Beiträge von Gaius Germanicus Nero

    Nero folgte zunächst den Erklärungen des Ausbilders, konzentrierte sich dann aber recht schnell nur noch auf die Demonstrationen der Hilfsausbilder. Er konnte bildhaften Darstellungen schon immer besser folgen als abstrakten Worten. Der ein oder andere Griff war Nero geläufig; nicht aber in dem Sinne, dass er schon davon gehört hatte, sondern vielmehr, weil er sie schon unbewusst angewandt hatte. In Mogontiacum, wenn er ab und an wegen Besorgungen für Lydie in der Stadt war, hatte er manchen Abend mit Glücksspiel in den Tavernen verbracht. Selbstredend hatte dieses auch zum einen oder anderen weinschwangeren Konflikt geführt, der letztlich nur noch mit Fäusten zu lösen war. Lydie hatte ihn immer getadelt, wenn er übersäht mit blauen Flecken am folgenden Morgen zum Schweinehof zurückkehrte.

    Nachdem der Optio alle Griffe erläutert hatte, trat Nero zusammen mit Rusius in den Sand. Natürlich war dieser schon seiner körperlichen Unterlegenheit wegen im Nachteil. Normalerweise hätte Nero diesen mit bloßer Kraftanstrengung schon zu Boden gebracht, doch er versuchte, die Anweisungen des Optios zu beherzigen und einen sauberen Spaltgriff zu präsentieren. Dreimal hintereinander packte der Hüne den Rusier zwischen die Beine und riss ihn auf den sandigen Untergrund, woraufhin dieser einige Sekunden mit schmerzverzerrten Gesicht und Wehklagen liegen blieb. Rusius bewies allerdings Kampfgeist und stellte sich dem überlegenen Nero ein ums andere Mal. Mit einem schnellen und gekonnten Griff zwischen die Beine riss der schmächtige Rusier Nero tatsächlich um. Nero hob sich langsam und etwas benommen auf und erkannte, dass die bloße Technik einiges an körperlicher Unterlegenheit wett machen konnte. Der nächste Spaltgriff gelang ihm deshalb auch sehr viel effizienter und mit weitaus weniger Kraftanstrengung.

    Nachdem der Optio das Contubernium krankheitsbedingt beinahe um die Hälfte verkleinert hatte, machte sich der Rest nach Ablieferung der Übungsgladii wie befohlen zu den Thermen auf. Zusammen mit Rusius, der ebenfalls von der Lectio verschont geblieben war, betrat Nero das Ziegelsteingebäude und begab sich zunächst zur Umkleide. Etwas flau war dem Hünen durchaus bei dem Gedanken, dass der Optio die Tirones womöglich zum Schwimmen aufforderte - denn das hatte Nero auf dem Schweinehof natürlich nicht erlernt. Gleichwohl hatte der Optio Ringen und Nahkampfübung angekündigt, sodass vielleicht doch Hoffnung für ihn bestand, einen guten Eindruck hinterlassen zu können. Zum ersten Mal seit Beginn der Ausbildung von leichter Nervosität geplagt, fand sich Nero also neben dem Rest des Contuberniums in der großen Schwimmhalle ein, um auf die Ankunft und die Anweisungen des Ausbilders zu warten.

    Auf den Befehl des Optios hin wandten sich die Tirones rechts um und bewegten sich im Laufschritt um den Campus. Das Gewicht von Kettenhemd und Schuppenpanzer gaben Nero das Gefühl, in der Bewegung langsam gen Boden gezogen zu werden und bereits nach wenigen Sekunden rannen ihn die Schweißtropfen trotz des kühlen Herbstwetters wie ein Wasserfall von der Stirn. Nachdem sich die Ausbildungsgruppe gemeinsam um den Campus geschleppt hatte, traten die Tirones wieder in Formation an, wobei ihr Hecheln und Ringen nach Luft deutlich zu vernehmen war. Ob dies auf fehlende Kondition der Frischlinge oder auf die Nachwirkungen des Keuchhustens zurückzuführen war, war der Beurteilung des Ausbilders überlassen. Nero indes blickte wie versteinert nach vorne, während sich sein Atem schnell beruhigte und er die Übungsanweisungen für das Scutum erwartete.

    Als die Tirones an diesem Morgen - teilweise noch immer gebeutelt durch die schwere Krankheit und die Isolation - antraten, sahen sie sich nicht dem altbekannten Catius, sondern einem Optio Germanicus gegenüber, dessen Name Nero ins Grübeln geraten ließ. War er ein Verwandter? Möglicherweise. Allerdings war Nero als ausgestoßener Bastard der Familie gänzlich unbekannt. Darüber hinaus war der Name Germanicus weit verbreitet und nicht alle Zweige auf denselben Ahnen zurückzuführen. Der hämmernde Bass des neuen Ausbilders sorgte in jedem Fall dafür, dass Nero nicht viel Zeit in Gedanken verbrachte, sondern den Ausführungen über Gladius, Hieb- und Stichmanöver folgte. Eben diese quittierte das Contubernium einvernehmlich mit einem lauten "Jawohl, Optio!", wenngleich die Abgespanntheit der Truppe noch immer hörbar war, und griff dann zu den Holzgladii, um die vom Optio beschriebenen Manöver zunächst in der Luft zu erproben. Nero hatte noch nie zuvor einen Gladius in den Händen gehalten, dafür aber allesamt Utensilien und Werkzeuge. Auf dem Schweinehof von Brigio, wo er aufgewachsen war, gehörte der Umgang mit der Axt oder dem Rechen zum täglich Brot und obgleich der Gladius eine weitaus elegantere Handhabe bedurfte, ließ Nero durchaus eine gewisse Versiertheit erkennen. Ganz anders war dies bei seinem Kumpel Rusius, dem schmächtigen Blondschopf, der zwar in den Theorieeinheiten geglänzt hatte, nun aber durch wildes Herumgefuchtel befürchten ließ, auch bei großzügigem Sicherheitsabstand einem Kameraden das Auge auszustechen.

    Im Lager der neuen Rekruten hatte sich ein heftiger Keuchhusten breit gemacht, der dazu geführt hatte, dass sich das gesamte Contubernium für mehrere Tage in der Centuria hatte isolieren müssen. Rusius und Nero waren zum Glück glimpflich davon gekommen. Während Rusius aber zusätzlich zum Husten leicht fiebrig war, hatte Nero einen ekelerregenden Durchfall. Dies ging so weit, dass er fast die ganze Nacht auf der Latrine verbrachte. Den Göttern sei dank war dieser Alptraum vorbei und Nero fühlte sich nun einige Tage wieder gesund. So hatte das Contubernium lediglich einen Mann, einen gewissen Alimentus verloren, der diesen Ausbildungsdurchgang nicht weiter verfolgen konnte und zurück zu seiner Familie geschickt wurde.


    So traten die Rekruten also nach einigen Tagen der erzwungenen Pause wieder auf dem Exerzierplatz an, um die Ausbildung durch Centurio Catius fortzuführen. Nachdem die theoretischen Einheiten noch rechtzeitig vor der Krankheitsperiode beendet werden konnten, sollten sich die Tirones heute und in folgender Zeit mit Scutum und Gladius erproben. Noch standen sie allerdings stramm und warteten auf ihre Befehle - Rusius, der Blondschopf, direkt neben Nero. Auch wenn Nero ihn bei ihrer erster Begegnung - wie es wohl auch einfach seine Art war - zunächst mit Ignoranz gestraft hatte, hatte der Keuchhusten das gesamte Contubernium enger zusammengeschweißt. Nero verband mit Rusius nun in gewisser Weise eine Freundschaft, was er in seiner leicht störrischen und grimmigen Art allerdings kaum erkennbar nach außen trug.

    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/gared_1x01v3o7a.png]


    Brigio merkte, dass es allmählich ernster wurde. Die Absichten der Fremden waren nun erkennbar und sein Blick verfinsterte sich. Gleichsam war Brigio viel zu starrsinnig, als dass er Arwids Aufforderungen hätte nachgeben können. "Wenn ihr meine Schweine stehlen wollt, dann spüre ich die Konsequenzen weit mehr als die römische Tyrannei, von der du berichtest", entgegnete Brigio grimmig. Immerhin war der Schweinehandel sein Lebensunterhalt und gereichte gerade so dafür, seinen Hof auch im nächsten Jahr fortzuführen. Gerade jetzt, wo Nero sie verlassen hatte und er alles alleine machen musste. "Wie ich bereits sagte...ihr bekommt von mir eine warme Mahlzeit und eine Schlafmöglichkeit bei den Schweinen. Dann könnt ihr gestärkt im Morgengrauen weiterziehen", wiederholte Brigio monoton. "Das ist alles, was ich zu eurer Mission beitragen kann." Mit funkelnden Augen blickte Brigio zu Arwid. Er war nicht auf Streit aus und wollte auch nicht sein Leben riskieren. Allerdings ließ er sich auch nicht gerne erpressen.

    Der alte Centurio Catius hatte die zuvor unruhigen Reihen schnell unter Kontrolle. Seine Worte waren eindringlich genug um jedem der anwesenden Rekruten einzutrichtern, dass der Centurio mit sich nicht spaßen ließ. Mit einem lauten "Jawohl, Centurio!" drückten die Neulinge im Chor ihr Verständnis für die Ansage des Ausbilders aus und begannen dann die folgenden Anweisungen wie hörige Jungen zu befolgen, als hätte man sie mit dem Schritt in das Kastell entmündigt.


    Zunächst ordnete der Centurio Laufrunden um den Exerzierplatz an, danach vierzig Liegestütze. Zehn weitere für jeden Mann, der zuvor das Segel strich. Recht schnell stellte Nero fest, dass er sich zu den fittesten Rekruten zählen konnte. Der ein oder andere schnaubte bereits nach den Laufrunden, als hätte er gerade eine germanische Wildsau mit bloßen Händen erlegt. Nero dagegen meisterte auch die folgenden Liegestütze problemlos. Er war harte Arbeit gewohnt und hatte auch auf dem Schweinehof immer trainiert, wenn er sich ablenken musste.


    Dafür lag ihm die nächste Disziplin nicht besonders: Die Theorie. Unvermittelt forderte der Centurio ihn auf, die Zusammensetzung einer römischen Legion zu erörtern. Stumm und mit nichtssagenden Blick blickte er dem Ausbilder entgegen. Nero hatte keinen Schimmer. Woher auch? Auf einem Schweinehof lernte man wie Ställe ausgemistet und Schweine geschlachtet wurden. Die Theorie des Militärwesens gehörte eindeutig nicht dazu.


    Nach einem kurzen Einlauf des Centurios wandte sich dieser an den Blonden, Neros Zimmerkameraden. Dieser stellte sich mit dem Namen Rusius vor und beantwortete die Frage problemlos. Dann folgten theoretische Ausführungen zur Ausrüstung eines Legionärs und zu den Formationen. Nero folgte den Worten aufmerksam, war sich aber sicher, dass er sich nicht alles merken konnte.


    Auf die Theorierunde folgte noch eine weitere Laufeinheit, bei der Nero wieder zu alter Stärke zurückfand. Dann wurde der Ausbildungstag vom Centurio mit der Ankündigung beendet, dass am folgenden Tage der Umgang mit dem Gladius erprobt werden sollte. Nero war sich sicher, dass er sich dabei besser schlagen würde.

    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/gared_1x01v3o7a.png]


    Brigio blickte noch immer argwöhnisch drein, als Arwid mit seiner Begrüßung seine Herkunft offenlegte. Der alte Schweinebauer war generell ein misstrauischer Geselle, umso mehr wenn sich eine halbe Armee auf Pferden auf seinen Hof verirrte. Der freundliche Tonfall des Fremden, der die Gruppe vermutlich anführte, linderte seine Skepsis dabei in keinster Weise. "Was zahlt ihr denn für meine Schweine?", brummte Brigio aus seinem dicht gewachsenen Bart, als führte er eine alltägliche Preisverhandlung mit einem der Händler auf den Märkten Mogontiacums.


    Dann trat ein anderer hervor und verlangte Auskunft über Brigios Herkunft. Brigio räusperte sich kurz. "Germane, Römer, Daker, Gallier...", begann er nüchtern. "Ich bin ein einfacher Schweinebauer und lebe hier seit dreißig Jahren in Frieden - unabhängig meiner Herkunft." Brigio hatte gelernt, dass es besser war, sich auf keine Seite zu stellen. Die Römer hatten ihm nie etwas getan. Er selbst hatte einen Römer großgezogen wie seinen eigenen Sohn und hatte ihn lieben gelernt. Es lag ihm fern, sich zu irgendetwas oder irgendwem zu bekennen - er war einfach nur Brigio, der Schweinebauer aus den Wäldern Mogontiacums. "Wenn ihr zahlen könnt, dann genießt ihr meine Gastfreundschaft so wie jeder andere, der sich auf meinen Hof verirrt."

    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/gared_1x01v3o7a.png]


    Dem alten Brigio entging nichts, wenn es um seinen Hof ging. Er konnte ungebetene Gäste förmlich riechen. In diesem Fall hatte das Galopp und Gewieher der Pferde die fremden Eindringlinge aber bereits lange im Voraus angekündigt, sodass er gar nicht auf seinen guten Geruchssinn zurückgreifen hatte müssen. Er warf seine Axt beiseite, mit der er gerade noch vor einem der Nebengebäude Holz gehackt hatte und schritt mit argwöhnischen Blick den Reitern entgegen. Es verirrte sich selten jemand auf seinen Hof. Ab und an hatte er Tagelöhnern, die auf der Flucht vor der Kälte waren, eine warme Mahlzeit und einen Platz bei den Schweinen gewährt. Noch nie hatte er allerdings Männer begrüßt, die auf Pferden ritten. Mit grimmigen Blick trat Brigio Arwid und seinem Geleit entgegen. "Wer seid ihr und was wollt ihr?", sprach der alte Bauer mit bestimmenden Tonfall. Instinktiv ballte er die Fäuste, denn er witterte Gefahr.

    Am Tag nach seiner Vereidigung fand sich Nero zusammen mit den anderen Rekruten am Campus ein, um seine Grundausbildung zu beginnen. Die Nacht war kurz gewesen und Nero hatte kaum geschlafen. Seine Zimmerkameraden hatten sich noch bis Mitternacht den Kopf darüber zerbrochen, wie die Ausbildung wohl ablaufen und was sie erwarten würde. Nero dagegen hatte sich in diesen Gesprächen kaum eingebracht, denn für was sollte all die Spekulation schon gut sein? Seine Gedanken waren bei Brigio und Lydia. Er war nicht sentimental, aber er hoffte, dass sein Ziehvater gut zurechtkam. Brigio war nicht mehr der jüngste und es hatte ihn einen Schlag versetzt, als Nero seine Pläne offengelegt hatte - und das, obwohl den Alten sonst nichts aus der Ruhe brachte.


    Für den Moment weilten Neros Gedanken aber nicht in der Ferne, sondern auf dem Exerzierplatz. Er reihte sich mit strammer Haltung bei den anderen Rekruten ein und erwartete sodann die ersten Anweisungen des Ausbilders.

    Etwas überrascht, dass er direkt als erster aufgerufen wurde, trat Nero zögerlich nach vorne. Er schämte sich nie, aber das Leisten eines Eides und vor allem die Unsicherheiten, die damit verbunden waren, führten selbst bei einem Hünen wie ihn zu einem kurzen Zweifeln. Was würde der Eid für ihn bedeuten? Würde er diese Castra je wieder verlassen können? Nero wusste es nicht, aber er war bereit das Risiko einzugehen. Er hatte lange genug darüber gegrübelt und sich letztlich für das Leben bei der Legion entschieden. Als er vor dem Centurio stand baute er sich selbstbewusst auf, den Blick leicht nach oben gewandt. Glücklicherweise musste er nur nachsprechen und nicht selbst lesen. Die Götter waren mit ihm. "IURANT AUTEM MILITES OMNIA SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS, NUMQUAM DESERTUROS MILITIAM NEC MORTEM RECUSATUROS PRO ROMANA REPUBLICA", sprach Nero entschlossen, wohl wissend, dass er sich gerade in die Hände des Kaisers und des Staates begeben hatte. Nero war bereit seine Pflicht zu tun und hatte endlich eine Aufgabe, die ihn seiner Bedeutungslosigkeit entriss.

    Am ersten Tag nach seiner Ankunft hatte sich Nero bereits im Morgengrauen zum sacellum aufgemacht, wo er mit vielen anderen neuen Rekruten seinen Eid leisten sollte. Unter ihnen war auch der Blonde, den Nero am Vorabend in seiner Baracke kennengelernt hatte. Er schien sich von ihm fernzuhalten oder hatte zumindest nicht den Mut, Nero anzusprechen. Nero dagegen hatte im Moment nicht die Absicht, sich mit irgendjemandem anzufreunden. Also ging er alleine seines Weges und stieß zu den anderen Rekruten am Fahnenheiligtum, die bereits anwesend waren. Nach und nach kamen weitere Rekruten hinzu bis letztlich Stille herrschte und Nero gespannt abwartete, was ihn erwartete. Er hatte noch nie einen Eid geleistet und konnte sich auch nur schwerlich vorstellen, welche konkreten Konsequenzen ein Eid für ihn hatte. Er wusste nur, dass es etwas verbindliches, vollkommenes war und sein Leben im Zeichen dieses Eides stehen würde.

    Direkt vom Rekrutierungsbüro kommend schleppte Nero seine neue Ausrüstung in die Baracke. Zweite Kohorte, Vierte Centurie hatte der Optio ihm mitgeteilt. Bei der Baracke angekommen ging er wahllos in ein contubernium. Im Vorraum legte er seine Ausrüstung ab und ging dann weiter in die Schlafstube. Vier Betten, also wohl drei Mitbewohner. Die Räumlichkeiten schienen kahl und wenig wohnlich, aber Nero war nichts besseres gewohnt. Sein Zimmer bei Brigio war kaum bequemer gewesen und außerdem machte sich Nero nichts aus Luxus. Wahllos ließ er sich auf eines der Stockbetten fallen, als eine Stimme im Vorraum in herrischem Tonfall polterte: "Besetzt!" Nero folgte der Stimme und baute sich vor dem Unbekannten auf - offensichtlich einer seiner zukünftigen Kameraden. Er musterte ihn eindringlich und stellte fest, dass er wesentlich kleiner war. Blond, muskulös, aber ein zartes, weiches Gesicht. "Ich meine, das Bett ist besetzt. Das gegenüber ist noch frei", erklärte der Fremde. Nero nickte feststellend und ließ sich kurz auf das Bett fallen, das nun wohl seines war. Es dauerte nur einen kurzen Moment, bis die Müdigkeit seinen Geist und Körper allmählich lähmte. Der Weg vom Schweinehof bis zum Legionslager war lang gewesen. Nero war einiges gewohnt, aber diesmal musste er sich seiner Müdigkeit ergeben. So fiel er also in einen tiefen Schlaf und erwachte erst am frühen Morgen wieder, am Tag an dem er seinen Eid leisten sollte.

    Den Kommentar des Soldaten bezüglich seiner Größe nahm Nero wortlos entgegen. Vielleicht war es ein Kompliment, vielleicht auch nur eine beiläufige Bemerkung - Nero hatte kein gutes Gespür für solcherlei Bemerkungen. Vielmehr interessierte ihn ohnehin die Ausrüstung, die der Miles vor ihm auf dem Tisch platzierte. Der Germanicer hatte den Umfang völlig unterschätzt. Als er die Sachen aber so vor sich liegen sah, schienen die zahlreichen Hilfsmittel und Gegenstände Sinn zu machen.


    Wie sich bereits gezeigt hatte, war Nero kein guter Leser, so dass es eine ganze Weile dauerte, bis er die Liste durchgearbeitet hatte. Zusätzlich erschwerte ihm die Prüfung, dass er nicht alle genannten Gegenstände kannte. In dem Vertrauen darauf, dass der Miles sorgfältig gearbeitet hatte, nahm er aber letztlich die Tabula in die Hand und unterschrieb. "Vale", verabschiedete er sich dann machte sich auf in Richtung Baracken, um das ganze Zeug gleich zu verstauen.



    Hiermit bestätige ich den Erhalt der folgenden Ausrüstung:


    - I Lorica Segmentata (Schienenpanzer)
    - I Mantel
    - II Leinentunika
    - II Gürtel
    - II Paar Stiefel
    - I Lederriemen
    - I Öllampe
    - I Furca
    - I Tragestange
    - I Tragenetz
    - I Tasche
    - I Sack
    - I Bronzetopf
    - I Patera
    - I Löffel
    - I Messer
    - I Feldflasche
    - I Gurt
    - I Cassis
    - I Helm
    - II Beinschienen
    - I Gladius
    - I Pugio
    - II Pilae
    - I Scutum
    - I Schildhülle


    Unterschrift des Soldaten:


    G GER NERO

    Der Weg vom Rekrutierungsbüro führte Nero am valetudinarium vorbei direkt zur horrea, wo er seine Ausrüstung empfangen sollte. Was genau ihn erwartete, wusste er nicht. Zu seiner vagen Vorstellung eines Legionärs gehörte vor allem die Rüstung, das Schild und der Gladius. Wohl auch ein Rucksack, der für einen längeren Marsch als Stauraum diente. Gespannt trat er also am Magazin angekommen einem diensthabenden Soldaten entgegen und brachte sein Anliegen hervor. "Ich bin Gaius Germanicus Nero..." Der Name klang selbst aus seinem eigenen Mund noch immer befremdlich, wenn er ihn hörte. "...ich bin hier, um meine Ausrüstung abzuholen."

    Nach seiner Tauglichkeitsprüfung im Lazarett kehrte Nero zurück in das Rekrutierungsbüro. Er hoffte, dass er den bürokratischen Teil bald hinter sich gebracht haben würde. Zielsicher steuerte er wieder den diensthabenden Optio an und baute sich vor dessen Schreibtisch auf. "Meine Musterungsakte", sprach er wortkarg zum Optio und reichte ihm die Tabula.


    LEGIO II GERMANICA
    MUSTERUNGSAKTE


    Name: Gaius Germanicus Nero
    Vater: Quintus Patuleius Mela
    Herkunft: Mogontiacum
    Alter bei Eintritt: 23


    Körperliche Verfassung: sehr gut




    Bei Musterung festgestellte Leiden: Keine




    Musterungsergebnis: Tauglich

    Nero nahm die Tabula schweigend entgegen und machte sich zurück auf den Weg zum Rekrutierungsbüro. Höhere Ziele? Lesefähigkeiten verbessern? Nero war froh, dass er überhaupt in die Legion eintreten durfte. Vor einem Jahr wäre er niemals auch nur auf den Gedanken gekommen. Somit war es im Moment sein höchstes Ziel, als Legionär an der Grenze zu dienen.