Beiträge von Satibarzanes

    Satibarzanes kehrte gerade mit der Waschschüssel zurück, in der warmes Wasser schwamm. Er hatte es aus dem Vorrat an abgekochtem Wasser genommen, der täglich neu hergestellt wurde. Dieses hatte er neu erwärmt und trug die Schüssel nun hinein. Der Kunde war in eine weiche Decke gehüllt, sodass Satibarzanes eintrat, ihn freundlich grüßte - trotz innerer Teilnahmslosigkeit konnte er warmherzig und sympathisch wirken, wenn er es darauf anlegte - und die Schüssel bereitstellte. Auf einem Tablett brachte er noch Lappen, Schwämme und Handtücher, alles ausgekocht und gewaschen, denn beim Duften Viri achtete man im besonderen Maße auf Hygiene. Dem Kunden würde es gut gehen. Gewohnheitsmäßig war der Blick, den Satibarzanes dem Kunden schenkte, länger als nötig, jedoch schlug er die Augen nieder, bevor es unangenehm werden konnte und lächelte noch immer, als er sich abwandte und nach draußen begab.


    Er rieb sich müde die Augen, blieb jedoch in Rufweite für Viridomarus. Mit einer Filznadel ließ er sich auf einem Kissen auf einer am Boden liegenden Decke nieder, um seine Filzsträhnen nachzuarbeiten. Diese Tätigkeit empfand er als sehr entspannend und konnte sich ausdauernd damit beschäftigen.

    Satibarzanes hielt sich am liebsten im Lager auf und sortierte in seinem Tempo Parfumzutaten oder Stoffbahnen. Noch immer hatte er Probleme, einen gleichmäßigen Arbeitsalltag durchzuführen, sprich, es gelang ihm nicht. Er war schnell erschöpft, vor allem seelisch, und sein Körper reagierte mit unnatürlicher Müdigkeit, die ihn bisweilen mitten in der Bewegung versteinern und eine Wand anstarren ließ. Dann gab es noch Situationen, in denen er von Wut oder Trauer übermannt wurde und denen er hilflos ausgeliefert war. Weder wusste er, woher diese Gefühlsausbrüche kamen, noch was er dagegen tun konnte. Zwischendurch aber gab er sein Bestes, Viridomarus ein guter Gehilfe zu sein.


    Der neue Kunde war speziell, doch Satibarzanes kannte diese Sorte von Menschen. Sie waren harmlos und tendenziell Kunden der angenehmeren Sorte ... wenn er an seine alte Arbeit zurückdachte. Ob man das auf Viris Arbeit übertragen konnte, war für Satibarzanes nicht einschätzbar.


    Ohne einzutreten wartete er draußen vor der Tür, falls er irgendwas holen sollte.

    "Das werde ich tun. Danke für alles, Lurco."


    Satibarzanes drückte dem Miles, der sich aufopferungsvoll seines Schicksals angenommen hatte und sich all die Zeit über großzügig gezeigt hatte, einen Kuss auf die Wange, der brüderlich gemeint sein konnte oder ein Verweis auf ihre erste Begegnung in der Subura war. Satibarzanes, der es gewohnt war, immer wieder seine Kontakte zu verlieren, während neue entstanden, fühlte keinen Abschiedsschmerz, wenngleich er Lurco auf seine ihm eigene gefühlsarme Weise zu schätzen gelernt hatte. Dann war der Zeitpunkt der Trennung unausweichlich gekommen. Satibarzanes schenkte Viridomarus ein strahlendes Lächeln und stieg das erste Mal im Leben in eine Carucca.


    Die Reise zu den fernen Provinzen unter der glühenden Sonne des Südostens konnte beginnen.

    War Satibarzanes gerade kratzbürstig? Vermutlich ja, wenn er Terpander wünschte, dass ihm etwas zustieß. Auf seine unaufgeregte Art konnte auch der ehemalige Lupo gemein sein. Er fragte sich, ob er zum Abschied noch einmal nach Kyriakos sehen sollte. Nach all den Jahren? Andererseits, wozu? Was würde es ändern?


    Da klopfte es. Satibarzanes stand auf. "Das wird Viri sein, ich muss los. Danke für alles, Lurco!" Er lächelte. "Unterwegs muss Viri mir eine neue Tunika kaufen, falls er noch keine eingepackt hat. Ich denke an dein Geschenk. Bis in einem Jahr."


    Oder zwei, oder drei. Vielleicht kehrten sie niemals zurück und blieben in Thrakien oder Persien. Es gab nichts, das Satibarzanes vermissen würde, außer seiner ersten ehrenvollen Arbeitsstelle und auch die nur dann, wenn er daran zurückdachte. Er war es gewohnt, dass sich ständig alles änderte und es keine Sicherheit gab, weshalb er auch nicht damit rechnete, dass Lurco Wort halten und ihn nach der eventuellen Rückkehr wirklich wieder einstellen würde. Er wartete, ob Lurco sich verabschieden wollte.

    Weder Satibarzanes noch Lurco selbst konnten ahnen, wie Recht Lurco mit seinen Vermutungen bezüglich Terpander hatte.


    "Wenn das Terpanders Liebe ist, würde mich mal interessieren, wie es aussieht, wenn er jemanden hasst", sinnierte Satibarzanes. "Aber wenn er sich mir gegenüber jetzt besser benimmt, ist es ja schön. Vielleicht ist er ja auch an seinem Gram erstickt, wenn ich mit Viri aus dem Süden zurückkehre. Er ist ja zum Glück schon alt und allzu lange wird er niemanden mehr mit seiner Zuneigung plagen können. Dein Vater war nett, wenn er dich hat mit dem Essen spielen lassen. Ich hätte den Siebenschläfer nur behalten, bis er fett ist. Oder gleich gegessen."


    Ihn faszinierte die Zuneigung, die Lurco zu dem Tier empfunden zu haben schien. Genau wie Scatos Vernarrtheit in seinen Pfau. Satibarzanes waren solche Gefühle fremd. Er verstand sie noch weniger als die Liebe zwischen zwei Menschen.


    "Danke, dass du mich reisen lässt. Darauf freue ich mich. Von deiner Erzählung über den Siebenschläfer habe ich Hunger bekommen."


    So biss er mehrmals hintereinander von Brot und Käse ab und aß es schnell und unkultiviert.

    Satibarzanes erfrischte seine Kehle zunächst mit einigen Schlucken Posca. Das viele Reden hatte ihm ein Kratzen im Hals beschert und nun klang er heiser. Dann griff er nach dem frischen Fladenbrot und legte sich eine dicke Scheibe Schafskäse darauf.


    "Dankesehr, ich finde auch, dass Viri das gut gemacht hat. Er war sehr freundlich dabei. Ich kann Mosaike aus Bruchfliesen anfertigen. Das habe ich als Kind schon gern gemacht, bunte Scherben gesammelt und Muster daraus gelegt. Sonderlich viel zum Spielen besaß ich sonst nicht. Einen Ball aus Lumpen geknotet noch, aber der stank irgendwann. Den Eingang vom Ganymed hatte ich zum Beispiel gestaltet, der war gut gelungen. Aber leider ist alles kaputt."


    Satibarzanes rieb reflexartig den Verband an seinem verletzten Arm. Er hoffte, dass die Täter bald gefasst wurden, die ihm das angetan und Iugurtha ermordet hatten. Dass sie den zwölfjährigen Knaben abgestochen hatten anstelle der bösartigen Zwillinge, tat ihm doch etwas leid.


    "Ich verspreche, dass ich dir ein Andenken mitbringe. Auch wenn ich noch gar nicht weiß, was für welche es in Thrakien und Persien gibt. Was Charislaus mit Scato angestellt hat, weiß ich nicht, ich habe mit Scato nicht so viel zu tun, weil Terpander sich immer vordrängelt. Doch, ich glaube, er wird mich verfluchen, weil er mich hasst und weil ich nicht sein Eigentum bin und er mich nicht schlagen darf."


    Er zuckte mit den Schultern. Die Aussicht auf Prügel gefiel ihm zwar nicht, stimmte ihn allerdings auch nicht sonderlich besorgt.

    "Essen? Ja, gerne!" Dann stockte er und in seinem Hirn drehten sich knirschend die selten benutzten Rädchen um einen Zahn weiter. "Ähm, das war keine Einladung, sondern das war die verpackte Aufforderung, Essen zu holen, nicht wahr? Verzeihung."


    Daran, Leute zu bewirten, musste er sich noch gewöhnen. Satibarzanes stand von Terpanders Stuhl auf und verschwand in der Küche. Kurz darauf kehrte er wieder. Da er nicht davon ausging, dass der Hausherr mit ihm vom selben Teller zu essen gedachte, hatte er zwei Teller befüllt mit frischem Fladenbrot, Schafskäse und Weintrauben. Diese Zusammenstellung, hatte er sich von Terpander gemerkt. Dann merkte er, dass er das Besteck vergessen hatte und musste ein zweites Mal loslaufen - nur um zu bemerken, dass auch die Getränke fehlten. Wenig später war endlich alles beisammen; zu den Speisen standen auch eine Karaffe mit Posca, eine mit Wein und eine mit Wasser bereit, dazu zwei Becher. Satibarzanes´ Wangen glühten von dem Gerenne. Sie wurden noch etwas dunkler, als Lurco sein Äußeres lobte.


    "Also hübsch gemacht habe ich mich gar nicht. Das war Viri! Kostenlos, er möchte nur ein Mosaik von mir gelegt bekommen. Aber vorher will er mich mit auf eine Reise nach Thrakien nehmen und vielleicht nach Persien. Ich glaube, ihm hat unser Gespräch gefallen."


    Der Mann hatte ihn ja zum Abschied sogar gedrückt. Satibarzanes war auch froh gewesen, mal mit jemandem zu sprechen, der keine Menschen lieben konnte. Er fühlte sich unwohl, wenn jemand ihm ein schlechtes Gewissen einreden wollte, nur weil er nichts empfand. Nicht so von Viridomarus. Aber das sprach er nicht aus. Von dem Streit, den der Thraker genau deswegen mit Lurco gehabt hatte, wusste er ja inzwischen. Da wollte er kein Öl ins Feuer gießen. So lächelte er.


    "Viri hat vorgeschlagen, dir Charislaus da zu lassen für die Taberna. Aber ich weiß nicht, wer das ist. Terpander? Warte, ich muss nachdenken."


    Er war gegangen. Viridomarus hatte ihn zuerst belauschen wollen. Aber wohin? Nach einer Weile fiel es ihm wieder ein.


    "Terpander ist bei einem Ritual! Ich glaube, er will mich verfluchen. Weil ich nicht tat, was er sagte und ihr mich beschützt habt. Jetzt versucht er es so rum."

    Von einem so dicken Menschen gedrückt zu werden, fühlte sich lustig an, besonders, wenn man selbst nicht gerade schlank war. Da traf große Wampe auf kleine Wampe.


    "Terpander wird sich bestimmt über die Hilfe von Charislaus freuen", mutmaßte Satibarzanes.


    Ob Charislaus das genau so sah, wenn der räuberische Blick des alten Mannes sich auf ihn richtete, war zweifelhaft, aber das war zum Glück nicht das Problem von Satibarzanes. Der hatte überhaupt kein Problem, sondern freute sich. Satibarzanes verabschiedete Viridomarus an der Porta und winkte ihm kurz mit seinem Patschhändchen nach. Dann setzte er sich auf Terpanders Stuhl in den Garten, um in der Sonne auf Lurcos Ankunft zu warten. Dabei befühlte er immer wieder seine neue Haarpracht.

    Mit dem Streifenmuster war Satibarzanes offenbar genau so in ein Fettnäpfchen getreten. Seine modische Geschmacklosigkeit musste für seinen Gönner eine Qual sein.


    "Naturmuster hört sich gut an", sagte er versöhnlich, auch wenn er sich darunter auch nach der Beschreibung nichts vorstellen konnte. Er würde einfach anziehen, was Viridomarus ihm überzustülpen gedachte. Ihm kam in den Sinn, dass der Mann es als Herausforderung betrachten könnte, jemandem so unansehnlichen und geschmacklosen irgendwelche Andeutungen natürlicher Schönheit zu entlocken. Wobei er sich im Moment tatsächlich gefiel.


    "Während du also packen lässt ... ich habe nichts zu packen ... was soll ich da machen? Wie lange wirst du benötigen? Ich könnte schlafen, wenn du noch Terpander verfolgen möchtest."


    Allerdings fragte er sich, wie Viridomarus den Burschen zu finden gedachte, wenn der sich nicht finden lassen wollte.

    Der runde Bauch von Viridomarus füllte das Blickfeld von Satibarzanes fast zur Gänze aus, so dicht hatte er sich vor ihn gestellt. Satibarzanes erstarrte eingeschüchtert auf seinem Stuhl und ließ die Rüge über sich ergehen.


    "Ich bin kein Sklave", wiederholte er, "und kann mich nicht verkaufen. Ich habe nur Dienstleistungen verkauft."


    Das hörte sich logisch an, war aber leichter gesagt, als getan, denn die Seele steckte nun einmal in dem Körper, den er zur Verfügung gestellt hatte. Sie konnte sich nicht einfach lösen, fortfliegen und zurückkehren, wenn der Freier wieder ging. Wobei manche diese Kunst angeblich beherrschten, aber die wirkten dann dauerhaft abwesend und kehrten nicht so ohne weiteres zurück. Da Viridomarus darüber nicht länger zu sprechen wünschte, nickte Satibarzanes. Aber dass er grün und braun gekleidet wie ein Kompost ausgesehen hätte, verstörte ihn vollends. Scheinbar hatte er überhaupt kein Gespür für Mode.


    "Ich möchte nicht aussehen wie Kompost", stellte er klar. "Kann ich statt einem Karomuster vielleicht Streifen tragen? Auf gemusterten Sachen sieht man den Dreck nicht so."


    Viridomarus wollte tatsächlich sofort aufbrechen. Das war gut, Satibarzanes würde froh sein, aus dem Umfeld von Kyriakos und Terpander herauszukommen. Der Seitenhieb in Richtung von Terpander war witzig, Satibarzanes lächelte breit.


    "Terpander soll nicht einrosten. Ich hoffe, Lurco stimmt zu. Ich werde ihn sofort fragen, sobald er wiederkommt. Danke für meine Haare, Viridomarus! Sie sehen wirklich aus wie eine Löwenmähne! Und du bekommst dein Mosaik, sobald du es haben möchtest!"

    "Erdtöne? Nur Braun?", fragte Satibarzanes. "Ich dachte vielleicht Grün? Aber wenn du Braun sagst, trage ich Braun. Ich möchte nicht wieder hässlich werden."


    Als Viridomarus ihn fragte, ob er denn ein Spielbrett sei, zuckte er mit den Schultern. "Ja, doch ... irgendwie schon." So war das, wenn der eigene Körper zum Markt getragen wurde. Es war in Ordnung, so lange er nicht zu dem Mann musste, der ihn immer würgte oder anderen, die ihm absichtlich weh tun wollten, weil sie schließlich dafür bezahlten.


    "Ich habe nichts Wichtiges vor, aber ich muss Lurco fragen, weil er mich angestellt hat. Wenn ich deswegen meine Arbeit verliere, kann ich nicht mit. Aber wenn er zustimmt, können wir sofort aufbrechen, ich besitze ja kein Gepäck. Dann hätte ich außerdem Urlaub von Terpander."


    Er beobachtete, wie Viridomarus ihm die neue Mähne richtete. Satibarzanes lächelte noch immer. Er freute sich riesig darüber und eine Reise würde ihm auch gefallen.

    Satibarzanes sagte einige Zeit gar nichts. Er starrte nur in den Spiegel und staunte. Seine Mähne war schöner als je zuvor und niemand hätte sagen können, dass dieses Haar eingenäht war. Mit seinen Speckhändchen befühlte er die langen, dicken, braunen Flechtsträhnen, die ihm wieder bis zum Steiß reichten. Er befühlte die Knochenperlen, er befühlte die Übergänge, alles fügte sich zu einer eindrucksvollen Frisur. Mehr noch ... Satibarzanes hatte das Gefühl, dass Viridomarus ihm mit der Mähne auch ein Stück Identität geschenkt hatte. Denn Satibarzanes fühlte sich nun nicht mehr wie ein Mischling, wie ein Nichts, sondern wie ein Eraviscus.


    "Danke, Viri", hauchte Satibarzanes unmännlich. "Ich bin ... schön!" In seinem ganzen Leben hatte Satibarzanes sich noch nie schön gefunden.


    Das erste Mal im Leben mochte er seine hellgrauen Augen, die er sonst als glotzende Fischaugen empfunden hatte, während er neidvoll auf die braunen Augen von Kyriakos geschaut hatte, die in der Sonne rötlich zu glühen schienen, während seine immer kalt und tot wirkten. Nun aber schien aus seinem Blick der Nordwinter zu sprechen. Sein Körperhaar, das er hatte wachsen lassen, um vorsätzlich die Freier abzuschrecken, die Kyriakos ihm aufbürdete, schien auf seinem dicklichen Körper nun plötzlich eine Daseinsberechtigung zu haben, ein Erbe uralter Wildnis, genau wie sein Dreitagebart. Nichts davon wirkte mehr ungepflegt, alles fügte sich.


    "Ich benötige passende Kleidung! Eine farbige Tunika, dazu einen karierten Überwurf. Aber welche Farben?"


    Satibarzanes fürchtete, mit einer falschen Entscheidung den ganzen Effekt wieder zunichte zu machen. Und er freute sich gewaltig auf den Tag, wenn er das erste mal mit Viridomarus in den fernen Süden reiste, um auch den anderen Teil seines Blutes auf den Prüfstand zu stellen. Im Moment fühlte er sich dermaßen keltisch, dass er nicht glaubte, dass das Perserblut seiner Mutter irgendeine Chance hätte, sich noch einmal zu Wort zu melden. Hoffnungsvoll sah er Viridomarus an.


    "Wirst du mich eines Tages wirklich mit auf die Reise nehmen? Oder hast du das nur so gesagt?"

    "Aber was frisst Lurco denn in sich hinein?", fragte Satibarzanes. "Er wirkt immer so zufrieden. Er hat doch alles, was man sich nur wünschen kann. Ein Haus, eine gute Arbeit, regelmäßiges Essen und sogar einen Scato."


    Sofern der nicht ausgerechnet der Anlass des In-Sich-Hineinfressens war, was Satibarzanes sich durchaus vorstellen konnte. Er selbst hielt sich lieber Lurco als Hausherren, weil Scatos Fröhlichkeit im manchmal aufgesetzt oder sogar boshaft erschien, wie ein grinsender Faun. Das machte es schwierig, ihn einzuschätzen. Dass nun aber ausgerechnet der harmonieliebende Lurco zum Explodieren neigen sollte, missfiel Satibarzanes.


    "Lurco kann bei Terpander explodieren", meinte er.

    "Ich brauche keine Pause, ich jammer nur vor mich hin", sagte Satibarzanes, der in der Tat überdurchschnittlich viel zum Jammern neigte. Das war ihm antrainiert worden von einem Mann, der kleine Jungs gern tröstete. Von diesem Soldaten, seinen Freunden und anderen zweifelhaften Gestalten hatte Satibarzanes alles gelernt, was er heute war. Und von Kyriakos, der vielleicht der Einzige gewesen war, der es je gut mit ihm gemeint hatte. Das Resultat all dieser wirren Erziehung saß nun auf diesem Stuhl mit einer Lebensweisheit, die sein junges Alter Lügen strafte, während andere Dinge, die den meisten Menschen selbstverständlich erschienen, ihn überfordern wie ein Kleinkind.


    Satibarzanes suchte im Spiegel den Blick von Viridomarus. "Ist Lurco schon mal explodiert? Ist er dann gefährlich oder schreit er nur rum?" Rumschreiende Leute, die aus Verzweiflung irgendwas kaputt machten, kannte Satibarzanes zur Genüge. Das störte ihn nicht, sollten sie toben. Angst machten ihm nur jene, die ihre Wut nicht gegen die Welt richteten, sondern gegen Menschen. "Ich bin noch nie explodiert", meinte Satibarzanes.

    Satibarzanes ließ sich nicht anmerken, dass es ihn dieser Name überraschte. Die beiden passten doch überhaupt nicht zusammen. Der eine ein Lebemann, der andere ein Soldat. Der eine freiheitsliebend, der andere anhänglich.


    "Zum Glück bist du den los", meinte Satibarzanes. "Er ist zwar sehr nett, ich mag ihn, aber du und er - nein. Er würde dich nur stören mit seinem Geklette. Und ich glaube, auch Lurco kann froh sein, inzwischen nicht an den Falschen geraten zu sein. Er scheint jemand zu sein, der sehr viel gibt. Manche nutzen so etwas schamlos aus."


    Er überlegte, ob Scato nicht genau das tat. Zumindest machte der dünne Kerl es sich auf Lurcos Kosten ziemlich gemütlich in der Casa Leonis und ließ es sich fürstlich gut gehen. Alles, was Scato beisteuerte, war ein feindseliger alter Sklave, den er nicht einmal selbst gekauft hatte, während Lurco bereit war, sogar noch Satibarzanes einzustellen, damit Scatos heiliger Terpander auch keinen Finger zu viel krumm machen musste. Aber manche Dinge sprach man nicht aus. Es ging Satibarzanes nichts an, er war froh darüber, dass Lurco so war, wie er war. Allenfalls tat ihm der Mann irgendwo leid. Als Viridomarus mit zwei Spiegeln sein Werk präsentierte, lächelte Satibarzanes das erste Mal. Seine feisten Wangen traten hervor.


    "Das sieht wunderschön aus, Viri", flüsterte er. "Das ist kein Handwerk, das ist Kunst! Wie lange wird es noch dauern? Mir tut langsam der Rücken weh."

    "Oh, verstehe", sagte Satibarzanes, der, als sein Kopf ins Genick gezogen wurde, mit großen Augen zu Viridomarus hinaufsah. "Wer war dieser Mann? Liebe bringt nur Schmerz, so ist das bei allen. Dir tat die Trennung nicht weh, ihm Gefährten schon. Du warst der Klügere von euch und er hatte das Nachsehen. Am besten ist es, überhaupt nicht mit so etwas anzufangen. Genutzt hat Liebe noch niemandem, es gibt nichts, was man nicht auch ohne sie haben könnte. Eine Ehe, Kinder, Sex ... und was man halt sonst noch so haben will."


    Was auch immer das sein mochte. Wenn es um Liebe ging, war das für Satibarzanes, wie über eine Familie zu sprechen - er konnte sich nur auf Hörensagen berufen. Ihn hatte nie jemand geliebt und er liebte auch nicht zurück. Wenn er davon sprach, dass Kyriakos ihn mochte, machte er sich nicht die Illusion, das mit etwas Tieferem zu verwechseln.


    Terpander eins auszuwischen, das gefiel Satibarzanes allerdings. Warum Viridomarus Macht über den alten Mann hatte, wusste er nicht, aber er fand es lustig, wenn Terpander zitterte. "Terpander eine Schmusekatze", wiederholte er grinsend. "Und ich der Löwe. Was für ein merkwürdiger Gedanke. Was willst du mit ihm anstellen, wenn er dir aus der Hand frisst? Und kann ich meine Haare schon mal im Spiegel sehen?"

    "Mehr weiß ich über Adoption nicht! Nur was man so hört." Für solche Dinge würde Viridomarus jemanden fragen müssen, der gebildeter war. "Manche Leute lügen, weil es bequem ist", meinte Satibarzanes. "Wenn man nichts erklären will, sagt man einfach irgendwas. Dir habe ich zum Beispiel als Erstem gesagt, wie kompliziert meine Abstammung ist. Den anderen sage ich einfach: Ich bin Illyrer. Was gelogen ist. Falls sie wegen meinem Namen fragen, antworte ich: Ich bin halb Perser, halb Kelte. Was ja ungenau ist. Für die meisten Leute ist die Wahrheit Zeitverschwendung."


    Es war nicht so, dass sich viele Menschen für die Details des Lebens von Satibarzanes interessierten, weshalb er sie mit Scheinantworten abspeiste. Wenn jemand aufrichtig interessiert wirkte, gab er jedoch ehrliche Antworten. Er kratzte sich die Tunika über dem Bauch. Er musste sich noch daran gewöhnen, dass er nicht mehr Oberkörperfrei herumlief, der Stoff juckte an seinen Körperhaaren.


    "Meine Arbeit ist ... war gar nicht so schlimm. Außer wenn ich Kunden hatte, die mir mit Absicht weh getan hatten. Der eine wollte mich immer würgen, das war vielleicht ein Arsch. Ich weiß nicht, was Kyriakos noch von mir erwartet, wo das Ganymed abgebrannt ist. Aber ich weiß, was er sich erhofft. Er hätte gern, dass ich zurückkomme, auch wenn ich nutzlos bin. Wir haben fünf Jahre jeden Tag miteinander verbracht. Ich war immer für ihn und für seinen Sohn da, Tag und Nacht. Und nun bin ich weg. Ich fürchte seine Rache nicht. Weil er mir nichts tun wird, egal, wie sehr er meckert. Aber die Zwillinge, die er losschickt, um mich zu holen! Die fürchte ich!"


    Erneut legte Satibarzanes den Kopf in den Nacken um Viridomarus anzusehen. "Terpander will ein Ritual durchführen? Sind Flüche nicht verboten?"

    "Ich meinte doch nicht, dass du Kinder adoptieren sollst", erklärte Satibarzanes, dessen Blick durch halbgeschlossene Lider auf der Tür ruhte. Er hatte das Gefühl, jeden Moment würde sie sich öffnen und die Zwillinge stünden darin. "Manche Römer lassen sich als Erwachsene adoptieren, um Teil einer einflussreichen Familie zu werden. Das geht. Dann spart man sich die Hochzeit und hat trotzdem das Bündnis."


    Er fand seine Variante unkomplizierter und weniger fehleranfällig. Als Viridomarus klarstellte, er würde ihn keineswegs aus Freundlichkeit mit auf die Reise nehmen, sondern aus Eigennutz, lächelte Satibarzanes. Über die unverblümte Ehrlichkeit freute er sich.


    "Danke, dass du mich nicht belügst. Parthien, meinte ich, ich hatte mich versprochen. Ich weiß fast nichts über Persien und Parthien, leider. Aber ich würde gern einmal dorthin, um zu spüren, ob ich dort mehr zu Hause bin als hier. So etwas weiß man nicht, bevor man nicht dort war. Wir könnten erst nach Thrakien reisen, die Rosen anschauen und dann weiter nach Parthien oder Persien. Hast du eine Landkarte? Ich habe noch nie eine gesehen."


    Einen Moment lang vergaß er die Bedrohung von draußen, als sie so plauderten und ihm sanft das Haar gemacht wurde, doch als draußen ein Hund anschlug, war die Angst wieder da.


    "Kyriakos ist der Besitzer des Ganymed. Ich habe für ihn gearbeitet. Aber wir kennen uns schon länger. In Aquincum haben wir eine zeitlang Familie gespielt. Nach all den Jahren und was wir zusammen erlebt haben, habe ich ihn am Ende doch sitzen lassen. Es kann sein, dass er mir das krumm nimmt."


    Er blickte kurz nach oben zu Viridomarus und dann wieder zur Tür.