Beiträge von Eldrid

    Ohje, das klingt aber sehr erschreckend… Das tut mir sehr leid, ich kann mir vage vorstellen wie schlimm das sein muss. Es gehörte bei den Geburten meiner Kinder zu einem der Albtraumszenarien.


    Ich wünsche dir alles Liebe zur Genesung, ich drück dir die Daumen, dass es bald bergauf geht…!

    In den letzten zwei Monaten war es gesundheitlich leider nicht so toll und hat sich dann ziemlich zugespitzt, bis ich mich dann in der Klinik eine Woche "erholen durfte". Bin ganz froh dass ich mich eh schon auf die eine ID reduziert habe, die Prophezeiung mit meiner Zeit ist leider noch viel wahrer geworden als erhofft. ^^


    Ich schau regelmäßig rein und bin per PN immer erreichbar, aber ich glaube mit zuverlässigem Rollenspiel braucht ihr erstmal länger noch nicht zu rechnen, ich schätze das wird in ähnlichem Umfang leider auch für M.C. Marcellus gelten, der ja im selbem Irrsinn gefangen ist. Wir denken an euch - schwacher Trost, aber immerhin.

    Ich hab da auch tatsächlich drüber nachgedacht, aber aktuell trau ich mich das wegen der baldigen Engpässe auch einfach nicht so richtig. Ich hab irgendwie sorge dass extra für mich jemand aktiv wird und dann versack ich eben doch wieder, sowas ist nicht fair :/
    Aber wenn die Luft wieder da ist, mag die Situation hier sowieso wieder eine ganz andere sein oder ich mach es dann wirklich mal über eine Suche =) Danke für den Tipp!

    Was die Römer miteinander sprachen, verstand Eldrid nur bedingt. Das lag weniger an ihren Sprachkenntnissen, als viel eher an der Distanz und dem Umstand, dass keiner der drei brüllte wie ein Schwerhöriger. Trotzdem versuchte sie, etwas zu verstehen. Gut möglich, dass ein Pärchen spielender Eichhörnchen ihre Aufmerksamkeit von den dreien abgelenkt hatte, aber es war hier dermaßen aufgeräumt, dass sie die Tiere lediglich aus ihrer Erinnerung her zurückrufen könnte. In diesen Hallen schien es kein Leben zu geben. Alles war aus Stein und Marmor, es glänzte und sie würde lügend, wenn sie es nicht beeindruckend finden würde. Es war durchaus auch schön. Solche Bauten kannten und hatten die Mattiaker nicht. Heimelig war es aber trotz allem Pomp nicht. Sie sehnte sich nach dem, was sie immer schon gekannt hatte und was ihr ein Gefühl von Vertrautheit vermittelte. Selbst die Luft roch hier anders, auch wenn sie sich zumindest daran mittlerweile gewöhnt hatte. An vieles hatte sie sich gewöhnen können. So sehr, dass sie fürchtete, sie könnte ihre Erinnerungen verlieren.


    Aufmerksam betrachtete sie den Neuankömmling, der ganz offensichtlich zur Familie gehörte. Er wurde von den beiden in den Reihen der Familie mehr oder weniger willkommen geheißen. Was mochte er für ein Mensch sein? Er wirkte auf Eldrid weich und freundlich, was vielleicht auch an seiner Statur liegen mochte. Sie kannte kaum solche beleibten Menschen. Er wirkte bei all seiner Fülle nicht wie ein Krieger und eigentlich wie das krasse Gegenteil von Marcellus. Hübsch war die Fülle in ihren Augen nicht, aber Eldrid verurteilte das auch nicht unbedingt. Es war auch ein Zeichen von Wohlstand und vermutlich in seinem Falle von Friedlichkeit, warum sollte sie davon schlecht denken? Die Römer galten allgemein als ziemlich wohlhabend und jeder machte aus diesem Status etwas anderes. Er hatte es sich offenbar recht gut gehen lassen, sie würde es ihm nicht missgönnen.

    Sie selbst wirkte gegenwärtig eher so, als würde man ihr das Essen vorenthalten. Ihre Arme waren dünner und sehniger als früher und auch sonst wirkte sie eher mager. Sie hatte schon seit der Ankündigung von Marcellus, dass er sie nicht heimgehen lassen und stattdessen als Sklavin hierbehalten würde, begonnen gezielt zu hungern. Ein wenig aus Frust, aus Kummer, aber auch aus der Intention heraus, ihren Unwillen zu demonstrieren. Es hatte Tage gegeben, an denen hatte sie sich nahe des Todes gewähnt - auch wenn sie noch weiter entfernt gewesen war, als sie gedacht hatte. An diesen Tagen war ihr schwindlig geworden und ihr Magen hatte richtig weh getan. Und dann hatte sie doch manchmal gegessen. Heimlich und möglichst unbeobachtet, weil sie ja wollte, dass man ihren Protest wahrnahm. Ihr Wille war nicht stark genug, es bis zum Äußersten zu provozieren.

    So war sie heute also sehr mager, aber noch immer am Leben. Ihr fehlte schlicht und ergreifend die Stärke und der Stolz, anders konnte man es nicht beschreiben.


    Als Eldrid beobachtete, wie Marcellus den Fremden zum Essen einlud, straffte sie ihre Haltung wieder ein wenig, die doch vom vielen Stehen ein wenig eingesunken war. Sie würde sich bereit halten, ihm etwas einzuschenken, wenn er es sich gemütlich gemacht hatte. Oder sie würde ihm Speisen reichen und heranschaffen. Sie wusste, was von ihr erwartet wurde, auch wenn sie sich immer noch schwer damit tat, es zu akzeptieren. Es gab schlimmeres, als Essen aufzutragen. Fast ein wenig starr sah sie zu Marcellus hin, betrachtete sein Profil und presste dabei bitter und kaum sichtbar die Lippen aufeinander.

    Schweigsam stand Eldrid in gemessenem Abstand zu den Klinen, auf denen Marcellus und Romana Platz genommen hatten. Die Stimmung war seit einigen Wochen gedrückt, hier im vermeintlich nobelsten Hause der großen Stadt und Eldrid konnte das ziemlich gut verstehen, ganz gleich, ob sie nun noch eigene Sorgen hatte, welchen sie nachhing und die für sie wesentlich schlimmer wogen. Besonders nahe an sich heran ließ sie die Trauer der Familie nicht, der sie noch immer starken Groll entgegen brachte, aber auf eine objektive (und auch ein wenig subjektive) Weise verstand sie, was die Gens Claudia an dem Senator verloren hatte, der vor einigen Wochen verstorben war. Sie war weit davon entfernt gewesen, Herius Claudius Menecrates zu kennen, aber sie hatte von den Sklaven in der Villa viel Gutes gehört und auch sie hatte ihn als ruhig und gerecht wahrgenommen. Anders, als seine Enkel. Oder seine Tochter. Eldrid war mit Romana selbst noch nicht aneinander gerasselt, aber die Sklaven redeten eben miteinander. Sie selbst hörte eher zu als dass sie sprach, denn Tratsch lag ihr fern und sie sah sich noch gar nicht als ein Teil des Haushaltes. Sie wollte sich nicht einfügen, noch immer nicht. Sie blieb freundlich, aber einsam und dankenswerter Weise schienen die meisten Sklaven dafür Verständnis zu haben und malträtierten sie deswegen nicht. Es war wie Marcellus versprochen hatte: es ging ihr nicht schlecht.

    Sie sehnte sich trotzdem nach der Heimat. Es lag nicht an der Arbeit, die in der anfänglichen Zeit sehr hart gewesen war und ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Marcellus ihr eine Lektion erteilen wollte, ohne sie zu schlagen. Sie hatte seine Intentionen schon verstanden. Eldrid war sich nicht zu schade für harte Arbeit. Ganz im Gegenteil hatte die sie sogar einigermaßen vom Grübeln abgehalten. Nun wurde sie wieder bevorzugt und die Grübelei erhielt wieder mehr Raum. Nein, es waren weder die Sklaven, noch war es die Arbeit. Es war einfach Heimweh. Sie fühlte sich entwurzelt, betrogen und verraten. Sie hatte sich ihr Leben nicht so vorgestellt, dass sie in einer fremden Stadt unter fremden Menschen leben musste, fremde Sprache und fremde Bräuche erlernen musste und ihre Liebsten nie wieder sehen würde. Sich damit zu arrangieren fiel ihr nach wie vor unglaublich schwer. Ihr fehlten die schweren Eichen, das unwegsame Gelände, die einfachen Häuser und die familiäre Liebe. Sie vermisste ihren Bruder.


    Was war sie hier, in Rom? Sie hatte keine Identität, sie war einfach nur lebendes Inventar. Marcellus hatte einen Narren an ihr gefressen, aber sollte sie dafür dankbar sein? Wohl eher nicht. Es war eher so, dass genau das ihr Problem war; hätte er sie weniger gemocht, hätte er sie hier nicht eingesperrt. Sie mied ihn, so gut sie es konnte. Nur konnte sie es nicht gut, denn er wollte sie nicht meiden. Ständig musste sie ihm irgendetwas hinterher tragen, seine Wünsche erfüllen und in seiner Nähe sein. Gesprächigkeit und Zuneigung konnte er glücklicherweise nicht erzwingen.

    So stand sie auch heute hier, angetan in gar nicht so günstige Stoffe, die aber dennoch einen einfachen, einer Sklavin angemessenen Schnitt besaßen. Das lange, blonde Haar fiel ihr offen über die Schultern und war nur leicht aus dem Gesicht frisiert. Sie schwieg, wie es von ihr erwartet wurde und wie es ihr auch am liebsten war, darauf achtend, ob jemand einen Wunsch an sie hatte dem sie nachgehen musste, wenn sie nicht bestraft werden wollte. Die Schwester von Marcellus, Livineia, schien Eldrid zu hassen. Glücklicherweise war sie heute aus. So musste Eldrid nur noch darauf Acht geben, es Romana Recht zu machen.


    Als der Besuch kam, blieb sie an Ort und Stelle stehen und sah Marcellus lediglich hinterher. Was sollte sie auch mit ihm gehen? Sie war für die Bewirtung zuständig und neugierig war sie so gar nicht. Es konnte nichts passieren, das in irgendeiner Weise gut für sie war. Nichts.

    Zwei Tage war es nun her, dass Marcus sein wahres Gesicht gezeigt hatte. Sie war zu ihm gegangen, um sich nach dem Stand ihrer Heimkehr zu erkundigen. Gegangen war sie desillusioniert. Gekommen war sie als freie Germanin, gegangen als Sklavin. Sie sah sich selbst noch immer nicht als das Eigentum eines anderen Menschen, eines Römers. Trotzdem war sie klug genug um zu wissen, dass sie damit ziemlich allein stehen würde. Rom war voller Römer und die würden es wohl kaum gut mit ihr meinen. Sie konnte sich schon ausmalen, wie die Herrin des Hauses reagieren würde, würde Eldrid darauf hoffen, bei ihr ein offenes Ohr zu finden. 'Verzeih, Herrin, das ist alles ein Irrtum. Eigentlich bin ich frei!'

    Marcus Claudius Marcellus hatte ganz allein bestimmt, dass sie nun eine Sklavin war. Ganz offensichtlich konnte er das tun. Sie begriff es einfach nicht - warum tat er das? Nur, damit sie nicht fortging? Weil er sie gern anschaute? Das war aus seinen Worten schon ein wenig hervorgegangen, aber wie irrsinnig war das? Sie war doch kein Schmetterling, den man sich schnappte, tötete und wegpackte, um ihn immer wieder anschauen zu können. Und jetzt?

    Jetzt kniete sie hier und schrubbte den Boden einer römischen Villa. Immer noch sah sie sich nicht in ihrer Rolle und trotzdem war ihr klar, dass Verweigerung ihr einfach gar nichts brachte. Es war ja auch nicht die Arbeit die sie scheute, Eldrid war auch daheim stets brav und arbeitsam gewesen. Sie hatte bei ihrer Mutter Dinge über Kräuter und Wunden gelernt, sie war im Dorf beliebt gewesen und auch ihr Vater hatte nie ein böses Wort gegen sie sprechen müssen. Sie war kein Mensch, der Ärger anzog oder Wut provozierte. Dennoch fragte sie sich, ob das nicht der Moment war, in dem sie das vielleicht einmal ändern sollte. Sie konnte doch dieses Unrecht nicht einfach wortlos ertragen und bis an ihr Lebensende die Boden irgendwelcher reichen Römer schrubben, nur weil es denen gerade in den Kram passte. Nur wie?
    Kurz hielt sie inne und kam aus dem Vierfüßlerstand heraus, um sich mit ihrem Hintern auf die Fersen zu setzen. Sie wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und sah sich um. Über dem großen Wasserbecken befand sich eine Öffnung, durch die sie den blauen Himmel sehen konnte. Ach, hätte sie doch nur Flügel, dann könnte sie diesem Gefängnis entkommen. Einfach die Arme ausbreiten und davon fliegen, noch einmal lachend auf ihre Kerkermeister hinuntersehend. Sie sah sich um, hatte nicht einmal die Hälfte des verschwenderisch großen Raums geschrubbt. Ein Langhaus war nicht so groß wie dieses Atrium hier - und die Fläche wurde nicht einmal wirklich sinnvoll genutzt. Auch den Boden schrubben musste man dort nicht auf diese Weise.


    Verschnupft, da ihr schon wieder die Tränen in die Augen schossen, beugte sie sich wieder vor und bürstete weiterhin den Boden mit der nassen Bürste. Ihre Knie waren feucht von der Arbeit und ihre Hände mittlerweile schon ein wenig aufgeweicht. Komfort gönnte man ihr hier keinen mehr, die Zeit war vor zwei Tagen ausgelaufen. Bis dahin war sie noch ein Gast gewesen. Sie hätte viel früher gehen sollen. Sie hätte ihm nicht vertrauen dürfen. Traue niemals einem Römer! Das hatte Sarolf immer gesagt und nie war ihr älterer Bruder ihr weiser vorgekommen als heute. Ein paar Tränen vermischten sich mit dem Wasser auf dem Boden, ehe sie ihre Emotionen wieder in den Griff kriegte.

    Genau das wollte Marcus hiermit erreichen. Er wollte ihren Willen brechen - und das würde sie nicht zulassen. Sie würde das alles durchstehen, aber sie würde niemals ihren Willen verlieren. Irgendwann würde ihre Chance kommen und sie konnte zu ihrer Familie. Bis dahin würde sie das alles hier ertragen. Grimm erfüllte sie wieder. Ja, an ihr würde er sich die Zähne ausbeißen. Sie wusste, ihre Situation war ausweglos und sie würde manches hinnehmen müssen, aber sie würde nicht... das werden, was er gerne in ihr sehen wollte. Was auch immer das war. Mit neuer Kraft polierte sie den marmornen Boden weiter.

    Der Befehl verfehlte seine Wirkung nicht. Seine laute und wütende Stimme brachte sie augenblicklich zu Schweigen. Mit aufgerissenen Augen blickte sie zu dem Patrizier hoch, der nun sämtliche Wärme in seinem Gesicht vermissen ließ und kühl zu ihr hinunter sah. Was war passiert? War dies nun sein wahres Gesicht? Sie konnte nicht glauben, dass er so hart war, so grausam. Was verlor er denn, wenn er sie wieder gehen ließ? Sie hatte ihm praktisch nie gehört. Sie war eine Gefangene von Sklavenhändlern gewesen, keine Sklavin. Er hatte sie auch nicht erworben; bestenfalls hatte er sie gestohlen. Dass sie gemeinsam in die Freiheit entlaufen waren traf die Wahrheit aber zweifellos am besten. Warum wollte er sie nun als Sklavin behalten? Wenn man sich hier umsah, dann hatte doch einfach alles und ganz sicherlich keinen Bedarf an einer jungen Sklavin, die nicht einmal ansatzweise hier bleiben wollte. Sie schluckte schwer, aber ihr Weinen blieb weiterhin verstummt.


    Ungläubig lauschte sie seinen Rahmenbedingungen. Sie würde hier leben, sie würde ihn Herr nennen und tun, was man von ihr verlangte. Sie sollte dankbar sein und das Leben hier mögen. Wie konnte man denn so etwas befehlen? Sie hatte gelernt, ihren Eltern stets dankbar zu sein, auch wenn sie einmal wütend auf sie war. Sie hatte ihren Eltern stets gehorcht und auch ihren Brüdern hatte sie niemals Schande bereitet. Marcus aber war nicht ihre Familie.
    Natürlich war Eldrid nicht begriffsstutzig, wenn ihr auch noch immer der Glaube fehlte, dass das alles gerade wirklich geschah. Eben noch hatte sie sich als Freie gesehen, als Gast dieses freundlichen Mannes, kurz vor ihrer Rückkehr in die Heimat. Plötzlich hatte sie nichts mehr, war niemand mehr. Das zu begreifen, das dauerte. Was sie aber durchaus begriff war, dass sie dagegen praktisch nichts tun konnte und das ließ sie völlig verzweifeln. Der Weg nach Germanien war unendlich weit weg. Natürlich konnte sie einfach weglaufen, aber wohin denn? Rom war eine fremde und eine feindselige Stadt und sie hätte weniger davon, sich ihr auszusetzen als einfach hier zu bleiben. Sie war ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, vorher genauso sehr wie jetzt. Sie hatte ihm vertraut und nun sorgte er für klare Verhältnisse. Nun würde es kein Vertrauen mehr sein, aus dem sie an seiner Seite war. Nun war es Zwang. Trotzdem war sie ebenso machtlos wie vorher. Ja, das verstand sie sogar sehr gut.

    Verzweifelt senkte sie wieder den Blick und betrachtete den prachtvollen Boden. So etwas kannte sie aus ihrer Heimat nicht. Sie hatten in Langhäusern gelebt, die ganze Familie in einem Haus. Mit der Familie und mit den Sklaven, die dazu gehört hatten. Hier war alles so groß, so verwirrend. So ganz und gar nicht heimelig. Als er sie aufforderte zu gehen, brauchte sie nicht lange um sich von dem kalten Boden aufzustemmen.
    Befremdet und aus geröteten Augen sah sie Marcellus an, der plötzlich ein völlig anderer Mensch geworden war. Ja, sie war machtlos. Für den Moment musste sie die Dinge so akzeptieren wie sie waren, er schien sich nicht erweichen zu lassen. Es tat weh. Mehr noch, weil sie ihn wirklich gemocht hatte. Sie würde sich wehren, wenn sie wüsste, wie. Sie hatte keine Unterstützer, er war stärker als sie. Sie lebten in einer Welt des Stärkeren. In Germanien, da wäre sie nun einfach fortgelaufen, aber hier?
    Mit hochrotem Gesicht wendete sie sich ab und verließ seine Gemächer mit hängenden Schultern. Dass ihr dabei jemand entgegen kam, realisierte sie gar nicht. Mittlerweile füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen. Es war jedoch ein lautloses Weinen.

    Verständnislos sah sie weiterhin in sein Gesicht, obwohl sie die gesamte Situation eigentlich doch sehr gut verstand. Oder auch nicht. Nein, eigentlich verstand sie ihn nicht. Er sprach davon, dass sie Freunde waren und bestätigte wenigstens die Annahme, dass er sie auch mochte. Vielleicht wusste er gar nicht, was Freundschaft bedeutete? Sie hatte oft gehört, dass Römer sehr illoyal und wankelmütig waren. Sie schluckte schwer. Aus ihren Augen lösten sich nun zwei stumme Tränen, die über ihre Wangen liefen. Weiter hörte sie ihm konzentriert zu, durchaus daran interessiert, wie er sich zu erklären gedachte.

    Er sprach davon, dass sie wohl bei weniger netten Menschen leben müsste, wenn sie nicht gemeinsam geflohen wären. Damit mochte er wohl durchaus im Recht sein. Genauso könnte er aber nun auch tot in irgendeiner Ecke liegen, wenn es für ihn schlecht gelaufen wäre und sie ihm nicht geholfen hätte, wer wusste das schon so genau? Vielleicht hatte er sogar Recht damit, dass ihr Leben in Germanien einen schlechten Verlauf nehmen könnte. Sie glaubte das zwar nicht, aber sie war keine Göttin oder Seherin. Die Zukunft lag für sie im Nebel, so wie für jeden anderen Sterblichen auch. Gerade erschien es ihr eher so, dass das schlimmstmögliche Szenario eingetreten war, dass sie sich nur vorstellen konnte. Sie war in die Sklaverei geraten und das so weit von zuhause fort, dass niemand ihr helfen könnte. Keiner wusste, wo sie war. Ihre Tränen gewannen nun an Lautstärke, als sich ihr Hals zuzuknoten schien und sie schluchzte einmal lautstark auf, um überhaupt wieder atmen zu können. Ihre Schläfen wummerten.


    "Das... das... ist ungerecht." stieß sie nun wieder konzentrierter und besser formuliert aus. Sie nahm durchaus zur Kenntnis, dass er sie mochte - und es war gar nicht so, dass sie ihm das nicht glaubte. Sie mochte ihn ja auch und sie verstand dieses Gefühl, von dem er da sprach. Sie hatte ja ebenfalls Kummer, zu gehen und ihn niemals wiederzusehen. Das war aber doch kein Grund, den jeweils anderen dazu zu zwingen, hier zu bleiben. Sie würde ihn doch auch nicht fesseln um ihn mit nach Hause zu nehmen, nur damit sie weiter miteinander sprechen konnten. Ja, wenn sie ging, dann ging sie für immer. Das war ihr durchaus bewusst gewesen. Aber wenn sie blieb, dann würde sie ihre Familie niemals wieder sehen. Nie wieder frei sein. Ihre geliebten Wälder nicht mehr sehen. Nichts würde je wieder so sein wie früher und das war um ein Vielfaches schlimmer, als ihn nicht mehr zu sehen.


    "Ich auch... mag dich." sagte sie mit angestrengter Stimme. "Du auch fehlst mir, wenn ich nach Hause bin. Ich vergesse... dich nicht. Aber ich gehe." Sie spürte noch immer seine Hand auf ihrer Wange, sah ihm in die Augen. Sie hatte keine Angst vor ihm, warum auch? Sie legte ihre Hand auf die seine und ging dann auf die Knie. Wäre sie ihr Bruder, der nur Hass für die Römer übrig hatte, würde sie ihm nun vermutlich ins Gesicht springen. Aber sie mochte ihn. Wirklich. Außerdem war sie einfach friedliebend. Sie nahm seine Hand in beide Hände und führte sie in einer bittenden, unterwürfigen Geste an ihre Stirn, noch immer flossen Tränen aus ihren Augen. Sie schloss diese und neigte ihr Haupt leicht. "Bitte, Marcus. Du bist... mein Freund. Ich... Hademar und Sarolf fehlen mir, meine..." Sie verfiel nun ins Germanische. "...Mama und mein Papa... Bitte lass mich..." und wieder zurück ins Lateinische: "Bitte... nach Hause. Du hast... versprochen." Sie sah nun wieder zu ihm auf und sprach nun nicht mehr versehentlich, sondern bewusst in ihrer Muttersprache, auch wenn sie wusste, dass er das nicht verstehen würde. Sie aber konnte es auch nicht übersetzen. "Bitte halte dein Wort, du hast es versprochen. Bei deiner Ehre..."

    Sie merkte schon, dass irgendetwas nicht ganz so gut war, wie es eben noch den Anschein hatte, als er sich nun setzte. Kurz erwog sie, ob es ihm wohl schwer fiel, ob er sie bitten würde, vielleicht doch zu bleiben. Ein wenig kribbelte es bei dem Gedanken ja schon. Sie hatte schon mehr als einmal gespürt, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte; insbesondere während ihrer beschwerlichen Reise nach Rom, die sie weiter denn je von zuhause fortgeführt hatte. Sie konnte sich noch ganz gut an seinen Geruch erinnern, wenn sie gemeinsam irgendwo übernachtet hatten. Selten war sie einem Menschen so nahe gekommen wie ihm; niemals jemandem außerhalb ihrer eigenen Blutsverwandtschaft. Sie war wirklich traurig, ihn verlassen zu müssen. Es zerbrach ihr vielleicht nicht das Herz, denn sie wollte wieder zu ihren Brüdern zurück - kein Band war stärker als jenes zu ihrer Familie. Das machte es ihr aber trotzdem nicht leicht, ihn zurückzulassen. Sie trennen nun eben Welten, das war nicht zu ändern. Niemals würde sich daran etwas ändern.

    Sie bekam allerdings nicht sonderlich lange Zeit, um sich im Ungewissen zu wägen und sich Gedanken über seine Gefühle zu machen. Er sah sie an, legte sich seine Worte nur kurz zurecht und dann... Ja, dann hatte sie wieder das Gefühl, ihn nicht richtig verstanden zu haben. Dieses Mal gab es allerdings keinen Spielraum mehr. Nein - du gehst nicht nach Hause. Davon verstand sie jedes Wort und auch seine Blicke ließen wenig Möglichkeit zur Interpretation.


    Für einen Moment hatte sie ein Rauschen in den Ohren. Natürlich hatte sie die Möglichkeit schon in Betracht gezogen, dass so etwas passieren könnte. Sie hatte sie selbstredend als vollkommen unsinnig wieder verworfen. Seine Worte erreichten sie nur schlecht, aber sie erreichten sie. Wie durch einen dichten Nebel hörte Eldrid ihn dumpf sagen, dass er sie als Sklavin gefunden hatte und dass sie ihm nun gehörte. Dass sie ab heute Aufgaben bekommen würde. Ihre Haut wirkte nun nicht mehr einfach nur hell, sondern regelrecht blass. Geradewegs so, als sei jedes Blut aus ihm gewichen und das traf es vermutlich auch ganz gut. Sie hatte das Gefühl, nach einem Halt suchen zu müssen.

    Ohne etwas dagegen tun zu können beobachtete sie, wie er sich ihr näherte und sie an den Schultern anfasste. Stumm und fassungslos starrte sie zu ihm auf, der er bestimmt einen ganzen Kopf oder noch mehr größer war als sie. Das war wie ein Albtraum und sie wusste gar nicht, wie sie darauf nun reagieren sollte. Sie war viel zu überfahren, um wütend zu sein. Sie hatte das Gefühl, die Tragweite seiner Worte nicht einmal ansatzweise erfassen zu können. Er redete irgendwas davon, dass sie keinen Hunger haben würde, dass es ihr gut gehen würde und dass er nicht grausam war.


    "Marcus, du bin doch grausam!" ließ sie ihn nun wissen, klang dabei aber keinesfalls laut. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, während sie zu ihm aufsah. Dass er einen Scherz machte, schloss sie aus. "Ich... ich nicht Sklavin. Ich bin Gefangene... als ich dich... dir mich... nein... ach..." Sie kam immer mehr mit der Sprache durcheinander, während ihre Gedanken im Kopf umherwirbelten. "Nicht Sklavin. Du auch nicht Sklave. Das... das nicht Gesetz!" versuchte sie sich zur Wehr zu setzen. Das durfte er ganz bestimmt nicht einfach so tun. Sie war sein Gast, man durfte seinen Gast nicht einfach versklaven. Das widersprach jedweder Ehre. Sie war damals einfach auf ihrem Weg nach Hause gefangen genommen worden, von irgendwelchen Räubern. Das konnte sie unmöglich zu seiner Sklavin machen. Sie waren gleichberechtigt geflohen. Er war doch auch nicht ihr Sklave, oder? Was bildete er sich denn nur ein, wer er war?

    Sie versuchte sich aus seinem Griff zu entwinden und einen Schritt rückwärts zu machen. Dabei war sie nicht grob, aber bestimmt. Verletzt sah sie zu ihm auf. "Nach Hause." sagte sie ihm noch einmal ausdrücklich und legte ihre Hände auf ihr Herz, während sie ihn flehentlich anblickte. Ihn anzuschreien, zu beleidigen - daran dachte sie nicht einmal. Sie wusste auch, dass das nichts bringen würde. Sie konnte das Lateinische zwar nur sehr rudimentär, aber das machte sie nicht zu einem dummen Menschen. "Du... du hast... geschworen. Wir... wir Freunde."

    Als er sich erhob und ihr so freundlich entgegen blickte, hellte sich auch ihr Gesicht noch ein wenig weiter auf. Er war wirklich ein guter Mann, anders, als sie sich die Römer immer vorgestellt hatte. Kontakt zu den Römern hatte sie zwar ohnehin ihr ganzes Leben gehabt, aber es gab sicherlich noch einen Unterschied zwischen den "germanischen Römern" und den "römischen Römern" - und davon einmal abgesehen, hatte sie trotzdem nie einen so intensiven Umgang mit einem von ihnen gehabt, wie sie ihn nun mit Marcus pflegte. Sie würde ihm nicht vergessen, was vollkommen uneigennützig für sie getan hatte. Noch zu tun gelobte.
    Mit anständiger Distanz und einem höflichen Lächeln blieb sie stehen und gab sich größte Mühe dabei, seinen Worten zuzuhören. Er sprach in eher kurzen und für sie verständlichen Sätzen, dafür war Eldrid dankbar. Latein konnte sie schon sehr lange, hatte doch ihre Familie mit den Römern eben zu tun gehabt. Gut gekonnt hatte sie es aber nie und bis heute hatte sich daran nichts geändert. Warum auch? Als er erklärte, dass es ihm gut ginge, wurde ihr Lächeln wieder etwas intensiver. Als er von ihrer Besserung sprach, nickte sie verhalten und regelrecht damenhaft. Ins Stocken geriet ihre freundliche Miene dann aber, als er von irgendwelchen Aufgaben sprach. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie das richtig verstanden hatte, aber vermutlich hatte sie das. Sie sann kurz nach, was er damit wohl meinen könnte.

    War es naiv, dass sie nicht ansatzweise darauf kam, dass er in ihr eine Sklavin sah? Wohl kaum. Treffender war wohl, dass sie zu vertrauensvoll war, dass er sein Wort hielt. Zu keiner Zeit hatte sie es angezweifelt und so tat sie es auch jetzt nicht. Nicht einmal, als er sie darum bat, seine Schultern zu massieren. Ganz abgesehen davon, dass sie nicht ganz wusste, was "massieren" nun konkret bedeuten sollte, hing sie gedanklich auch noch immer eher bei seinen vorangegangenen Worten fest. Fragend wirkte ihr Blick. Marcellus war größer als sie, auch hierin wurde sie den Klischees über ihr riesenhaftes, grobes Volk kaum gerecht. Sie war in jedem Bereich sehr zart und auch ihre sanftmütige Mentalität war genau das.


    "Aufgaben." wiederholte sie also und rang in sich nach den richtigen Worten, um ihre Frage danach zu formulieren. Sie war nicht faul mit Worten und wollte sich bemühen. "Ist ein Händler der mich nach Hause bringt? Mache ich Aufgaben für den Händler?" erkundigte sie sich also arglos und legte ihre Hände ineinander. Sie würde sich nicht vor Arbeit drücken, wenn sie doch nur endlich wieder nach Hause käme. Im Grunde genommen ergab es doch auch durchaus Sinn, was Marcus da sagte. Warum sollte er ihr auch die komplette Heimfahrt finanzieren? Solange er seine Verbindungen nur nutzte, um ihr eine Gelegenheit zu organisieren, hatte er doch sein Wort schon eingehalten. Da war keine Notwendigkeit, dass er sie persönlich eskortierte, wie er es versprochen hatte. "Das ist gut." beeilte sie sich also zu sagen, um ihm kein schlechtes Gefühl zu vermitteln. Sie lächelte wieder. "Ich mache Aufgaben! Ich fühle gut für nach Hause. Danke, Marcus!"

    Schweigend stand Eldrid vor den Gemächern ihres Gastgebers, Marcus Claudius Marcellus. Die Sorge, einen ungünstigen Moment zu erwischen, hielt sie doch davon ab einfach einzutreten. Gegenwärtig waren nahezu alle Augenblicke ungünstig. Sie mochte den Römer seit ihrer gemeinsamen Flucht eigentlich recht gern. Er war immer sehr freundlich zu ihr gewesen und wenn sie sich dann doch einmal unterhielten, schaffte sie es kaum, ihr Lächeln aus dem Gesicht zu verbannen. Er verdankte ihr seine Freiheit - und sie verdankte ihre Freiheit ihm. Das schweißte irgendwie zusammen und natürlich barg der Gedanke daran, ihn in ihrer Zukunft nicht mehr zu sehen, eine gewisse Schwermut. Sie würde ihn vermissen, das wusste sie. Wenn sie nach Germanien zurückging, zurück in den Schoß ihrer Familie, würde sie praktisch die halbe Welt voneinander trennen. Die Alpen. Es war eine unvorstellbare Distanz, die sie in ihrem Leben nur noch einmal bewältigen würde. Zurück zu ihren Brüdern. Ihr Wolfsfell, das sie immer noch besaß, hatte sie in ihrem Lager liegen. Tagsüber trug sie es nicht, es war einfach zu warm und sie hatte auch den Eindruck, dass ihre Gastgeber es merkwürdig fanden, wenn sie über ihrer römischen Kleidung den recht derben Pelz eines Wolfes trug. Das Fell erinnerte sie immer an Zuhause, an ihre geliebten Brüder, vor allem eben an Sarolf, der ihr nahe wie kein anderer stand.


    Die Frage war nur einfach, wann es wieder nach Hause gehen würde. Er hatte ihr damals gelobt, sich darum zu bemühen, sie nach Hause zu schicken und sie hatte es ihm geglaubt. Er sah nicht aus wie eine Schlange, nicht wie ein Lügner und sie wollte es ihm einfach glauben. Auch heute zweifelte sie nicht an seiner Absicht, aber sie hatte nun schon länger nichts mehr von dahingehenden Bemühungen gehört. Er hatte zugesagt, sich umzuhören und ihr zu sagen, wenn er etwas hörte, aber langsam wurden ihr die Tage wirklich lang und das Heimweh wuchs und wuchs. Sie fühlte sich fremd an diesem Ort. Sie fühlte sich fremd in Rom, in dieser großen Stadt. Sie fühlte sich fremd in diesem Haus, das zwar wirklich groß und luxuriös schien, aber ihr auch einfach kein Heim war. Die Bewohner sprachen kaum mit ihr. Die Sklaven waren freundlich, aber zurückhaltend. Die Herrschaften scherten sich nicht im geringsten um sie und Eldrid fühlte sich trotz der vielen Menschen einsam. Marcus hatte auch nur selten Zeit, sich mit ihr abzugeben. Er hatte viele Pflichten und das verstand sie. Sie verstand, dass er ein wichtiger Mann in seiner Gemeinschaft war. Sie wollte auch nicht mit ihm streiten. Er meinte es gut mit ihr, auch wenn er ihr anriet, das Anwesen nicht zu verlassen. Am vorigen Tag hatte sie es dann doch einmal tun wollen. Sie hatte sich vorgenommen, nur in der Nähe des Hauses ein bisschen herumzulaufen. Nicht so weit, dass sie sich verlaufen könnte, wie Marcus es befürchtete. Sie wollte sich nur die Menschen hier einmal ansehen, die Häuser. Man hatte sie allerdings zu ihrer großen Verblüffung nicht hinaus gelassen. Fast wäre sie zornig geworden, aber ehe sie das auch nach Außen hätte tragen können, hatte ihr sanftes Gemüt wieder Oberhand gewonnen und sie hatte sich geschlagen wieder zurückgezogen.


    Selten hatte sie sich so einsam und nutzlos gefühlt. Egal, wie gut man es mit ihr auch meinen mochte, es brachte ihr keine Erfüllung Tag für Tag auf das Wasser im Atrium zu schauen. Die Pflanzen im Garten zu bewundern. Immer wieder dachte sie an ihre Familie, die sie seit vielen Monaten nicht mehr gesehen hatte und die sie vermutlich für tot hielten. Oder für versklavt. Sie würde es ihnen so gern sagen. Dass es ihr gut ging. Dass ihr kein Leid widerfahren war. Am schlimmsten bekümmerten sie tatsächlich die Sorgen ihrer Familie. Sie musste einfach heim und ihnen den Kummer nehmen. Sie würde Marcus danken und ihm sagen, dass sie es auf eigene Faust versuchen würde. Das Heimweh war mittlerweile über ihre Angst vor dem weiten Weg hinausgewachsen und sie würde sich nun von ihm emanzipieren.

    Kurz befeuchtete sie ihre Lippen mit der Zunge, dann trat sie ein. Sie wusste, dass er hier war. Sie hatte nicht viel zu tun und so beobachtete sie eben. Da sie keine anderen Stimmen vernahm, wusste sie auch, dass er allein in seinen Gemächern war.


    "Marcus." begrüßte sie ihn, wie wohl eigentlich nur seine engste Familie ihn begrüßte. Sie wusste bis heute nicht, welches die richtige Anrede für ihn wäre und so nahm sie den Namen, den er ihr bei ihrem Kennenlernen als allererstes genannt hatte. Richtig wäre wohl Claudius, oder aber, wenn ihr vertrautes Verhältnis galt, Marcellus. Dafür reichten ihre Kenntnisse allerdings nicht weit genug. Nachdem sie ihn mit ihrer sanften Stimme auf sich aufmerksam gemacht hatte, trat sie lächelnd noch etwas näher an ihn heran. "Ich hoffe, ich stören nicht; ich möchten deine Zeiten nicht stehlen. Ich bin hier, um mich... " zu sagen Lebwohl. Ich bin für deine Freundschaft dankbar, doch ich kann sie nicht länger nehmen.. Sie brachte es nicht über sich. Also redete sie erst einmal um den heißen Brei herum, denn irgendetwas in ihr sagte, dass er nicht gut auf ihr Anliegen reagieren würde. "... zu fragen, wie du fühlst."

    Erst einmal sehen, wie seine Stimmung war. Wenn er wirklich keine Zeit hatte, hatte er immerhin die Gelegenheit sich kurz zu verabschieden. Wenn er Zeit für sie hatte, würden sie noch ein wenig miteinander sprechen können. In jedem Fall würde er dem Ianitor sagen müssen, dass er kein Recht hatte, den Gast seines Herrn festzuhalten.

    Und ich bin jetzt so lange bequatscht worden, dass ich auch doch noch freigeschaltet werden möchte; ich hab ja auch noch ein bisschen Geschichte zu erzählen. :)

    Es wurmt mich tierisch aber ich habe Angst, dass mir meine IDs noch wegrutschen wenn ich es nicht mache. :( Bitte einmal Exil für meine beiden.


    Sobald das Leben wieder ein bisschen ruhiger ist, komme ich ganz bestimmt zurück. Momentan bin ich mit Livineia und Eldrid einfach für niemanden ein Gewinn im Rollenspiel, was mir wirklich leid tut. Ich hab ständig gehofft, dass es doch sehr bald besser wird, aber irgendwann muss ich es jetzt dann doch mal einsehen.


    Alles Liebe und ich werd trotzdem weiterhin regelmäßig reinschauen! :)

    Ich bin natürlich nicht verschollen! Also... schon, für meine Eltern in Germanien, aber nicht für euch Römer oder sim-off. :)


    Tut mir sehr leid, dass ich die Fristen aus den Augen verloren habe, ich hoffe inständig, bald wieder zu mehr zu kommen! Also bitte einmal eine Rückkehr!


    :panik:

    So viel wie in den letzten Wochen war Eldrid in ihrem ganzen Leben nicht geritten. Richtig reiten konnte sie nicht einmal. In ihrem Dorf hatten sie eigentlich alles auf den eigenen Füßen stehend und gehend erledigt. Eldrid hatte allerdings manchmal auf ihrem geliebten Esel gesessen und war auf ihm geritten. Sarolf hatte ihn dann geführt - oh, wie sehr sie doch auch ihren Bruder vermisste. Insgesamt hatte sich ihre Stimmung durchaus gehoben, denn der Römer, Marcellus hieß er, war ein recht angenehmer Reisegefährte. Ihre Aussprache hatte sich erheblich verbessert, da sie eigentlich immer nur in der römischen Sprache redeten. Zu wahnsinnig komplexen Sätzen war sie noch immer nicht in der Lage, aber sie suchte auch nicht mehr ganz so verzweifelt nach den Worten, die sie äußern wollte. Außerdem musste sie weniger lange überlegen und konnte wesentlich intuitiver antworten.

    Manchmal war sie auf der Reise einfach vom Pferd abgestiegen und hatte es hinter sich hergeführt. Ziemlich unumwunden hatte sie erklärt, dass ihr Hintern allmählich wehtat und sie einfach auch mal wieder laufen musste. Sehr viel Zeit verloren sie dadurch nicht, da die ganze Reise ohnehin nicht so sehr auf Schnelligkeit, als auf Ausdauer ausgelegt war. Sie machte sich nichts daraus, sich selbst anstrengen zu müssen, eigentlich war es ihr sogar lieber. Ihre Gliedmaßen wirkten sehr viel entspannter und auch das Pferd war sicherlich dankbar für die kleinen Auszeiten. Sie ritt auf einem dunkelbraunen, ziemlich alten Pferd zu dem sie inzwischen Freundschaft geschlossen hatte. Allgemein neigte sie zu Freundschaften mit Tieren. Sie hatte eigentlich alle Tiere gern und konnte es nicht einmal leiden, wenn eine Fliege oder eine Spinne unwillig zerquetscht wurden. Sarolf hatte sich ziemlich darüber belustigt. Sie sah ein, dass man Tiere tötete, um sie zu essen oder um sich mit ihren Fellen zu wärmen, aber einfach nur des Tötens wegen? Das fand sie doof. Egal, ob Mensch oder Tier. Sie war sehr friedliebend.

    Entsprechend ungehemmt unterhielt sich Eldrid nicht nur mit ihrem römischen Begleiter, dessen patrizische Abstammung für sie immer noch nicht ganz verständlich war, sondern auch mit dem Sklaven. Die Gespräche verliefen meist relativ einseitig, was sie jedoch nicht davon abhielt, es immer wieder zu probieren. Weswegen er zu vermeiden versuchte, mit den Herrschaften zu sprechen, verstand sie nicht. Ihr war das Konzept von Sklaven und Herren natürlich geläufig, aber die Umsetzung hatte sie anders und wesentlich weniger distanziert kennengelernt.


    "Ah." erklärte sie also vorerst nur, während sie die Stadt betrachtete, die sich da vor ihnen auftat. Sie war tatsächlich nicht so beeindruckt, wie Marcellus es wohl von ihr erwartete und das war ihr schon auch bewusst. Rom war halt einfach eine Stadt. Natürlich größer als alles was sie bisher gesehen hatte, aber dennoch hatte sie es noch größer und pompöser erwartet, nach allem, was Marcellus so berichtet hatte. Sie konnte mit diesen riesigen Steinbauten ohnehin nicht so viel anfangen, ihr fehlte dort einfach die Gemütlichkeit. Sie hatte es viel lieber, wenn der Boden um sie herum nicht nach Exkrementen, sondern nach feuchtem Moos roch, nach Wildblumen und saftigem Gras. Je weiter sie in Richtung Rom kam, desto seltener erlebte sie diese Eindrücke. Auch hier gab es schöne Landschaften, aber sie waren anders und nicht ganz so heimelig. Ja, und nun diese Stadt. Rom, das vermeintliche Zentrum der Welt. Der Ort, dem sich alle Völker unterwerfen sollten - oder wenigstens anschließen. Was, wenn Rom nicht so groß wäre? Wäre es dann nicht so weit um die Welt gekommen? Oder war es andersherum? Sie wusste es nicht. Sie verstand von diesen Dingen auch nicht so viel, fand es auch nicht wichtig.


    "Das ist wirklich sehr groß." meinte sie dann, um ihm noch ein bisschen entgegenzukommen und sah lächelnd in seine Richtung, während sie aktuell wieder ihr Pferd hinter sich her führte, das immer mal wieder versuchte, mit den rauen Lippen nach Gras zu schnappen. Die Kleidung indes, die sie aktuell trug, nun... Es fühlte sich an wie eine Leihgabe und entsprechend wenig warm wurde sie mit ihr. Darüber hinaus war es einfach schon noch anders geschnitten und insgesamt anders als das, was sie sonst trug und auch immer noch mit sich führte. Sie konnte sich von alledem nicht trennen.

    Ja, Rom schien wirklich groß zu sein. Nicht auch nur ein geringer Vergleich zu allem was sie bislang kannte. Trotzdem berührte der Anblick sie nicht, anders als ihn. Die germanischen Wälder und Moore waren sehr viel größer - und faszinierender, wie sie fand. Sie hatte kein Interesse, die ewige Stadt kennenzulernen, ja, spürte fast so etwas wie Ablehnung in sich. "Da kann man ja niemals jeden kennen, der dort wohnt." stellte sie fest.

    Ein leichtes Zucken fuhr ihr unweigerlich durch den Leib, als er eine ihrer Strähnen aus dem Gesicht strich und fast schon erschrocken sah sie zu ihm auf. Im Leben hatte sie nicht mit irgendeiner Form der Annäherung von seiner Seite her gerechnet und es war fast ein wenig unheimlich, auch wenn es eine freundliche und tröstende Geste war und sie das auch entsprechend einzuordnen wusste. Fragend war ihr Blick, während er sie genau musterte und obwohl sie von ihrem Kummer abgelenkt war, schluchzte sie noch einmal merklich auf. Ihr war das alles zu viel geworden. Diese weite Distanz von daheim, die Anstrengungen der letzten Wochen und nun auch noch dieser rätselhafte Römer, der...

    Als er sie plötzlich in seine Arme schloss versteifte sie sich im ersten Moment merklich, ehe sie sich wieder entspannte und den Trost einfach zuließ. Er roch vollkommen fremd (und augenblicklich, ehrlich gesagt, ähnlich wie sie auch nicht sonderlich appetitlich) und nichts an alledem hier fühlte sich natürlich an. Dennoch fiel es ihr nicht schwer, die Umarmung wider ihres Anstandsgefühls zuzulassen und nach wenigen Augenblicken lehnte sie sogar ihre Stirn gegen seine Schulter. Er war groß. Nicht so groß wie einer ihrer Brüder, welche regelrechte Hünen waren, aber dennoch groß.


    Von seinen Worten verstand sie tatsächlich etwas mehr als die Hälfte, was zum einen an ihrer Geborgenheit suchenden Haltung lag, wodurch sich seine Stimme ein wenig verzerrte, was aber eben auch an der fremden Sprache und den wirbelnden Gedanken beeinflusst wurde. Es reichte trotzdem, um im großen und ganzen zu erkennen, dass er eben seiner Dankbarkeit Ausdruck verlieh und Mitgefühl für sie erübrigte. Außerdem schien er ihr helfen zu wollen, warum auch immer. Hatte er gesagt, dass er sie persönlich begleiten wollte? Warum sollte er das tun, vor allem, wenn er eine so wichtige Person war? Vermutlich hatte sie da nur wieder etwas missverstanden. Trotzdem war es etwas unangenehm, nicht so richtig zu wissen, was nun die richtige Antwort war, weil man die Ausgangssituation nicht mit Sicherheit erfasst hatte.

    Sie schluckte schwer und legte leicht ihre Arme um seinen Körper, um auch ihn einmal kurz zu halten. Es war eine etwas mehr als nur höfliche Geste. Vermutlich war dieser Römer ebenfalls ein wenig durcheinander und wusste nicht so richtig, wo ihm gerade der Kopf stand. Männer hatten schließlich genauso Gefühle wie Frauen, auch wenn sie diese meistens anders zeigten.


    "Wir kommen nach Hause." sagte sie und war sich sicher, damit bestimmt nichts Falsches gesagt zu haben. Sie löste sich nun von ihm und wischte sich noch einmal die Tränen aus den Augen, um anschließend ein schwach Zuversicht ausstrahlendes Lächeln zu präsentieren. Tapferkeit. Sie dachte an diese Tugend, die schon immer von ihr und vor allem von ihren Brüdern verlangt wurde und beschloss, genau diese nun zu zeigen. Sie war jung und, ehrlich gesagt, zur Zeit auch reichlich hilflos, aber deswegen musste sie sich ja nicht völlig bloßstellen. "Du bist wirklich nett. Ich fühle Dank." erklärte sie und sah in die Richtung, in die sie eben noch gegangen waren. "Da lebst du?" Es war, mehr oder weniger, die Aufforderung weiterzugehen.

    Als der Römer erklärte, dass er derzeit nichts für sie tun könnte, senkte sie betreten den Blick. Im Grunde genommen verstand sie das ja auch. Was war ihre Vergangenheit auch sein Problem? Sie war entführt worden und sie hatten sich zufällig in der Gefangenschaft der gleichen Männer befunden, das war auch schon alles, was sie an Gemeinsamkeiten hatten. Sein Angebot, sie mit nach Rom zu nehmen, war eigentlich sogar ein Glück für sie. Er hätte auch einfach beschließen können, dass ihre Wege sich hier nun trennten. Dann wäre sie schutzlos in einer völlig fremden Gegend zurückgeblieben - und was dann? So hatte sie wenigstens eine Perspektive, die zwar nicht zufriedenstellend, aber eben doch eine Perspektive war. Sie wollte nach Hause. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte sie damit gerechnet, an irgendeinen schmutzigen Römer verkauft zu werden, der sie quälen würde, im schlechteren Fall. Im besseren Fall wäre sie immer noch als normale Sklavin geendet. Dieser Römer bot ihr immerhin seinen Schutz an, was im Endeffekt zur Folge hatte, dass erst einmal noch überhaupt nichts verloren war.


    All diese nüchternen Erkenntnisse führten allerdings nicht unbedingt dazu, dass sie sich getröstet fühlte. Seit Wochen haderte sie mit ihrem Los, aber da hatte sie daran nichts ändern können. Jetzt könnte sie es wenigstens theoretisch und trotzdem führte ihr Weg sie weiter von zuhause fort, als sie jemals freiwillig gegangen wäre. Ihre Augen füllten sich stumm mit Tränen, welche sich ihren Weg über ihre Wange bahnten und schlussendlich auf dem Boden landeten. So ging es ein paar Schritte lang, ehe sie auch ein Schluchzen nicht mehr unterdrücken konnte.


    "Es... es tut mir leid." erklärte sie dann mit angestrengter und verweint wirkender Stimme, dem ein hilfloses Lächeln in seine Richtung folgte. "Ich verstehe. Dass du nicht helfen kannst. Ich verstehe nur nicht... was nun mit mir sein war." So verwirrt in ihren Gedanken fiel es ihr noch schwerer, die Sprache der Römer vernünftig zu formulieren und entsprechend stockend kamen die Worte über ihre Lippen. Sie sah wieder nach vorne und zog sich das Fell ein wenig fester um den Leib. Es war nicht unbedingt so, dass sie fror. Oder wenn, dann war es eher eine innere Kälte und Hilflosigkeit, vor der sie nun Schutz suchte. "Danke für die Hilfen. Ich komme mit." Sie wusste, dass es erheblich an Floskeln fehlte, aber die kannte sie schlichtweg nicht und gerade fielen ihr nicht einmal die grundlegendsten Höflichkeiten im Lateinischen ein.

    Sie verzog leicht das Gesicht, als Marcus meinte, dass sein Plan doch aufgegangen sei. Es war ein Grinsen, irgendwo zwischen Unglaube und tatsächlichem Humor angesiedelt. Sie glaubte ihm nicht, dass er auch nur irgendeinen Plan gehabt hatte, aber das machte ja auch eigentlich nichts. Sie hatten ja, zumindest auf den ersten Blick, Glück gehabt. Momentan sah es nicht so aus, als wären ihre Verfolger noch hinter ihnen. Sicherlich wollte sie die Nacht nicht vor dem Morgen loben, aber einen Grund zur Klage an Marcus hatte sie gerade nicht. Er hatte sie motiviert und gemeinsam waren sie davongelaufen. Ihr Beitrag war vermutlich noch ein wenig kostbarer als seiner gewesen, denn sie wären sonst nicht aus der Höhle gelangt, aber unterm Strich hatten sie eben miteinander gearbeitet, riskiert und gewonnen. Sie würde ihm keinen Vorwurf machen. Was für einen Plan hätte man denn auch entwickeln können? Mit welchen Möglichkeiten?
    Immer noch brannte die kalte Luft in ihren Lungen. Nach und nach beruhigte sich ihr Atem zwar, aber eine Weile würde ihr Körper wohl schon noch brauchen, um sich wieder zu beruhigen. Müdigkeit empfand sie immerhin kein bisschen. Es war viel eher Euphorie, die sie beflügelte, seiner Aufforderung nachzukommen und nach einer kurzen Rast weiterzulaufen. Sie wischte sich mit dem Handrücken Schweiß und Haarfransen aus dem Gesicht.


    "Du kennst dich gut aus." stellte Eldrid also fest, als er meinte, der Fluss würde sie irgendwann zu einer Siedlung führen. Er sprach mit einer solchen Überzeugung, dass sie das tatsächlich annahm. Sicherlich war sie nicht blöd, aber die Schlussfolgerung, dass an einem Fluss regelmäßig eine Siedlung zu finden sein würde, machte sie gerade dennoch nicht.
    Viel mehr als über die Siedlung machte sie sich allerdings erneut über seinen Namen Gedanken. Wer mochte er bloß sein, dass er so wichtig war, irgendwohin gehen zu können und sofort erkannt zu werden? Hatte sie vielleicht sogar ein Mitglied der Herrscherfamilie gefunden? Nachdenklich betrachtete sie seinen Schemen in der Dunkelheit.


    "Ist gut. Gehen wir weiter." bestätigte sie, obschon ihr Atem immer noch schwer ging. Er hatte allerdings Recht. Ihr Bestreben war nicht weniger groß als seines, den Zustand der Freiheit zu erhalten und endlich wieder nach Hause zu kommen. Einigermaßen mühsam stemmte sie sich vom Boden ab und ging ebenfalls neben dem Flüsschen in die Hocke, um ein wenig Wasser zu schöpfen. Auch sie hatte Durst und das dringende Bedürfnis, sich ein bisschen zu erfrischen. Sie wusch sich das Gesicht, Hals und Nacken und anschließend noch die Unterarme und Schienbeine. Das Wasser war eisig und vitalisierte noch zusätzlich - ein Effekt, der durchaus recht nützlich war.


    "Ich komme nicht aus Rom." erklärte sie, während sie sich wusch und fröstelnd aufstöhnte. "Diese Männer haben mich geraubt. Ich war vor kurzem in Germanien." Es fiel ihr gerade relativ schwer, sich einigermaßen elegant auszudrücken. Wieder sandte sie ein schmales Lächeln in Richtung des Marcus. Ein wenig verunsichert war sie schon von der Situation. Es war ja ganz klar, dass sie wieder nach Germanien wollte, zu ihrer Familie - für sie jedenfalls. Als er ihr allerdings seine Hilfe angeboten hatte, war ihm das vielleicht gar nicht so bewusst gewesen. Vielleicht hatte er gedacht, sie stammte zwar von dort, lebte aber schon eine ganze Weile in Rom. Wahrscheinlich dachte er, sie hätten nun denselben Heimweg. Sie kannte sich nicht gut aus, aber dass ihr Heimweg in die entgegengesetzte Richtung führen musste, sagte ihr schon der Verstand, denn die Reise hatte bislang in Richtung von Rom geführt.
    Sie würde ihn gern von seiner Zusage, ihr zu helfen, entbinden - doch Eldrid wusste durchaus auch gut, dass sie nicht so einfach wieder nach Hause finden konnte. Nicht allein. Ihr fehlte es dafür einfach an allem außer dem eisernen Willen. Etwas scheu erkundigte sie sich dennoch: "Ich muss zurück und Rom ist... weit weg. Aber ich weiß nicht, wo ich langgehen muss. Kannst du mir helfen?" Inwieweit er ihr helfen wollte, konnte sie ihm natürlich nicht aufdrücken. Er würde ihr wohl kaum einen Haufen Geld geben, eine Mitfahrgelegenheit organisieren und sie nach Hause schicken - warum sollte er? Sie hatten sich gegenseitig bei der Flucht geholfen, sie waren quitt. So würde er das wahrscheinlich ebenfalls sehen. Ohne seine Hilfe würde sie allerdings nicht sonderlich weit kommen, zumal es immer kälter wurde. Es war ziemlich vertrackt.

    Sie fühlte sich nicht nur unglaublich blöd, weil sie überhaupt auf die Nase gefallen war - sie fühlte sich auch noch im selben Maße als Idiotin, weil sie ihn auch noch mit sich riss. Sicher, irgendwie war er ja selbst Schuld an der Sache, so wie er an ihr gezogen hatte. Andererseits hatte er das ganz sicher auch nicht böse gemeint, schließlich wollte er ihr helfen. Sie schlitterte gegen ihn und rappelte sich auch sofort wieder auf. Für Entschuldigungen oder Erklärungen war jetzt nicht die Zeit; sie sah Marcus an, der sich kaum nach ihr wieder besonnen hatte und ebenfalls wieder auf die Beine gekommen war. Sie atmete heftig und ihr Herz schlug sehr rasch in ihrer Brust. Dann hörte sie Stimmen, sah seinen Blick und folgte diesem - ihre Verfolger waren dicht hinter ihnen. Verdammt. Sie hatte inständig gehofft, dass sie die Mühe einfach nicht wert waren. Hinter ihr selbst würden sie vermutlich tatsächlich nicht allzu lange herlaufen; dieser Marcus hingegen schien ein appetitlicher Happen für die Entführer zu sein. Einer, den sie sich nicht entgehen lassen wollten. Sie würde die Bedeutung seiner Herkunft wohl noch erfahren. Sie empfand tatsächlich ein gewisses Interesse daran, zu wissen, mit wem sie hier auf der Flucht war - obwohl sie eigentlich anderes im Kopf haben sollte.
    Sie reagierte schnell auf die Zeichen und hastete weiter hinter Marcus her. Nun, da sie ihre Hände frei hatte, viel es ihr wesentlich leichter zu rennen, denn sie konnte den Rock recht gut lupfen. Sicherlich hatte es schon würdevollere Momente gegeben als diesen, in dem sie mit mehr als halb entblößten Beinen in heilloser Panik und in dunkler Nacht über matschigen Boden rannte, aber Würde brachte ihr die Freiheit halt auch nicht zurück. Sie schrie kurz auf, als sie das Handgemenge dicht bei sich mitbekam. Die Aufforderung, so schnell zu rennen wie sie konnte, brauchte sie nicht extra. Das tat sie schon. Völlig ziellos und einigermaßen blind rannte sie einfach. Äste schrabbten über ihre Haut, aber sie klagte nicht.


    Sie konnte nicht recht sagen, wie lange sie am Ende gerannt war, aber ihre Lungen schienen zu brennen. Sie arbeitete viel daheim, sie bewegte sich auch viel. Allgemeinhin hatte sie den Ruf einer emsigen und braven jungen Frau. Jetzt konnte sie nicht mehr. Sowieso war sie erschöpft. War es gewesen, noch bevor sie ihrem Begleiter die Fesseln geöffnet hatte, um diese Flucht überhaupt erst zu bewerkstelligen. Jetzt kam noch diese immense Belastung hinzu; ständig stolperte sie in der Finsternis, riss sich irgendwo die Haut kaputt und vertrat sich.
    Hustend blieb sie stehen und versuchte gleichzeitig, das Husten und Schnaufen durch gemäßigtes Atmen zu tauschen. Ein Unterfangen, das ihr nicht wirklich gut gelang, denn über das Luftschnappen verhandelte ihr Körper einfach nicht mit ihr. Sie beugte sich leicht nach vorn und stützte sich auf den Knien ab. Wenn Eldrid mal rannte, dann nur, weil sie mit Sarolf herumgealbert hatte, oder mit den Kindern spielte. Das war eine ganz andere Form der Anstrengung als... das hier. Immer wieder hielt sie kurz die Luft an, um leiser zu sein und brach dann doch wieder hervor. Sie hatte das Gefühl, gleich umzufallen. Ein dünner Schweißfilm bedeckte Stirn und Hals, das Haar war leicht verklebt.


    "Sind... sind... weg?" brachte sie mühsamer denn je im Lateinischen hervor. Sie wagte nicht, sich hinzusetzen. Wie sie einen neuerlichen Spurt schaffen sollte, wusste sie allerdings auch nicht. Sollten sie sie doch schnappen, sie würde schon irgendwie nach Hause finden. Nein - natürlich war das nicht ihr Wunsch. Wie es aber eben häufig so war, wenn man kurz vorm vermeintlichen Ende stand, wurde auch Eldrid kompromissbereit. Wenigstens theoretisch. "Ich kann nicht mehr." bekundete sie das Offensichtlichliche und ließ sich nun doch einfach auf den Boden fallen. Unter ihrem Hintern war es matschig und sie überlegte besser erst gar nicht, was da nun genau war; aller Wahrscheinlichkeit einfach nur feuchtes Moos oder etwas Ähnliches. "Ich... ich dachte... du hast einen Plan." warf sie ihm nun vor und deutete ein etwas hysterisches Lachen an, das aber sofort in ein geplagtes Husten überging. Sie sah erschöpft in Richtung des Himmels, von dem sie immerhin ein paar Sterne sah.