Beiträge von Awidan

    Eigentlich hatte ich mich nun schon wieder ebenso unauffällig wie schon zuvor auch davon schleichen wollen, doch zu meiner Überraschung wurde ich nun angesprochen. Dank des drei-Tage-Bärtigen Lupanarkunden, der mich ebenso erblickt und mir verwegen – vielleicht auch wenig anzüglich – entgegen gegrinst hatte, war es nun der junge Mann, der mich ansprach. Jener, welcher zuvor mit meinem Mitbruder parliert hatte. Ich staunte nicht schlecht und war nun auch ein bisschen überrascht. Offenbar war ich nicht mehr nur Meister Awidanos, sondern auch ein Dominus. Besondere Hinweise auf meinen Stand trug ich ja nicht, also sollte ich mich wohl besser auch nicht allzu sehr wundern. Schon die Valeria meinte in mir einen freien Mann erblickt zu haben. Eine saubere, ansehnliche Tunika machte also schon eine ganze Menge aus. Auch, dass mir nun ganze drei Asse für einen Apfel angeboten wurde! “Salve…,“ gab ich also von mir und lächelte dann wieder. Das war natürlich ein Angebot, welches ich nicht ausschlagen konnte.


    “Aber natürlich würde ich einen Apfel verkaufen!“, gab ich geschäftstüchtig bekannt. Mitleid sollte man ja am besten auch nicht einfach so verschleudern, aber unter diesen Vorraussetzungen ließ sich darüber natülrich reden. “Du könntest auch zwei für nur fünf Asse bekommen, oder drei für sagen wir….sechs Asse! Ein wenig Handeln konnte ja nicht schaden und diese waren, auch wenn es nur bei dreien davon blieben sollte, doch eindeutig leichter verdient als jene vierzig, die noch auf der Latrine im Lupanar versteckt lagen. Für diese hatte ich ja auch noch immer keine Lösung gefunden, doch wollte ich sie auch weiterhin unbedingt zurück bekommen, denn für jemanden wie mich war das doch eine Menge Holz - sozusagen ein schwerer finanzieller Verlust!


    Ich lächelte dem jungen Mann also auch weiterhin entgegen, was sehr einfach war, da er auch sehr hübsch anzuschauen war. Er musste ungefähr in meinem Alter sein, vielleicht auch ein wenig jünger, doch im Schätzen war ich ja noch nie besonders gut gewesen. Dann fiel mir aber noch etwas ein. “Verzeih’, aber ich würde gerne wissen, was genau du den Sklaven dort oben gefragt hast,“ sagte ich dann und war bemüht, dabei auch recht selbstsicher zu erscheinen. “Ich meine… ich mag nicht neugierig erscheinen, doch würde ich mich gerne ein wenig in…“ Ich überlegte kurz, doch so recht war der Meister Awidanos in mir wohl noch nicht etabliert. “… in Kauf und Verkauf üben!“ Das traf es ja in etwa und ich nickte mir auch sogleich flüchtig selbst zu. Nicht schlecht, nicht schlecht…., sprach ich also in Gedanken zu mir selbst und lächelte dann einfach weiter.

    Noch immer beschaute ich mir den Vorgang auf dem Podest, auf welches nun zwei Interessenten geklettert waren. Einer etwas behänder als der andere. Wieder biss ich herzhaft in meinem Apfel und wagte mich nun auch wenig näher. Vielleicht um in Erfahrung zu bringen, was die beiden Interessierten denn genau so – nun – interessierte. Vielleicht gelang es mir ja auch das ein oder andere Wort zu erhaschen, was aber gewiss schwierig werden würde. Immerhin waren noch einige andere Menschen versammelt, welche sich unterhielten. Dennoch traute ich mich nun ein wenig näher an das Podest, etwas seitlich und sehr unauffällig. Auffallen wollte ich immerhin keineswegs, was leider eine kleine Illusion war. Schließlich spähte der Mitbruder, der zum Verkauf stand zu mir hinüber, offenbar interessiert an meinen Äpfel, welche ich jedoch nicht zu teilen gedachte. Erstens, weil es kaum möglich war und zweitens, weil ich sie mir – so meinte ich – redlich verdient hatte. Also nickte ich dem armen Menschen nur zu und lächelte dann noch einem anderen entgegen, welchen ich ebenfalls kannte. Ein Römer vor dem Podest und mit einem verwegenen Dreitage-Bart. Ein gediegener Mensch, der schon öfters seine Aufwartung bei Kaeso gemacht hatte und dessen Lupanar, in welchem ich ja nun – zum Glück – nicht mehr tätig war und auch nicht mehr tätig werden würde.


    Ich lächelte leicht zurück und wendete mich ein wenig ab. Nicht dass der Mann noch meinte, er könne mir hier irgendwelche Avancen machen, denn das hätte mir noch gefehlt. Zum Glück ging aber die Aufmerksamkeit aller nun wieder auf das Podest hinauf, wo der Käufer nun sein Besitzrecht proklamierte. Mist! Nun hatte ich gar nichts von den Worten, die gesprochen worden waren, mitbekommen. Schließlich sollte es um Autoren und Zitate gehen und das wäre sicherlich interessant gewesen, wenn ich mich von nun an für Philosophie begeistern würde. Probleme würde das allemal bringen. Ich konnte ja schließlich nur schlecht lesen, doch mit ein wenig Übung… und auskennen tat ich mich ja auch nicht. Außerdem hatte ich keine Möglichkeit an eine Bibliothek heran zu kommen. Meine Stirn legte sich aber bereits jetzt in Denkerfalten. Meister Awidanos würde schon einen Rat finden!

    Mit meinem just erhaltenen Beutel mit Äpfeln in der Hand ging ich weiter. Sehr nachdenklich, wie ich zugeben musste. Verstopft mit den eigenen Gedanken und der Verwunderung über das Geschick, welches mir nun widerfahren war, grübelte ich über die Valeria und auch darüber, ob ich die Angelegenheit gerade geträumt hatte. Meister Awidanos erreichte so den Sklavenmarkt, wo gerade ein Mitbruder meiner Zunft auf dem Podest stand. Ein ‚Diocles‘, wie der Sklavenhändler skandierte. Scriba Personalis gewesen zu sein war schon etwas. Nach immer unter meinen eigenen kreisenden Gedanken und der drohenden Gefahr, der ich mich aussetze, da etwas in mir natürlich noch immer vor hatte, Dominus Selenus den Vorschlag der Valeria nahe zu bringen, klaubte ich einen Apfel aus dem Beutel und begann diesen zu essen, während ich mir die Szenerie betrachtete. Doch Mitbruder hin oder her – ich hatte mir schon lange das große Mitgefühl abgewöhnt. Da Schicksal war eine grausame Kreatur und vielleicht hätte es mich mehr geschert, wenn der Sklave auf dem Podest Gefahr lief in die Minen verkauft zu werden. Aber ein Scriba würde sicherlich nicht in einem Lupanar enden oder bei anderen zwielichtigen Gestalten von Hand zu Hand weitergereicht. Gut, ich hatte ja auch immer meinen Teil dazu beigetragen, dass mich die Vorsehung nicht immer gestreichelt hatte, aber nun stand ich ja vor der höchst eigenen Verlockung.


    Frei Kost und Logis, bei gutem Peculium, sehr gutem Essen und Reisen in der Sänfte. Es wäre doch wunderbar. Besser als auf so einem Podest auf dem ich wohl auch irgendwann enden würde, denn Dominus Selenus wusste ja jetzt schon nichts mit mir anzufangen. Immerhin hatte er mich gerettet, doch hatte es auch im Gespür, dass mit seinen Geschäften die Gefahr für mich ebenso stieg wie für einen Meister Awidanos in Gesellschaft junger Philosophie-Interessenten. Vollmundig kauend stand ich also an der Seite und betrachtete mir, wie ein Römer nun mit dem Händer sprach und offenbar das Podest besteigen wollte. Wie auch immer. Vielleicht wäre es wirklich gut, wenn ich meinen Verkauf selbst in die Hand nahm und mir somit einiges ersparte. Meister Awidanos. Es klang doch unglaublich erhebend!

    Die Ehrfurcht, mit welcher die Valeria meine Worte wiederholte, erschütterten mich. Nicht in einer schrecklichen Erschüttung wie etwa, wenn die Erde beben würde oder ein Kaeso meinen Namen brüllte, sondern in einer sehr angenehmen Weise, die auch sogleich mein Ego herzte. Umso erfreuter schaute ich ihr dann auch entgegen und vergaß schon beinahe mein Vorhaben, diesen ganzen Irrtum nun doch aufzuklären. Immerhin würde Dominus Selenus das nicht als rechtens befinden, was ich hier tat und wahrscheinlich wäre auch doch mit einer Strafe für ein solches Verhalten meinerseits zu rechnen. Und diese Gefahr wollte ich doch nicht in meine Nähe lassen. Also rang ich schon mit mir und meinem Atem, auch unter dem Vorhaben, nun doch hier schnellstmöglich zu verschwinden, doch noch nickte ich zur Wiederholung meiner Worte und der sachten Frage meines jungen Gegenübers, welches so begeistert war. Ja, nur ein Gedankengang in diesem Moment schon würde genügen, um meine heiße Luft, welche die Valeria schon meinte zu spüren, auch als solche zu entlarven. “Jaaa…,“ begann ich nun bereits wieder gedehnt und auch recht verlegen inzwischen, doch ich wagte es dann doch nicht, weiter zu sprechen. Mein Blick wanderte zu Hund und Reminigus, der noch vollmundig kaute und dann wieder zurück auf die junge Römerin.


    “O nein, nein… das konntest du ja nicht ahnen,“ wiegelte ich dann zaghafter als geplant ab, als die Valeria sich für den Vorschlag, mich mit ihrer Sänfte reisen zu lassen entschuldigte. Leider war es dann doch keine Bescheidenheit meinerseits, sondern dann doch eine leichte Furcht. Natürlich vor Dominus Selenus und schon wieder schöpfte ich Atem, um zur Wahrheit anzusetzen, als mir dann aber doch nur ein “Ohhh..“ entfuhr. Ordentliche Kleidung und ein Peculium. Gutes Geld für mich! Mich! “Nun jaaa…,“ entkam es mir nun schon deutlich gequälter. “Natürlich würde ich dem dann nicht entsagen…. können…. natürlich!“ Vor mir stand die Erfüllung aller meiner Träume seit den schaurigen Erlbenissen in Syria, die mich erst in den Sklavenstand gebracht hatten. Ja, da war sie und sie versprach all‘ die Dinge, die ich mir schon als freier Mann hatte hart erarbeiten müssen und das oftmals genauso ohne Erfüllung wie in der Zeit danach.


    Ich seufzte und nickte. Hauptsächlich mir selbst zu. Es war doch eine schöne Chance und vermutlich war der Cousin auch nicht so schlau, dass er … Aber besser daran dachte ich jetzt nicht, denn das konnte ich auch gar nicht, weil meine Gedanken ja auch schon bei Dominus Selenus waren, der einfach nur ein Angebot an die Casa Veleria würde entrichten müssen. Und die Valeria würde ihn ja gar nicht zu Gesicht bekommen! Vielleicht,… mit etwas Glück… könnte ich zumindest für eine kleine Weile… “Ja, ich werde es ihm sogleich ausrichten!“, erklärte ich dann schon ein wenig beherzter. Dann fiel mir aber noch etwas ein: “Ihr habt doch eine gute Bibliothek?“, wollte ich dann wissen. Es würde zwar eine ganze Weile dauern, aber das ein oder andere an Wissen über die ‚heiße Luft‘ würde ich ja schon gebrauchen können. Und die Valeria war dabei ja auch recht anspruchslos, um besser zu sagen: verständnislos.

    Ich lächelte immer noch, als die junge Valeria meinte, dass sie von dem Polydermos aus Delos noch nie etwas gehört hatte, was ja auch überhaupt gar kein Wunder war. Ich hatte es ja ebenso wenig. Doch anstatt diese kleine Notlüge nun aufzulösen, schien die Römerin nun alles daran zu sezten diese noch ein wenig für mich zu vertiefen. “Oh...wirklich!?“, entkam es mir dann nämlich in etwas desperatem Ton, als sie meinte, dass ihr Cousin doch der klügste Mann Roms wäre. Sie aber wäre erst vierzehn? Meine Augen weiteten sich leicht und ich lachte dann etwas belämmert, um mir mit der Hand seitlich durchs Haar zu streichen und im Geiste schon einmal die Tiefe des Grabens zu durchmessen, in welchen ich wohl fallen würde, wenn das hier so weiter ging. Oder ich würde in diesen hinein gestoßen werden. Von dem schlauen Cousin, falls dieser denn wirklich so schlau war und der Schatten nicht familiär bedingt war. Immerhin hielt mich die Valeria noch immer für einen Philosophen, der nur zu bescheiden war, um dies seinem Dominus mitzuteilen. Wie Sokrates ja auch mit dergleichen nicht hausieren gegangen war. Besser war das wohl. Nur die Ruhe, Awidan!, redete ich mir selbst zu in meinen Gedanken und atmete tief durch.


    Dann musste ich doch glatt wieder etwas lachen, was hoffentlich aber auf einen Außenstehenden charmant wirkte und nicht so angeschlagen und verzweifelt, dass es mir gleich angemerkt wurde, wie schrecklich es doch war, mir vorzustellen, dass ich mein philosophisches Viertelwissen auch noch bei einem Damenabend in gut betuchter Gesellschaft zum Besten geben sollte. RUHIG BLUT! erschallte es wieder in meinem Kopf. Irgendwie – es musste schon ein wenig Besesshenheit dabei sein – war es jedoch auch eine schöne Vorstellung. Die jungen Damen auf den Klinen und ‚Meister Awidanos‘ am Schwadronieren beim Essen. Essen mit Fleisch und allerlei Kostbarkeiten und den selbst verfassten Schriftrollen. Es wäre so wunderschön, weshalb es auch eine so enorme Verlockung war, die junge Valeria noch immer nicht über die Tatsachen ins Bild zu setzen. Aber für sie schien es eh schon beschlossene Sache, da sie nun auch wissen wollte, wo mein Dominus wohnte und sie mich mit ihrer Sänfte… Oh, du schöne Welt….!


    Meine Hand klammerte sich noch etwas fester um den Apfelbeutel in meiner Rechten und ich lächelte weiter. Einfach weiter, während ich wohlgefällig nickte und mich sehr mühte, mir weder meinen Gefallen an der Vorstellung zu zeigen, noch die Furcht vor dem, was geschehen würde, wenn der schlaue Cousin oder gar die Valeria selbst vor den Trümmern einer so eitlen Illusion standen. Und was wäre dann mit mir? Aber ich schon diese Gedanken schnell beiseite, denn einem verzagten Menschen war noch nie etwas fröhliches entkommen.


    “Jaaaaaaa……,“ begann ich dann gedehnt, in der Hoffnung einige Erklärungen zu finden. “Das klingt ja alles fantastisch, nicht wahr?“, gab ich bekannt. “Polydermos aus Delos war ja auch….“ absolut nicht-existent “...unter dem Name der...Viel..häutige bekannt, da er sich sehr gut darauf verstand, eine jede… also fast jede Gesellschaftsschicht…. quasi… mit seinen Lehren zu bilden!“ ...hätte es ihn gegeben, wäre er wohl überall klar gekommen… das musste ich ja irgendwie auch...wie viele andere in ähnlicher Lage.... Zu meinen Worten nickte ich in gespielter Selbstsicherheit. “...Er war auch recht flexbil in seinen Anschauungen über… die Welt und dafür bekannt stets mit der Zeit zu gehen…,“ spann ich das Ganze nun unverschämt weiter. Gehen wäre nun für mich auch ein gutes Stichwort. Aber etwas hielt mich an Ort und Stelle. Die brenzlige Gefahr des Auffliegens natürlich, warum auch immer und natürlich auch der riesige Hund, der sicherlich auch schneller sein würde als ich selbst!


    “..Sowas würde den Damen auch gefallen. Der Kern seine Lehre besagt… dass wenn Dinge so aussehen, als würden sie etwas sein, dann genüge nur ein etwas weiterer Gedankengang, um sie stets und immer als… Luft zu entlarven!“ Platon hatte wohl Ähnliches gesagt, aber da war ich mir natürlich nicht sicher. “Mein...Dominus wohnt...“ Nein! Es wäre besser, das nicht zu sagen, denn Dominus Selenus würde mich ohne Zweifel wieder auf die Seelenwanderung schicken, sollte ich den Schlupfwinkel der Bruderschaft verraten. “… in einer sehr zurückgezogenen Bleibe!“ log ich einfach weiter. “Er macht sich nichts aus Bekanntheit und er empfängt auch keine Besuche…,“ seufzte ich schwer unter dem Bewusstsein, hier wahrscheinlich einmal mehr eine sehr große Dummheit zu begehen. “Eine Sänfte würde ihn auch zu sehr… erschrecken. Er… ist sehr für die Funktionalität und Geradlinigkeit.“ Das stimmte sogar irgendwie und ich hatte nicht so wirklich gelogen.

    Auf die Nennung meines Namens wirkte die wohlhabende Römerin leicht enttäuscht, was ich ihrer Stimme anhören konnte. Vor allem als sie meinte, dass der aber gar nichts Griechisches an sich hatte. Mir lag schon auf der Zunge, dass sie da vollkommen recht hätte, aber zum Zuge kam ich mit eigenen Worten nicht, denn sie vermutete nun einen ‚Awidanos aus Athen‘ hinter meiner Abstammung. Dabei war sie so hoffnungsfroh, dass ich sie eigentlich nicht noch einmal enttäuschen wollte. Doch war dies natürlich eine Sache, die unausweichlich war, weil ich ja gar nicht aus Athen stammte, sondern aus Damaskus. Also holte ich noch einmal Atem. “Nun ja…,“ setzte ich an, als die Römerin auch schon sagte, mich gar nicht beleidigen zu wollen. Ein Novum war das wohl auf meiner Seite und meine Augen weiten sich leicht erstaunt, während sie nun erklärte, dass Kyniker… Aber Moment! Meister Awidanos? Mein Mund öffnete sich nun stumm und die darin eigentlich schon versammelten Worte waren völlig vergessen. Meister Awidanos! Was hätte Onkel Adad gelacht! Allerdings war der noch in Damaskus und auch sehr fern. Das war er mir eigentlich schon immer gewesen, weshalb mich das auch nicht mehr sonderlich beschwerte.


    “Ach so!“, entkam mir dann, als ich nun erfuhr, dass die Kyniker wohl Philosophen waren und einen sehr schlechten Ruf genossen, weil sie sich nicht wuschen. Besser wurde es aber noch allemal. Fast schon bis zu meiner Verlegenheit, was in der letzten Zeit kaum jemand vermocht hatte zu erreichen. Ich würde ganz gut riechen und… Bitte? Etwas verdattert musste ich wohl nun aussehen und unter diesem Eindruck griff ich auch nach dem Apfelbeutel, der mir gereicht wurde. Wenn ich nur ein Philosoph wäre! Gegenüber dieser jungen und hübschen Römerin wäre ich wohl damit sogleich auch ein König! Immerhin schien die gute Dame nicht das aller hellste Licht zu sein was Menschenkenntnis betraf. Jung und begeisterungsfähig aber wohl allemal! Also räusperte ich mich schnell. Stoiker sagten mir etwas. Das waren die mit der inneren Ruhe. “Stoa und die Platoniker…,“ gab ich nun auch sogleich leicht nickend von mir. Auch das andere war mir ja nicht fern, hatte ich mich doch schon in den Vorbereitungen zu meiner eigenen Seelenwanderung befunden, hätte mich Dominus Selenus nicht gerettet. Allerdings hallte in diesem Moment auch noch das ‚Meister Awidanos‘ in mir nach. “… Also Platon war ein wunderbarer Philosoph. Wunderbar! Ich selbst… hänge ja mehr der Lehre von… Poly...dermos, aus… Delos... an, der ja ein Schüler von Platon … gewesen war….. ein eher unbekannter….Schüler…,“, erklärte ich zögerlich und nun selbst etwas skeptisch, denn ich meinte ja auch nun etwas sagen zu müssen auf ihre Frage hin, ehe schon die nächste Frage eintraf, mit der ich nicht gerechnet hatte.


    “Ich… mein Dominus…?“ begann ich dann wieder verblüfft. Sie wollte mich kaufen? Ich in einem wohlhabenden Haus? Ich? Unter dieser spontanen Vorstellung erstrahlte mein Gesicht kurz in einem Lächeln. Bestimmt würde es dann nicht bei guten Äpfeln bleiben. Mit etwas Mühe waren sicherlich auch andere Dinge möglich. Gutes Brot und Fleisch. Etwas Peculium. Genau das, was ich mir eigentlich erträumen konnte und auf dessen Suche ich ja eigentlich auch war. “Er ist… noch geschäftlich unterwegs!“, erklärte ich auf den Wunsch der Auffindung meines Dominus hin. Sicherlich würde sie nichts Schweres verlangen, nur leider war ich kein Philosoph und hatte auf diesem Gebiet einen recht großes… Halb- bis Viertelwissen. “Ich würde ihm aber niemals sagen, das ich Philosoph bin!“, stellte ich dann in den Raum. Sicher war sicher, denn das hätte Dominus Selenus gewiss auch stark abgewiesen. “Er… ist da ein eher praktischer Mensch.“ Und ich lächelte, weil die Valeria das auch tat und in einer Art und Weise, die ein recht warmes Gefühl bescherte. Etwas Schwesterliches hatte das an sich und etwas Gütiges.

    Etwas überraschend – nachdem ich den Hund los geworden war – fand ich die Frage, der jungen Römerin, ob ich einen Medicus benötigte. Schnell schüttelte ich den Kopf. So einer hätte mir noch gefehlt und Dominus Selenus sicherlich auch. Immerhin waren das ja auch Kosten, die gar nicht nötig waren, denn mir ging es ja den Umständen entsprechend gut. So wie immer eigentlich. Auch wenn ich mir das im Leben bisweilen eben auch eifrig hatte einreden müssen. Aber der Körper hörte auf das, was der Kopf sagte, das hatte mein alter Dominus immer gesagt. Einer von denen zumindest, ehe er dann auch verstorben war. Das war wohl einer der Moment, in dem ihm seine Selbstgespräche dann auch nichts mehr genützt hatten. Nun aber wirklich ich auch noch schnell ab. “Nein, nein… nicht nötig… alles in Ordnung!“, sagte ich dazu auch noch rasch und hielt mir weiterhin die schmerzende Seite. Noch ein paar Tage, dann wäre sicherlich damit alles wirklich wieder in Ordnung. Aber dazu brauchte es eben vor allem Geduld und eben keine Hunde, die an einem hoch sprangen.


    Die junge Dame wirkte nun sehr eifrig und erklärte mir, dass Platon an die Seelenwanderung glaubte. “Natürlich!“, entkam es mir, als sie mir nun die Schriftrolle abnahm und war dann ganz erstaunt – während ich mir nach dem Hundeangriff leicht die Tunika abklopfte, denn diese war immerhin neu – dass sie nun auch meinte, dass ich mich auskennen würde. Ob ich Lehrer sei oder Philosoph. “Philosoph?“, hakte ich vorsichtshalber nach und musste dann grinsen. “Ja klar! Sowas in der Art!“ Etwas Philosophisches hatte mir noch nie angehangen, aber wenn sie das meinte, dann fühlte ich mich natürlich sehr geehrt. Zumal ich mir ja auch schon oft anhören durfte, dass ich etwas ganz Verweichlichtes an mir hätte. Von Helena, Kaeso und auch früher schon. Von Onkel Adad oder auch Milo dem Hünen von Damaskus. Aber daran wollte ich nun gar nicht denken, es wäre doch zu schrecklich. Außerdem stellte sich mir die Römerin gerade vor. Valeria Maximilla hieß sie und sie erkundigte sich auch nach meinem Namen. Valeria...Valeria ging es mir durch den Kopf, doch an wen sollte mich der Name schon erinnern, wo er doch so offensichtlich aus Kreisen stammte, mit denen ich so rein gar nichts zu tun hatte. So vornehm, wie sie aussah.


    “Mein Name ist Awidan!“, stellte ich mich nun also ebenso vor, während der andere Sklave mit Äpfeln zurück kam. Nicht mal die zweite oder gar dritte Wahl wie der meine gewesen war, sondern richtig gute Dinger. Rot-grün glänzend. Er wollte auch sogleich einen davon haben, aber der Medicus und der Hund gingen wohl vor. “Also… ich brauche wirklich keinen!“, versuchte ich das Unterfangen noch einmal abzuwiegeln. Ein der Äpfel würde es schon tun und diesen sollte mir dieser Remigius nun auch noch anreichen. Da fühlte man sich doch gleich wie ein reicher Mann. So strahlte ich nun auch wieder recht schnell und musste feststellen, warum mich die Valeria wohl für einen gelehrten hielt. Ihr Sklave war es offenbar nicht und wenn sie alle in ihrem Heim so unverständig waren, würde ihr sicherlich auch Murenus, ‚das Messer‘ wie ein gebildeter Mensch vorkommen. Sie schalt ihren Sklaven und mutmaßte, dass ich wohl weniger Ärger mit den meinen hatte. “Bitte?“, kam es mir in den Sinn und ich sprach es auch sogleich schon aus. “Nein, nun wirklich nicht!“ Nur mit Helena, aber die meine war sie ja nun gerade nicht.


    “Ich bin… also… ob ich in einer Tonne lebe?“, fragte ich nun sicherheitshalber wieder amüsiert nach und schüttelte den Kopf. Ky...ni..ker..., ging es mir dann verwundert und verständnislos durch den Kopf. Was waren das denn nun wieder für Leute, die sie da kannte? “Bin ich nicht… und...“ Gerade wollte ich noch etwas über meinen Wohnort sagen, aber das ließ ich wohl besser, denn das würde mir garantiert nicht sonderlich gut tun. Dominus Selenus hatte ja sowas mehr als nur angedeutet. Die letzte Frage aber war nun brisant. Warum ich das so empfand wusste ich selbst nicht so recht. Es widerstrebte mir, die Wahrheit zugeben zu müssen. Ich tat es aber trotzdem, denn das nicht zu tun, wäre der nächste Schritt hin zu Ärger gewesen, den ich nicht brauchen konnte.


    “Ja. Ich bin Sklave!“, gab ich dann also bekannt, was meinem Lächeln aber keinen Abbruch tat. “Aber … ich lebe trotzdem nicht in einer Tonne!“ So viel konnte ich wohl sagen und das auch noch mit einer Menge Charme. Der war mir angeboren und eines meiner Talente, die leider des öfteren nur allzu tief in mir schlummerten, sodass sie kaum zum Vorschein kamen. “Aber ich habe viel gelernt, besonders über Wanderungen… und einige Aspekte des Lebens, die manche nicht allzu gerne betrachten..,“ seufzte ich dann leicht hervor. Das war auch nicht gelogen und irgendwie hatte ich den Eindruck, die Römerin wollte so etwas von mir hören. Aber besser ich ging da nicht allzu sehr in die Tiefe. Über Kaeso und sein Etablissement wollte sie sicherlich nichts wissen und auch nicht über die Wanderungen welche ich meinte.

    Nach meinem eigenen erschrockenen Schrei hörte ich nun auch noch den der jungen Römerin, die einem gewissen Remigius nun abforderte, doch etwas zu tun. “Ja!“, pflichtete ich ihr bei, ohne den Remigius überhaupt zu kennen. Der Kerl tat aber erst mal gar nichts, brummte etwas, was ich nicht mitbekam, weil ich schon damit beschäftigt war, aus den Fängen des Hundes zu kommen. Unterdessen schimpfte die Römerin laut mit dem Sklaven, was meine Vorurteile wohl bestätigt hätte, wenn ich in dieser Sache nicht auf ihrer Seite gewesen wäre und eben den Hund nicht auf den Schultern gehabt hätte. “Wolf“, hörte ich noch...“Runter mit dir!“, presste ich gedrückt heraus und versuchte das Tier von mir fort zu schieben, während ich mich noch zur Seite navigierte, was meine lädierten Rippen nun wieder zum Schmerzen brachte. “Aaaahhh,“, zischte ich und hielt mir die Seite, während ich dem Hund noch immer entgegen starrte, der keine Anstalten machen wollte, von mir abzulassen. Stattdessen öffnete er sein Maul, entblößte seine Zähne und einen hundetypischen Mundgeruch, der mich den Mund verziehen und zur Seite schauen ließ.


    Die junge Römerin versuchte nun sich zu entschuldigen und fragte, ob ich mir weh getan hätte. “Mhmm...mhm…,“ brachte ich heraus, während sie wieder nach dem Remigius brüllte. Er solle einen neuen Apfel holen. Bitte? Irgendwie tönte das so, als würde auch in dieser jungen Frau irgendwo ein Drache schlummern. Kaeso hatte man das angesehen, aber bei Frauen war dieser immer verborgen. Wenn man Glück hatte eben unter einem hübschen Gesicht und anderen Reizen. “Runter!“, brachte ich nun aber wieder dem Hund entgegen, der irgendwie nicht ablassen wollte zu hecheln und mir seinen Atem ins Gesicht zu hauchen. “Wahh...“ Endlich war es geschafft.


    Die junge Römerin hatte an der Leine gezogen, während ich den Wolf von mir geschoben hatte. Ich glitt danach ein wenig zur Seite, da meine Rippen nun brannten und ich wieder etwas schlechter Atem bekam. Das tat weh! Ein wenig krümmte ich mich auch und sah dabei, dass eines der Schriftstücke, welches der Remigius wohl getragen hatte, zu Boden gegangen war. Unter einem Ächzen klaubte ich es auch sogleich vom Boden auf. ‘Seelenlehre‘, konnte ich entziffern. Ein Griechisches Werk. Lesen konnte ich nicht sonderlich gut und es brauchte Ewigkeiten, bis ich etwas entziffert hatte. Auf Latein war dieser Umstand noch schlimmer als der auf Griechisch. Sprechen war da doch deutlich unkomplizierter und irgendwann lernte man eben das Nötigste. Ich richtete mich schnaufend auf und schaute die Römerin nun an, während ich ihr die Rolle hinhielt. “Nichts passiert!“, sagte ich dann und beäugte noch einmal skeptisch den Hund, von dem ich nun auch einen Schritt entfernte. Nicht, dass er nun doch noch schnappte. „Bin der Seelenreise noch einmal entkommen!“[/color], setzte ich dann unter einem müden Scherz nach und hoffte sehr, dass meine Rippen sich bald wieder beruhigten. “Ein interessantes Thema!“, wagte ich es dann aber noch anzufügen. Unfreundlich wollte ich ja nicht sein, denn immerhin war das die Dame, die ich ja beobachtet hatte. Ich konnte nur hoffen, dass sie das nicht mitbekommen hatte.

    Während ich mir auch weiterhin den Markt beschaute – natürlich spähte ich auch immer wieder zu der jungen Römerin hinüber, unauffällig, natürlich – ging mir einem mehr durch den Kopf, dass ich wirklich gewillt war jedwede Chance am Schopfe zu packen. Ein besseres Leben war sicherlich kein Ding der Unmöglichkeit und bisher hatte – durch die Rache der Fortuna wohl, oder wie die Römer Umstände dieser Art nannten – mir das Leben nichts erspart. Aber dennoch wähnte ich mich ja ein harter Knochen zu sein, an dem sich eben jene Göttin ruhig die Zähne ausbeißen konnte. Besser allerdings als ein Lupanar war wohl so ziemlich alles, was nicht in die Arenen oder an ein Kruez führte und im Moment, so meinte ich, konnte ich mir eigentlich nur verbessern. Also linste ich dann und wann eben zu der Römerin hinüber, die, wie ich sah, nicht nur von einem riesigen grauen Tier, sondern auch von einem blonden Sklaven begleitet wurde, der einige Schriftrollen unter den Arm geklemmt hielt und recht geschäftig damit aussah.


    Mein Mund verschob sich leicht und einen Augenblick wünschte ich mir sogar, an seiner Stelle zu sein. Schriftrollen waren kein sonderlich schweres Einsatzgebiet. Eigentlich waren sie vom Gewicht her doch sehr leicht. Im Gegenteil zu Mist oder irgendwelchen Kisten. So einer Arbeit wäre ich also auch gar nicht abgeneigt. Aber nur kein Neid! Ersteinmal galt ja immerhin zu beobachten. Meistens waren reiche Römerinnen ja nur allzu verwöhnt, des öfteren herrisch und ungeduldig. Eitel obendrein und schrien gerne herum. Auch andere Klischees kamen mir in den Sinn, die nicht so weit hergeholt waren, als dass man sie nicht tagtäglich in der Straßen hätte beobachten können. Diese Römerin aber tat nichts dergleichen, denn sie war damit beschäftigt…. Nun… ich schaute noch einmal zu ihr hinüber, doch ich war wohl doch zu sehr in Gedanken gewesen. Anstatt sie nun zu erblicken, erblickte ich eben das graue Monstrum, welches noch an der Leine gezerrt hatte, ehe der blonde Schriftrollenträger damit überfordert gewesen war.
    “AHHHHHH!“, entkam es mir im großen Moment des Schreckens, als zwei schwere Pfoten auf meinen Schultern ruhten und zwei Augen mich anschauten. Mit ihnen der gesamte Hund.


    Zwar sah dieser recht umgänglich aus, schien auf eine merkwürdige Art sogar recht freundlich zu grinsen, was aber der Sache keinen Abbruch tat. Ich hatte nämlich gelernt, dass man nicht nur Frauen nicht trauen durfte! Hunden ebenso wenig! Schon in Syrien waren sie gefährlich gewesen und gewiss in Rom nicht minder. “Ahhh… nein! Nein! Nein!“, brachte ich also dem Tier entgegen und unternahm einen Versuch, mich seiner Aufmerksamkeit zu entwinden, indem ich es von mir schieben und gleichzeitig meinen Körper seitlich seinen Vorderpfoten entwinden wollte. Mein Apfel ging dabei zu Boden, was den Hund aber nicht zu stören schien. Mehr bekam ich in diesem Moment auch gar nicht mit.

    ...


    In etwa drei Wochen später...


    In den letzten drei Wochen hatte ich natürlich auch noch Zeit gefunden weiter nachzudenken und mich auch ein wenig mit der schönen Helena auseinander zu setzten, welche noch immer in ihrer Meinung über mich stark schwankte. Je nachdem wie sehr sie ein Wiedersehen mit Glaucon aus der Therme wünschte. Natürlich hatte sie versucht, mich auch weiterhin zu überreden, aber das hatte ihr noch nichts genützt, denn ich war standhaft geblieben, was mehrere Gründe hatte. Der Erste war jener, dass ich kein Bedürfnis hatte Glaucon wegen ihr aufzusuchen. Der Zweite war noch immer mein Stolz gegenüber dieser Sache im Allgemeinen und der Dritte lag darin begründet, dass sie mir dabei Avancen mache, welche ich nur unter großer Mühe abwehren konnte, was wieder zwei Gründe hatte: Eben meinen Stolz und dann auch noch die Tatsache, was Dominus Selenus mit mir machen würde, würde ich die einzige Frau antasten, die es im Haus der Bruderschaft im Moment gab und somit etwas unternahm, was nicht einmal seine Männer durften. Und ein solcher war ich Helenas Augen ja auch nicht. Immer noch nicht.


    Dessen ungeachtet aber, erging es mir gesundheitlich immer besser und ich konnte meine Atmung schon wieder ein wenig strapazieren. Einmal bereits hatte ich den Dominus auf einen Gang begleiten dürfen, um einen Menschen, dessen Namen ich nicht erfahren hatte und auch sonst nichts, was ihn anbelangte, sicher durch die Straßen zu bringen. Und nun war sozusagen eine Premiere für mich, denn ich durfte seit Wochen wieder aus dem Haus – sehr vorsichtig natürlich – und mich auf den Markt begeben, um einem weiteren Mann eine für mich recht kryptisch anmutende Botschaft überbringen, welche für mich keinerlei Sinn ergab. Der Mann allerdings schien zufrieden gewesen und war seiner – wohl seltsamen – Wege gezogen. Noch immer war ich der Meinung, das mich derartiges ansonsten nichts anging, denn ich wollte nicht wieder verprügelt werden oder gar in Gefahr geraten noch einmal beinahe mein Leben lassen zu müssen. Also beschäftigte ich mich dieser Botschaft nicht weiter und schlenderte nun – mit einem leckeren Stück Obst in der Hand, welches ich mir dank des neuen Dominus hatten leisten können, über den Markt und machte mir Gedanken ganz anderer Art.


    Andeutungsweise stand es im Raum, dass meine Karriere bei Dominus Selenus keine lebenslängliche Angelegenheit sein würde und eine Rückkehr in das Haus „Zur Freude“ zu Kaeso war absolut nicht diskutabel, auch wenn dort noch immer meine Asse lagerten. Doch kam Zeit, so würde auch Rat nicht fern sein und es würde schon eine Gelegenheit geben. Sicher waren sie dort ja auch, weshalb ich eben besagte Zeit für mich verbuchen konnte. Also schlenderte ich weiter – mein Gesicht war nunmehr auch fast schon vollständig wieder hergestellt, nur meine Rippen schmerzten noch ein wenig, und schaute mich nach allerlei Dingen um. Letzten Endes vor allem aber nach jenen, welche dort ebenfalls den Nachmittag verbrachten, wobei mir die Idee kam, dass unter jenen doch jemand sein müsste, der meine Dienste mehr als nur verdient hätte. Nicht unbedingt jene, welche man aus einem Lupanar kannte, sondern richtig ehrliche Arbeit für einen Sklaven für mich! Eine schöne Vorstellung, unter den Menschen hier vielleicht sogar einen oder eine zu finden, welche es wirklich auch wert wäre.


    Natürlich war das eine wunderliche Idee, aber sie erheiterte mich, weshalb ich die Menschen auch besonders genau begutachtete, ohne dass diese dies hoffentlich bemerkten. Einige würdevolle Herren waren dabei. Einer mit einem Bart, wohl aus der Provinz, was aber wohl nicht für mich in Frage käme. Germanien, Hispanien oder dergleichen waren kein schönes Ziel, denn eigentlich lebte ich ja gerne in Rom. Wenn die Römer darinnen nicht wären. Aber wie auch immer. Ich lehnte mich dann an eine Hauswand neben einen Marktstand, kaute an meinem Apfel, bis mir eine Dame in Auge sprang, welche wirklich nach einem gewissen Reichtum aussah. Leider war sie schon alt und recht beleibt, auch wenn das Geschmeide an ihrem Hals schön klimperte. Das wäre wohl auch nichts. Dann aber sah ich eine junge Frau, wirklich hübsch anzuschauen, die in Begleitung eines riesenhaften Hundes war. Was für ein Tier! Doch die Römerin schien ebenso gut betucht zu sein und strahlte etwas sehr Nobles aus. Sie lächelte auch sehr nett. Das wäre schon eine vorteilhafte Vorstellung, mit welcher ich noch beschäftigt war, während ich wieder in meinen Apfel biss und einfach so tat, als würde ich überall hinschauen, nur eben nicht auf die junge Dame aus gutem Hause.

    In den Sklavenunterkünften der Bruderschaft



    Je mehr die Stunden verflossen und zu Tagen wurden, desto besser war dies für meinen körperlichen Zustand. Es gab Essen und auch ausreichend Ruhe, was ich als eine Wohltat empfand. Das Haus der Bruderschaft hatte ich natürlich in dieser Zeit ebenso wenig verlassen, wie Helena, mit welcher ich ja nun eine Unterkunft teilte. Natürlich nicht ganz, sondern getrennt durch eine Tür, welche Helena auch gerne von ihrer Seite streng verschlossen hielt. Geredet hatte sie mit mir nicht mehr, was ich nun auch nicht als tragisch empfand. Genauso wenig tragisch, wie den Umstand, Kaeso niemals mehr wiedersehen zu müssen oder das Lupanar „Zur Freude“, auch wenn mich mein finanzieller Verlust dort noch immer beschäftigte und ich auch schon in den eben sehr ruhigen Stunden meiner Genesung den ein oder anderen Plan zur Wieder-Erlangung der schönen Münzen gesponnen hatte. Einer jedoch war so unvollkommen wie der andere gewesen, doch noch war das Thema für mich eben nicht vergessen. So auch an jenem späten Abend, als sich die Tür zu Helenas kleinem Raum nun doch knarrend öffnete.


    Ich lag nichts dergleichen ahnend auf dem Bett, etwas seitlich wegen meiner lädierten Rippen und pflegte meine Augen, indem ich sie geschlossen gehalten hatte. Mittlerweile konnte ich sogar beide wieder öffnen und mein Gesichtsfeld zur Linken war wieder auf seine normale Größe zurück gekehrt, auch wenn der Bluterguss natürlich noch deutlich sichtbar war. Als ich nun die Türe höre, öffnete ich jedoch meine Augen sofort.


    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/helenaaca12kkf5.png]| Helena


    “Awidan?“, tönte es leise zu mir herüber.
    Spontan trat ein Lächeln auf meine Lippen, denn dies musste wohl ein Traum sein, den ich im Wachzustand die letzten Wochen des Öfteren gehabt hatte. Helena bei mir zu später Stunde. Und nun sollte er in Erfüllung gehen? Ding der Unmöglichkeit! Also runzelte sich nun meine Stirn und ich drehte mich unter den aufflammenden Schmerzen zischend ein wenig herum und starrte ihr entgegen. Das reichte wohl, um sie zu ermuntern, den Raum zu betreten.
    “Können wir mal reden?“
    Ich schnaubte trocken. Reden!?


    “Worüber?“, wollte ich wissen, als sie auch schon näher kam und sich – oh süßer ehemaliger Traum! - auf meine Bettkante setzte und mich anschaute. Das betrachtete ich nun mit Skepsis, während ich versuchte die leise Freude, die in mir nun doch aufkeimte auf einem niedrigen Pegel zu halten. Weiber und so! Da dauerte die Enttäuschung niemals lang.
    “Über… njaa….,“ begann Helena dann ein wenig ominös und strich sich eine ihrer dunklen Strähnen hinter das Ohr.
    Ich rappelte mich ein wenig weiter in die Höhe und kam auf meinem Bett ein bisschen umständlich zum Sitzen.
    “Über unser Leben…!?“
    “Oh!“, entkam es mir. “… was meinst du damit?“ Der Umstand überhaupt noch eines zu haben, war für mich natürlich ein recht glücklicher. Aber was wollte sie!?


    “Das von Glaucon und mir!“, führte sie weiter ihre zaghafte Rede fort, was mich auch augenblicklich zum Schnauben brachte. Sie brachte auch einen finsteren Blick, doch Helena schien das wenig auszumachen. Offenbar hatte auch sie die letzten Tage genutzt, um sich auch ein paar Gedanken zu machen. “Ich meine… ich werde ihn wohl niemals mehr wieder sehen, es sei denn… ich könnte irgendwie in die Therme...“ Sie seufzte nun und schluckte schwer.
    “Ach!?“, schnappte ich, leidlich aufmerksam. “Dann los!“, ließ ich folgen. “ICH werde dich nicht aufhalten!“ Selbst wenn es natürlich unschön war, sie zu dem Griechen ziehen zu lassen, wie die Freude über ihre Anwesenheit ja mir zuflüsterte. Sie war eben so wunderschön. Dennoch. Sollten doch die Männer des neuen Dominus sie dann in ihrem Vorhaben stoppen. Ich hatte damit ja eh nichts zu tun!


    “Nein, das ist mir schon klar!“, sagte sie noch immer mit ruhiger, ja beinahe schon leutseliger Stimme, was mich nun mehr und mehr beunruhigte. “Aber ich kann da ja nicht hin….“ Mit großem, treuherzig wirkendem Augenaufschlag schaute mich sie an. Und… war das da gerade ihre Hand an meinem Bein? Meine Augen weiteten sich. “… und ich meine, weil du ja so mutig bist und so...“


    “MUTIG?“, hakte ich ungläubig und vernehmlich nach.
    “Du traust dich halt was! Meine Güte!“, klang es nun schon unterschwellig kratzbürstiger, was eigentlich auch viel besser in das Bild passte, welches ich von Frauen hatte. Beruhigend war das nun aber nicht gerade.
    “Ja… neee…,“ entkam es nun mir recht alarmiert.
    “Doch, doch… und vielleicht findest du ja die Möglichkeit… nun… irgendwann… dass muss ja nicht sooooo bald sein…dass du vielleicht in die Therme....“


    Mich schaudete, als ihre Hand nun doch in der Tat von meinem Oberschenkel hinfort nach oben, in Richtung noch intimerer Gefilde glitt, was das Etwas in mir natürlich irgendwie zaghaft auch sehr erfreute, da ich genau das ja auch immer ersehnt hatte. Das Etwas hätte sicherlich nun nichts dagegen unternommen. Der Stolz hingegen sehr wohl! Der schlug nämlich nun Helenas Hand beiseite und trug ein wütendes Funkeln in meine Blicke. Verdammter Stolz!


    “Was machst du da?“, stellte ich die dümmste Frage, die jemand stellen konnte, sofern dieser Jemand nicht völlig unschuldig und naiv war.
    “…. Dich bitten mir zu helfen!“, sagte Helena nun wieder recht weinerlich. “Und ich weiß doch, dass du gerne...“
    “Vergiss es!“, schnappte ich nun rüde und brachte mich schnaubend vor Rippenpein vom Bett herunter und einen Schritt in den Raum hinein. “So billig kriegst du mich zu nichts!“, maulte ich weiter.
    “Nur für fünf Asse, was?“, beschwor Helena wieder die Kröte in ihrer Tonlage herauf.


    “DEIN GLAUCON KANN MICH MAL!“, erklärte ich nun resolut.
    “DANN DU MICH EBEN AUCH!“, frazte Helena zurück, stand ebenfalls auf und stapfte zur Tür zurück. “Und ich dachte, du wärst ein Mann!“, fiel es ihr dann noch ein sagen zu müssen.
    “Und ich dachte, du wärst eine Frau!“, meinte ich das nicht im Raum stehen lassen zu können. Obwohl… warum ich das so sagte, war mir nicht klar und ich runzelte wieder mein Stirn ein klein wenig.
    “Doch! Und das mehr als du!“, kam es schon wieder weinerlich mit dieser unnachahmlichen weiblichen Note des Ärgers in der Stimme. Wie machte sie das nur?
    "Häh?"


    Wie auch immer. Frauen waren schwer zu verstehen. Im Allgemeinen. Im Besonderen. Und im Speziellen natürlich auch noch. Das konnte schon Blüten treiben. Auch in der Ansteckung!


    Die Tür donnerte ins Schloss. Dahinter war dann aber doch noch etwas zu vernehmen. “Kaeso hatte recht! Du bist ein richtig feiger Hund, Awidan!“ Es tönte dumpf, wegen der Tür, aber es war noch deutlich genug. Ich schnaubte wieder auf und hielt wieder auf das Bett zu. Obwohl. Ich schwenkte um und ging zur Tür. Zur anderen dieses Mal. Einfach einen Moment woanders hin und wenn auch nur auf den Gang. Nicht dass sie noch wieder kam, auch wenn das Etwas in mir das noch ein bisschen ersehnen würde. Aber nicht unter diesen Voraussetzungen! Stolz war eine Sache, die kein Troja kannte!

    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/helenaaca12kkf5.png]| Helena



    Dass der neue Dominus an Helenas depressiven Moment nun überhaupt kein Interesse hatte, wurde sehr schnell deutlich und mir ging es ja genauso. Wenn man Weibern dann eine tröstende Hand oder gar auch noch ein aufbauendes Wort schenkte, war recht schnell alles vorbei, weil sowas das Geheul meistens verstärkte. Zumindest kannte ich das aus Erfahrung. Und aus Beobachtung! So sagte Selenus also nichts dazu und ich eben auch nicht. Glaucon war sowieso ein Thema, welches mir nicht lag. Der blonde Hüne aus der Therme konnte ruhig sehen, wo er nun blieb. Ohne Helena! Aber so wie es im Moment aussah – und ich hatte mir oft vorgestellt, mit ihr mal allein zu sein – so war mein schöner Traum nicht mehr als eine Blase und alles was ich mir so vorgestellt hatte eben eine Illusion gewesen.


    “Ich hasse dich!“, hatte mir Helena sogar noch mitgeteilt, nachdem Selenus uns aus seinem Officium entlassen hatte und zwei seine Männer uns unsere neue Unterkunft präsentierten und noch dies und das über das erwünschte Verhalten von uns erklärten.


    Dann aber hatte ich leidlich meine Ruhe, lag auf einem, wenn auch spartanischen, Bett und schaute mit dem funktionstüchten Auge an die Decke. Die Arme vor der Brust verschränkt und die Beine übereinander geschlagen, sinnierte ich über das Schicksal, was mir aber noch nie was gebracht hatte. Weder das Sinnieren, noch das Schicksal selbst. Eigentlich hatten beide immer nur genommen, bis die Taschen leer waren. Meine nun ja einmal mehr. Genauso wie all die Blätter, welche nun wie leergefegt vor mir lagen und mit der Geschichte meines Lebens gefüllt werden wollten. Wer hätte das noch gestern gedacht? Ich zumindest nicht. Aber weiter nachdenken wollte ich eigentlich nicht, denn es schmerzte zu sehr. In meinem Brustkorb, noch ein wenig in meinem Magen und vor allem aber auch im Gesicht, dass ich dann noch einmal betastete. So lange ich aussah wie ein Unfall und mich auch so fühlte, würde wohl nicht viel machbar sein. Aber die Zeit würde natürlich helfen, wie so oft. Und vielleicht würde sich auch ein Helfer finden, um an die 40 Asse zu kommen, die ich mir so hart erarbeitet hatte. Allerdings konnte ich diesen Gedanken dann auch nicht mehr weiter verfolgen, weil dann wohl doch eingeschlafen war.


    Sim-Off:

    Du hast da noch mal PN bekommen. Kann ich gerne machen! Auf Märkten findet sich ja meistens immer wer!*g*

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    “Ich heiße Helena,“ ließ sie dann wieder weinerlich verlauten und wischte sich mit dem handrücken eine Träne unter dem Auge weg. “Ja, das ist alles korrekt so!“


    Ich unterdessen hatte ihr nun doch noch einmal einen Blick geschenkt und gönnte ihr dieses Krokodilstränchen voll und ganz, auch wenn etwas in mir nun wieder meinte, dass ein wenig mehr Mitgefühl ob ihrer Schönheit doch angebracht wäre. Ich hatte recht gehabt. Ich war wirklich ein Narr! Dann war meine Aufmerksamkeit wieder bei unserem neuen Dominus, der die Sache auch wirklich erfasst hatte. Zu meinem Glück auch den Täter allen Übels noch bei Kaeso vermutete. Olympia, der Favorit aller Götter! Wer hätte es gedacht!? Mir war das ja genauso neu, wie es wohl auch für Selenus sein musste, der aber nun zu grinsen begann. Ich nickte dann auch sogleich wieder, weil es ja dann wohl wirklich so sein musste, da ich ja nicht der Truhe nicht zu nahe gekommen war. Irgendwer musste es ja gewesen sein.
    “Sie teilt sogar sein Bett!“, fügte ich aber noch verstärkend an. Das Bett und auch sonst recht viel. “Das stimmt!“, gab Helena noch unter dem Eindruck des Verlust unseres Heimes von sich. “Und Glaucon jetzt wohl nie wieder das meine!“


    Ich seufzte nun und schüttelte den Kopf. Ich für meinen Teil war froh, meinen Lebensabschnitt „Zur Freude“ überlebt zu haben.

    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/helenaaca12kkf5.png]| Helena


    “Naja…,“ begann ich nach den Worten des Selenus dann wieder ein wenig verlegen. “Vielleicht auch… zwei Wochen...“. So recht wusste ich das auch nicht mehr. Zu Beginn meiner Karriere im Lupanar „Zur Freude“ bei Kaeso hatte ich mir über die Zeit noch Gedanken gemacht, aber irgendwann relativerte sich diese auch. Und verzog noch einmal den Mund unter meinen Gedanken und nickte zeitgleich zu meiner Dummheit, nicht an ein anderes Versteck gedacht zu haben. Daber hätte es doch sicherlich Möglichkeiten gegeben.


    Dann wendete sich Selenus an Helena, welche das Gespräch aufmerksam belauscht hatte und offenbar war nun sie mit ihrer Erzählung dran, auf welche ich ebenso unglaublich gespannt war. Tatsächlich war es nun auch Helena, die in die Verlegenheit kam unter dieser ein wenig betreten dreinzuschauen. Dabei funkelten ihre Blicke noch ein wenig widerwillig und dann noch einmal zornig in meine Richtung, ehe sie tatsächlich – wie es den Anschein hatte – etwas zu beichten hatte.


    “Also….,“ begann sie sehr scheu und fast schon zu leise um es zu verstehen, ehe sie sich räusperte und kleines bisschen deutlicher zu vernehmen war. “Wegen der Truhe glaube ich!“, gab sie aber von sich. Das hatte ich deutlich gehört!
    Ich rappelte mich in meinem Stuhl zurecht und war es nun, der ihr entgegen stierte. Mit offenem Mund.
    “Das war eigentlich mehr ein Versehen… wegen Olympia! Kaeso hatte doch den Schlüssel verloren, weil er gestern doch so fürchterlich betrunken war und im Rinnstein… naja… und dann hatte mein Glaucion den Schlüssel gefunden und ihn Olympia gegeben, weil die sich um den Kaeso gekümmert hatte, weil es ihm doch noch so schlecht ging… und er niemanden sonst sehen wollte. Uuuuund… danach war der Schlüssel wieder weg und es herrschte große Aufregung… seitdem war die Truhe leer und Kaeso sehr übel gelaunt deswegen…Und Olympia schwor Stein und Bein, dass der da….!“ Ihr Kopf ruckte kurz in meine Richtung, während sie weiter sprach. “… ihr gestern so nah auf den Leib gerückt wäre und ihr Avancen gemacht hätte, weshalb nur er ihr den Schlüssel hatte stehlen können.“
    Ich lachte auf, aber keineswegs amüsiert. “Was?“, schnappte ich fassungslos.
    “Du kannst das ruhig zugeben!“, meinte Helena nun fordernd. “Er hatte sich mir gegenüber nämlich öfters gebrüstet, was für ein guter Taschendieb er denn wäre und dass er… gut für jemanden sorgen könne!“, ließ sie zu meiner völligen Konsternierung noch folgen.
    “Kaeso meinte, dass Awidan ein viel zu feiger Hund wäre und er eh schon ein Auge auf ihn hätte, aber nachdem Olympia vorhin gesehen hatte, dass er wirklich die Freier ausnimmt, musste Kaeso das wohl glauben! Und sie war es auch, die zu mir noch gesagt hatte, dass ich mit ihm unter einer Decke stecke in dieser Angelegenheit! Das ist nicht wahr! Aber das konnte ich dem Dominus nicht mehr erzählen!“ Sie schniefte wieder.


    Sie hatte vielleicht recht, dass sie mit mir noch nie unter einer Decke gesteckt hatte, so sehr ich mir sowas auch gewünscht hätte und auch auf dem kriminellen Gebiet hatte sie sich da nichts vorzuwerfen. Ich aber ebenso wenig! Immerhin hatte sie mit meiner potentiellen Fürsorge-Fähigkeit nur beeindrucken wollen. Aber so waren sie eben, die Nattern! Immer im Schatten und berauscht vom eigenen Gift, das bei allen anderen auch vermuteten. Was Falsches sagen wollte ich aber nun nach wie vor nicht und meine Schneidezähne hatten sich inwischen auf der Unterlippe festgebissen. Schreckliche Olympia! Sie trug das Gesicht des eifersüchtigen Verrats und ich nun das den Elends selbst! Nie wieder im Leben würde ich einer solchen Brut auch nur ein einziges Kompliment machen und stets ausreichend Abstand halten! So schaute ich wohl nun auch den neuen Dominus an und schüttelte wieder den Kopf, als Zeichen, dass das so nicht völlig richtig war, was Helena hier mutmaßte.

    Wieder verschob mein Mundwinkel nun recht beklommen etwas zur Seite und meine Zunge bohrte sich flüchtig von innen gegen meine Wange. Dies schmerzte ein wenig. Ebenso wie die Summe meiner Unterschlagung, die mein neuer Dominus nun in Erfahrung bringen wollte. Außerdem wollte er wissen, wo genau in einer Mauer diese denn nun steckte.


    “Ungefähr... vierzig Asse,“ gestand ich dann zögerlich das Ausmaß, bis mir etwas einfiel.


    Bei der wilden Flucht hatte ich ja noch ganze fünf Asse von dem schönen Statius in der Hand gehabt, welche ich nun – nach ein wenig nachtasten – in einer eingenähten kleinen Tasche in meiner Tunika erspürte. Ein Lob meiner Geistesgegenwärtigkeit in jenem Moment. Ob dieser Entdeckung grinste ich leicht, erinnerte mich schnell wieder an den Ernst meiner aktuellen Lage, was mich wieder betrübt werden ließ. “Und fünf weitere noch dazu!“, gestand ich also gleich weiter und zog das Kleinod nun sogleich hervor, um es in zaghafter – ja, schon fast widerwilliger – Manier dem Selenus klimpernd auf die Tischplatte zu legen. Kurz betrachtete ich sie noch sehnsüchtig, doch mein Gespür verriet mir, dass die Frage nach deren Verbleib wohl auch schon die nächste gewesen wäre. Eine Antwort aber stand ja auch noch aus.


    “Die anderen sind im Lupanar,“ seufzte ich schwer hervor. “Unten direkt neben der Küche in der Mauer der Latrinen-Nische.“ Im Gegensatz zu diesem Ort pflegte Geld ja nicht zu stinken und außerdem war dort eben der besagte lose Stein gewesen, den noch niemand bemerkt hatte, weil wohl dort nicht wirklich jemand zu langen Erkundungen bereit gewesen war. Außer mir, gezwungenermaßen. Keine schöne Geschichte. “Die Mauer ist zwar dick, aber der Beutel ist recht weit hinten. Bestimmt käme man von außen dran!“, offenbarte ich meinen zuvorigen Gedankengang noch einmal. Ein wenig hoffnungsvoll sogar.

    Nun, wo mein neuer Dominus meine Tat – von denen es ja mehr als eine gegeben hatte im Laufe der Wochen – zusammenfasste, kam es mir ja selbst recht ungeheuerlich vor. Und er hatte auch recht, dass es nun einen gewissen Betrag, den ich auf diese Weise für mich hatte verbuchen können.
    Ich verschob meinen Mundwinkel ein wenig und schaute weiterhin recht geknickt drein mit dem Auge, das dazu noch in der Lage war. Es war wirklich eine gewagte Sache gewesen, aber gegen meine Überzeugungen kam ich ja selten an. Und die sagten eben, dass das wert gewesen war. Mein Körper und ich aber sahen das gerade in der Tat anders, gerade auch als die gebrochenen Rippen sich wieder bemerkbar machten. Flüchtig dachte ich unter der weiteren Frage des Selenus an das Versteck meiner – ja -wohl weniger erworbenen als nun doch eher erbeuteten Asse und schnaufte wehleidig. Und mein Name fehlte meinem Neuen Herrn auch noch.


    “Awidan!“, sagte ich zunächst erst einmal verhalten. “Ich heiße Awidan, Herr.“ Dann schaute ich noch einmal zu Helena, von der Selenus nun auch noch in Erfahrung bringen wollte, warum Kaeso sie nun aus seinem Hause gekehrt hatte. Das wäre auch für mich recht interessant, denn das verwunderte mich ebenso. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass es wohl in der Tat einen Grund geben musste, doch offenbar war die schöne Helena auch noch gar nicht mit den ihr ureigenen Erklärungen dran.


    “Naja…,“ gab ich dann zögerlich von mir. “Sooo viele Asse waren das nun nicht!“, versuchte ich zunächst einmal meinen Frevel zu relativieren. “Die Idee kam mir ja erst letzte Woche!“ Dummerweise leider keine Idee für ein gutes Versteck, also hatte ich genommen, was ich spontan vorgefunden hatte. “Und das Geld ist in der Mauer. Da gibt es so einen losen Stein… den… nun ja… kann man herausziehen und dahinter war halt noch nichts!“, führte ich meine Erklärungen weiter aus. “Vielleicht käme man auch von außen da dran…“, überlegte ich dann etwas nachdenklich. Das wäre eine Möglichkeit. Morgens zum Beispiel, wenn alle noch schliefen nach langer Nacht… Aber es war ja nun müßig, denn ich war ja nun hier. Und außerdem würde mir auch Werkzeug und wohl auch die nötige Gelgenheit fehlen. Vom Schneid momentan ganz zu schweigen. Verlegen begann ich nun an meinen Fingern herum zu pulen und Selenus dabei vorsichtig entgegen zu spähen. Vielleicht hielt er mich nun doch für dümmer als ich war, auch wenn er mir das ja gar nicht so direkt unterstellt hatte zu sein.

    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/helenaaca12kkf5.png]| Helena


    Lange brauchte ich dann an dieser Stelle auch gar nicht auf eine Antwort zu warten. Obendrein fiel diese auch recht herrisch aus. So sehr, dass sie mich dazu brachte unter dem deutlichen Wort Sklave an meine Adresse, zusammen zu zucken. Aus einem reinen Reflex darüber nickte ich dann auch sogleich, wenn auch zunächst mehr alarmiert als betreten. Immerhin wähnte ich mich ja noch im Recht. Schnell kam mir aber in den Sinn, dass dem ja vielleicht dann doch nicht so war, denn dass ich mehr verlangte hatte als Kaeso war ja auch ein bisschen vermessen gewesen. Na gut. Offenbar sah Helena das auch ganz genauso so, weshalb sie sich nun wieder einmischte.


    “Ja! Das hat er!“, kam es eindringlich aus ihr hervor und ich schenkte ihr dafür einen zunächst fassungslosen, dann aber zunehmend finsteren Blick.


    Weiber waren doch alle aus den Haaren der Medusa gemacht. Schlangen allesamt! Und ich war verflucht deswegen, weil ich sie ja auch noch hübsch fand! Helena schaute mich nun ebenfalls an, was mich zum Wegschauen animierte. Irgendwo seitlich hin, aber dann nickte ich noch mal und atmete tief ein. “Ja… das… stimmt wohl so, Dominus“, gab ich dann zu und traute mich dann auch wieder Selenus anzusehen. Recht ehrlich-betreten sogar, denn er hatte ja auch Männer, die aus gesunden Sklaven, sehr schnell sehr tote Sklaven machen konnten. Sowas hatte ich ja auch schon immer sehr schnell anerkannt. Helena schnaubte nun unglaublich frauentypisch auf und sah nun auch zur Seite. Sollte sie nur! “Aber aus irgendwelchen Truhen habe ich nichts genommen! Ich schwöre das!“, fügte ich aber noch leise an.

    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/helenaaca12kkf5.png]| Helena


    Allein wenn ich daran dachte, was Kaeso mit mir gemacht hatte, war es schon ein recht trotziges Gefühl das sich einstellen wollte. Und gelogen hatte ich hier an keiner Stelle. Ich war wirklich sehr zuvorkommend gewesen zu Kaesos Kundschaft und einen Mangel hatten diese durch mich auch nicht erfahren. Es war doch so nur gerecht, dass ich ein wenig mehr verlangt hatte als üblich. Dass Helena das so nicht sah war aber eine Sache, mit der ich schon gerechnet hatte. Dass das in der Seitengasse, mit allem was nun hinter uns lag eine recht Gefährliche gewesen waR, war mir natürlich bewusst und würde mich so auch noch lange in Gedanken begleiten. Körperlich ja auch, wie ein peinigens Zwacken an den Rippen ja auch immer wieder mitteilte. Wie auch immer. Helena schwieg nun schaute auf den Boden vor sich, während ich noch einmal nach Atemluft rang und den neuen Dominus anschaute, denn ein Moment der Schweigens war eigetreten, welches von seine Seite aus nun auch ein recht launerndes war.


    “Es ist natürlich nicht selbstverständlich, gerettet zu werden!“, begann ich dann noch recht verhalten. “Ich möchte mich auch noch einmal sehr, sehr aufrichtig dafür bedanken. Also… für mein Leben!“ Dieses wäre ja auch schon fast beendet gewesen und das Sprichwort Die Besten sterben jung war nichts, was ich mir zum Vorbild nehmen wollte. Ich biss mir kurz auf die Unterlippe, denn mir wurde ja nun klar, dass Selenus auf eine Erklärung wartete, die er auch mehr als nur verdient hatte, doch die Sache war ja ebenso einfach wie kompliziert. Wie also beginnen? “Ich war schon ein paar Wochen bei Kaeso und es gab auch nie einen Grund, dass er sich hätte beschweren können!“, setzte ich in den Raum. Die Unordnung, die ich stets hinterlassen hatte einmal beiseite gelassen, stimmte das ja auch. “Und ich habe hervorragende Arbeit geleistet. Seit ich da war kamen Leuten, die hatten dieses Lupanar noch nie von innen gesehen! Und sie wollten dann ja auch immer wieder kommen. Eine wahre Bereicherung also!“


    Dass es sich dabei nur um Statius handelte, der nun wohl ein für alle Mal das Weite gesucht hatte, war ja zweitrangig. Aber immerhin hatte der auch gutes Geld gezahlt! “Und da Kaeso immer so knapp bei Kasse war, hatte ich mir gedacht… weil er ja nicht mal Geld für unser Essen hatte, dass… ich selbst auch ein wenig zu meinem Wohl beitrage und habe statt drei Assen dann fünf gekommen!“ Ich atmete noch einmal durch. “Und Olympia, die Daimon, hat mir das nicht gegönnt und beim Kaeso Scheiß erzählt, sodass er meinte, ich hätte sonstwas geklaut! Ich weiß gar nicht, wie sie darauf kommt!“ Ein Seufzen ließ ich nun auch noch folgen und ich betastete mir kurz mein Auge, das ich wohl für ein paar Tage vergessen konnte. Aber es tat noch weh. Ein Zeichen, dass es immerhin noch da war. “Bei Geld versteht Kaeso absolut keinen Spaß!“, gab ich dann noch an. “Bei dem wird man zur Not auch für gar nichts umgebracht.“ Helena schaute mich nun skeptisch an, hielt aber den Mund. Und ich nun auch erst einmal.

    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/helenaaca12kkf5.png]| Helena


    Da standen wir nun frisch gestärkt und verpflastert zunächst einmal im Türrahmen, ehe uns auch schon ein sehr deutlicher Befehl erreichte. Helena und ich folgten diesem natürlich auch sofort, wobei ich mich schwer aufkeuchend auf dem linken der beiden Stühle nieder ließ, sodass infolgendessen Helena rechts von mir saß. Noch immer schwieg ich und schaute dem Retter entgegen, wobei dieser es nun auch war, der weitere deutliche Worte folgen ließ. Ich schmiegte mich ein wenig seitlich in den Stuhl, einem sachten Rechtsdrall folgend, von dem ich mir erhoffte, meine lädierte Seite zu entlasten. Wie ich schon von einem der Männer gehört hatte, waren wir tatsächlich nun bei einer Bruderschaft und saßem dem Anführer derselben gegenüber. Helena schaute dem Mann, der nun wohl anstelle des Kaeso unser neuer Dominus geworden war, ein wenig unverwandt entgegen, was ich durchaus gleich tat. Mit einer zartfeinen, alarmierten Note, denn zwar nicht geheim und verschwiegen war eine Sache, mit der ich mich zufrieden geben konnte, dass wir beide irgendwo in diesem Haus bleiben mussten, weil man Verfolger fürchten musste, aber ein ganz andere. War dies ein Glückfall oder wartete nun gar ein finsteres Kellerloch auf mich? Ich schluckte noch einmal und meine Augen weiteten sich leicht, doch noch beherrschte mich eine alte syrische Weisheit: “Im Schweigen liegen goldene Schätze begraben“, oder so ähnlich, doch eigentlich glaubte ich ja nicht an so wirklich weise Sprichwörter und folgte ihnen somit auch ansonsten eher selten. “Was?“, wagte aber nun aber Helena einen entsetzten, aber zum Glück recht leisen Einwurf, schwieg dann aber wieder.


    Wir gehörten also nun dieser Bruderschaft, was auch schon wieder Fragen aufkeimen ließ: Wie lange? Um welchen Preis? Und: Was denn um aller Gottesliebe Willen für eine Arbeit sollte hier anfallen? Dass Statius sich wohl kaum hierher verirren würde war mir klar, mehr aber auch nun wieder nicht. Und Frauen gab es hier auch nicht. Vielleicht war es doch gut, dass Kaeso den neuen Dominus und Retter darauf gebracht hatte, auch Helena mitzunehmen, die hier aber nicht angerührt werden durfte. Von niemanden! Und das klang auch sehr eindrücklich und hatte einen großen Nachhall in mir, denn es klang in der Tat ein wenig nach Sicherheit.


    Ich nickte leicht, als der neue Dominus die Aufgabe der Bruderschaft erklärte. Die Römer taten eine Menge Dinge für ihre Götter, Geister und erhobenen Seelen, das hatte ich schon immer in belustigtem Unverständnis bewundert. Auch die gesetzliche Organisaton an sich, auch wenn diese mitunter viel zu kompliziert für mich war und ich diese eh niemals begreifen würde. Wie auch immer. Zumindest meine nun sehr persönliche Lebenskreuzung brachte ja auch schon gleich eine unangenehme Frage mit. Warum also musste sich Selenus mit seinen Männern der Bruderschaft in Gefahr begeben? Helena war es erneut, die nun das Wort an sich riss. Offenbar hatte ihre Verzweiflung nur geschlummert und erwachte nun wieder von Neuem.


    “WEGEN DEM!“, entfuhr es ihr und sie zeigte mit dem Finger auf mich, was mich erschrocken zu ihr blicken ließ. “Was sollte ich denn dafür können?“, schnappte ich zurück. “WEIL ER KLAUT!“, stellte Helena Olympias böses Gerücht über mich wieder in der Raum, was mir – beinahe aber nur – die Sprache verschlug. Ich verzog mein Gesicht beim Einatmen, entgegnete aber: “Aber noch nie bei dir! Und überhaupt noch nie beim Kaeso!“, was Helena zum Lachen brachte. “Du hast immer viel zu viel genommen!“ Ich lachte bitter. “Ich hab auch viel zu viel gegeben!“ Helena flossen nun wieder Tränen über die Wangen. “Und wegen dir werde ich Glaucinos nie wieder sehen!“, wimmerte sie nun so mitleiderheischend, wie es nur ein Frau vermochte. Aber ich wollte noch immer nicht den Paris miemen!


    “Er dich doch auch nicht, oder glaubst das war die große Liebe, was ihr da gemacht habt!?“ Wunder bar. Nun weinte sie noch mehr. Ich seufzte schwer und blickte dann Selenus nun meinerseits aus wehmütigen Augen an. “Ich habe Kaeso nicht bestohlen und weiß auch nichts von seiner Truhe! Und er wollte mich umbringen, wegen nur vierz… ein paar Assen!“ Es allein auszusprechen machte fassungslos. Mich zumindest. Aber der Blick den der neue Dominus mir entgegen brachte, ließ mich nun doch recht schnell einknicken. “Nun.. ich… meine, das… ich… wäre durchaus… ein wenig mehr wert!“, gab nunmehr leicht dahingestammelt von mir, ohne dann noch mehr anfügen zu wollen. Es war ja nun auch alles gesagt.