Beiträge von Marcus Valerius Nasica

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    Rückblick ANTE DIEM XV KAL NOV DCCCLXIX A.U.C - ein halbes Jahr , BEVOR Tiberios nach Roma verkauft wird



    Ezra ben Abraham, Buchhändler


    Ezra ben Abraham war in der Tat erfreut darüber, dass Tiberios alles gleich verstanden und so bereitwillig aufgenommen hatte. Er sah sich in erster Linie mehr als Händler, denn als Rabbi, doch machte es ihm doch Vergnügen sich zur Abwechslung einmal wieder mit jemand Außenstehenden über seinen Glauben zu unterhalten. Die Alexandriner waren bei all ihrem Forschungsdrang eben doch meist immer noch viel zu verbohrt bei diesem Thema.


    Er nicht und begann: "In der Tat kann unser Gott auch ein grausamer sein, wenn wir an die Sint..." doch weiter kam er nicht mehr, da in diesem Augenblick der junge Alexandros beschlossen hatte nachhause zu wollen. Ganz das reiche (vielleicht etwas verzogene?) Kind das er war, machte er auch einen Scherz über eine mögliche Strafe, für Tiberios, was eher weniger nach dem Geschmack von Ezra ben Abraham war. Er hielt generell wenig von der Sklaverei als Institution.
    Er neigte den Kopf in Richtung von Athenodoros' Sohn. "Sei versichert, kleiner Herr, dass es mir ein Vergnügen war mich mit deinem Freund hier zu unterhalten. Er hat mich nicht belästigt, im Gegenteil."


    Schön langsam kam also das Ende dieser Zusammenkunft in Sicht, weshalb er als nächstes sagte: "Es gibt nichts zu vergeben, keine Angst. Kommen wir nun zur Bezahlung, dann könnt ihr nachhause gehen und weiter das Ragnarök studieren." Ein kleiner schelmischer Seitenblick auf Alexandros, dann nannte ihnen Ezra ben Abraham die fällige Summe.

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    Rückblick ANTE DIEM XV KAL NOV DCCCLXIX A.U.C - ein halbes Jahr , BEVOR Tiberios nach Roma verkauft wird



    Ezra ben Abraham, Buchhändler


    Der Sklave des Athenodoros hatte doch keine Frage zu Moses, so wie der Buchhändler das eigentlich angenommen hatte, sondern im Gegenteil gleich eine viel höhergeordnete über den jüdischen Gott selbst. Natürlich war sie nicht schwer zu beantworten, so also nickte Ezra ben Abraham nur und sprach dann im Tone eines Schriftgelehrten zu dessen Schüler: "Egal an welche Götter du glaubst, es herrscht immer Hierarchie. Nimm nur die Götter Griechenlands. Zu aller unterst stehen nichtgöttliche Geisterwesen wie Nymphen und Satyrn. Über ihnen stehen die überlebenden Titanen und niederen Götter wie Helios, Atlas, Pan, oder Hebe und auch die etwas abseits der Rangordnung stehenden hohen Götter wie Hades, Persephone, oder Aphrodite. Und noch einmal über all diesen sind die zwölf olympischen Götter deren König der Göttervater Zeus ist, du verstehst junger Freund?"


    Gewiss würde Tiberios mit den griechischen Göttern als Einstieg alles leichter verstehen können, weshalb er auch sie gewählt hatte.


    "Doch selbst in der griechischen Mythologie ist Zeus kein allmächtiger Herrscher, der über alle Dinge dieser Welt bestimmen kann. Zeus ist wie alles andere auf der Welt ebenso den Launen der Moiren unterworfen, die das Schicksal mittels ihres Garns weben. Die Moiren stehen über Zeus, denn sie bestimmen was in der Welt geschah, geschieht und geschehen wird, genauso wie es auch unser HaSchem, der Allmächtige, tut. Er war da bevor alles andere da war. Er erschuf den Himmel und die Erde. Er offenbarte sich meinem Volk im Brennenden Dornenbusch und er schloss mit Mose unseren heiligen Bund. HaSchem führte uns aus der ägyptischen Sklaverei und schenkte uns Kanaan. Er ist das Anfang und das Ende und alle Dinge die da sind, sind von ihm gemacht, das Gute wie auch das Böse. Gut und Böse sind irdische Dinge, denen HaSchem als der Herr gegenübersteht. Er ist alles und nichts, nirgends und überall zur gleichen Zeit. Die griechischen Götter hingegen sind irdische Wesen. Sie wohnen auf dem Berg Olymp, sie kamen sehr spät auf die schon existierende Welt nach den Titanen und sie haben menschliche Wesenszüge. Sie sind gierig, rachsüchtig, eifersüchtig und sie können sterben. Genauso verhält es sich mit den ägyptischen Göttern, da du Serapis erwähntest. Serapis ist eine Verschmelzung von Osiris, Apis, Hades und Zeus und wo die Grenzen des Göttervaters sind haben wir ja schon aufgezeigt."


    Vielsagend nickte Ezra ben Abraham.


    "Also kann auch Serapis nicht höher stehen als Zeus. Bei seinem ägyptischen Ursprungsgott ist es genauso. Osiris ist ein Gott und trotzdem konnte er von Seth getötet und zerstückelt werden. Das beweist, dass sie alle, die ägyptischen wie auch die griechischen Götter als irdische Geisterwesen in der Welt des jüdischen Glaubens nicht höher als die Engel stehen können und selbst diese stehen noch Äonen unterhalb von HaSchem. Selbst die Engel mit dem Titel ha-Satan, die Ankläger am göttlichen Gerichtshof, sind von HaSchem gesteuert und handeln nach seinem Willen. Du siehst jetzt, junger Freund, wie unendlich weit unterhalb die griechischen und ägyptischen Götter von HaSchem stehen, beantwortet das deine Frage?"


    Ezra ben Abraham hatte langsam und mit vielen Pausen gesprochen, damit der Junge auch ja alles verstehen und aufnehmen konnte. Ihm war nämlich bewusst, dass vielen Völkern die unendliche, allwissende und allmächtige Macht des jüdischen Gottes anfangs immer suspekt war, wo sie doch so sehr an ihre menschlich-irdischen Götter mit ihrer Begrenztheit und ihrem Füllhorn an Emotionen gewöhnt waren.

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    Ezra ben Abraham, Buchhändler


    Ezra ben Abrahams Blick ruhte erfreut auf dem kleinen Alexandros, wie dieser schon ganz dabei war die Buchstaben des Ragnarök zu entziffern. Es war immer wieder schön, wenn ein weiterer junger Geist zu den Freuden des Lesens und der reichhaltigen Gedankenwelt fand, die diesem Metier verhaftet war. Dann wandte er sich wieder Tiberios zu, der ihm zum Dank ein kleines Gegenangebot unterbereitete.


    Wenn der Buchhändler ihn richtig verstand, so wollte er Ezra ben Abraham eine griechische Übersetzung des ursprünglich lateinischen Werks der Aeneis bringen. Hm, lateinische Literatur. Ezra ben Abraham hielt nicht gerade viel davon. Diese römischen Autoren waren viel zu sehr dem praktischen verhaftet. Außerdem, was war schon urtümlich römisch, was sie nicht von einem anderen Volk übernommen hatten? Ihre Tempel und Götter waren griechisch, "typisch römische" Dinge wie die Fasces und die Bulla kamen von den Etruskern, die Karthager waren ihre Lehrmeister zur See gewesen...also was war schon wirklich römisch? Er hatte Teile des Inhalts der Aeneis schon einmal gehört und das hatte eher weniger nach einem völlig originären Werk geklungen. Aber er wollte Tiberios seine Freude nicht verderben, weshalb er antwortete: "Du ehrst mich mit deinem Angebot und ich nehme es gerne an. Natürlich werde ich dich auch dafür bezahlen, ich bin sicher du wirst eine gute Einsatzmöglichkeit für dieses Geld finden."


    Tiberios schloss dann mit einer Frage zu Moses. Gütig lächelte der Buchhändler und winkte ab. "Bitte, junger Freund, Ezra ben Abraham genügt völlig, du musst mich nicht Herr nennen. In meinen Verkaufsräumen sind alle Freunde des geschriebenen Wortes gleichgestellt." Zumindest aus der Sicht des Juden.
    "Moses, Sohn des Amram aus dem Stamm Levi, war in der Tat einer der größten Nachkommen von Vater Abraham", nickte er. "Wenn es in meiner Macht liegt so beantworte ich gerne deine Frage, junger Freund."




    Sim-Off:

    Der erste Absatz war eigentlich um ein vielfaches länger, wo davon erzählt wurde welche Bedeutung das Wunder des Lesens für Ezra ben Abraham hat...leider hatte ich es durch eine unbekannte Tastenkombination geschafft mein Tab zu schließen, woraufhin alles weg war und ich meinen Post neu schreiben durfte, deshalb jetzt hier "nur" die gekürzte Fassung. :patsch: :fad:

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    Ezra ben Abraham, Buchhändler


    Die Wünsche des jungen Mannes und des Kindes waren ganz nach Ezra ben Abrahams Geschmack. Besonders der zweiter und der dritte.
    So nickte er und ging zu einem Regal hinüber in dem die Reiseberichte und Landeskunden von berühmten griechischen Seefahrern, Entdeckern und Chronisten lagen, wie Anaximander, Herodot von Halikarnassos, oder Strabon. Er fuhr suchend mit dem Finger über mehrere Papyri, um deren Ettiket zu prüfen, ehe er das gewünschte fand. "Hier haben wir es ja."
    Er kam zurück und reichte eine Ausgabe von Pytheas' "Perì toi Okeanoi" an Tiberios weiter. Wunsch Nummer Eins war also schon mal erfüllt.
    "Was war das nächste? Das Deuteronómion?"
    Es war bloß eine rhetorische Frage, denn Ezra ben Abraham war gleich weitergegangen zu dem kleinen Regal neben der Tür in dem er seine jüdischen Schriften aufbewahrte. Er zog mit kundigem Griff eine Schriftrolle daraus hervor und betrachtete sie einen Moment.
    Dann kam er zurück und gab sie Tiberios, dabei legte er einen Arm um seinen Rücken und sprach in leicht gesenktem Ton: "Schau, mein Freund, wir werden es so machen. Normal kostet es etwas mehr, verstehst du, aber ich habe heute gut verdient und du bist mit Athenodoros' Sohn unterwegs, also bekommst du dein Deuteronómion für zwei Tetradrachmen, ja? Es ist ein gutes Buch das du lesen willst, ich würde es dir vermutlich wohl auch für die Hälfte geben, denn du kannst für dich nur Gutes tun, wenn du die Bücher des Tanach liest, ja? Sind wir uns einig? Sehr schön." Zufrieden nickte Ezra ben Abraham und zog die Hand von Tiberios' Rücken, nachdem er ihm das gewünschte Buch in die Hand gedrückt hatte.


    Dann brummte er und wandte sich Alexandros zu. "Nun zu dir kleiner Herr. Du willst also Blut und Monster? Da habe ich vielleicht etwas ganz besonderes für dich. Etwas das noch niemand von allen Leuten je gelesen hat, die du kennst. Na ist das interessant? Schau einmal." Ezra ben Abraham ging zum Regal mit den mythischen Sagen aus aller Welt und zog eine Schriftrolle hervor. Sie war nicht aus Papyrus gemacht, sondern sie wirkte anders. Ganz so, als ob sie aus der Haut eines toten Tieres gemacht wäre, aus Pergament. Mit dieser Schriftrolle ging er zu Alexandros und kniete sich zu ihm hin, damit sie auf gleicher Augenhöhe miteinander sprechen konnten. "Das was ich hier in Händen halte ist einzigartig auf der ganzen Welt. Es existiert nur diese eine Abschrift, die ich von einem punischen Händler aus Tyros erworben habe. Weißt du was das ist? Es ist eine Geschichte von der Kimbrischen Halbinsel ganz weit oben im kalten Norden Germaniens. So weit nördlich, dass sogar die uns bekannten Germanenstämme vom Rhenos* nicht so weit wandern würden. Dort war vor zehn Jahren ein junger griechischer Chronist auf Reisen gewesen, der aus Erfahrungen aus erster Hand über die nordgermanischen Stämme berichten wollte. Diese nordgermanischen Barbaren haben ihn am Ende auch getötet, doch bevor sie dies taten, hatte er noch die Zeit gehabt eine ganz besondere Sage von ihnen aufzuschreiben, diese hier. Fühle das Material auf dem sie geschrieben steht. Spürst du es? Das ist kein Papyrus, sondern Pergament. Gemacht aus der Haut einer germanischen Hirschkuh."
    Bei besonderen Schriftstücken seines Sortiments pflegte Ezra ben Abraham seinen Kunden auch immer von der Entstehung des betreffenden Textes zu erzählen und wie dieser in seinen Besitz gelangt war, so wie eben hier geschehen. Jetzt wies er auf das Ettiket des Pergaments auf dem nur ein Wort stand: Ragnarök.


    "Es ist die Geschichte davon wie sich die Germanen der Kimbrischen Halbinsel das Ende der Welt vorstellen. Eine scheußliche Erzählung voller Blut und Gewalt. Riesige Weltenschlangen kommen darin vor und Wölfe so groß wie der Mond, sodass sie diesen sogar selbst verschlingen können. Und Götter fressen sie auch, die sich gegenseitig töten und Riesen kommen ebenfalls darin vor die mit Schwertern aus Feuer und Eis in die Schlacht ziehen. Das ist wirklich eine Geschichte bei der deine Mutter das kalte Grauen bekommen würde. Möchtest du sie?" fragte er Alexandros mit einem Augenzwinkern.
    Natürlich würde das nicht ganz billig werden, aber Ezra ben Abraham war sich mehr als sicher, dass es sich Alexandros' Vater leisten konnte.


    * Rhenos = keltischer Name des Rhein

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    Ezra ben Abraham, Buchhändler


    Wie immer, wenn keine Kundschaft im Laden war, saß Ezra ben Abraham in seiner gewohnten Ecke inmitten der Weihrauchschwaden beim Lichte einer Öllampe und las in seiner eigenen Ware. Jetzt gerade brütete er über einem ganz interessanten Satyrspiel von Timon von Phleius, als sich neue Geräusche an sein Ohr bahnten. Er sah auf und schon im nächsten Moment teilte sich der Vorhang seiner Tür und ein junger Mann erschien mit einem Kind, das spaßeshalber nochmal mehrmals hin und her lief durch die Kugeln. Ezra ben Abraham stand von seiner Lektüre auf, um die neue Kundschaft zu begrüßen. "Chaire, mein Freund und...Hallo kleiner Herr. Du bist Alexandros, nicht wahr?"
    Natürlich kannte er als Händler des Deltas das Gesicht des Sohnes des allseits bekannten "Schutzherrn der Karawanen", wenn auch nur von weitem.


    Er breitete in einer freundschaftlichen Geste seine Arme aus, um mit ihnen so auf sein Sortiment zu verweisen. "Womit kann ich euch helfen? Soll es etwas erbauendes sein? Ein Lehrstück für den kleinen Herrn? Oder etwas ganz anderes? Tragt mir nur eure Bücherwünsche vor und ich werde sie erfüllen."

    Nachdem Nasica den fertigen Brief an die Verwandten in Rom beim Cursus Publicus aufgegeben hatte, war wieder ein Teil des Nachmittags vergangen und die Zeit seines Aufbruchs diesen Abend näher gerückt. Doch er wollte nicht gleich wieder zurück nachhause, er hätte dort ja sowieso nichts zu tun, also beschloss Nasica gleich weiter ins Delta zu gehen zum Buchladen eines seiner ältesten Freunde und Mentoren, dem ehrwürdigen jüdischen Gelehrten und Schriftenhändler Ezra ben Abraham.
    Unterwegs überlegte er, ob er vielleicht auch nochmal Penelope besuchen sollte, da ihr Haus ganz in der Nähe des Grabmals von Alexander dem Großen lag, an dem er gerade vorrüberkam, doch besser nicht. Es würde nur wieder unnötig emotional zwischen ihnen werden und bestimmt wäre sie auch nicht alleine zuhause. Ihr Abschied beim Serapeum musste genügen.
    So also lenkte er seine Schritte weiter in Richtung Delta, dem östlichsten und wahrscheinlich auch buntesten Stadtviertel Alexandrias. Hier lebten die Ausländer und auch die jüdische Gemeinde der Stadt war im Delta zu finden die die größte der bekannten Welt bildete.


    Nasica war gerne im Delta. Im gefielen die bunt zusammengewürfelten, leicht verschrobenen Gebäude hier die sich in ihrer Architektur so sehr von den geordneten und geradlinigen Häusern des griechischen Viertels unterschieden. Auch mit den hier lebenden Menschen verkehrte er sehr gerne. Nasica empfand die Juden als ein sehr stolzes und aufrichtiges Volk und Ezra ben Abraham war einer seiner vornehmsten Söhne. Fest stand, dass Nasica noch niemand anderen bislang getroffen hatte, der besser Senet spielen konnte, als dieser Mann, nicht einmal die Ägypter selbst.
    Die Luft im Delta duftete voller kräftiger Gewürze, die hier auf den kleinen Märkten feilgeboten wurden. Das Leben fand auf der Straße statt, überall drängelten sich die Händler und die Passanten. Ein Händler bot hier laut gackerndes Geflügel in Holzkäfigen an, woanders pries ein fein herausgeputzter Mann die Vorzüge seiner Keramiken für die moderne Alexandrinerin an. Nasica bekam immer gleich gute Laune, wenn er im Delta unterwegs war. Endlich kam er beim Buchladen seines Freundes an. Es war ein einfaches, einstöckiges Haus aus Lehm errichtet. Ein wenig windschief stand es da und außerdem hatte es einen ganz besonderen Eingang. Ezra ben Abraham besaß nämlich keine hölzerne, oder bronzene Tür und auch keinen Stoffvorhang, sondern viele bodenlange Schnüre voller rot und braun bemalter kleiner Holzkugeln bildeten eine blickdichte, ganz eigentümliche Barriere. Sie sollte böse Geister fernhalten, so die Meinung des Buchhändlers, außerdem verschloss er niemals sein Geschäft, oder seine Waren. Wenn jemand schon so unhöflich wäre und ihn nicht bezahlen wollte, so hätte er oder sie wenigstens etwas für ihre Bildung getan durch den Diebstahl seiner Bücher, so Ezra ben Abrahams sonderliche Meinung. Doch anscheinend hatte er es auch nicht nötig, denn noch nie war je etwas aus seinem Geschäft gestohlen worden.
    Nasica schob die Holzperlenschnüre beiseite und betrat den Laden. Drinnen herrschte eine etwas dunkle und orientalische Atmossphäre durch die mit Papyrus verhangenen Fenster und den brennenden Öllampen und Weihrauch.
    Aus dem Halbdunkel einer Ladenecke erhob sich eine Gestalt von ihrem Sitzplatz.



    Ezra ben Abraham, Buchhändler


    "Chaire Marcus, mein Freund, Gott mit dir." begrüßte ihn der Jude auf griechisch. Ezra ben Abraham weigerte sich seit jeher Latein zu lernen, was er für unter seiner Würde befand. Er machte nur Geschäfte mit Leuten die Griechisch, oder Hebräisch sprachen, vielleicht mit ein Grund, wieso Nasica perfekt Griechisch gelernt hatte seit frühesten Kindertagen.
    "Chaire, Ezra ben Abraham!" grüßte Nasica also in der gleichen Sprache zurück.
    Der Mann trat nun ins Licht. Feine rote Gewänder zierten seinen Leib und die Goldringe an seinen Fingern zeugten von seinem Reichtum. "Was darf ich für dich tun Marcus? Bist du für eine Partie Senet gekommen? Ich würde gern wieder mit einem würdigen Gegner spielen!"
    Nasica lächelte ihn an. "Nein, aber danke! Ich bin gekommen, um mir ein, oder zwei neue Schriftrollen zu kaufen und um mich zu verabschieden, denn ich reise noch heute Abend nach Rom zu meinen Verwandten ab."
    Bei dieser Erwähnung kräuselte Ezra ben Abraham leicht den Mund. "Nach Rhome? Was willst du denn dort, wo du doch jetzt schon in der großartigsten Stadt der Welt, direkt nach Hierosólyma natürlich, lebst?"
    Es war offensichtlich, dass er keine allzu hohe Meinung von Rom und dessen Bewohnern hatte. Das Nasica selbst jedoch Römer war machte ihm nichts aus. Er kannte ihn immerhin schon, seit er ein kleiner Junge gewesen war, der eines Tages mit tränenverschmiertem Gesicht in sein Geschäft gestolpert und geweint hatte, dass er sich verlaufen hätte und nicht mehr nachhause finden würde.
    Für Ezra ben Abraham war Nasica daher in erster Linie ein Alexandriner und erst nachgeordnet ein Römer.
    "Ich muss nach Rom für mein Buch über meine Familie, du weißt schon ich hab dir davon erzählt. Für das Museion. Und außerdem möchte ich gerne diese meine Verwandten in Rom endlich persönlich kennenlernen."
    Verstehend nickte Nasicas Freund. "Ah, die Familie also. Das ist ein guter Grund, denn merke dir; nichts geht über die Familie. Die Familie kommt immer an erster Stelle. Sorge dich darum, dass es ihr gut geht und es wird auch dir gut gehen."
    Nasica musste ein Schmunzeln unterdrücken. Typische Worte für den Buchhändler.
    "Ja, ähm...genau. Also die Fahrt über das Meer wird lang und da möchte ich mir die Zeit mit passender Literatur vertreiben. Was hast du für mich?"


    Verstehend brummte Ezra ben Abraham und schritt auf eines der Bücherregale zu in denen Papyri über Papyri gelagert waren. Er suchte ein wenig herum, zog eine Schriftrolle hervor, betrachtete sie und schob sie anschließend wieder zurück, ehe er weiterging und die Prozedur von neuem begann. "Ah, das ist spannend!" murmelte er in seinen Bart und schob eine Schriftrolle unter seinem Arm, um anschließend weiter zu suchen. "Hm ja das auch."
    Zufrieden mit seiner Auswahl kehrte er zu Nasica zurück. "Schau her, das ist das Epos von Gilgamesch. Und das hier, davon hast du vielleicht schon einmal gehört. Die Niederschrift der Fahrt der Argonauten von Apollonios von Rhodos."
    "Die Argonautika?"
    "Ja genau die."
    "Hmm die kenne ich schon vom Hörensagen. Dieses Gilgameschdings ist gut, was hast du außer Apollonios' Werk denn noch?"
    "Etwas was du noch gar nicht kennst und das trotzdem unterhaltend und belehrend ist?"
    Nasica wirkte etwas verlegen. "Ja so etwas in der Art."
    Wissend tippte sich Ezra ben Abraham an den Kopf und ging zu einem kleinen Regal neben der Tür. Daraus zog er eine Schriftrolle und brachte sie Nasica.
    Dieser entrollte sie und las laut den Titel: "David gegen Goliath"
    Nach dem Überfliegen der ersten paar Absätze blickte er wieder auf. "Interessant, was ist das?"
    Mit einem stolzen Blick antwortete ihm der Jude: "Das ist eine Geschichte aus unserem heiligen Buch dem Tanach. Du hälst die Geschichte in Händen in denen unser guter König David als junger Hirtensohn den philistischen Riesen Goliath erschlägt. Im Tanach gibt es noch viel mehr solcher Erzählungen. Kennst du zum Beispiel die Geschichte davon wie Moses unser Volk aus Ägypten geführt und dabei sogar das Meer geteilt hat?"
    "Nein gar nicht, wie trug sich das denn zu?" fragte Nasica höchst interessiert. Dieser Tanach klang nach einer wahren Fundgrube an neuen Geschichten!
    Auf Ezra ben Abrahams Gesicht zeigten sich die Anflüge eines Lächelns, als er antwortete: "Das wirst du selbst herausfinden müssen. Ich habe hier eine Tanach-Ausgabe in Griechisch, willst du sie?"
    "Ja gerne doch! Ich würde mich sehr darüber freuen!" keuchte Nasica schon ganz aufgeregt darüber bald in diesen ganzen tollen neuen Erzählungen eintauchen zu können. Und ganz nebenbei würde er vielleicht auch etwas über die Kultur seines Freundes lernen. Dann fiel wieder sein Blick auf die erste Rolle. "Was ist mit diesem Gilgamesch? Um was geht es darin?"
    "Die Geschichte von Gilgamesch ist für die Mesopotamier das, was die Ilias für die Griechen ist; schlichtweg ihr größtes Epos über einen mächtigen König von Uruk und seiner Freundschaft zu Enkidu und seiner Suche nach Unsterblichkeit. Möchtest du eine Besonderheit hören, die diese Geschichte mit dem Tanach verbindet?"
    "Ja klar!" Es gab eine Verbindung zwischen den beiden Werken? Das wurde ja immer besser! Nasica hatte die Vermutung, dass ihm auf dieser Reise nicht so schnell langweilig wurde, bislang klangen beide Bücher sehr spannend.
    "Im Tanach baut Noah, Sohn von Lamech, ein riesiges Boot auf dem ein Paar von jeder Tierart dieser Welt Platz hat, um sie vor einer großen Flut zu retten, die die ganze Erde verschlingt, genauso wie bei Gilgamesch Utnapischtim das gleiche macht aus den gleichen Gründen. Und genauso wie Noahs Arche auf dem Berg Ararat strandete, so blieb Utnapischtims Boot auf dem Gipfel des Berges Nisir hängen."
    "Wahnsinn! Da freue ich mich ja schon echt auf das Entdecken weiterer Paralellen, danke Ezra ben Abraham!"
    Dieser nickte ihm zu, erfreut darüber Nasica derart den Tag versüßt zu haben. "Ich werde später dann die Kisten mit allen zugehörigen Papyri zu deinem Haus liefern lassen. Du sagtest du fährst heute Abend?"
    Nasica nickte. "Genau, wieviel schulde ich dir?" Ezra ben Abraham nannte die Summe und der Valerier bezahlte.
    Nachdem auch das erledigt war streckte er ihm zum Abschied die Hand entgegen. "Chaire, mein Freund und danke für die Bücher."
    "Chaire, Marcus und möge Gott dein Schiff sicher in den Hafen Rhomes geleiten und wieder zurück."
    "Das wird er bestimmt, danke, wir sehen uns bald wieder! Versprochen!" Und mit einem letzten Blick zurück auf Ezra ben Abraham verließ Nasica das Geschäft.

    Nach dem Mittagessen fiel Nasica ein, dass er in all seinen Studien und Reisevorbereitungen ja noch gar nicht die Verwandtschaft in Rom über sein Kommen informiert hatte!
    Oh ihr Götter, was war er nur für ein Schussel... besser er holte das nach und gab seinern Brief gleich sofort danach auf, denn immerhin wollte er ja, dass er nicht zeitgleich mit diesem in Rom ankam. Am besten vielleicht noch, wenn er dort dann angekommen den Verwandten sein Ankündigungsschreiben persönlich in die Hand drückte, das wäre vielleicht ein Spaß.
    Doch der Kapitän hatte sowieso etwas von einem kleinen Zwischenaufenthalt auf Kreta und danach nochmal in Athen gesprochen, also sollte diese Sorge schon einmal ausgemerzt sein. Der Brief würde auf jeden Fall vor ihm in Rom ankommen, so viel war sicher.


    Nasica setzte sich hin und wollte gerade den Adressblock formulieren, als er erkannte, dass er überhaupt keine Ahnung hatte an wen er eigentlich sein Schreiben richten sollte. So stand er also wieder auf und lief ins Triclinium, wo er seine Mutter vorfand. "Mater, wem soll ich in Rom genau schreiben, um mein Kommen anzukündigen?" Seine Mutter, Pinnia Sabina, blickte von ihrer Näharbeit auf und überlegte kurz.



    Pinnia Sabina, Witwe des Titus Valerius Alienus


    "Ich denke ein entfernter Vetter deines Vaters lebt zurzeit in der Casa Valeria in Rom, aber ich komme gerade nicht auf seinen Namen..."
    "Mater, das ist wichtig..."
    "Schon gut schon gut ich hab es ja gleich, Moment..."
    Mit leicht zweifelndem Blick beobachtete Nasica seine Mutter dabei, wie diese versuchte sich an den Namen des derzeitigen valerischen Hausherrn in Rom zu erinnern.
    "Es war auf jeden Fall so ein ganz eigentümlicher Name, den man nicht so schnell vergisst..."
    "Das merke ich Mater"
    "Still jetzt! Ich muss nachdenken. Hmm, der Vorname klang so wie ein patrizisches Gensnomen habe ich mir gemerkt, war es Cornelius? Oder Aurelius? Nein, Tiberius! Ja genau Tiberius war es. Tiberius Valerius!"
    "Schön und wie lautet sein Cognomen?"
    Pinnia Sabina fuchtelte mit ihrer Hand wirsch durch die Luft.
    "Lass mich nachdenken. Das war ein eher botanischer Name, sowas vom Klang her wie eine Pflanze...aber was? Weizerus? Leinsamus? Nein..."
    "Dauert das noch länger Mater, oder weißt du es jetzt?"
    Eine ganze Weile probierte Nasicas Mutter die verschiedensten Pflanzen aus, ehe sie endlich auf den richtigen Nenner kam.
    "Roggen, Baumwolle, Flachs....Flachs! Genau Flachs war es, sein Cognomen lautet Flaccus! Tiberius Valerius Flaccus!"
    "Tiberius Valerius Flaccus? Und du bist dir da auch ganz sicher?"
    Mit noch mehr Zweifel in den Augen betrachtete er seine Mutter und etwas Unglauben erschien ihm durchaus angebracht angesichts der Art und Weise wie Pinnia Sabina da gerade eben den Namen ihres Verwandten in Rom aus den verrücktesten Eselsbrücken zusammengestöpselt hatte. Für Nasica klang das daher eher nach einem Fantasienamen, als nach dem von einer realen Person.
    "Ja doch ich bin mir ganz sicher, jetzt wo er mir wieder eingefallen ist. Tiberius Valerius Flaccus, so ist's. Wohnhaft in der Casa Valeria in Roma."
    Dann war es wohl so. Schulterzuckend ging Nasica also wieder zurück in sein Zimmer.


    Dort angekommen setzte er sich wieder hinter seinen Schreibtisch, holte Tinte, Feder und Papyrus hervor und begann zu schreiben:



    Ad
    Tiberius Valerius Flaccus
    Casa Valeria
    ROMA


    Salve, werter Verwandter!


    Mein Name ist Marcus Valerius Nasica aus Alexandria, ich bin der Sohn von Titus Valerius Alienus, einem entfernten Vetter von dir. Ich schreibe dir heute, weil ich dich darüber informieren will, dass ich euch bald schon besuchen kommen werde.
    Noch heute Abend besteige ich ein Schiff, das mich von Alexandria nach Rom bringen wird, ich hoffe ich bereite euch damit keine allzu großen Umstände.


    Der Zweck meines Besuchs ist es, dass ich nach Informationen über die jüngere Vergangenheit unserer Gens suche, in der
    Großen Bibliothek von Alexandria fanden sich leider nur ältere Aufzeichnungen über schon etwas länger verstorbene berühmte Vorfahren, weshalb ich hoffe in euren Archiven fündiger zu werden. So ziehmlich alles von vor 2-3 Generationen an, etwa ab Gaius Valerius Flaccus und seiner Frau Valeria Argonautica würde ich suchen.


    Ich benötige diese Informationen für eine große schriftliche Arbeit über die historische Vergangenheit der Gens Valeria, die ich später einmal beim Museion einreichen möchte, um mich dort als Akroates zu qualifizieren.


    Ich freue mich darauf dich bald schon persönlich kennenlernen zu dürfen!


    Vale Bene


    M. Valerius Nasica


    So konnte man den Brief stehen lassen! Hoffentlich aber gab es diesen Tiberius Valerius Flaccus wirklich, ansonsten würde er eine riesige Blamage erleiden, wenn die römischen Verwandten erst diesen Brief in die Finger bekommen und somit was zu lachen hätten.


    >>>>>

    Nach seinem sehr emotionalen Abschied von Penelope war Nasica in die Casa Valeria zurückgekehrt, um schon einmal ein paar erste Sachen für die Reise nach Rom zusammenzupacken. Viel würde es nicht werden.
    Ob er eine ganze Truhe mitnehmen sollte, oder doch nur so viel, dass er das Gepäck problemlos auf dem Rücken transportieren könnte? Papyri und Schreibzeug konnte er für seine Notizen auf jeden Fall zuhause lassen, so ein Schreibzeug würde er sich dann vor Ort kaufen und benutzen, doch seine bisherigen Aufzeichnungen und Abschriften aus der Großen Bibliothek würde er mitnehmen. Wie stand es mit Büchern? Vielleicht zwei oder drei für die Überfahrt? Nasica hatte keine Ahnung wie lange man mit dem Schiff von Alexandria nach Rom unterwegs war, doch bestimmt würde es lange dauern. Wasser nahm er nur in einem einzigen Schlauch mit und auch die Wegzehrung bemaß er nicht allzu üppig. Er wollte ja nicht in die Wildnis und bestimmt hätten sie am Schiff auch etwas Essen für ihn übrig. Und später dann in Ostia und in Rom konnte man sich sowieso an jeder Ecke einen Happen für zwischendurch kaufen. Soweit also so gut.


    Kleidung hatte er sowieso nicht viel, da nahm er einfach alles mit. Seine Brennschere für eine feine hellenisch anmutende Lockenpracht und einige andere Pflegeprodukte für Haut und Haar und ja...das sollte es dann wohl so ziehmlich gewesen sein. Um das alles zu verstauen musste er also doch eine Reisetruhe bemühen. Ob er vielleicht auch einen, oder zwei Sklaven mitnehmen sollte? Zum Tragen der Truhe?
    Doch andererseits würde das bestimmt wieder den Preis seiner Überfahrt in die Höhe treiben, wenn er mit so viel zusätzlichem (lebenden) Gepäck im Hafen aufkreuzte, also besser nicht. Zwei Sklaven sollte ihm abends dann die Truhe hinunter zum Schiff tragen und später in Ostia würde er schon jemanden finden für diese lästige Arbeit. Alles gut also.


    Endlich war alles zusammengepackt und richtig verstaut. Mittlerweile war es Mittag geworden. Er hatte sich von Penelope verabschiedet und war mehr oder weniger reisefertig, was sollte er jetzt nur den gewaltigen Rest dieses Tages anfangen, bis abends sein Schiff dann endlich auslaufen würde? Ein wenig ratlos ließ sich Nasica auf seinem Bett nieder und grübelte, was er jetzt mit dem Nachmittag noch anfangen wollte.

    Nach seinem etwas missglückten Erwachen an diesem Morgen eilte Nasica so schnell es seine Würde (und die Toga) zuließ durch die Straßen Alexandrias in Richtung Westen, immer auf das Serapeum zu.


    Die ihm begegnenden Griechen warfen ihm ganz verwunderte Blicke zu und die Ägypter später in der Rhakotis waren noch überraschter, wen sie ihn trafen. Ein laufender und ganz aus der Puste hechelnder Römer war auch nicht gerade ein Anblick den sie jeden Tag zu Gesicht bekamen. Von dieser Standesklasse war man ein eher anderes Auftreten gewohnt. Endlich erreichte er den Hügel auf dem das Serapeum errichtet worden war und blieb an der gewaltigen Treppe hinauf zum Tempel kurz stehen, um etwas zu verschnaufen, ehe er den Weg hinauf in Angriff nahm. Die Stufen des Heiligtums waren ja auch so schon sehr viele, aber nach einem Lauf quer durch die Stadt erschienen sie einem nochmal so steil und zahlreich. Oben angekommen war wirklich nicht mehr viel dann vom Aussehen eines tugendhaften Römers übrig, doch Nasica war das egal, seine Augen hatten den Grund all dieser Hetze schon entdeckt. An der nordwestlichen Kante der Tempelplattform stand eine äußerst liebreizende und zierliche junge Dame, ihrem Antlitz nach eine Griechin, die ihren Blick auf den Horizont gerichtet hatte. Hinaus aufs Meer, jenseits der ägyptischen Küste. Ein unwiderstehliches Grinsen drang in sein Gesicht, als Nasica sich noch einmal durch seine Haare fuhr und sich dann diesem menschlichen Abbild der Göttin Aphrodite näherte. "Penelope!"
    Die Schöne wandte den Kopf und auch auf ihrem Gesicht zeigte sich Freude, als sie den Valerier bemerkt hatte. "Marcus!"



    Penelope


    Die beiden Liebenden fielen sich in die Arme. Da sowieso sonst niemand gerade in der Nähe war, getraute sich Nasica sogar sie hier öffentlich zu küssen. Dann verblieb die junge Frau in ihrer innigen Umarmung mit ihm. "Ich dachte schon du kommst gar nicht mehr." Auch Nasica hielt ihre Umarmung bei, während er dieses schönste aller Gefühle genoss seine Liebste an sein Herz gedrückt zu wissen und ihre weiche Haut auf seiner zu spüren und ihren Duft einzuatmen. "Penelope meine Lotusblüte, vergib mir. Ich wollte nicht zu spät zu unserem Treffen kommen."
    "Egal doch jetzt. Du bist hier und das ist alles was zählt." Penelope schloss ihre Augen, während sie weiterhin an Nasica angeschmiegt blieb. Dieser bekam jetzt noch mehr ein schlechtes Gewissen, dass er gerade heute verschlafen hatte, wo sie sich doch für eine sehr lange Zeit nicht sehen würden.
    Lange verblieben sie in ihrer Umarmung, bis sich Penelope von ihm löste und ihm in die Augen blickte. "Wann geht dein Schiff nach Rom?" fragte sie.
    "Heute Abend mit Einsetzen der Flut möchte der Kapitän auslaufen, dann beginnt meine kleine Abenteuerfahrt."
    Nasica versuchte seine Liebste anzulächeln, doch in Penelopes Gesicht entdeckte er nur Kummer über ihre Trennung voneinander. "Und du musst diese Reise wirklich machen, um deine Arbeit vollenden zu können? Ich bin sicher das Museion würde dich auch so als Akroates zulassen!"
    Gütig sah Nasica auf seine gebliebte Penelope hinab. "Sicher doch bestimmt, doch das alleine ist es nicht. Diese Arbeit über die Geschichte meiner Ahnen ist auch für mich persönlich sehr wichtig, verstehst du? Wir Valerier stammen nun einmal ursprünglich aus Rom, deshalb werde ich meine Verwandten dort besuchen und deren Familienarchive konsultieren müssen, wenn ich denn darf. Nur so wird das Bild unserer Geschichte vollständig."
    Penelope nickte und sah wieder hinaus aufs Meer, dort wo sie Rom dahinter vermutete und wo ihr Nasica für viele Monde sein sollte nach Ende dieses Tages.
    "In den Archiven der Großen Bibliothek habe ich leider nichts über unsere jüngere Vergangenheit gefunden, deshalb diese Reise, doch dafür viele historische Aufzeichnungen unserer Vorfahren aus der republikanischen Ära Roms. Über Marcus Valerius Messalla Rufus zum Beispiel! Es war anno 701*, als Iulius Caesar gerade zum zweiten Mal den Rhenus überschritten hatte. Da war Messalla Rufus zusammen mit Gnaeus Domitius Calvinus Konsul in Rom gewesen. Und seine Schwester Valeria war die fünfte Frau des Diktators Cornelius Sulla Felix gewesen, wusstest du das?"
    Penelope schüttelte den Kopf und ein neuerliches Gefühl der Liebe und der Zuneigung übermannte sie, als sie dieses Strahlen im Gesicht ihres Geliebten sah, das immer in Erscheinung trat, wenn er vollkommen begeistert von etwas erzählte, das ihn sehr faszinierte. "Und dann im Bürgerkrieg, als Messalla Rufus auf Seiten Caesars..."
    "Oh Marcus!"
    Wieder fiel sie ihm um die Arme. "Marcus mein Marcus...wie werde ich dich vermissen." Ein wenig überrascht über diesen plötzlichen Gefühlsausbruch blinzelte Nasica ein paar Mal, ehe auch er Penelope wieder umarmte. "Mach dir nichts daraus. Eh du dich's versiehst bin ich wieder zurück und dann kann uns nichts mehr trennen, versprochen!"
    Ihre Lippen suchten die seine. Dann fragte sie: "Versprichst du mir so schnell wie möglich wieder hier bei mir zu sein? Hier bei mir und sonst nirgendwo anders?"
    Verliebt lächelte Nasica sie an. "Ich verspreche es."


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    * 701 A.U.C. = 53 v. Chr.

    Es war eine Sklavin und nicht die Sonne die Nasica an diesem Morgen weckte. Im Schlaf hatte das junge Ding sich gedreht und dabei ihren Arm mit Schwung ins Gesicht ihres ebenfalls noch ruhenden Herrn gewischt. Von diesem Schlag getroffen fuhr Nasica hoch, noch komplett erschrocken und orientierungslos.


    "Was? Wie?" Ein Gähnen drängte sich ihm auf, jetzt wo er wach war und nach einem ausgiebigen Kratzen im Gesicht sah er sich um. Sein Zimmer war typisch für einen heranwachsenden jungen Mann eingerichtet, der Ambitionen hegte einmal ein Gelehrter am Museion zu werden. Viele Schriftrollen bedeckten den nahen Schreibtisch und nicht wenige kugelten auch am Boden herum. Neben sich im Bett fand er die Sklavin von letzter Nacht vor, die ihn so unsanft geweckt hatte. Sie war nackt.


    Eine Weile sah Nasica verträumt grinsend auf ihre Rundungen, ehe es ihm siedend heiß wieder einfiel, dass er ja für diesen Morgen verabredet war! Ein Blitz durchfuhr ihn, als er aufsprang und hinaus auf den Gang lief, um den erstbesten Sklaven nach der Tageszeit zu fragen, der ihm begegnete. "Wir befinden uns in der hora quinta, Dominus", antwortete der Angesprochene mit einem verlegenen Gesichtsausdruck. So spät schon! Nasica hatte verschlafen! Schon wollte er weitereilen, als er doch nochmal am merkwürdigen Blick des Sklaven hängen blieb. Was war mit dem Kerl, dass er ihn so ansah?
    Erst dabei bemerkte er, dass er in seiner Aufregung nackt aus dem Zimmer gelaufen war...
    Mit ganz rotem Gesicht lief er also wieder zurück in sein Cubiculum, wo sein Radau auch schon die hübsche Sklavin in seinem Bett geweckt hatte, die noch ganz verschlafen aus der Wäsche sah. Nasica indessen war zu seiner Kleidertruhe geeilt und hatte sich eine Tunika übergeworfen. "Hilf mir mit der Toga! Schnell!" befahl er ihr. Das Mädchen schüttelte noch einmal ihren Kopf um richtig wach zu werden und stand dann aus dem Bett auf, um dem Befehl ihres Herrn nachzukommen. Gemeinsam bekamen sie Nasica zeitnah in seine Toga und kaum war die letzte Falte ordentlich drapiert lief er auch schon wieder, gleich einem Sausewind, aus dem Zimmer.


    Casa Valeria



    Hinter den Fassaden dieses schmucken kleinen Stadthäuschens griechischen Stils befindet sich das alexandrinische Nebendomizil der altehrwürdigen römischen Gens Valeria.


    Titus Valerius Alienus war nach Ende seiner Dienstzeit von Germanien hierher nach Ägypten gekommen und hatte dieses Haus erworben in dem seine Familie auch nach seinem Tod immer noch lebt.