Wer hätte jemals gedacht, dass mein Leben auf diese Weise enden würde? Vielleicht irgendein Neider, Crimas aus Lybien eventuell oder sonstwer, der mir keineswegs wohlgesonnen war. Dabei hatte alles relativ harmlos begonnen… vor etwa fünf Minuten:
Cossutius Statius war eigentlich ein Mann wie aus dem Bilderbuch gewesen und lediglich mit dem einen Makel behaftet, der eigentlich keiner war: Er hatte das Lupanar „Zur Freude“ in der Nähe der Subura besucht, wo auch ich vor einigen Wochen ein neues Betätigungsfeld gefunden hatte. Natürlich nicht freiwillig, aber immerhin gehörte ich zu jenen Glückssuchern, die aus allem das Beste herausholen wollten. In diesem Falle aus dem Freier Statius, der sich das auch gerne gefallen ließ. Wir waren gerade dabei uns zu verabschieden, an der Hintertür des Etablissements und ich säuselte noch ein wenig herum, wobei er auch gar nicht abgeneigt erschien, noch ein weiteres Mal diesen Ort aufzusuchen – also mich, weil ich vielleicht auch seine Wange so schön streichelte. Und ich tat, was ich schon seit besagten Wochen getan hatte: Ich ließ mir ganze fünf Asse an Bezahlung in die leicht hingehaltene Hand abzählen und gönnte ihm daraufhin ein paar schmachtende Blicke. Das war eine Masche, sicherlich, aber sie lohnte doch sehr, zumal Kaeso, der Besitzer des Lupanars und somit auch der meinige, auch schon mit drei Assen für die Dienste seine Sklaven zufrieden war, weil er kein Wucherer sein wollte, selbst er Schulden ohne Ende hatte. Leider zahlte er deswegen keinerlei Peculium und besonders freundlich war er auch nicht unterwegs, wobei ich der Meinung war, dass meine Leistungen schon etwas mehr wert waren.
Aus diesem Grund behielt ich die überzähligen zwei Asse auch für mich und hatte nun schon ganze vierzig davon an der Zahl, was nicht einmal übel war. Übel wurde es erst, als Olympia, die bemalte Diva des Lupanars und Starsprostituierte mir ausgerechnet in diesem Moment auf die Schliche gekommen war. Ohne dass ich es recht bemerkt hatte, war sie wohl – als alte Natter, die war - auch zu Kaeso hinüber gekrochen, um sich in ihrer Rolle als Liebling gleich noch ein wenig sicherer sein zu können. Eine Schande, zumal ich noch am Vortag so schöne Komplimente gemacht hatte, um mich mit ihr gut zu stellen. Leicht war das Leben hier nämlich keineswegs und es war doch immer von Vorteil, wenn man Freunde hatte. Diese waren aber wohl gerade aus, denn aus der Weite des Lupanars hörte ich schon das Löwengebrüll des Kaeso, der ein raumgreifendes verbales Organ hatte. Als ehemaliger Optio war das kein Wunder, auch wenn diese Zeit schon in weiter Vergangenheit für ihn lag. Wie auch immer. Ich wusste gleich, dass es um mich ging, denn das “AAAWIDAAAAN...“ war nicht zu überhören. “ZWEI ASSE MEHR?….DU KLEINER ELENDER SAUHU...“ Mehr bekam ich kaum noch mit, denn ich hatte mich schon auf den Weg gemacht. An Statius vorbei, der nun auf die Idee kam: “Hast du mich etwa mit dem Preis beschissen?“
Aber auch das war Nebensache. Ich war schon bei der Tür angelangt und fast über die Schwelle, prallte aber dort dummerweise gegen Murenus, den ehemaligen Gladiator, den man hier auch ‚die Klinge‘ nannte. Dieser wollte mich auch sogleich ergreifen, doch ich hatte Glück, konnte gerade noch an ihm vorbei streifen, als das Glück mich auch schon wieder verließ und ich über einen Pflasterstein auf der Nebenstraße stolperte. Flüchtig war ich zu Boden gegangen, fand mich dann aber auch schon ergriffen und wieder unsanft auf die Füße gestellt. Von Mureus, der Klinge, grob am Hals gepackt und gegen die Lupanerfassade gedrückt hatte ich um Luft gerungen, als auch schon Kaeso, gefolgt von seiner rechten Hand Veratius zur Stelle war. Es war wirklich nicht mein Glückstag. Aus halb verdrehten Augen – mir fehlte ja reichlich Atemluft – konnte ich sehen, dass auch Olymipa frohlockend Stellung bezogen hatte und eine weitere Sklavin des Lupanars, die schöne, zierliche Helena mit der Blondhaarperrücke. Sie war wirklich wunderschön und nun wohl das Letzte, was ich noch erblicken würde. Aber auch das war ein Trugschluss gewesen.
“ICH HABE DIR GESAGT, WAS PASSIERT, WENN HIER EINER KLAUT!“, bellte Kaseo lauthals, was auch wohl die Nachbarschaft nun informierte. Zum Glück war diese in dieser Seitenstraße rar gesäht. Leider würde es so wohl auch keine Zeugen geben. Mein: “Es waren doch nur zwei Asse!“, galten in diesem Falle nicht. Kaesos Laune war schon den ganzen Tag gereizt gewesen. Da kam ihm ein Ventil dafür wohl gerade recht.
“Zwei? ZWEI? Ich war schon viermal bei dir, also sind es acht!“, hörte ich den Statius lamentieren. Irgendwoe fernab meines Gesichtfeldes. Vielleicht war der auch knapp bei Kasse. Prinzipienreiter war er. Das wusste ich genau.
Ich hatte noch schwer geschluckt, als Kaesos Kopf auch schon ruckte, um Murenus zu bedeuten, dass er sein Werk beginnen konnte. Tatsächlich krachte unvermittelt eine schwere Faust in meinen Magen, was mir einmal mehr die Luft raubte. Fast auch schon die Sinne. “WO IST DIE VEFLUCHTE KOHLE? Olympia sagt, du stielst schon länger, du kleiner Scheißer! Womit verarschst du mich noch?“, hatte Kaeso von mir wissen wollen. Die schöne Helena schrie wie verrückt, wie mir nicht entging und sie wirkte sehr entsetzt. Auch ich hatte ja nun geschrien, nach einem schweren Atemzug, der mir geglückt war, was aber den zweiten Schlag an die Schläfe dann nicht hatte verhindern können, der mich hart auf das Pflaster beförderte. Mein Gesicht stand inzwischen in Flammen und Sterne tanzten vor den Augen, wobei meine Schulter es war, die von dem unglücklichen Aufprall kündete. Mein Magen befand sich bereits in der Unterwelt, mir wurde speiübel und etwas Warmes lief mir aus der Nase bis in den Mundwinkel. Der Schatten über mir war wieder Murenus. Das erkannte ich immerhin noch. Ich wollte schon davon kriechen, als mich auch noch etwas in die Seite traf. Veratius‘ Fuß, aber das konnte ich mir nur in etwa vorstellen, denn mittlerweile schien mein Körper nur noch aus Schmerzen zu bestehen. Kaeso brüllte weiter wie ein Stier, bedachte mich mit allerlei Tiernamen und abscheulichen anderen Schimpfwörtern, die aber einfach an mir vorbei gerauscht waren.
Er hatte mehrfach angedeutet, was geschehen würde, wenn hier Dinge passierten, die nicht in seinem Sinne waren. Diebstahl zum Beispiel. Oder andere Betrügereien. Vom Ungehorsam ganz zu schweigen. Eigentlich hatte ich das alles auch gar nicht gewollt. Die Arbeit in einem Lupanar schon einmal gar nicht, aber wie so oft hatte mir mein wohl passables Äußeres dazu verholfen hier zu enden und völlig unansehenlich war ich ja auch wieder nicht. Außerdem hatte ich mir schnell eingeredet, es sei nur eine rein körperliche Angelegenheit, was auch den Tatsachen entsprach. Unschön, aber hilfreich. Kaeso war es auch gewesen, der mir eindringlich erklärt hatte, wie gut es sein würde, wenn ich mich schnell in verführerischster Art und Weise fügte, da ansonsten von meinen rein körperlichen Vorzügen nicht viel übrig bleiben würde und er mich an finstere Orte stecken würde, wie etwa die Mienen oder in die Cloaka Maxima.
Und das hatte er sehr ernst gemeint, wie ich nun feststellen musste. Er brüllte immerhin noch, dass es Dreck wie mich wie Treibgut an jedem Scheißtümpel geben würde. Teuer war ich ja auch nicht gewesen. Nun wirklich nicht. Bis wohl auf die verfluchten vierzig Asse am Ende. Verdammte Welt! Warum hatte ich mich verleiten lassen? Und warum hatte ich der missgünstigen Olympia bloß noch Komplimente gemacht? Ich war ein Narr und bald auch ein sehr toter Narr obendrein, denn Muranus, die Klinge, zog eine solche, wie ich ächtzend, mit blutender Nase und unterlaufendem Auge feststellte, als ich mich unter Schmerzen schnaufend auf den Rücken quälte. Meine Schulter brannte und ich wusste zu einhundert Prozent – auch wenn ich ansonsten ein sehr schlechter Rechner war – dass das Aufblitzen dieser Klinge der letzte Eindruck war, den ich aus dieser Welt mit in die nächste nehmen würde. Ganz bestimmt. So würde ich also sterben, wie ich geboren wurde: Maximal unerwünscht. Die schöne Helena würde ich nicht mehr zu Gesicht bekommen, doch zumindest hörte ich ihre hysterischen Schreie, die sich zu Beginn noch mit meinem eigenen gemischt hatten. Wie gut, dass es unter dieser Erkenntnis schwarz um mich werden wollte. “Wo ist das Geld? Das aus der Truhe hast du auch! Gib es zu!“, hörte ich aber noch eine schneidende Stimme. Kaeso. Recht nah sogar. Antworten konnte ich aber nicht mehr wirklich. Sterben aber wohl auch nicht? Ich konnte nichts mehr mit Gewissheit sagen – oder denken. Auch nichts über die Truhe und was dort wohl fehlen würde.