Beiträge von Lala

    Eine ältere Frau, die die Köchin in der Garküche war, rührte in den Töpfen, während ein junges Mädchen, das normalerweise eher im Hinterzimmer zu finden war, die Gäste bediente. Lala war noch auf den Märkten unterwegs und so kam sie an den Tisch des neuen Gastes und begrüßte ihn freundlich. "Salve, was darf ich dir bringen? Wir haben heute Würstchen mit Puls und Gemüse, frischen Fisch, einen Auflauf mit Birnen und als Nachtisch frische Pfirsiche oder Datteln mit Nüssen." Während sie ihm noch verdünnten Wein anbot, lächelte sie verführerisch. In diesem Moment kam Lala durch die Tür gepoltert. Völlig außer Atem drehte sie sich noch einmal um und schaute auf die Straße. Auch das junge Mädchen drehte sich erschrocken um. Als sie Lala erkannte, wandte sie sich wieder dem Gast zu. "Verzeihung, sie gehört zu uns. Normalerweise ist sie nicht so ungestüm. Weißt du schon, was du möchtest?" Er war hübsch, da hätte sie auch nichts dagegen, wenn er sie wählen würde. Lala selbst verschwand nach einem kurzen Wortwechsel mit der Köchin erst einmal durch die Hintertür.

    Seine Drohung verfehlte ihre Wirkung nicht. Doch sie war nicht blöd und wußte, wenn sie jetzt in dieses Haus ging, käme sie nie wieder heraus. Das naive Mädchen war also die falsche Entscheidung gewesen. So leicht ließ sie sich jedoch nicht einschüchtern. Sie kannte diese Gegend, also überlegte sie, wie sie hier am schnellsten herauskommen würde. Blieb noch dieser Kerl, der drohend über ihr stand. Er war stark und wenn sie nicht schnell genug war, hätte er keine Schwierikeiten, sie ins Haus zu zerren. Hatte sie eine Wahl? Ihr Blick war der einer eingeschüchterten jungen Frau und sie drehte sich Richtung Tür. Doch nach dem ersten Schritt duckte sie sich unter seinem Arm hindurch und rannte los. Dabei ließ sie den Korb los, der ihm dadurch direkt vor die Füße fallen musste. Blöd, denn darin befand sich alles, was die Frauen in ihrem Hinterzimmer benötigten und das war nicht billig gewesen. Trotzdem verschwendete sie daran gerade keinen Gedanken, sie rannte um ihr Leben.

    Eine Schule? Hier? Ihr Blick ging zu der Sklavin, die noch immer dieses keuchende Scheusal ertragen musste. Wenn das eine Bestrafung war, wollte sie nicht wissen, wie er mit den Schülern umging. Und schon gar nicht wollte sie herausfinden, was er mit ihr machen würde, wenn er die Wahrheit herausfinden sollte. Da war eine kleine Notlüge die bessere Alternative. Noch bevor sie jedoch antworten konnte, kam er auf sie zu. Keinen Moment ließ sie ihn aus den Augen, dann konnte sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren. Trotz der drohenden Geste, blieb sie äußerlich ruhig, auch wenn ihre Knie drohten, unter ihr einzuknicken. In der Garküche hatte sie gelernt, wie man mit solchen Kerlen umging. Nur war es dort ihr Revier, hier war es seins und sie hatte keine Ahnung, wie sie hier wieder heil herauskommen sollte.


    Ohne seinem Blick auszuweichen, versuchte sie, Ordnung in ihr Gedankenchaos zu bekommen. "Ich kam hier wirklich nur zufällig vorbei. Allerdings muss ich gestehen, dass ich doch jemanden suche." Um ihm ein wenig das schüchterne, verliebte Mädchen vorzuspielen, senkte sie bei den folgenden Worten den Blick. "Vor einiger Zeit habe ich einen hübschen Jungen gesehen und ich glaube, er ist in dieses Haus gegangen. Ich hatte gehofft, ihn irgendwie wiederzusehen." Lala zuckte mit den Schultern und hob dann wieder die Augen, die ihn nun treuherzig anblickten. "Vielleicht geht er ja hier zur Schule? Was ist das denn für eine Schule?" Ihr war klar, dass es keine normale Schule war, das musste er aber nicht wissen. So spielte sie weiter das naive Ding.

    Lala fühlte sich ertappt, doch der Mann war alles andere als unfreundlich, und so atmete sie erleichtert auf. Beschwichtigend hob sie eine Hand und winkte ab. "Nein, ich dachte nur.. " Ja, was dachte sie eigentlich? Sie hätte einfach weitergehen sollen, so schnell wie möglich, nur weg von diesem Ort. Doch etwas hielt sie zurück. "Anmelden?" Er hatte sie neugierig gemacht, obwohl sie das Treiben vor der Tür eher abschreckte. "Wofür denn anmelden?" Es war ja offensichtlich, was in dem Haus vor sich ging. Und dafür würde sich sicher niemand anmelden wollen.

    Auch, wenn die Gassen voll von Leuten waren, drehte sie sich hin und wieder um, weil sie meinte, Blicke zu spüren. Die Gegend war ihr schon immer unheimlich, obwohl noch nie etwas passiert wäre, was dieses Gefühl rechtfertigte. Es kam nicht selten vor, dass sie hierhergeschickt wurde, denn hier gab es etwas, das sie auf dem normalen Markt niemals bekommen würde. Lala war schon auf dem Rückweg, als sie auf jenes Haus zuging, in dem vor einigen Tagen dieser Dieb verschwunden war. Zwei verschwitzte Männer kamen ihr entgegen, die sie anzügllich musterten, aber auch die ließen sie in Ruhe. Den Grund dafür fand sie, als sie direkt an dem Haus vorbeikam. Eigentlich sah es aus wie jedes andere, doch an diesem Tag wurde klar, was sich hinter den Türen verbarg.
    Offensichtlich ging es den Frauen hier aber nicht so gut, wie denen, die in ihrem Hinterzimmer die Männer beglückten. Glücklicherweise war ihr das erspart geblieben, bis jetzt. Wie gerne hätte sie dieser Frau geholfen, die so unglücklich an die Tür gekettet war. Dann wurde sie auch noch Zeugin, wie ein alter, zahnloser Kerl über sie herfiel. Angewidert wandte sie sich ab und ließ den Blick über die Hauswand aufwärts schweifen, ob sie jemand am Fenster entdecken konnte. Was sie sich davon erhoffte, war ihr in dem Moment selbst nicht klar.

    Ein neuer Morgen, ein neuer Tag...


    Lala ordnete das Geschirr, stellte Schüsseln mit geschnittenem Gemüse bereit, wischte die Tische ab und öffnete schließlich die Tür ganz weit, dass man sehen konnte, hier war geöffnet. Wie immer gab es nicht viele Gerichte, dafür aber lecker zubereitet. Das Lokal war sauber, die Bedienung freundlich und die Köchin erfahren.


    Lala ging zurück an die Töpfe und half bei der Zubereitung, bevor die ersten Gäste eintrafen.



    Sim-Off:

    Die Garküche ist weiterhin geöffnet

    Er war schnell, aber Lala kannte sich hier aus. Nachdem Ana ihr kurz seine Kleidung beschrieben hatte und die dunklen Locken ein letztes Mal aufgetaucht waren, hatte Lala sich beeilt, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Wie er, war sie in er Menge untergetaucht. Nur so war es überhaupt möglich, sich unauffällig zu bewegen. Und nur so konnte sie ihm folgen. Er war wendig und geschickt, doch auch ihr war es nicht fremd, schnell zu verschwinden. Nur so hatte sie in all den Jahren die Freiheit gehabt, die sie so nötig brauchte. Ein Vorteil nun, wenn sie herausfinden wollte, wo er seinen Unterschlupf hatte...

    Nett war es nicht, wie dieser Römer mit dem Sklaven umging, weshalb sie ihn erst einmal ignorierte. Sie wußte ja selbst, wie man als Sklave behandelt wurde, deshalb half sie mit, die Pfirsiche einzusammeln. Lala hatte gelernt, den Mund zu halten. Trotzdem brodelte es in ihr, denn er stand nur da und gab Anweisungen. Hatte er keine eigenen Sklaven, die er drangsalieren konnte? Nach einem kurzen, verärgerten Seitenblick, den sie dem Römer zuwarf, grinste der sie nur an und sah dann weiter dem Sklaven zu. Über diesen hinwegblickend, bemerkte sie plötzlich, dass sie vom eigentlichen Schauplatz abgerückt waren. Es war also nur ein Trick und er wollte eigentlich nur helfen? Ein weiterer Pfirsich kullerte über den Boden. Wo kam der jetzt her? Lala wollte schon aufstehen und in die Richtung laufen, besann sich dann aber. Die ganze Aktion wäre völlig überflüssig gewesen, würde sie die Aufmerksamkeit wieder in eine andere Richtung lenken. Stattdessen verwickelte sie den Sklaven in ein Gespräch, indem sie sich mit einem geschenkten Pfirsich für die Hilfe bedankte.

    Lala, die im Gegensatz zu Anahita dem Drumherum mehr Aufmerksamkeit schenkte, bekam mit, was Mamercus vorhatte und wartete erst einmal neugierig ab. Nachdem sie selbst die Umgebung mit Blicken abgesucht hatte, war diese weiteTunika wohl tatsächlich die Ursache für die Unauffindbarkeit des Armbandes. Während es dem Verginier gelang, den Dicken in Bewegung zu setzen, beobachtete Lala dessen Sklaven. Er schien ein wenig verwundert über die plötzliche Wendung ihres Gespräches, folgte aber nicht, denn nun fiel ihm etwas auf. Menschen, die aufgehört hatten, über den Platz zu laufen, um sich nun tuschelnd zu unterhalten oder die Blicke suchend über den Boden gleiten zu lassen. Um auch ihn abzulenken, rempelte sie ihn kurzerhand "aus Versehen" an, wobei "zufällig" ein paar Pfirsiche aus ihrem Korb kullerten und sich nun ebenfalls über den staubigen Boden verteilten. Eine kurze Entschuldigung murmelnd, sah sie ihn hilfesuchend an, um sein Mitleid zu erregen. Derweil hatte ihre Aktion nicht nur ihn, sondern auch einige der Umstehenden vom eigentlichen Grund des Auflaufs abgelenkt.

    Schon einige Zeit saß sie hier am Brunnen und wartete. Die freie Zeit auf dem Markt genoss sie sehr, doch heute war ein besonderer Tag. Ihr Blick ging durch die Menge. Ob die junge Frau den Platz finden würde, den sie ihr genannt hatte? Immer wieder drehte sie sich in alle Richtungen. Da, endlich entdeckte sie das bekannte Gesicht und ihr Blick wurde auch kurz erwidert. Lala glitt vom Rand der Brunneneinfassung, wollte winken, da sah sie Anahita straucheln. Glücklicherweise fiel sie nicht, konnte sich noch fangen. Lala lief los, bevor sie sie im Gedränge wieder aus den Augen verlor. Bei ihr angekommen, sah sie den Schrecken in Anahitas Augen. "Ist alles in Ordnung? Geht es dir gut?" Ein kurzer Blick ging zu dem Fremden, der bei ihr stand, dann musterte sie Anahita, die immer noch den Boden abzusuchen schien.

    Als Lala an ihren Tisch kam, wollte sie endlich die Fragen loswerden, die vor allem Massa betrafen. Anahitas Gesicht ließ sie aber schweigen. Sie sah mitgenommen aus.. Es war sicher schwer, schlimme Nachrichten zu überbringen. Es war schon schlimm, diese Nachricht zu hören. Lala beschloss, keine Bezahlung zu akzeptieren und bestand darauf, dass das Essen auf ihre Rechnung ging. "Ich bin dir so dankbar, dass du gekommen bist und ich freue mich, dass wir morgen noch reden können." Aus einem inneren Impuls heraus umarmte sie Anahita und drückte sie kurz, bevor sie die Becher hochnahm und ihr noch ein Lächeln schenkte. "Komm gut nach Hause." Unschlüssig stand sie noch einen Moment so da, dann wandt sie sich um. Die Arbeit wartete.

    Lala war so neugierig, aber was konnte sie schon tun? Um die Unterhaltung nicht zu stören, hatte sie nur kurz den Wein an den Tisch gebracht, bevor Anahita richtig zu erzählen begonnen hat. Nun blieb sie im Hintergrund, sah immer wieder zu den beiden hinüber. Dazwischen kümmerte sie sich um die anderen Gäste, verteilte das bestellte Essen und die Getränke, räumte Tische ab und wischte sie sauber. All das lenkte ein wenig ab, änderte aber nichts an ihrer Neugier. Morgen auf dem Markt, da würde sie sicher alles erfahren.

    Lala nahm das Geld vom Tisch und verabschiedete den Gast so höflich wie jeden anderen, entschuldigte sich noch für Massas Verhalten, denn im Gegensatz zu ihm waren sie auf ihre Gäste angewiesen. Allerdings hatte sie auch nicht alles mitbekommen, dass sie sich kein Urteil erlauben wollte.


    Viel Zeit darüber nachzudenken blieb nicht, Massa zahlte und drückte ihr zusätzlich ein Trinkgeld in die Hand. Lala starrte ungläubig auf die Münzen. Es war wie damals. Nur dass er diesesmal nicht einfach ging. Er stand auf und machte sich auf den Weg an den anderen Tisch. Erst sah sie ihm verwirrt hinterher, dann folgte sie. Sein Befehlston ließ auch nichts anderes zu.

    Lala warf Massas Tischgenossen einen entschuldigenden Blick zu, kam aber nicht mehr dazu, etwas zu sagen. Massa fing an zu erzählen und sie strengte sich an, ihm in dem überfüllten Raum zuzuhören. Irgendwann war es nur noch seine Stimme, die sie hörte. Seine Geschichte war so traurig wie Neris Schicksal. Trotzdem war Lala noch immer wütend. Wütend auf Massa und jetzt auch ein wenig auf Neri. Sie hatte ihn gehenlassen. Wieso hat sie ihn gehenlassen, sie hat doch so lange nach ihm gesucht und auf ihn gewartet. Und er war gegangen, einfach so. Das hat ihrer Freundin so weh getan. Wären nur nicht diese Männer gewesen, es wäre vielleicht alles anders gekommen. Aber so... Lala standen Tränen in den Augen, als er sie ansah. "Neri ist nicht hier, sie musste an dem Tag gehen, an dem auch du gegangen bist. Und jetzt ist sie... " Lala schluckte schwer. "Sie ist .. tot." Das letzte Wort war so schwer auszusprechen. Nun liefen ihr die Tränen übers Gesicht. "Das Tuch habe ich gerade erst bekommen, von ihr." Mit einem Kopfnicken deutete sie in Anahitas Richtung. "Sie hat mir erst vorhin davon erzählt. Sie war dabei, als sie ... als sie gestorben ist." Die Frage, die sie ihm stellen wollte, wieso er einfach gegangen war, blieb unausgesprochen. Er hatte sie im Grunde beantwortet.

    "Ich werde sehen, was ich tun kann." Freundlich lächelte Lala kurz, dann wollte sie gehen, um die Bestellung abzugeben. Da wurde sie aprupt an der Hand gepackt und zurückgehalten. Lala wollte die Hand zurückziehen, doch er hielt sie fester, als es angenehm war. "Du tust... " Er starrte auf das Tuch. „ Wo hast du das Tuch her?!“ Lala war verwirrt. Was wollte er von ihr? Was ging ihn das Tuch an? Sein eindringlicher Blick bereitete ihr Unbehagen. Dann ließ er plötzlich los und entschuldigte sich. Lala rieb sich gedankenverloren die Hand. Kein Blick mehr, als wäre nichts geschehen. Was hatte diesen Sinneswandel so plötzlich verursacht?


    Einen unverdünnten Wein wollte er. Gut, den konnte er bekommen. Lala ging zu der Köchin, gab die Bestellung weiter und machte sich daran, die Getränke einzuschenken. Das Gesicht.. irgendwie kam er ihr bekannt vor. Auf dem Weg zurück zu dem Tisch der beiden fiel es ihr wieder ein. Er war an dem Tag hier, an dem Neriman Rom verlassen musste. Er war der Grund, wieso sie damals zusammengebrochen war. Zitternd stellte sie die Getränke ab. Einmal verdünnten Wein für Cerretanus. "Das Essen kommt auch gleich." Lala bemühte sich, ruhig zu bleiben. Den unverdünnten Wein bekam Massa. "Hier, bitte."


    Lala kümmerte sich um die anderen Gäste, musste aber immer daran denken, was damals geschehen war. Dann war das Essen fertig. Lala brachte es an den Tisch, stellte es vor Cerretanus ab. Brot und Käse war auch dabei. "Lass es dir schmecken." Erst wollte sie gehen, dann drehte sie sich wieder zu Massa. Wut, Trauer, Neugier... Lala bemühte sich weiter, ruhig zu bleiben. Unwillkürlich fasste sie an das Tuch. "Wieso willst du das wissen? Wieso interessiert dich mein Tuch?"

    Lala hätte sich am liebsten in ihr Zimmer verkrochen und wäre nie mehr herausgekommen. Wie sollte sie mit der Gewissheit leben, dass Neriman tot war? Natürlich hatte sie nicht wirklich damit gerechnet, sie wiederzusehen. Neri wollte zu ihrem Vater zurück, zu ihrer Familie. Sie hätte heiraten und Kinder bekommen sollen, einfach ein glückliches Leben führen. Das war vorbei. All die Hoffnungen, und ihre Träume. Zerstört.


    Lala nickte bei Anahitas Worten. "Sie war auch meine beste Freundin. Ich werde sie nie vergessen." Fast wäre sie erneut in Tränen ausgebrochen, als sie zwei Hände auf ihren Schultern spürte. Erst jetzt bemerkte auch sie die vielen vollen Tische. Und ihr fiel ein, dass ihr Dominus hier war. Da sollte sie nicht ewig Pause machen. "Ich komme." Schniefend wischte sie mit dem Ärmel übers Gesicht und holte tief Luft. Der Vorschlag, sich an einem anderen Ort zu treffen, war wunderbar. "Gerne, wenn du Zeit hast, ich gehe morgens immer auf den Markt. Es merkt niemand, wenn ich etwas länger brauche." Lala erklärte ihr, wann und wo, stand dann auf und wollte gehen. Ein `Warte`hielt sie noch zurück. Der Schmerz in ihrem Herzen würde noch größer, als sie das Tuch sah. Zögernd nahm sie es entgegen. "Danke!" Mehr brachte sie nicht heraus. Dann drehte sie sich um und ging zurück hinter den Tresen.


    "Ich bin gleich da." Lala ging kurz nach hinten und nahm das Tuch an ihr Gesicht. Es roch noch nach ihr. Tränenblind legte sie es sich um, schluckte schwer und versuchte, sich wieder zu fangen. Es half hier niemandem, wenn sie in Trauer versank. Also nahm sie sich zusammen und ging wieder hinein. "Wer bekommt was?" Die Alte erklärte ihr kurz, für wen das Essen fertig war, und wer noch nicht bestellt hatte. Lala nahm den Teller, der für Massa bestimmt war. Ihr war immer noch flau im Magen, als sie an den Tisch trat. "Salve, der Fisch war für dich?" Sie stellte alles vor ihm ab und wandte sich dann an den neuen Gast. "Salve, was darf ich dir bringen?" Erneut zählte sie die heutigen Speisen auf, Puls mit Gemüse oder gekochten Äpfeln, Gemüse mit Würstchen oder Fisch und zum Nachtisch Äpfel mit Honig. Von den Aprikosen wußte sie noch nichts.

    "Gerne, vielen Dank!" Damit ging die Köchin zurück an die Töpfe. Den Wein hatte sie gerade fertig, da kam schon ein neuer Gast. Suchend ging ihr Blick durch den Raum. Alle Tische besetzt. Einer wurde bald frei, bei dem anderen konnte sie noch einen Stuhl anbieten. Dann sah sie noch einmal zu Lala. Die bekam scheinbar überhaupt nichts mit. Noch einmal durch die Töpfe gerührt, der Fisch war vorbereitet. Nun wurde es ohne Hilfe bald eng. Die Alte nahm den Weiin und brachte ihn an den Tisch. "Hier bittesehr." Dann eilte sie zu dem Wartenden. "Salve, junger Mann. Du suchst einen Platz? Der Tisch dort wird bald frei." Damit deutete sie auf einen Tisch, an dem zwei junge Männer gerade am Austrinken waren. "Dort wäre allerdings auch noch ein Stuhl frei, wenn du dich dazusetzen willst." Ihr Blick zeigte zu dem Tisch, an dem Massa Platz genommen hatte. "Entschuldige mich bitte." Damit ließ sie ihn erst einmal alleine, sie musste zurück an ihre Töpfe, und der Fisch musste auch noch gebraten werden.
    Wieder ein Blick zu Lala. Sie sah nicht so aus, als würde sie ihr Gespräch bald beenden. Also ging sie zu ihr, denn sie brauchte dringend Hilfe. Vorsichtig legte sie Lala die Hände auf die Schultern, drückte sie sanft. Die Tränen sah sie wohl, überging es aber. "Entschuldigt, dass ich euch unterbreche, aber es ist wieder so voll, das schaffe ich nicht alleine." Dann nickte sie der jungen Frau freundlich zu, bevor sie sich wieder an ihre Arbeit machte.

    Lala bemerkte den neuen Gast nicht, starrte noch immer die Frau an, die ihr gegenübersaß. Stirnrunzelnd wartete die Köchin auf irgendeine Reaktion. Als nichts geschah, rührte sie noch einmal kurz durch den Topf, ging dann an den Tisch des Herrn, der sich etwas unschlüssig umsah. "Salve, junger Mann, was darf es denn sein? Wir hätten heute Puls mit Gemüse oder gekochten Äpfeln, Gemüse mit Würstchen oder Fisch und zum Nachtisch Äpfel mit Honig. Dazu etwas verdünnten Wein?" Die Alte lächelte freundlich, wobei ihr nicht mehr ganz vollständiges Gebiss zum Vorschein kam. Während sie auf seine Antwort wartete, lugte sie unauffällig zu Lala hinüber. Irgendetwas stimmte nicht, Lala war eigentlich immer aufmerksam bei ihrer Arbeit. "Anstelle der Äpfel könnte ich auch noch Aprikosen zum Nachtisch anbieten." Eine andere Sklavin hatte vorhin die ersten reifen Früchte gebracht. Sie selbst mochte Aprikosen viel lieber und hielt es deshalb fast für einen Geheimtip, dass sie daraus eine leckere Nachspeise zaubern konnte. Nun richtete sie aber die ganze Aufmerksamkeit wieder auf ihren Gast und erwartete gespannt seine Bestellung.

    Die junge Frau deutete auf den Stuhl, doch Lala blieb stehen. Ein kurzer Blick zurück zeigte aber, sie wurde gerade nicht gebraucht. Also hörte sie zu und wunderte sich in der Tat, dass die Frau ihren Namen kannte. Als dann der Name Neriman fiel, war sie erschrocken und erfreut zugleich. Neri hatte es also geschafft, sie war den fiesen Typen entkommen. Das war gut, sehr gut sogar. Ja, Lala war auch sehr traurig gewesen, als Neri gegangen war. Vor allem aber machte ihr die Ungewissheit zu schaffen, ob sie es aus der Stadt geschafft hatte. Und was überhaupt aus ihr geworden war. Schließlich war sie so etwas wie eine Schwester für sie geworden, eine Verbündete. Nun würde sie endlich erfahren, wie es ihr ergangen war.


    Lala setzte sich. Sie war nun wirklich neugierig, mehr darüber zu erfahren. Stutzig wurde sie erstmal nicht, als die junge Frau sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. Auch nicht, dass sie von Neri in der Vergangenheit sprach. Erst, als sie ihre Hand nahm und traurig ansah, bevor sie mit der Geschichte fortfuhr, breitete sich ein mulmiges Gefühl in ihr aus. Sie starb in meinen Armen... Immer wieder hallte dieser eine Satz in ihrem Kopf wider. Neri war tot? Das konnte nicht sein! Sie war doch noch so jung, so stark! Die Tränen sprachen die Wahrheit. Neri war tot! Lala starrte die junge Frau nur wortlos an. Das konnte doch nicht sein, das durfte nicht sein. Ihre einzige Freundin... "Nein... " flüsterte sie tonlos, dann schossen ihr die Tränen in die Augen.

    Der alte Schmied war nicht sehr gesprächig an diesem Tag. Also geleitete sie ihn an seinen Lieblingsplatz und fragte nach seinen Wünschen. Dann brachte sie ihm etwas zu essen und trinken, bevor sie sich wieder zu der Köchin gesellte. Dabei sah sie immer wieder zu der jungen Frau. Sie schien auf irgendetwas zu warten. Normalerweise aßen die Leute und verschwanden wieder. Flüsternd unterhielt sie sich eine Weile mit ihrer Kollegin. Dann nickte sie und nahm noch etwas verdünnten Wein mit, bevor sie an den Tisch hinüberging. "Entschuldige, bist du neu in der Stadt? Kann ich dir vielleicht helfen?" Vielleicht war sie auf der Suche nach einer Unterkunft...