn dann noch Zeit war, würden sie eine Borte für die Bierkaraffen weben, die die Herren erhalten sollten. "Ich bin dir wirklich dankbar, dass du mich bei meinem verrückten Einfall unterstützt. Allein würde ich wohl wahnsinnig werden." Dass sie nicht immer nur gute Einfälle hatte zeigte wohl auch dieses Vorhaben. Sie hatten einiges zu tun. "Hast du eigentlich schon den neuen Schmuckstand auf dem Markt gesehen? Er hat wirklich schöne Stücke. Allerdings hat er dieses Mal nicht meine Farben dabei." Sie hatte am Morgen Marga bei den Einkäufen geholfen und einen kurzen Blick darauf werfen können. Inzwischen hatte sie sich mit einem Tuch bewaffnet und einen blauen Faden in ihre Nadel gefädelt. "Was meinst du was besser ist. Wenn einer die Kornblume stickt und das Tuch dann weiter gibt und der andere die Margerite stickt oder sollen wir einfach beide Beides machen?" Sie sah Dagny an und wartete auf deren Meinung zu ihrem Plan.

  • Dagny hasste dieses Wetter. Genauso wie sie es hasste, still zu sitzen. Und diese beiden Dinge gingen heute quasi Hand in Hand, denn es war SO WARM, dass jede Bewegung einfach zu viel des Guten schien. Eine Welle des Mitgefühls für ihren Bruder Hadamar umfasste sie, als sie daran dachte, an welchen Orten er schon hatte ausharren müssen. Karthago. Dagny hatte sich das Klima dort immer so ausgemalt wie die Luft im Inneren eines Backofens. Sie würde die Stadt trotzdem gerne einmal sehen … ebenso wie Ägypten. Aber auf das Wetter dort konnte sie sehr gut verzichten. Irgendetwas, das NOCH HEIßER war als der heutige Tag … das war im Moment unvorstellbar. Gemeinsam mit Nela saß sie im Säulengang auf der nördlichen Seite des Hauses im Schatten und sehnte den einen oder anderen Luftzug herbei. Sie hatte sich bereit erklärt, Nela bei den Vorbereitungen für Runas und Curios Hochzeit zu helfen. Nela hatte die Verantwortung für die Dekoration übernommen und jetzt standen bestickte Tücher als Gastgeschenke für die anwesenden Damen auf dem Programm. Dagny wollte Nela ja wirklich gerne helfen. Wirklich. Denn die arme Nela hatte sich da ganz schön viel Arbeit aufgehalst. Allerdings war Sticken … nun auch nicht so wirklich Dagnys liebste Freizeitbeschäftigung, um es einmal freundlich zu formulieren. Aber sie wollte Nela auch nicht im Stich lassen … und natürlich einen Beitrag dazu leisten, dass Runa eine schöne Hochzeitsfeier hatte.


    „Ja, das glaube ich dir gern.“ erwiderte sie auf Nelas Worte. Und in Gedanken fügte sie hinzu: „Ich werd jetzt schon wahnsinnig!“ Als sie letztens versucht hatte, ein Pferd aufzusticken, hatte es eher Ähnlichkeit mit einem Straßenköter gehabt. Das war zumindest das ungnädige Urteil der Dienerin gewesen, die sie in dieser Kunst ausbilden sollte. „Es ist auch eine schöne Idee, da wird Runa sich bestimmt freuen! Und ich würde dich niemals damit allein lassen, auch wenn du … na ja, bestimmt kompetentere Hilfe haben könntest.“ Dagny blickte auf Nadel und Faden in ihren Händen. Sie hatte sich das gelbe Garn genommen, um die Innenseiten der Margeriten zu sticken. „Ich denke, auch wenn die Variante mit dem Weitergeben theoretisch schneller ist, sollte vielleicht jeder sein eigenes Tuch machen. Dann fällt der Unterschied zwischen deiner und meiner Stickerei nicht so auf.“ Im Bereich Sticken war bei Dagny nun einmal noch Potential nach oben – sie war einfach zu ungeduldig für diese Tätigkeit. Als Nela vom Markt erzählte, erschien hingegen ein Leuchten in Dagnys Augen. „Nein, den habe ich noch nicht gesehen. Aber lass uns unbedingt mal auf den Markt gehen, wenn das Wetter nicht mehr ganz so grausam ist. Dann könnten wir vielleicht nach einem schönen Hochzeitsgeschenk für Runa schauen. Und natürlich für ihren Zukünftigen. Bei der Gelegenheit kann ich auch meinen Brüdern auf die Nerven gehen.“ Dagnys Brüder Iring und Rhaban waren Händler und zumindest Rhaban war des Öfteren auf dem Markt anzutreffen. „Sag mal, wie kommt es eigentlich, dass Runa Curio jetzt doch heiraten darf?“* Dagny hatte nur mitbekommen, dass Runas Vater seinen Widerstand aufgegeben und der Hochzeit nun doch zugestimmt hatte. Die genauen Details hatte sie bei ihrer Freundin jedoch noch nicht erfragen können, weil Runa eben in letzter Zeit – verständlicherweise – sehr beschäftigt gewesen war.


    Sim-Off:

    *Ich bin jetzt mal davon ausgegangen, dass Dagny das auch mitbekommen hat. Falls es nicht so sein soll, gerne Bescheid sagen, dann kann ich editieren.

  • "Ach Dagny, du glaubst gar nicht wie sehr ich deine Gesellschaft zu schätzen weiß und sie ist mir um einiges lieber als eine vielleicht akkurat gestickte Kornblume. Ich möchte nicht neben dem Sticken auch noch die leichter Konversation üben müssen. Danach sind die Tücher mit Blut getränkt weil ich vor lauter Aufregung keine Konzentration mehr für die Stickarbeit aufbringen kann sondern sie komplett in das Unterhalten von Damenkränzen investieren muss." Nichts war langweiliger als genau das üben zu müssen. Da waren ihr die Stunden mit dem Hispanischlehrer noch tausend Mal lieber als sich in langweiligen Unterhaltungen ergehen zu müssen. Nela lächelte ihre Verwandte an. "Aber wenn du so großen Wert darauf legst, können wir sie ja holen und auf ihre Gesellschaft bestehen." Die junge Decima wusste, dass Dagny darauf genauso wenig Lust hatte wie sie selbst. "Sie würde zwar die Blumen genau stechen können, aber wir würden vor Langeweile eingehen. Dann zaubern wir doch lieber ganz individuelle Interpretationen der Blumen und jeder bekommt ein Unikat." Also wenn das keine Verkaufsstrategie war. Nela grinste breit. Mann musste es doch nur richtig begründen und schon war es ganz logisch und die Gäste würden sich auch über nicht ganz gelungene Arbeiten riesig freuen. "Ach, du machst dich schlechter als du bist oder mich besser als ich es bin. Du weißt doch mit viel Eifer und wenig Geschick." Nela nickte als ihre Gesellschaft sich für das Sticken des ganzen Arrangements entschied.


    "Oh, das ist ein guter Vorschlag. Wir finden bestimmt etwas ganz Besonderes für sie." Sie versuchte sich noch an die ganzen Auslagen zu erinnern und ob ihr da irgendetwas aufgefallen war. "Es stimmt. Im Moment ist es wirklich nirgendwo so richtig auszuhalten und schon gar nicht in der Stadt. Wobei es hier noch halbwegs angenehm ist. Roma war schrecklich und in Hispania war es manchmal auch kaum auszuhalten." Nela hatte ja schon ein paar Orte für längere Zeit bewohnt und konnte da aus dem Nähkästchen plaudern. "Willst du sie dir die ganze Auslage zeigen lassen und dann doch nichts kaufen oder nur das letzte Stück?" Sie hatte das selbst schon mal gemacht, wenn ein Händler ihr blöd gekommen war und sie gerade Lust hatte ihn zu ärgern. Dann konnte dieser alles wieder aufräumen und da er etwas verkaufen wollte, musste er ja höflich bleiben. "Also das ist wirklich eine sehr eigenartige Geschichte," begann Nela die Geschichte zu erzählen, die sie von Runa gehört hatte. Der Haustratsch hatte ja doch das ein oder mehr noch zu berichten gewusst als Nela aus Runa herausbekommen hatte. "Die Götter hatten wohl die Gebete von Runa und Curio vernommen und Phelan ein Zeichen gesandt und dann konnte er nicht mehr anders als der Heirat zuzustimmen." Sie musste an den Moment denken als Runa in ihr Zimmer gestürmt gekommen war und ihr davon berichtet hatte. "Ich habe gehört, dass eine Taube wohl ein Schreiben ihres Vaters an einen potentiellen Heiratskandidaten vollkommen verschmiert hatte." Aber das hatte sie nur gehört.


    Sim-Off:

    Ich denke, das ist kein Problem. Das weiß bestimmt irgendwie jeder oder hats wenigstens von irgendwem gehört. :)

  • Dagny lächelte, als Nela ihr versicherte, dass sie ihre Gesellschaft der einer perfekt stickenden Dame vorzog. Als ihre Freundin weitersprach, wandelte sich Dagnys Lächeln in ein lautes Lachen. „Mir gefällt es, wie du unsere zukünftigen Kunstwerke umschreibst … individuelle Interpretationen, Unikate. Das klingt wirklich großartig!“ Sie hielt ihr Tuch hoch, auf dem bisher noch nichts außer einigen gelben Fäden zu sehen war und drehte es ein paar Mal hin und her wie sie es von Tuchhändlern auf dem Markt gesehen hatte. „Meine Liebe, darf ich dir dieses zauberhafte Tuch mit Blumenarrangement zum Geschenk machen? Ich versichere dir, es ist ein Unikat!“ ahmte sie den singsang-ähnlichen Tonfall nach, der gerne bei oberflächlichen Plaudereien verwendet wurde. Dann grinste sie. „Siehst du, ich kann dir auch leichte Konversation bieten. Da brauchst du ehrlich und wirklich niemanden sonst dazu zu holen!“ Ebenso wie Nela konnte Dagny auf steifes Herumsitzen, Sticken und langatmiges Palaver in der gepflegten Damenrunde sehr gut verzichten. „Und ich möchte auch nicht, dass du die Tücher in Blut tränkst. Ich glaube, das wäre der Romantik ziemlich abträglich …“ Sie grinste. „Von daher haben wir eigentlich nur Vorteile, wenn wir zu zweit bleiben.“ Das war eigentlich auch der Grund, warum sie hier war … um Nela Gesellschaft zu leisten und ihr ein bisschen zu helfen. Dass sie dabei noch einer ungeliebten Tätigkeit wie Sticken nachgehen musste, nahm sie dafür billigend in Kauf.


    Beim Thema Roma und Hispania wurde Dagny hellhörig. Sie wusste, dass Nela nicht in Germanien geboren war und auch schon an anderen Orten gelebt hatte. Und auch, wenn Dagny sich keinen besseren Ort zum Leben vorstellen konnte als diesen hier, war sie doch fasziniert von der weiten Welt und was es dort alles zu sehen gab. Hadamar hatte sie in seinen – zugegebenermaßen nicht sonderlich langen – Briefen ein bisschen teilhaben lassen an seinem Leben in der Ferne und Eldrid lebte jetzt in Rom, sodass Dagny dorthin nach wie vor Kontakt hatte, aber sie selbst war noch nirgendwo anders gewesen. „Puh … noch wärmer als heute, das mag ich mir kaum vorstellen. Ich frage mich, wie die Leute überhaupt ihrem Tagwerk nachgehen können bei der Hitze. Aber das ist wahrscheinlich alles Gewohnheitssache. Wie ist Roma denn sonst so? Mein Bruder hat mir geschrieben, dass dort unendlich viele Leute auf einem Fleck leben und Mogontiacum dagegen klein wirkt.“ Das konnte sich Dagny gar nicht vorstellen, sie konnte sich noch sehr gut erinnern, als das erste Mal durch die Tore Mogontiacums getreten war. Die schiere Größe hatte sie damals sehr beeindruckt und auch jetzt fiel es ihr schwer, sich einen Ort auszumalen der viel größer und voller war als dieser. Bei der Erwähnung ihrer Brüder musste Dagny hingegen wieder lachen. „Das stelle ich mir unheimlich lustig vor, allerdings werden meine Brüder das Spiel nicht lange mitspielen. Da es meine Brüder sind, müssen sie ja nicht höflich zu mir sein. Aber ich kann ihnen auch so auf die Nerven gehen, indem ich sie einfach von der Arbeit abhalte.“


    Die Geschichte von Runa und Curio entlockte ihr zunächst nicht mehr als ein erstauntes „Oh!“. Sie hätte gedacht, dass Phelan sich nun doch von Runas Verzweiflung hatte erweichen lassen, aber dass die Götter ihre Finger im Spiel haben sollten, fand sie … nun ja, eigentlich nicht so erstaunlich, in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um Runa handelt. Und ihr Verlobter wurde ebenfalls im Tempel als römischer Priester ausgebildet, soweit sie wusste. „Das klingt wirklich sehr seltsam. Andererseits … wenn ich mir so eine Geschichte bei irgendjemandem vorstellen kann, dann bei Runa. Sie scheint den Göttern wirklich sehr nahe zu stehen ...“

  • Nela strahlte über das ganze Gesicht. “Das ist doch nur eine Tatsachenbeschreibung,“ erklärte sie kichernd. Dann durfte sie beobachten wie Dagny ihr Tuch, ähnlich einem Händler auf dem Markt, präsentierte. “Du kannst gar nicht glauben welche große Ehre es für mich wäre dieses Geschenk anzunehmen. Es wird einen ganz besonderen Platz bei mir zu Hause erhalten,“ setzte sie dann die Unterhaltung fort und musste sich sehr zusammenzureißen nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. So konnte man sich das Sticken gefallen lassen. So würde das alles gar nicht mehr so langweilig sein wie man es vorher vielleicht hätte meinen können. “Oh ja, das habe ich gesehen. Ganz hervorragend. Das machst du wirklich gut. Ich denke auch, dass wir da keinen weiteren brauchen, wir schaffen das schon gut selbst.“ Davon war Nela wirklich überzeugt. Die drei jungen Frauen waren manchmal schlimmer in ihren Einfällen als jede jungen Bande. Wobei sich ihr Schabernak auch einem ziemlich hohen Niveau bewegte. Außer sie hatten jemanden gefunden über den sie lästern konnten und sie konnten offen darüber sprechen. Ansonsten hatten auch sie die ein oder andere Flause im Kopf und die musste eben ausgelebt werden. Erneut kicherte sie als Dagny meinte, dass ein blutgetränktes Tuch nicht besonders romantisch war. “Meinst du wirklich,“ hakte sie noch mal mit einem breiten Grinsen nach. “Deine Argumente sind wirklich erschlagend. Wir bleiben einfach unter uns.“ Das war ihr so auch viel lieber. Dann konnten sie auch über den ein oder anderen Mann reden, der gar nicht so schlecht aussah oder Schausteller, die sie im Theatrum gesehen hatten oder auf dem Markt.


    Sie nickte als Dagny nachfragte ob es noch wärmer ging als sie es an diesem Tag nun erlebten. “Es wird viel am Morgen und Vormittag erledigt und dann wieder am Abend wenn die Sonne nicht mehr so brennt. Ja, vermutlich ist es auch Gewohnheitssache. Allerdings frage ich mich ob man sich wirklich an eine Toga gewöhnen kann. So viel Stoff, den man da tragen muss und dann die ganzen Falten noch dazu.“ Nela hatte da wirklich ein wenig Mitleid mit den Männern, die sich das Bekleidungsstück immer wieder anziehen mussten. Dagnys Bruder hatte sie nie getroffen und nur gehört, dass er Roma war und dann auch wieder mal wo anders unterwegs war. Die Beschreibung war jedoch keineswegs falsch. “So unrecht hat er gar nicht. Die Straßen sind oft voll mit Menschen und es gibt so viele Insulae dort. Die großen und weitläufigen Casae oder Villae in Roma sind doch eher in der Minderheit. Eher die großen Mietshäuser bestimmen das Bild. Ich weiß nicht genau wie viele Menschen dort in Roma leben, aber man kann sicher denken, dass es unendlich viele sind. Du brauchst auch mindestens einen Tag um die Stadt von einer zur anderen Seite zu durchlaufen. Da gegen ist unser Mogontiacum wirklich klein und übersichtlich und viel luftiger als Roma.“ Kein Ort an dem sie wirklich gern lange bleiben wollte. Hier gefiel es ihr einfach besser. Als sie dann auf Dagnys Brüder zu sprechen kamen, machte sie ein gespielt überraschtes Gesicht. “Sie würden dich tatsächlich vor anderen Kunden einfach rauswerfen?“ Sie musste kichern als sie sich das versuchte vorzustellen. “Dabei sollten sie doch auch zu Kunden freundlich sein, die sie gern ein wenig ärgern wollen. Es könnten ja andere Kunden mal zuhören und das beobachten. Oh, das müssen wir unbedingt mal ausprobieren. Von der Arbeit abhalten können wir sie bestimmt gut.“ Und da ging es schon wieder weiter mit den Flausen. Die kleinen Übergriffe wurden immer gerecht verteilt.


    Es war wirklich unglaublich, dass sich so etwas in ihrem Haus abgespielt hatte und dass die Götter sich den Brautleuten so angenommen hatten. Ihr fiel auch wieder die Unterhaltung ein, die Runa mit Loki geführt hatte oder auch nicht geführt hatte. Ganz sicher war sie sich da noch nicht was sie an diesem Abend gehört hatte. “Die Götter scheinen den beiden wohl einen gemeinsamen Weg zugedacht zu haben und nachdem Phelan das nicht so sehen wollte, mussten sie wohl irgendwann zu drastischen Maßnahmen greifen. Es war ja stellenweise wirklich nicht mehr lustig hier. Das Haus hatte einige Tage, wenn nicht sogar Wochen lang eine wirklich gespenstische Atmosphäre ausgestrahlt.“ Es hatten sich ja alle viel Mühe gegeben Runa aufzuheitern oder sie irgendwie aus dem Zimmer zu bekommen. Bis zu jenem Tag an dem sie einfach weglaufen wollte und Nela ihr am Abend einfach nachgejagt war. Sie Übernachtung im Freien war nur teilweise spaßig gewesen. “Aber ja, sie scheint wirklich einen besonderen Draht zu den Göttern zu haben.“

  • Dagny saß gerne mal der Schalk im Nacken – ein Charakterzug der nicht zwangsläufig überall Anklang fand, wie sie selbst schon hatte feststellen müssen. Nela war diesbezüglich zum Glück ganz ähnlich veranlagt, sodass sie in ihrer Gegenwart herrlich herumalbern konnte, ohne sich in irgendeiner Form zurückhalten zu müssen. „Oh, das ist auszunehmend reizend von dir! Du weißt gar nicht, welch große Freude du mir damit bereitest!“ setzte sie das kleine Spiel fort, nahm aber gleichzeitig ihre Handarbeit wieder auf. Immerhin würden die Tücher sich nicht von allein fertigstellen und jetzt, wo ihre Laune definitiv bestens war, erledigte sie die Arbeit nebenbei, ohne große Gedanken daran zu verschwenden wie wenig sie das Sticken eigentlich mochte. Sie grinste, als Nela ihr versicherte, dass sie niemanden weiter brauchten, um Konversation zu betreiben. „Hervorragend! Dann sind wir uns ja einig!“ Bei ihrem Kommentar zu den blutigen Tüchern musste Dagny wieder lachen: „Na ja, möglicherweise gibt es den einen oder anderen martialisch veranlagten Gast, dem dieser Zusatz gefallen würde, aber … mmh … ich würde es nicht riskieren.“


    „Ja, das macht Sinn.“ kommentierte sie Nelas Beschreibung wie Menschen in warmen Ländern der täglichen Hitze begegneten. Jegliche Bewegung um die Mittagszeit musste auch die reine Tortur sein! Bei Erwähnung der Toga huschte hingegen ein Lächeln über ihr Gesicht. „Als ich klein war und zum ersten Mal einen Mann in einer Toga gesehen habe, habe ich meine Mutter gefragt, warum der Mann ein Kleid trägt. Meine Mutter war überhaupt nicht begeistert, aber er hat es mir nicht übel genommen. Zumindest hat er gelacht … das weiß ich noch. Praktisch finde ich sie allerdings auch nicht! Ich nehme an, in Rom sieht man das Kleidungsstück an jeder Ecke.“ So stellte sie sich das zumindest vor. Ihre Verwandten hier besaßen zwar auch römische Kleidung, aber oft wurde auch germanische Tracht getragen. Die Größe Roms konnte Dagny sich hingegen immer noch schwer vorstellen. „Das ist echt unglaublich. Mir fällt es wirklich schwer, mir Orte vorzustellen die größer sind als Mogontiacum. Aber ich war auch noch in keiner anderen Stadt. Hast du denn gerne dort gelebt? In Roma? Ich meine, einerseits muss es sehr aufregend sein und ständig etwas Neues zu sehen geben, andererseits würden mir die Menschenmassen irgendwann auf die Nerven gehen. Wie sieht denn das Haus unserer Familie in Rom aus?“ Der Gedanke, mit Nela bei ihren Brüdern aufzuschlagen und sie effektiv von der Arbeit abzuhalten, sorgte hingegen wieder für Erheiterung. „Ach so, wenn Kunden da sind meinst du. Keine Ahnung, das kommt vermutlich drauf an, wie viele Leute da sind, was sie wollen, wie gut sie meine Brüder kennen. Und was meine Brüder sich ausdenken, um zu kontern. Aber ausprobieren möchte ich es auf jeden Fall, allein die Vorstellung ist viel zu amüsant um sie nicht in die Tat umzusetzen. Und wenn du dabei bist, müssen sie sich mehr zusammenreißen!“ Dagny grinste. „Also haben wir demnächst eine Verabredung auf dem Markt?“


    Die Tatsache, dass die Götter aktiv eingegriffen und die beiden Brautleute zusammengeführt hatten, weckte in Dagny eine Mischung aus Ehrfurcht und Furcht. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie an Phelans Stelle reagiert hätte, wenn sie mit „drastischen Maßnahmen“ der Götter konfrontiert werden würde. Sie vermochte es nicht. „Ja, die Stimmung war ziemlich düster!“ ging sie deshalb erst einmal auf den Teil der Geschichte ein, den sie verstand. „Runa hat mir unheimlich leid getan. Ich habe mir zwischendurch wirklich Sorgen um sie gemacht.“ Runa hatte in der Zeit kaum ihr Zimmer verlassen – ein für sie ziemlich untypisches Verhalten. „Umso mehr freue ich mich, dass sich für sie doch alles zum Guten gewendet hat! Und dann gleich aus so einem Grund … da kann nun wirklich niemand mehr etwas gegen sagen.“ Sie lächelte leicht, auch wenn ihr die Ganze nach wie vor etwas unheimlich war.

  • Nela kicherte weiter fröhlich vor sich hin. Es war die richtige Entscheidung gewesen, dass sie Dagny um Hilfe gebeten hatte. Sie hatte keine Bedenken gehabt, dass es nicht lustig werden würde, aber so machte sogar das Akkord-Sticken großen Spaß. “Ich bin doch immer reizend und nett und höflich und zuvorkommend und überhaupt niemals nie nicht temperamentvoll.“ Dass das Letzte so nicht stimmte, musste sie keinem sagen. Es war ihr eben eigen, dass sie auch gern mal in die Luft gehen konnte und dann sollte sich jeder in Deckung begeben. Dann konnte es auch mal unangenehm werden. Als Kind war es noch schlimmer gewesen. Jetzt hatte sie es besser unter Kontrolle, aber eben noch nicht ganz abstellen können. Sehr zum Verdruss ihrer Mutter, die es gern gesehen hätte wenn sie sich da mehr zusammennehmen konnte. Irgendwo mussten sich aber ihr anderen Wurzeln ja zeigen. “Ich bereite doch immer gern eine Freude und wenn ich es dir zu Teil werden lassen kann,“ machte sie dann weiter. “Freut es mich doch gleich auch noch mehr.“ Sie kicherte wieder. “Ich glaube so kommen wir nie aus dieser Schleife heraus. Ich bin dir einfach sehr dankbar.“ Und das war sie wirklich. Dann musste sie wieder lachen. “Ich denke den Soldaten unter den Gästen, würde das sicher gefallen. Die haben es doch so mit Blut und den ganzen Sachen.“ Aber für die war es ja nicht gemacht. Es sollte ja den Frauen gefallen. “Ich werde mich bemühen meine Fingerspitze so wenig wie möglich zu treffen.“ Ganz auszuschließen war es ja nicht. Vor Allem wenn man irgendwann müde wurde und noch weiter machen musste. Sie würden es schon schaffen. Gemeinsam waren sie einfach unausstehlich.


    Und der nächste Grund zum Lachen war geliefert worden. “Das glaube ich dir gern. Meiner Mutter hätte es auch nicht gefallen wenn ich das so laut gefragt hätte dass der Mann es mitbekommen hätte. Aber ich kann mir vorstellen, dass es für dich ungewohnt war. In Roma trägt das irgendwie jeder und man kann auch ähnlich den Togae hier und Roma den Stand davon ablesen. Da muss man auch noch drauf achten. Aber das lernt man auch einfach. Vielleicht schaffst du es ja mal nach Roma und ich würde mich als Ortskundige gern für Führungen anbieten.“ Es gefiel ihr natürlich hier und sie war auch gern hier. Aber Roma war eben eine Stadt, in der sie auch einige Jahre verbracht hatte und sie würde sie auch gern mal wiedersehen. “Es ist schwer das zu beschreiben. Hier in Mogontiacum ist ja nun auch nicht wenig los. Vielleicht wenn du dir die Stoßzeiten auf dem Markt vorstellst, wenn wirklich ganz viele Menschen dort sind und man mehr mit geschoben wird denn wirklich allein gehen kann. Das hat man dort irgendwie oft und ständig und dann eben nicht nur auf dem Markt sondern überall im Zentrum der Stadt. Eben dort wo das politische Leben tobt und das zivile genauso. Vielleicht hilft dir das ja ein wenig dir das besser vorzustellen.“ Es war nur all zu verständlich, dass man es erlebt haben musste um es sich wirklich vorzustellen aber vielleicht half das ja etwas. “An die Menschenmassen gewöhnt man sich. Wenn man es eilig hat, nervt es natürlich. Aber sonst lässt man sich einfach mitziehen und schaut wohin man getrieben wird.“ Die Frage nach dem Domus in Roma war eine schwierige. Sie war so selten da gewesen. “Es ist ein schönes Haus, das sich Alrik dort gesucht hat. Wir hatten wohl früher noch ein anderes gehabt, aber verkauft, da sich kein Duccius in Roma aufhielt. Die neue Casa ist auch ganz schön, aber als ich das letzte Mal dort war, war ich noch recht klein gewesen. Wir haben in der Zeit in Roma im Haus der Familie meines Vaters gelebt. Auch ein beeindruckendes Gebäude. Als der Bürgerkrieg dann nach Roma kam, schickte Mutter uns nach Hispania auf das Landgut der Decimii dort. Ehe wir hierher kamen, waren wir zwar noch mal kurz in Roma, aber auch nicht lang genug um Alrik noch mal zu besuchen. Es tut mir leid, ich kann dir daher nicht so viel drüber erzählen.“ Das war die Wahrheit. Sie konnte nicht viel darüber berichten. “Ja, wir haben eine Verabredung. Wir besuchen deine Brüder auf dem Markt und mischen ihren langweiligen Alltag ein wenig auf.“ Und darauf freute sich Nela schon. Das würde sicher lustig werden. Sie hatte auch schon die ein oder andere Eingebung was sie dort anstellen konnten.


    “Ich bin wirklich froh, dass sich die Stimmung gegeben hat. Ich hätte das sonst nicht mehr lange ausgehalten. Meine Mutter ist schon so schrecklich depressiv und dann war da auch noch Runa.“ Sie liebte ihre Mutter über Alles und sie war sehr gen für sie da und versuchte ihr den trüben Tag immer ein wenig farbenfroher zu gestalten oder sie auch mal aus den Haus zu bekommen. Sie eben auch zu beschäftigen. Die Zeit, die sie dann mit Runa oder Dagny verbringen konnte, ließen sie immer abschalten und neue Kraft tanken. Doch in der für Runa schwierigen Zeit hatte sie Baustellen gehabt und die hatten ganz schön an ihren Nerven gezerrt. Es war nicht einfach jemandem zu erklären, dass die Welt gar nicht so schwarz oder dunkelgrau war, wie man sie gerade sah. Den Zwei-Fronten-Krampf hätte sie wohl irgendwann aufgeben müssen. Das hätte sie nicht lange durchgehalten. “Ich mir auch. Dafür ist es jetzt noch viel schöner, dass sie jetzt denjenigen heiraten kann, den sie liebt.“ Das war doch wirklich traumhaft. “Wie soll denn eigentlich dein Traummann aussehen?“ Nela hatte da ziemlich konkrete Vorstellungen von dem Mann entwickelt, den sie gern heiraten wollte.

  • Dagny grinste als Nela ihr weitere „Nettigkeiten“ zuwarf. „Unglaublich, dass es Leute gibt, die so etwas den ganzen Tag betreiben, findest du nicht?“ Ihr würde es zumindest irgendwann zu anstrengend werden, jede Aussage als Kompliment verpacken zu müssen. Vor allen Dingen weil die eigentliche Aussage früher oder später im Wortedickicht verloren gehen würde … sie musste zumindest kurz überlegen, was überhaupt der Ausgangspunkt ihres kleinen Geplänkels gewesen war. Andererseits könnte das auch eine gute Taktik sein, um das Gegenüber nicht zu lange bei einer Sache verweilen zu lassen – in diesem Fall zum Beispiel bei einem etwas missratenen Tuch. Als Nela die Soldaten erwähnte musste Dagny wieder lachen. „Ein großartiger Gedanke! Schade, dass mein Bruder nicht da ist, ansonsten würde ich ihm so eine Sonderausgabe für Soldaten anfertigen. Aber gut, dann eben die klassischen Variante …“


    „Ja, ich erinnere mich dunkel … purpurne Streifen tragen die wichtigen Leute, richtig?“ Diese Togae waren nicht nur kompliziert anzuziehen, sondern hielten auch noch die eine oder andere Information bereit, die man besser zu wissen hatte. Gut, das war in Mogontiacum auch nicht viel anders als in Roma, nur war das Kleidungsstück hier bei weitem nicht so verbreitet wie dort. „Oh, das wäre großartig! Allein wäre ich dort vermutlich hoffnungslos überfordert.“ erwiderte Dagny auf Nelas Angebot, sie herumzuführen, sollte ihr Weg sie jemals in die Hauptstadt führen. Nelas Beschreibung derselben war so gewählt, dass Dagny sich die Menschenmassen in den Straßen Romas gut vorstellen konnte. „Ja, jetzt habe ich zumindest ein Bild im Kopf. Das stelle ich mir auf die Dauer anstrengend vor – auch wenn du sicher recht hast, dass man sich irgendwann dran gewöhnt. Wenn Eldrid mal wieder hierher zu Besuch kommt, ist sie vielleicht irritiert, dass alles hier kleiner und leerer ist, als sie es in Erinnerung hatte.“ Dagny lächelte beim Gedanken an ihre ältere Schwester. Beim Thema duccisches Stadthaus in Roma tippte sie sich hingegen kurz mit der Sticknadel gegen die Stirn. „Stimmt, ich vergesse immer, dass du gar nicht in unserem Haus gewohnt hast.“ In ihrem Kopf war Nela eine Duccia – gut, wenn man es genau nahm, war sie das durch ihre Mutter tatsächlich, aber natürlich hatte sie in Roma in der Casa der Familie ihres Vaters gelebt. „Falls wir jemals nach Roma kommen, können wir das Haus ja in deine Stadtführung integrieren.“ Dagny grinste. Beim letzten Teil der Erzählung war sie hinreichend beeindruckt. „Du hast wirklich schon eine ganze Menge erlebt. Hast du denn von dem Bürgerkrieg viel mitbekommen? Und wie ist es in Hispania?“ Dagny wusste, dass Hadamar ebenfalls in diesem Bürgerkrieg gekämpft hatte, aber wirklich etwas davon mitbekommen hatte sie nicht, dazu war sie einfach zu klein gewesen und zu weit weg.


    Als Nela von ihrer Mutter erzählte, wurde Dagnys Gesichtsausdruck ernster. „Ja, ich verstehe, was du meinst.“ Dagnys eigene Mutter hatte sehr unter dem Tod ihres Vaters gelitten – und obwohl sie sich mittlerweile wieder sehr gut gefangen hatte und sie auch oft unter Leute ging, haftete ihr stellenweise immer noch eine gewisse Traurigkeit an. Es war bei weitem nicht so schlimm wie bei Dagmar, aber Dagny konnte sich zumindest ansatzweise vorstellen, wie es für Nela sein musste. „Ich finde es schwierig, wenn man jemandem so gar nicht helfen kann, selbst wenn man nichts lieber möchte. Geht es deiner Mutter denn besser? Wird sie auch zur Hochzeit kommen?“ Dagny hatte Dagmar bisher selten gesehen, seit ihrer Rückkehr nach Germanien lebte sie sehr zurückgezogen. Beim Thema Traummann grinste Dagny. „Groß, breitschultrig, blond. Ein germanischer Krieger.“ Ihr Grinsen verwandelte sich in ein Lachen. „Aber im Ernst … am wichtigsten ist mir, dass er nicht von mir verlangt jemand zu sein, der ich nicht bin. Und wenn er Humor hat, wäre das auch ganz schön. Was ist mit dir?“

  • “Ich habe manchmal das Gefühl, dass deren Lebensinhalt darin besteht weil sie keine anderen Beschäftigungen haben. Was bin ich froh, dass mir noch etwas anderes einfällt oder wenn nicht mir dann dir oder Runa. Langeweile haben wir doch nie.“ Nela strahlte über das ganze Gesicht. Es war so toll die beiden um sich zu haben. Ihr Bruder war da manchmal eher eine Spaßbremse gewesen. Mit den Mädels war es schon wesentlich schöner. Natürlich liebte sie ihren Bruder über alles, aber wenn sie Spaß haben wollte, mussten eher die Mädels herhalten. „Ich könnte es nicht den ganzen Tag durchhalten.“ Nela lächelte weiter. “Du kannst ihm doch eines nach Roma schicken. Dann bekommt er etwas ab. Eine Sonderanfertigung nur für ihn. Ich glaube auf ein Tuch mehr kommt es nun auch nicht mehr an. Ob er sich freuen würde, kannst nur du einschätzen.“ Auch wenn Nela in Roma gewesen war, hatte sie ja nicht alle aus der Familie dort getroffen oder kennenlernen dürfen.


    “Ja, so kann man das sagen. Ist eine wirklich gute Richtlinie.“ Man konnte sich daran wirklich gut orientieren. Es war auf jeden Fall nicht falsch. “Für dich doch immer. Stets zu Diensten.“ Nela kicherte wieder. “Ich befürchte nur Roma ist einfach noch nicht bereit für so viele Damen aus Mogontiacum. Aber ich würde gern den Versuch wagen. Wir werden sehen wie es dann ausgeht.“ Ihr Grinsen wurde immer breiter. Es gab wieder ein duccisches Familienmitglied in Roma. Sie würde sie also da auf dem laufenden halten können. “Dann wird sie vielleicht auch denken, dass wir ein Provinznest sind und Roma der Nabel der Welt. Wenn es ihr dort gefällt. Dann wird sie sicher irritiert sein. Wenn nicht, dann wird sie froh sein den engen Gassen entkommen zu sein und wieder Weite und frische Luft genießen zu können. Dann wird sie uns hier vermissen und sich darüber freuen wenn sie wieder hier ist. Hast du ihr eigentlich schon eine Nachricht geschickt? Mich würde es interessieren wie es ihr dort gefällt und was sie schon erlebt hat.“ Eine Führung durch Roma stellte sie sich lustig vor. Sie würden ganz sicher viel Spaß haben. “Sehr gern. Das können wir dann gern machen. Schauen wir uns an welche Spuren wir dort hinterlassen haben.“ Die nächste Frage war eine gute und Nela überlegte einen Moment was sie dazu sagen sollte. [b]“Nicht wirklich viel. Ich weiß, dass Mutter Angst hatte, dass es zu großen Ausschreitungen in der Stadt kommen könnte wenn die Truppen aus dem Norden kommen und auf die dem Ursupator hörigen Truppen stoßen würden. So hat sie uns dann weggeschickt. Sie hatte versucht uns davon nicht all zu viel mitbekommen zu lassen. Sie hatte mir später mal erzählt, dass sie nicht wollte, dass wir so viele schreckliche Dinge miterleben müssen wie sie es getan hatte. Wir sollten davon befreit aufwachsen.“ Ihre Mutter hatte immer wieder versucht sie von sämtlichen Schrecken fernzuhalten. Dennoch hatte sie nicht alles vor ihnen geheim halten können. Es gab schon Vieles, das sie auch mitbekommen hatten. “Hispania ist ein schönes Land. Wir waren auf einem Landgut untergebracht und sind alle paar Tage mal in die Stadt. Aber die war auch nicht so voll wie es Roma war. Es ist dort auch sehr warm im Sommer und manchmal recht trocken. Die Gegend war auch recht hügelig.“ Das war alles was sie von Hispania erzählen konnte ohne gleich wieder zu viele Vergleiche zu Roma zu ziehen oder erneut zu erklären wie viel wärmer es dort war als hier. Abgesehen von diesem Tag.


    “Ich denke nicht, dass sie bei der Hochzeit dabei sein wird. Es werden ihr zu viele Menschen da sein und wenn sie sie dann fragen wie es ihr geht, wird es nur wieder schlimmer werden. Irgendetwas muss das Feuer einfach in ihr ausgelöst haben, das sie so hat werden lassen. So viele Dinge hat sie erlebt und sich davon nicht einschüchtern lassen. Der Krieg gegen die Hermunduren, zuvor ihre eigene Flucht von der Amisia nach Britannien, dann der Angriff auf das Dorf dort und ihre Ankunft hier. Sogar der Tod meines Vaters hat sie nicht so aus der Bahn geworfen wie das Feuer hier in der Stadt. Mit dem Feuer scheint irgendwie alles von ihr gegangen zu sein, das sie früher ausgemacht hat. Ich bin ja schon sehr froh, dass ich sie öfter als zuvor an die Luft bekomme und sie nicht gleich verschwindet wenn sich mal zwei oder drei Hausbewohner dazugesellen. Das ist schon ein Erfolg. Aber ich weiß nicht ob es jemals so werden wird wie früher. Ich hoffe es wirklich gern, aber ich will mich auch in keiner trügerischen Hoffnung verrennen. Ich würde es nicht verkraften wenn sie dann doch nicht mehr zu sich zurückfindet.“


    “Das hört sich doch schon ganz gut an. Mein Traummann?“ Nela überlegte und runzelte ihre Stirn dabei etwas. “Dunkelhaarig wäre schön. Groß natürlich auch und Muskeln soll er haben. Er darf schon gern Soldat sein. Wie mein Vater bei der Ala. Ich liebe Pferde. Ich glaube das liegt mir wegen beider Familien so im Blut. Aber ja, Muskeln soll er haben, groß darf er auch sein, und dunkle Haare. Ein freundliches Gesicht sollte er auch haben. Witzig darf er sein und zuvorkommend. Vielleicht sollte er auch ein wenig ruhiger sein als ich, damit er gegen mein manchmal etwas aufschäumendes Temperament halten kann. Ich glaube das wäre ganz gut.“ Nicht, dass er irgendwann schreiend davon lief. Das konnte ja auch noch sein.

  • „Ja, an Einfällen mangelt es uns zum Glück nicht“, grinste Dagny zurück. Tatsächlich war es mit den Mädels immer lustig und Dagny wüsste gar nicht mehr, was sie ohne sie tun sollte Der Alltag wäre jedenfalls um einiges grauer, das stand fest. Der Gedanke, dass dieses sorglose Beisammensein irgendwann ein Ende finden würde, stimmte sie etwas wehmütig. Runas Hochzeit war der erste Schritt in diese Richtung. Auch, wenn Runa dadurch natürlich nicht aus der Welt war, würde sie dann ihre eigene Familie und damit einen anderen Fokus haben. Und auch Nela oder sie selbst würden vermutlich eines Tages heiraten und ausziehen. Aber gut, sie wollte die Zeit genießen, solange sie anhielt! Dennoch war sie froh über die Ablenkung, die Nela ihr bot, indem sie über das „Soldatentuch“ sprach. „Gute Idee, das werde ich machen. Ich kann da ja was anderes draufsticken … einen Speer vielleicht, oder einen Helm? Wie er reagieren wird, kann ich ehrlich gesagt auch nicht sagen. Damit rechnen wird er jedenfalls nicht und über Briefe von mir freut er sich, glaub ich, schon. Von daher bin ich guter Dinge!“


    Als Nela sagte, Roma sei noch nicht bereit für so viele Damen aus Mogontiacum, musste sie wieder lachen. „Wieso, ich denke, wir werden frischen Wind da rein bringen. Schadet bei so hohen Temperaturen mit Sicherheit nicht.“ Sie zwinkerte Nela zu. So konnte man es natürlich auch umschreiben. Sie selbst würde sich vermutlich benehmen wie ein Bär im Ziergarten. Hadamar hatte ihr geschrieben, dass viele Dinge anders waren als in Germanien, selbst wenn man die romanisierten Gebiete wie Mogontiacum und Umgebung als Vergleich heranzog. Bei Eldrid konnte sie sich hingegen gut vorstellen, dass sie wenige Anpassungsschwierigkeiten haben würde. Ihre Schwester war zwar ebenfalls temperamentvoll und ihrer Heimat sehr verbunden, aber sie war auch zielstrebig, diszipliniert und wusste sich zu benehmen. Wenn sie etwas wollte, würde sie ihr Ziel auch erreichen, davon war Dagny überzeugt. „Ich glaube schon, dass sie uns sehr vermisst. Aber sie wäre zu stolz, um sich das anmerken zu lassen, zumindest vor Fremden. Ich denke, dass sie das Zeug dazu hat, es in Roma zu schaffen. Mehr als wir anderen Geschwister – außer Iring vielleicht. Ich hoffe, dass sie Mogontiacum nie für ein Provinznest hält, aber wer weiß, wie sich der Blickwinkel verändern mag, wenn man viele Jahre fort ist. Geschrieben habe ich ihr noch nicht. Irgendwie ist das untergegangen in dem ganzen Hochzeitsstress. Aber das werde ich bald tun. Ich will ja selbst wissen wie es ihr geht! Ich werde dann berichten.“ Als Nela dann vom Bürgerkrieg erzählte, hörte sie gespannt zu. Scheinbar war hatte Dagmar es geschafft, die größten Schrecken von ihr fernzuhalten, aber ein bisschen was bekam man ja trotz allem mit. „Das … kann ich sogar verstehen. Würde ich als Mutter vermutlich auch wollen. Je weniger man davon mitbekommt, desto besser ist es wahrscheinlich auch.“ Dagny hatte keine Vorstellung vom Krieg. Eigentlich hatte sie generell keine Vorstellung von schrecklichen Dingen, davon war sie bisher zum Glück größtenteils verschont geblieben.


    Dagmars augenblickliche Gemütsverfassung musste für Nela tatsächlich sehr schwer sein. Dagny ergriff kurz die Hand ihrer Freundin und drückte sie. „Tut mir wirklich leid, dass es deiner Mutter so schlecht geht. Vielleicht ist es irgendwann einfach zu viel. Das Feuer muss ja noch nicht einmal das schlimmste Ereignis gewesen sein, das sie erlebt hat, aber es war vielleicht der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Wenn es irgendetwas gibt, das ich für sie tun kann, dann sag Bescheid. Ich kann sie ja auch mal besuchen, um sie ein bisschen aufzuheitern. Sie einmal die Woche abholen und mit ihr in den Gärten und im Wald spazieren gehen. Dann kommt sie raus, aber muss nicht mit vielen Leuten zusammensein. Und du musst dich nicht immer allein darum sorgen … Natürlich nur, wenn ihr das möchtet.“ Vielleicht wollte Dagmar ja auch lieber nur mit ihren Kindern reden oder fühlte sich in Dagnys Gegenwart unwohl, weil sie meinte, ihr keine adäquate Unterhaltung bieten zu können. Und Dagny wollte ja, dass Dagmar sich besser fühlte und nicht schlechter. An das Feuer konnte sie sich auch noch lebhaft erinnern, obwohl sie selbst in dieser Nacht nicht in der Casa gewesen war. Sie hatte damals ihre Mutter auf dem Gehöft besucht, auf dem diese zu der Zeit noch gelebt hatte. Allerdings waren einige ihrer Besitztümer den Flammen zum Opfer gefallen, unter anderem Briefe von Hadamar und andere unersetzbare Dinge.


    Bei Nelas Beschreibung ihres Traummannes musste sie wieder grinsen. „Du hast ja schon eine sehr genaue Vorstellung! Vielleicht sollten wir mal bei der Castra Alae vorbeigehen und schauen, ob etwas Passendes dabei ist.“ Der Gedanke daran, wie sie dort standen und die vorbeiziehenden Reiter mit den Worten 'Du nicht.', 'Könnte vielleicht was sein.' oder 'Nee, also, tut uns leid, aber du entsprichst den Kriterien leider überhaupt nicht.' bewerten würden, sorgte bei Dagny wieder für einen Heiterkeitsausbruch. Nicht, dass sie das tatsächlich machen würden, aber allein der Gedanke war schon ziemlich lustig. „Oder hast du schon jemand Bestimmtes im Sinn?“ Könnte ja durchaus sein, allerdings glaubte Dagny das nicht wirklich, weil sie ihr oder Runa dann bestimmt schon davon erzählt hätte. „Gegen einen Soldaten hätte ich auch nichts, wobei meine Mutter sich dann bestimmt anstellen würde. Ihr wäre es, glaube ich, lieber, ich würde jemanden heiraten, der ein völlig gefahrloses und unaufgeregtes Leben führt.“ Ihrer Mutter reichte es schon, dass Hadamar sich entschlossen hatte, Soldat zu werden.

  • Und damit hatte Dagny recht. Es fiel ihnen immer etwas ein und das war das Tolle. Langeweile kam einfach gar nicht erst auf. Und die eigentlich langweilige Stickarbeit war schon gar nicht mehr so schlimm und dass allein nur weil sie sich unterhielten. “Ich würde es mit einem Speer versuchen. Das kann man leicht erkennen und sticken.“ Das war nicht böse gemeint oder sollte abwertend klingen. Sie wollte Dagny nur helfen, damit ihr Bruder sich nicht am Ende vielleicht über sie lustig machen konnte weil der Helm nicht gelungen ist. “Ich würde es damit jedenfalls zu erst versuchen. Dann kannst du ihm das mit deinem nächsten Brief mitschicken.“ Die blaue Blüte war endlich auf ihrem Tuch erblüht und sie konnte sich nun der anderen widmen.


    „Ja, den frischen Wind werden wir auf jeden Fall rein bringen. Daran habe ich keinen Zweifel.“ Als sie dann über Dagnys Schwester sprachen, kam ihr noch eine kleine Idee. “Dann müssen wir nur Eldrid fragen und sie wird uns sagen können wo mir nicht viel kaputt machen können wenn wir Roma stürmen.“ Es war wirklich viel zu tun, da war es wohl nicht verwunderlich, dass das Schreiben ein wenig in den Hintergrund trat. “Sehr gern. Ich bin gespannt wie es ihr in der großen Stadt gefällt und ergehen mag. Roma ist kein einfaches Pflaster in politischen Belangen und manchmal gleicht es einem Lauf über frisch gemähtes Getreidefeld.“ Wer schon mal über die Stoppeln barfuß gelaufen war, wusste wie sehr das schmerzen konnte. Und was sie wusste und was sie gehört hatte, war das in Roma nur stellenweise besser. „Das ist vermutlich das Bestreben einer jeden Mutter alles Schlechte von seinen Kindern fernzuhalten.“ Sie würde das wahrscheinlich auch versuchen. “Aber wir haben dennoch mitbekommen, dass die Menschen in der Stadt Angst hatten und nicht wussten was passieren würde. Auch haben wir Ohren gehabt und selbst als wir in Hispania waren, wurde genug geredet. Wir hatten Angst um Mutter gehabt bis wir einen Brief von ihr bekommen haben und sie uns erzählte, dass alles gut wäre und Alrik jetzt auch in der Stadt. Damals kannten wir ihn noch nicht.“ Das hatten sie erst nachgeholt als sie wieder in Roma waren und die Stadt wieder als sicher galt.


    Nela lächelte als Dagny ihre Hand drückte. Es tat so gut zu wissen, dass andere mit ihr mitfühlten. “Ich glaube sie meidet den Kontakt zu anderen Menschen so sehr weil sie nicht will, dass diese sie fragen was mit ihr los ist. Sie hatte mal erzählt, dass sie immer als starke Frau galt und sie nichts aus der Ruhe bringen konnte. Nun ist sie nicht mehr so stark und sie braucht Hilfe, aber sie will nicht, dass Andere sehen, dass sie eben nicht mehr so stark ist. Wenn man das außer Acht lässt und einfach normal mit ihr umgeht, geht es eigentlich ganz gut. Es würde sie sicher freuen wenn du mal mit ihr hinausgehst und wenn du eine Frage hast oder ein Problem und sie um Rat bittest, dann freut sie sich noch mehr. Sie mag das Gefühl gebraucht zu werden oder wenn du Nachhilfe in Geschichte haben möchtest. Allerdings muss ich dich da warnen. Sie sprudelt dann wie eine Fontäne. Sie hat ja auch schon eine Menge erlebt.“ Das war so eine Gefahr wenn man ihr Mutter zu geschichtlichen Dingen befragte. Sie wusste sehr viel und sie redete dann auch sehr viel. Sie störte es nicht, andere könnte es vielleicht verschrecken. “Also wenn du es gern möchtest, dann nur zu. Es ist sicher gut wenn sie da auch ein wenig Abwechslung hat.“ Und es würde ihr auch mal ein wenig Zeit verschaffen. Sie mochte ihre Mutter sehr, aber es zehrte manchmal auch an ihren Nerven.


    „Ich glaube das können wir uns sparen. Bisher ist mir da noch nichts aufgefallen wenn wir in der Stadt waren,“ berichtete Nela mit einem breiten Grinsen im Gesicht. “Aber ja, das hört sich wohl ganz danach an.“ Leise seufzte sie. “Aber ich bin realistisch genug um zu wissen, dass ich das wohl nicht kriegen werde. Aber träumen darf man ja.“ Und das tat sie hin und wieder. “Nein, ich habe Niemanden im Sinn. Bisher ist mir keiner begegnet, der auch nur annähernd an diese Vorstellung herankommt.“ Sie lächelte wieder und betrachtete die zweite Blüte, die so langsam Formen annahm. “Ich glaube auch nicht, dass meiner Mutter es gefallen würde wenn ich einen Mann des Militärs eheliche.“ Die Gefahren kannte jeder wohl nur zu gut, der jemanden in der Familie hatte oder jemanden kannte, der jemanden kannte. “Aber wer will schon ein unaufgeregtes Leben leben. Ich glaube ich nicht. Ein wenig Spaß und Aufregung darf es doch schon geben. Sonst wird es so schnell langweilig.“ Ihr Lächeln wurde breiter und eine Spur geheimnisvoll und verschwörerisch. Sie zwinkerte Dagny sogar zu. “Ich nicht. Ich brauche etwas Unterhaltung. Dann fiel ihr noch etwas ein. “Morgen sollen ein paar Sänger auf dem Markt aufspielen. Wenn wir etwas Zeit finden, würdest du mich dorthin begleiten wollen? Vielleicht findet Runa ja auch etwas Zeit dafür."

  • Dagny lächelte. „In Anbetracht der Tatsache, dass ich kein Naturtalent mit der Sticknadel bin, hast du vermutlich Recht.“ Sie gab sich da keinerlei Illusionen hin. Zwar war die Margerite, die sie mittlerweile fertiggestellt hatte, schon als solche zu erkennen, aber eine Blume hatte – ebenso wie ein Speer – klare Formen, während ein Helm doch etwas komplexer war. „Andererseits wäre es auch lustig, wenn mein Bruder raten müsste, was er da bekommt. Wenn er dann später fragt, werde ich niemals zugeben, dass es ein Helm sein sollte, sondern erfinde einfach etwas Interessanteres …“ Was das betraf, waren Dagnys Fantasie kaum Grenzen gesetzt.


    „Ja, das kann ich mir vorstellen“, erwiderte sie auf Nelas Vergleich, dass Romas politisches Pflaster oft dem Lauf über ein gemähtes Getreidefeld glich. Gut, das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Sie wusste, wie unangenehm und schmerzhaft ein gemähtes Getreidefeld sein konnte, wenn man mit nackten Sohlen darüber lief, aber von der römischen Politik verstand sie im Grunde genommen gar nichts. Und es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, dass Politik unangenehm und schmerzhaft sein sollte. Unangenehm vielleicht im Sinne von zäh und mühselig, aber ansonsten … Fakt war allerdings, dass Dagny von Politik im Allgemeinen und römischer Politik im Speziellen schlicht und ergreifend keine Ahnung hatte. „Mal sehen, was Eldrid mir schreibt. Ich bin eigentlich optimistisch, dass sie sich gut behaupten kann. Ich bin auch gespannt, was sie so über ihren Mann erzählt.“ Dagny wusste im Grunde genommen nichts darüber, außer dass Eldrid eben nach Roma gegangen war um eine vorteilhafte Partie zu machen. Sie musste ihrer Schwester unbedingt bald schreiben!


    „Das kann ich verstehen.“ erwiderte Dagny als es um Dagmar ging. „Ich glaube, ich fände es auch anstrengend, immer wieder darauf angesprochen zu werden. Ich werde sie die Tage mal besuchen und ihr vorschlagen, einen Spaziergang im Wald zu machen. Mir fallen gewiss ein paar Themen ein, die sie nicht traurig machen. Und Nachhilfe in Geschichte schadet mir sicherlich nicht. Gerade, wenn sie aus erster Hand berichten kann, ist das doch wesentlich aufregender, als etwas über drei oder vier Ecken zu erfahren.“ Dagny mochte Geschichten aller Art und hörte gern zu. Und wenn jemand tatsächlich auf ein ereignisreiches Leben zurückblicken konnte, so wie es bei Dagmar der Fall war, dann würde sich Dagny sehr freuen, wenn ihre ältere Verwandte sie daran teilhaben ließ. Allerdings konnte sie sich vorstellen, dass Nela die Geschichten schon des Öfteren gehört hatte und von daher nicht mehr so unbefangen zuhören konnte wie Dagny.


    Beim Thema Männer musste Dagny hingegen wieder grinsen. „Na schade! Aber das wäre vermutlich auch zu einfach gewesen!“ So wie jetzt bei Runa funktionierte es in den seltensten Fällen. Ihr waren die Götter tatsächlich hold gewesen, egal ob nun im übertragenen oder wortwörtlichen Sinne, und sie würde den Mann heiraten können, den sie liebte. So etwas passierte allerdings äußerst selten. Meist war eine Heirat politisch motiviert – ihre Mutter pflegte immer zu sagen, dass die Liebe sich später schon einstellen würde und dass das nichts war, wonach man im Vorfeld suchen sollte. „Ja, träumen darf man. Tue ich auch gelegentlich … oder des Öfteren mal, um der Wahrheit genüge zu tun.“ Sie lächelte und zwinkerte Nela zu. Ja, im Traum war sie ihrem Traummann oft genug über den Weg gelaufen. Aber sie versuchte, solche Gedankenspiele nicht zu ernst zu nehmen. Das führte einfach zu nichts. Zumindest hatte Eldrid ihr das versucht einzutrichtern, die bei diesem Thema ziemlich pragmatisch veranlagt war. „Nein ein unaufgeregtes Leben will ich auch nicht … ich will … so viel machen und erleben! Das Schlimmste, das ich mir vorstellen kann, ist Langeweile!“ Eine Lebenseinstellung, die in Dagnys Alter wohl normal war. „Oh ja, auf jeden Fall begleite ich dich! Ich liebe Sänger! Das lasse ich mir nicht entgehen … und ja, Runa nehmen wir auch mit. Ein bisschen Zerstreuung kann ihr nicht schaden.“ Dagny konnte verstehen, dass Runa bei ihrer Hochzeit, auf die sie so sehenlich wartete, nichts dem Zufall überlassen wollte, aber für ein paar Stunden mal den Kopf frei zu bekommen war sicherlich nicht das Verkehrteste.

  • “Das ist auch ein ausgesprochen guter Gedanke. Das solltest du tatsächlich versuchen. Da wäre ich gern dabei wenn er dich fragt was es ist und ob er gleich darauf gekommen ist.“ Doch der Bruder war ja in Roma und damit würde es wohl viel zu lange dauern bis sie da irgendeine Nachricht oder Antwort bekommen würden. Das torpedierte also dieses Vorhaben ganz gewaltig, was wirklich schade war. “Du bist aber auch wirklich ein wahrer Quell der besten Einfälle, die man so haben kann.“ Sie selbst hatte ja schon einige Ideen, aber Dagny übertraf sie da wirklich um einiges. Das Sticken würde so wirklich nur halb so schlimm werden.


    „Bestimmt kann sie sich gut behaupten. Wer wenn nicht Eldrid. Sie wird sich bestimmt gut anpassen können.“ Diese hatte ja schon einige Erfahrung in ihrem Leben sammeln können und Roma würde hoffentlich keine all zu große Herausforderung für diese werden. Auch wenn sie zwei angesehenen Familien entstammte, würde sie wohl dieses ganze politische Gedöns nicht aushalten können. Immer nur Lächeln und freundlich sein und so tun als würde man jeden leiden können. Was sie gehört hatte, war alles andere als verlockend. Da war das Leben hier in Mogontiacum viel einfacher. Ihrer Meinung nach jedenfalls.


    Nela nickte als Dagny Verständnis für ihre Mutter aufbrachte. “Das würde sie sicher freuen und es wird ihr sicher auch guttun abgelenkt zu werden. Ich habe es schon so oft versucht und mir fällt nur noch wenig ein.“ Das tat Nela sehr leid, aber irgendwann waren ihre Möglichkeiten auch einfach erschöpft. “Die Nachhilfe bekommst du bei meiner Mutter wirklich. Sags ihr nur nicht gleich sonst lässt sie dich nicht mehr begehen bis sie dir nicht alles erzählt hat. Wobei sie das wirklich kurzweilig zu erklären weiß.“ Das war etwas, das ihre Mutter gut konnte. Dinge recht lebhaft schildern. Sie hatte vieles erlebt und die Gefühle dazu schien sie sich aufbewahrt zu haben. Das hatte sie immer bewundert.


    Sie seufzte fast schon theatralisch als es um das Träumen ging. „Hach ja. Ich bin wirklich gespannt wie es uns ergehen wird. Vielleicht läuft uns ja doch noch der Mann über den Weg von dem wir geträumt haben. Das wäre doch schön. Wir hätten ein schönes kleines Haus, ein paar Kinder um uns herum. Am besten lauter Mädchen und wir würden uns mehrmals in der Woche treffen um uns zum Beispiel die Gladiatoren anzuschauen.“[/b] Nela geriet eindeutig ins Schwärmen. Als sie sich dessen einen Moment später gewahr wurde, kicherte sie. “Entschuldige, die Phantasie.“ Die Nadel schob sie jetzt wieder weiter durch den Stoff um die Stickarbeit weiter voranzubringen. “Schon allein um der Langeweile vorzubeugen, müssen wir uns immer wieder treffen. Das geht gar nicht anders.“ Langeweile war wohl das Schlimmste was einem passieren konnte und gerade unvorstellbar. “Sehr schön, dann sollten wir uns wohl mit den Stickereien ranhalten, damit wir da vorankommen und dann bald die Sänger uns anhören können.“ Sie griff nach einem Krug, der neben ihr stand. Fragend sah sie Dagny an ob diese vielleicht auch etwas von dem verdünnten Saft trinken wollte. So warm wie es war, hatte man ja das Gefühl ständig etwas trinken zu müssen.

  • Als Nela sich ebenfalls angetan von ihrer Idee zeigte, bekam Dagny immer größere Lust, den Plan direkt in die Tat umzusetzen. Allerdings hatten die Tücher, die sie für Runas Hochzeit anfertigen sollten, nun einmal Vorrang. Hadamars persönliches Tuch musste wohl warten, bis sie mit ihren Blüten fertig war. Dennoch grinste sie vergnügt vor sich hin. „Na ja, wenn du solche Brüder hättest wie ich, bliebe dir gar nichts anderes übrig als sehr erfinderisch zu werden.“ Rhaban und Iring hatten es faustdick hinter den Ohren und wenn Dagny mit ihnen mithalten wollte, musste sie sich schon etwas einfallen lassen. Hadamar war genauso, wobei sie das weniger direkt mitbekam, weil er schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr in Mogontiacum lebte und sie ihn nur bei einem seiner seltenen Heimatbesuche sah. „Ich befürchte nur, dass die Übergabe des Tuches und die Raterei von meinem Bruder nur halb so lustig wird, wie wir uns es jetzt ausmalen. Denn ich werde ihm das Tuch wohl mit einem Brief schicken müssen, was mich ebenfalls des Vergnügens beraubt, seinen Gesichtsausdruck sehen zu können. Es sei denn, wir reisen doch nach Roma, um die Stadt unsicher zu machen. Und da wir ja beschlossen haben, das wenn überhaupt zusammen zu machen, wirst du auch in den Genuss des Ratespiels kommen. Entweder wir beide oder keiner!“


    Wo sie gerade von Brüdern sprachen … „Wie geht es eigentlich deinem Bruder? Hat er dir mal geschrieben, wie es ihm so ergeht in Augusta Treverorum?“ Dagny wusste nur, dass Nelas Bruder dort auf Bildungsreise war und deshalb vermutlich auch nicht bei der Hochzeit anwesend sein konnte. „Das kann ich mir vorstellen ...“ meinte Dagny als die Sprache auf Dagmar kam. „Irgendwann hat man auch alles versucht und alle Tricks angewendet, die man so weiß. Dann muss einfach ein bisschen Abwechslung in Form einer anderen Person her. Ich werde mir Mühe geben, sie auf andere Gedanken zu bringen. Und auf ihre Erzählungen freue ich mich schon … wenn es kurzweilig ist, wird die Zeit wie im Flug vergehen und irgendwann wird deine Mutter dann müde sein und gar nicht mehr reden wollen.“ Dagny zwinkerte Nela zu. Scheinbar machte ihre Freundin sich Sorgen, dass Dagmar sie mit zu vielen Informationen überfallen könnte, aber Dagny sah das ganz entspannt. Erstens interessierten sie die Erzählungen ihrer Verwandten tatsächlich – und da hatte sie auch erstaunlich viel Geduld und Durchhaltevermögen, was das Zuhören anging – und zweitens ging sie davon aus, dass es einige Themen gab, über die Dagmar mit ihr nicht reden wollte oder die einfach schmerzhafte Erinnerungen weckten, die sie eben nicht zu teilen bereit war. Dann würde das Gespräch zwangsläufig in eine andere Richtung laufen.


    Als Nela ein Bild ihrer Zukunftsfantasie mit den Traummännern malte, musste Dagny laut lachen. „Das klingt hervorragend! Und da es ja mein Traummann ist, der sich genauso verhält wie ich es gerne hätte, wird es ihn auch überhaupt nicht stören, dass wir nur Töchter haben. Und ja, wir und unsere Kinder würden uns natürlich ständig treffen und spannende Sachen unternehmen.“ Eine Weile gestattete sich auch Dagny, sich diese Szenen vor das geistige Auge zu rufen. Damit widersprach sie zwar ihrem eigenen inneren Aufruf, sich solchen Träumereien nicht hinzugeben, aber hin und wieder war das doch ganz schön. „Ich hoffe tatsächlich, dass wir das nie aufgeben, also die regelmäßigen Treffen. Selbst, wenn wir verheiratet sind und Familie haben und ganz viele andere Sachen, die wichtig sind und unsere Aufmerksamkeit fordern.“ Das fände sie in der Tat sehr schade. Wie beim Gedanken an Runas bevorstehende Hochzeit und den damit einhergehenden Veränderungen wurde sie etwas wehmütig. Runa würde beispielsweise nach der Hochzeit in das Haus ihres Ehemannes ziehen und dann eben nicht mehr bei ihnen wohnen. Zwangsläufig würden sie sich dann nicht mehr so oft sehen wie bisher … Aber Dagny war optimistisch, dass das ihrer Freundschaft keinen Abbruch tun würde! Sie nickte, als Nela ihr Saft anbot, denn allein das bloße Sitzen sorgte an einem Tag wie diesem dafür, dass man Durst bekam. Sie nutzte die Gelegenheit auch, um kurz ihre Stickereien beiseite zu legen, während sie ihren Becher nahm und trank. „Welches Ziel hast du dir für heute gesetzt, wie viele von den Tüchern willst du schaffen?“ fragte sie vorsichtig nach. Wenn es nach Dagny ging, würden sie die Arbeit eher früher als später niederlegen, um in die Stadt zu den Sängern zu gehen, aber sie wollte auch nicht demotivierend wirken.

  • "Das glaube ich gern. Ich kann dir aber versichern, dass ein Bruder auch schon manches Mal reicht." Er hatte sie auch das ein oder andere Mal schon zur Weißglut getrieben. "Dann kannst du ihnen ja die Schuld daran geben wenn sie sich mal wieder beschweren. Haben sie sich ja selbst zuzuschreiben." Nela grinste breit und kicherte vor sich hin während die nächste Blüte auf dem Tuch ihre Pracht zeigte. "Also ich hatte schon gedacht, dass wir es ihm persönlich geben. Wenn wir dann in Roma sind. Ich schmiede zwar Pläne, die nicht immer gleich umzusetzen sind, aber all zu lang in die Zukunft lege ich sie auch nicht. Ich habe ja auch Verwandtschaft in Roma. Die möchte ich auch bald mal wieder besuchen. Ich denke mal, dass es sicher noch Monate sein werden ehe wir das Tuch deinem Bruder geben können, aber ganz sicher keine Jahre. Also nicht in einem Brief mitschicken sondern schon persönlich übergeben." Sie war also ganz Dagnys Meinung. Nur zusammen. "Dann wirds ganz sicher so lustig wie wir uns das gerade ausmalen. Mindestens so lustig." Mitleid verdienten die Brüder ganz sicher nicht. Ganz im Gegenteil. Es war gut, wenn sich die Schwestern auch mal einen Spaß erlauben konnten. Sie mussten ja hin und wieder mal etwas ausgleichen.


    "Mir nicht direkt. Er hat Mutter geschrieben und mich grüßen lassen. Na ja, das scheint den Männern so eigen. Sie schreiben nicht viel und scheinbar auch nicht gern. Ich hatte ihm inzwischen schon drei Briefe geschrieben und er antwortet jetzt Mutter." So war es eben. Auch wenn sie Zwillinge waren und man diesen eine besonders enge Beziehung nachsagte, hatte sie oft das Gefühl, dass sie die Ausnahmezwillinge waren, die von dieser Bindung scheinbar nichts abbekommen hatten. Das war früher mal anders gewesen. Als sie noch kleiner gewesen waren. Ab dem Moment wo sie getrennt unterrichtet worden waren, hatte sich das geändert gehabt. "Ansonsten geht es ihm ganz gut, hat er geschrieben. Die Familie dort ist sehr nett zu ihm und er hat auch schon einiges gelernt. Es wäre dort wohl aber vom Familienleben her ganz anders. Deutlich römischer hatte Mutter mir erzählt. Das wäre in diesem Umfang wohl noch recht neu für ihn." Nela stellte es sich lustig vor, dass Dagny es schaffte ihre Mutter so lange erzählen zu lassen bis diese kein Wort mehr sagen wollte. Diesen Punkt konnte sich Nela zwar nicht wirklich vorstellen, aber es gab ihn ganz gewiss irgendwann. "Ich bin mir sicher, dass ihr beide das schon hinbekommen werdet." Nelas Lächeln war freundlich und man konnte auch eine gewisse Erleichterung erkennen. Sie war wirklich froh, dass Dagny ihr da helfen wollte.


    "Oh ja, genau. Langeweile wollen wir nicht haben und wir werden alles daran setzen, dass es sie nie geben wird. Wenn die Männer nett sind, dann dürfen sie auch mal mitkommen. Aber nur wenn sie ganz lieb sind." Nela kicherte wieder während sie sich vorstellte wie die vielen Mädchen - vier mindestens an der Zahl - miteinander spielten und Dagny und sie mittendrin saßen. Die Vorstellung war wirklich schön. "Das würde ich mir auch sehr wünschen, das wir uns immer weiter treffen können. Da müssen wir dann alles daran setzen, dass wir hier in Mogontiacum bleiben dürfen und nicht wo anders hinmüssen. Dann würde es tatsächlich schwieriger werden." Doch das war noch soweit hin, dass sie sich jetzt keine genaueren Gedanken dazu machen mussten. Bald würde Runa sie verlassen und dann mussten sie dafür sorgen, dass sie diese noch oft genug sehen würden. "Wir müssen auch darauf achten regelmäßig bei Runa einzufallen. Der soll ja auch nicht langweilig werden." Dass der zukünftige Ehemann vielleicht etwas dagegen haben könnte, darauf kam Nela beim besten Willen nicht. "Ich denke, das was wir in der Hand haben und noch ein Weiteres. Das wäre dann schon mal ein Anfang. Dann gehts auf den Markt. Den haben wir uns dann redlich verdient." Am Abend würde sie noch ein paar weitere Tücher besticken. Dann hätten sie hoffentlich bis zum Termin genügend zusammen.

  • Dagny grinste als Nela meinte, dass sie ihren Brüdern die Schuld geben konnte. „Oh, das tue ich auch, keine Sorge.“ Ja, ihre Brüder hatten es schon nicht leicht mit ihr, wobei sich ihr Mitleid doch sehr in Grenzen hielt. Es war schließlich nicht so, dass sie sich nicht zur Wehr setzen konnten … darüber hinaus hatten sie selbst oft genug den Schalk im Nacken, von daher glich sich das immer gut aus. Aber die ständigen Neckereien der Geschwister sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie im Zweifelsfall immer zusammenhielten und sich aufeinander verlassen konnten, wenn es hart auf hart kam. „Und die Reisepläne klingen auch gut!“ Dagny spürte schon fast so etwas wie Vorfreude in sich aufsteigen, obwohl das Ganze bisher eher eine launige Idee war anstatt ein ernstzunehmender Plan. „Dann kann ich bei der Gelegenheit auch gleich meine Schwester besuchen.“ Für Dagny stand der Plan fest und auch Nela klang recht optimistisch, dass nicht mehr zu viel Zeit ins Land gehen würde, ehe sie die Idee in die Tat umsetzen konnten. Dass es ganz so einfach nicht sein würde, kam zumindest Dagny in diesem Moment überhaupt nicht in den Sinn und so gab sie sich einen kurzen Moment einer abenteuerlichen und völlig unrealistischen Vorstellung dieser Reise hin.


    Die Schreibgewohnheiten von Nelas Bruder klangen ziemlich vertraut. „Ja, das kenne ich … das ist bei meinem Bruder auch nicht anders.“ Hadamar schrieb zwar an sie direkt, aber besonders regelmäßig oder ausführlich waren diese Briefe nicht. Von den Rechtschreibfehlern mal ganz zu schweigen, aber die erwähnte Dagny an dieser Stelle lieber nicht. Sie mutmaßte, dass Hadamar einfach keine Lust hatte, sich mit Rechtschreibung auseinander zu setzen … und im Soldatenalltag auch nicht viel schreiben musste, sodass es nicht zwingend notwendig war, hier gravierende Fortschritte zu machen. „Das klingt doch so, als würde er sich dort wohlfühlen. Freut mich, dass er es scheinbar gut getroffen hat.“ erwiderte sie als Nela von der römischen Familie berichtete, bei der ihr Bruder untergekommen war. „Wer weiß, vielleicht erkennen wir ihn kaum noch wieder, wenn er zurückkommt.“ Das konnte Dagny sich zwar nicht wirklich vorstellen, aber irgendwelche Spuren würde das Leben dort vermutlich hinterlassen. Wobei Nela und ihr Bruder ohnehin verschiedenen Kulturen entstammten und es da vielleicht sogar leichter hatten als beispielsweise Dagny, die eben nur Mogontiacum und die Lebensweise hier kannte.


    Dagny kicherte ebenfalls als Nela die Vorstellung ihrer zukünftigen Familien weiter ausschmückte und wurde dann wieder etwas ernster, als es darum ging, wie oft sie sich in Zukunft noch sehen würden. Bisher hatte Dagny es erfolgreich geschafft, dieses Thema weitestgehend auszublenden, auch wenn es ihre Gedanken nach Eldrids Abreise das eine oder andere Mal gestreift hatte. Dass es nun wieder präsenter war, lag vermutlich an Runas bevorstehender Hochzeit und den Veränderungen, die diese mit sich bringen würde. Über ihre eigene Zukunft machte sie sich in der Regel lieber keine Gedanken – oder zumindest nicht so viele – weil ihr bewusst war, dass sie selbst da nur ein geringes Mitspracherecht hatte. „Manchmal möchte ich gerne zu einem Orakel gehen und fragen, wo ich in fünf oder zehn Jahren sein werde. Und kurze Zeit später denke ich mir, dass ich es eigentlich gar nicht wissen will, sondern lieber das Hier und Jetzt genieße.“ Mal ganz abgesehen davon, dass ein Orakel solche Fragen wohl kaum beantworten würde, stellte sie sich ein solches Wissen mehr belastend denn beruhigend vor. „Dann heißt es also erstmal Daumen drücken, dass wir hierbleiben können. Und Runa zeigen, dass sie uns so schnell nicht los wird … das klingt auf jeden Fall gut!“ Ihre gewohnte Fröhlichkeit gewann wieder die Oberhand. Diese steigerte sich noch, als Nela ankündigte, dass nach dem nächsten Tuch erst einmal Schluss sein würde. „Hervorragender Plan! Ich finde auch, dass wir uns das verdient haben. Arbeiten bei den Wetter ist sowieso ungesund.“ Dagny zwinkerte Nela zu, um zu signalisieren, dass sie es nicht ganz ernst meinte. Aber sie würde gerne auch noch weitere mehr oder weniger logische Gründe finden, um möglichst bald auf den Markt zu kommen.

  • Während sich die beiden Frauen unterhielten, wurden tatsächlich einige der Gastgeschenke fertig. Man mochte es wohl kaum glauben, da sie beide recht viel sprachen, aber es war dennoch so. „Da würde sie sich sicher sehr freuen wenn du sie besuchst und falls wir bei der Familie meines Vaters keine Unterkunft finden werden, könnten wir sicher bei ihr übernachten.“ Die einzige Frage zum Thema Rombesuch war wohl nur noch die Frage nach dem Termin. Dass sie dorthin wollten, war sicher und was sie dort unternehmen wollten, war auch schon besprochen. Nach all den Jahren freute sie sich schon darauf Roma und auch ihre Familie wiederzusehen. Ganz besonders ihre Tante, der sie nur Briefe hatte schreiben können. Aber auch ihr Onkel bei dem sie lange Zeit gelebt hatte als es in Roma so gefährlich geworden war.


    Irgendwo war es beruhigend zu hören, dass nicht nur ihr Bruder so schreibfaul war. „Ja, es klingt ganz so. Wenn er noch so viel lernt wie er gern möchte, dann wäre es ein voller Erfolg.“ Sie blickte auf ihre Arbeit hinab. „Auch er wenn eine große Nervensäge ist, vermisse ich ihn dennoch sehr. Ich habe mal gehört, dass Zwillinge da besonders von betroffen sind und es nicht glauben wollen, weil er eben so viel nervt. Aber es stimmt wohl doch.“ Nela grinste schief und machte dann weiter. „Ich werde ihn immer erkennen,“ erwiderte Nela dann stolz. „Er wird aber sicher älter geworden sein und größer und sich auch verändert haben, genauso wie ich.“ Da machte sich Nela nichts vor.


    „Ich drücke uns ganz fest die Daumen, dass wir hierbleiben können und gemeinsam unsere Männer in den Wahnsinn treiben können.“ Da mit dem Orakel war eine wirklich interessante Sache. „Ich habe mich auch schon mal gefragt ob ich nicht wissen möchte was die Zukunft mit bringt. Aber wie du schon sagtest, ich glaube ich möchte lieber unwissend bleiben und mich jeden Tag einfach wieder neu überraschen lassen. Wäre das Leben dann nicht langweilig wenn man es vorher schon weiß?“ Inzwischen hatten sie dann das Tuch zu Ende bestickt, das sie gerade angefangen hatten. „Los komm, lass uns zum Markt gehen. Das erste Getränk geht auf mich.“ Sie verstaute die fertigen Tücher noch in einer Truhe, die sie neben den Körben zu stehen hatte und dann fasste sie Dagny bei der Hand um mit ihr Richtung Markt loszueilen.

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