Beiträge von Zmertorix

    Etwas benommen setzte Zmertorix sich auf. Ihm war noch etwas schlecht. Vorsichtig nahm er den Glasspiegel in die Hand. So detailreich hatte er sein Gesicht noch nie gesehen. Nun wusste er um jeden Pickel, jedes Fältchen. Männer wie Frauen besaßen sie, daher störten sie ihn kaum. Nervös registrierte er jedoch seinen zurückweichenden Haaransatz, der ihm bisher nicht aufgefallen war. Mit den Fingerspitzen befühlte er um seinen Mund die rosig schimmernde Haut. Nicht ein Bartstoppel war zu spüren. Er hielt den Spiegel weiter weg und neigte ihn, sodass er seinen Körper sah. Er strich über seine glatte Brust. Die Haare dort empfand er stets als besonders entwürdigend, doch nun waren da keine mehr. Seine Brust, sein Bauch ... alles war weich.


    Zmertorix musste den Kloß in seinem Hals herunterschlucken. "Es ist sehr schön geworden", sagte er.


    Er starrte noch immer in den Spiegel, darum bemüht, die Gedanken an Cimber herunter zu kämpfen. Was würde er dazu sagen, würde er überhaupt? Warum sollte er? Cimber war ein gestandener Römer, Eques im Dienst des Imperiums. Zudem hatte er eine Frau, wie anders hätte er einen Sohn zeugen können? Zmertorix durfte sich keinen falschen Hoffnungen hingeben. Weltliche Dinge waren unbedeutend, Kybele galt all seine Liebe. Und doch wünschte er sich soeben nichts sehnlicher als Cimbers Gegenwart, seine warmen Hände, die über seine glatte neue Haut strichen. Doch was spielte es für eine Rolle? Nach der Entmannung würde er ohnehin in einen Tempel ziehen.


    "Verzeihung, ich war in Gedanken. Es sieht sehr gut aus. Ich bin sicher, dass ich lange Freude daran haben werde, Viridomarus. Was kommt nun? Und sind Stimmungsschwankungen bei diesen Behandlungen normal? Ich bin froh über meine sich verändernde Gestalt, aber zeitgleich innerlich ein wenig aufgewühlt. Könnte es eine Nebenwirkung der Rhusma Turcorum sein? Sonst neige ich nicht zu Sentimentalität."

    Zmertorix sank in einen Zustand innerer Ruhe hinab. Alles Sein wurde zu einem gleichmäßigen Fluss. Es mochte den meisten Menschen unbegreiflich sein, doch aus Schmerz bezog er eine tiefe Beruhigung. Was sonst in seinem Inneren tobte, wurde bedeutungslos. Seine Gedanken, seine Ängste, seine Qualen wichen dem Feuer, das auf seiner Haut brannte. Zmertorix sah in Schmerz ein wertvolles Hilfsmittel zur Selbstkontrolle und er fügte ihn sich oft mit eigener Hand zu.


    Nach einer Weile kam Übelkeit hinzu. Das Gift dieser Paste berührte mehr als nur die Haut. Alle Farbe wich aus Zmertorix´ Gesicht, sein Herz raste und kalter Schweiß trat auf die brennende Haut. Und doch er sagte nichts, aus Sorge, dass die Behandlung dann nicht gründlich genug wäre und dass alles umsonst sein würde. Er wollte die Körperbehaarung loswerden, so gründlich, wie es ging. Und so würde er durchhalten, bis Viridomarus es an der Zeit fand, die Paste wieder zu entfernen.

    "Die beste Werbung für ein Geschäft ist der Erfolg. Ich war bereits in den Trajansmärkten in Rom, allerdings bin ich damals mit anderem Augenmerk durch die Ladenpassage flaniert. Ich suchte Kräutertee, etwas, das die Römer überhaupt nicht zu kennen scheinen! Sie trinken Wasser mit Wein, Wasser mit Essig, Wasser mit Honig, Wasser mit Gewürzen ... doch niemand brüht Wasser mit Kräutern auf. Ich bin sehr gespannt, wie ich nach der Behandlung aussehen werde, Soranus."


    Er schaute, ob jener Meister bald zurückkehren würde, da er es kaum erwarten konnte, von diesem verwandelt zu werden, oder, wie Viridomarus es sagte, ihm seine wahre Gestalt zu schenken. Bei dem Gedanken musste Zmertorix schlucken, er durfte jetzt nicht zu sehr darüber nachdenken, sondern musste gleich vollkommen stillhalten, damit der Meister in Ruhe arbeiten konnte.

    "Leiste mir gern Gesellschaft, Soranus."


    Zmertorix trank einen Schluck gesüßtes Rosenwasser, während Sati - vermutlich ebenfalls ein Sklave - die Waschschüssel brachte und sich sogleich wieder zurückzog. Seinen langen Blick erwiderte Zmertorix ungerührt, aber nicht hart. Dabei trank er einen weiteren Schluck. Dieses Getränk servierte man Frauen anstelle von Wein, was er als eine liebenswürdige Geste empfand. Dankbar sah er Virodomarus nach, dessen üppige Gestalt in erstaunlicher Eleganz um die Ecke verschwand. Ein feinsinniger, väterlicher Mann, der sicher seine Verehrerinnen fand.


    "Viridomarus scheint langjährige Erfahrung zu haben, obwohl das Ladengeschäft einen neuen Eindruck macht? Er wirkt routiniert, obwohl ich mich für einen anspruchsvollen Kunden halte."


    Das Plaudern verkürzte die empfundene Zeit, bis der Meister zurückkehren würde.

    Zmertorix hüllte sich in die warme Decke, bis jener Sati mit der Waschschüssel zurückkehren würde. Er war es gewohnt, sich von Sklaven pflegen zu lassen, sodass trotz seines ambivalenten Verhältnisses zum eigenen Körper keine Berührungsängste aufkamen. Im Gegenteil empfand er eine behutsame Körperpflege als angenehm. In den Jahren, in welchen er mit Stilo durch das Imperium gezogen war, hatte er jedoch auch gelernt, sich gänzlich allein um sich selbst zu kümmern. Selbst als Eremit hatte er zeitweise gelebt, sehr zum Amüsement jener, welche sich unter einem Einsiedler einen alten Mann mit langem weißen Bart vorstellten. Für Zmertorix lag darin nichts Spaßiges, sondern war Teil seines spirituellen Werdegangs. Selten hatte er sich der Magna Mater näher gefühlt, doch auf Dauer war Einsamkeit nichts, was ihm Erfüllung brachte und so war er in die Zivilisation zurückgekehrt. Jedoch hatte er Seiten von Cappadocia erlebt, die er als Spross einer wohlhabenden Familie anderweitig nie kennengelernt hätte, wie die Freundschaft zu einer gewissen Räuberbande.


    "Ich werde mich melden, sollte ich beginnen, mich unwohl zu fühlen. Keine Sorge."


    Dass der Meister persönlich sich um ihn kümmern würde, gefiel ihm außerordentlich, denn der Mann wirkte kompetent und war einfühlsam. Er wusste, was sein Kunde wünschte und warum es so wichtig für ihn war. Es ging über bloße Äußerlichkeiten weit hinaus.

    Schicht um Schicht legte Zmertorix die bunten Stoffbahnen ab, die seinen Körper wie ein Kokon umhüllten. Zmertorix war vor einiger Zeit mit dem Zupfer enthaart worden. Narben unterschiedlicher Altersstadien zeichneten Hals, Arme, Bauch, Schamregion und Oberschenkel. Nervös knetete er mit den verschwitzten Fingern die Luft. Mit der Kleidung war auch sein Selbstvertrauen spürbar gewichen. Wer einen solchen Blick auf den eigenen Körper hatte wie Zmertorix, präsentierte diesen nicht gern.


    "Was muss ich nun tun?"


    Die Worte von Viridomarus waren wohltuender Balsam, doch eines vermochten sie nicht: Zmertorix von seinem Leiden zu heilen.

    Als Viridomarus so von ihm sprach, wurde Zmertorix heiß und kalt gleichzeitig. Wenngleich er sonst nicht zur Rührseligkeit neigte, stiegen ihm nun heiße Tränen in die Augen, die sich in seinen Wimpern verfingen, von denen er sie ärgerlich mit dem Ärmel wegtupfte. Ohne, dass man es sehen konnte, zitterten seine Beine. Nur wenige verstanden, was in ihm vorging. Die meisten hielten sein Gebaren für eine Marotte und es war in fast allen Fällen Zeitvergeudung, sich an einer Erklärung zu versuchen, selbst wenn jemand mit aufrichtigem Interesse fragte. Sie verstanden ihn nicht. Nach Jahren der inneren Marter wusste Zmertorix seit seinen ersten Megalesia, warum ihm seine Bürde auferlegt worden war. Er hatte Viridomarus sein bloßliegendes, heiß pulsierendes Herz anvertraut, sein innerstes Selbst, und dieser hatte es mit sanften Händen genommen, um ihm Gutes zu tun. Zmertorix fühlte sich wohl bei ihm und sicher.


    "Ich nehme den gelöschten Kalk." Entgegen dem, was Viridomarus sagte, und sei es noch so schmeichelhaft, störten ihn Narben weniger als Haare in bestimmten Regionen, besonders um den Mund herum, und er war zum Äußersten bereit, um sie mit größtmöglicher Nachhaltigkeit loszuwerden. "Was muss ich tun, damit du deiner Aufgabe nachkommen kannst, dufter Viri?"


    Viel zu förmlich war diese Wortwahl, sie stand in keinem Verhältnis dazu, was Viridomarus wirklich für Zmertorix tat. Bereitwillig ließ er sich vom Meister seines Fachs in die hinteren Räumlichkeiten führen. Wenn Viridomarus gut war, würde er ihn Leonnorios empfehlen, damit dieser lernte, sich stilsicherer zu gewanden.

    Der erste Eindruck stimmte Zmertorix optimistisch. Viridomarus schaffte es, sich trotz seiner Leibesfülle elegant und leichtfüßig zu inszenieren. So mochte er auch andere Gegensätze harmonisch miteinander verbinden können. Für nichts Geringeres war Zmertorix hier. Die sympathische Ausstrahlung von Viridomarus und seinem Sklaven trug ihr Übriges dazu bei, dass Zmertorix sich in professionellen Händen wähnte, denen er beruhigt sein Äußeres anvertrauen konnte.


    "Chaire, guter Mann. Dein Ruf war es, der mich hierher brachte, um mich selbst davon zu überzeugen, dass du deine Kunst in jenem außerordentlichen Maße beherrschst, wie man es erzählt."


    Er blickte sich um. Niemand außer den Sklaven war hier, was ihm entgegenkam, denn er wünschte Privatsphäre in dieser Angelegenheit. Als er sich dessen versichert hatte, sah er Viridomarus direkt in die Augen.


    "Ich möchte, dass du meine körperliche Erscheinung meiner Seele angleichst." Seine Stimme war fest und keineswegs leise, denn Zmertorix war sich seiner Sache sicher. "Mein Weg ist der eines Galloi. Hier in Cappadocia sind dir sicher schon einige von uns begegnet; der Kult ist recht präsent. Zwar bin ich noch nicht so weit, dass ich die Tracht offiziell anlegen und einen Frauennamen annehmen kann, doch ist es schließlich nicht verboten, dies schon vorher zu testen. Das tun viele, meist allein im Verborgenen mit den Kleidern ihrer Mütter und Schwestern, doch ist ein solch einsames Trauerspiel im Dunkeln nicht die Methode meiner Wahl.


    Ich benötige also zunächst eine entsprechende kosmetische Behandlung, besonders was eine möglichst dauerhafte Enthaarung ohne sichtbare und spürbare Stoppeln betrifft. Speziell im Gesicht ist mir dies wichtig. Gern mit radikalen Methoden, Narben schrecken mich nicht. Hauptsache, dieser abscheuliche Bart kommt so nachhaltig wie möglich fort. Zudem möchte ich der aktuellen Mode entsprechend geschminkt werden. Anschließend hätte ich gern eine ausführliche Beratung zu einer passenden Kleiderwahl, welche meine Gestalt femininer erscheinen lässt. Das bestmögliche Ergebnis wäre, wenn ich aus diesem Ladengeschäft auf die Straße trete und mich die Damen völlig ohne Scheu ansprechen, so als wäre ich bereits eine von ihnen."


    Vermutlich musste er dazu auch an seiner Körpersprache arbeiten, denn der jahrelange Umgang mit Soldaten hatte nicht zur Eleganz seiner Bewegungsabläufe beigetragen. Das abschreckende Beispiel von Leonnorios, der die weiblichen Bewegungen dermaßen übertrieb, dass Zmertorix sich schämte, wenn sie zusammen unterwegs waren, hatte vielleicht auch dazu beigetragen, dass er sich im Zweifelsfall lieber zu männlich bewegte. Prüfend betrachtete er Viridomarus.


    "Liegt dies im Rahmen deines Angebots?"

    Zwei staubige und eisige Wochen war Zmertorix unterwegs gewesen. Bei Freunden seiner Familie hatte er sich zwei Maultiere geborgt, welche er beim Rückweg wieder vorbeizubringen gedachte. Auf einem ritt er, das andere trug sein Gepäck. Cimber hatte Sorgen geäußert, dass ihm etwas geschehen konnte, was Zmertorix immer noch ein Lächeln auf die Lippen zauberte.


    Natürlich war es nicht ungefährlich, allein in Zmertorix´ Aufzug durch die kappadokische Hochlandsteppe zu reiten, doch Zmertorix wusste, wo die üblichen Nomadenrouten verliefen, wie man sich Händlerkarawanen anschloss, wo die Räuber oft ihre Nester bezogen und wo man gefahrlos reiten konnte, weil die Wege gesichert waren, zu weit abseits lagen oder weil der Name seines Vaters hier etwas galt. Mit einer winzigen Räuberbande hielt er sogar einen Plausch, weil diese es nur auf große Beute abgesehen hatte (sehr ambitioniert für solch ein Trüppchen), ein Ereignis, welches er Cimber besser verschweigen würde.


    Nun aber freute Zmertorix sich darauf, den gepriesenen Duften Viri auszuprobieren. Die Maultiere band er draußen an, raffte seine wallenden, sehr verstaubten Reisegewänder und klopfte.

    Zmertorix ging langsam zurück ins Bad. Zwar war er mit allem fertig, aber er wollte Cimber die Gelegenheit geben, zu gehen, nachdem er sich scheinbar nicht ohne Müh losgerissen hatte. Er musste ein Lächeln unterdrücken, als er auf einer der steinernen Bänke im heißen Dampfbereich platz nahm.

    "Weißt du was? Ich denke, ich spare mir den Rest des Öls auf, bis ich wieder hier bin." Dass Cimber der Abschied so nahe ging, überraschte Zmertorix und es freute ihn. Allerdings löste es auch eine Kette von Fragen in seinem Kopf aus, von denen er keine einzige stellte. Alles, was er tat, war zu lächeln, seine Gedanken wie immer tief in seinem Herzen verwahrend, als er sein Handtuch und die Schuhe wieder aufhob und den Weg freigab. "Bis bald, Cimber."

    Cimber hörte es hinter sich tapsen, als Zmertorix ihm mit unmännlich erhobenen Händen hinterher trippelte, die hölzernen Badeschlappen in der einen Hand baumelnd und in der anderen das Handtuch wehend. Er holte Cimber an der Umkleide ein, überholte ihn, ließ Handtuch und Schuhe fallen und stellte sich ihm in den Weg. Zmertorix war nun, abgesehen von Kopfhaar, Wimpern und Brauen, vollständig enthaart, sodass man jede einzelne seiner zahllosen tiefen Narben sah, deren Anordnung auf Selbstverletzung schließen ließ. Besonders betroffen waren die Arme, der Bauch beiderseitig unterhalb des Nabels, die Schamregion und seine Oberschenkel, doch auch am Hals trug er Schnittwunden und Narben unterschiedlicher Altersstadien. Seine Haut leuchtete krebsrot von der Enthaarung und der anschließenden Massage und duftete nach dem Öl, das Cimber ihm geschenkt hatte.


    "Es wäre doch freundlich, wenn du wenigstens gewartet hättest, bis ich den Abschied erwidert habe." Er blickte ihm ernst in die Augen. Leiser sagte er: "Bitte sprich nicht, als würden wir uns nie wieder sehen. Dies ist kein Abschied für immer, aber ich muss dringend nach Caesarea, um optimal auf mein Anliegen vorbereitet zu sein. Ich benötige das perfekte Auftreten, damit alles gut geht." Nun lächelte Zmertorix und drückte seinerseits Cimbers Schulter. "Du warst mir ebenfalls ein angenehmer Reisegefährte. Die nächsten Wege werden einsam sein. Gib gut auf dich acht. Bis bald, Cimber."

    "Ich bin immer friedlich. Immerhin möchte ich Priester werden."


    Das war ein Scherz, da Galloi zumindest während der Megalesia alles andere als ausgeglichen wirkten. Zmertorix lächelte, während der Sklave ihm in erstaunlicher Geschwindigkeit die Körperhaare zupfte. Sein Gesicht war schon herrlich glatt, gerade eben befreite der Mann Brust und Bauch vom unerwünschten Fell, auch wenn es da nicht sonderlich viel zu zupfen gab in seinem Fall. Der zweite Sklave arbeitete sich von den Füßen an nach oben.


    "Es geht mich ja nichts an, aber nach dem Thermenbesuch solltest du im Castellum vorsprechen, Cimber. Deine Ankunft ist, wie die von Stilo, schon lange überfällig. Zwar könnt ihr nichts für den Verwaltungsfehler, aber dennoch solltet ihr nicht länger als nötig trödeln. Ich werde am besten sofort nach dem Bad weiterreisen nach Caesarea, damit ich niemanden aufhalte."

    "Salve", grüßte auch Zmertorix.


    Der Neuankömmling rettete Cimber vor der Erklärung, dass er keineswegs gedachte, jemals "wie ein ordentlicher Römer" auszusehen. Er war keiner und sah keinen Anlass, seine Wurzeln zu leugnen, erst Recht nicht hier in seiner Heimat. Einstweilen ließ er die beiden plaudern und genoss das warme Wasser. Als einer der Sklaven frei wurde, gab er diesem ein Handzeichen und stieg aus dem Becken.


    "Ich bin bei den Liegen", informierte er Cimber und Cerretanus. Die Liegen befanden sich nicht allzu weit entfernt, so dass er den beiden weiterhin zuhören oder sich am Gespräch beteiligen konnte. "Einmal das Komplettpaket mit allem Drum und Dran. Mein Öl habe ich selbst mitgebracht." Das stellte er nun bereit. Es war jenes, welches Cimber ihm kurz zuvor gekauft hatte. Zmertorix legte das Handtuch auf die Liege, machte es sich bequem und die schmerzhafte Prozedur des Zupfens begann. Ein zweiter Sklave manikürte ihm derweil die aufgeweichten Füße und Hände. Zmertorix schloss die Augen und genoss die Verwandlung von einem haarigen Widerling in einen Menschen und der Schmerz störte ihn dabei nicht im geringsten.

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    Ob des doppelten Eintritts für Frauen rümpfte Zmertorix die Nase. Dieses Schild war neu. "Diese Therme sollte man boykottieren!" Doch es half nichts - jeder musste baden und er besonders.


    Zmertorix sträubte sich, als er von Cimber quer durch die Therme geschliffen wurde. Was für ein Flegel! Mit seinem zwar schlanken, aber vollkommen unmuskulösen Körper hatte Zmertorix dem Soldaten nichts entgegenzusetzen. Dieser zerrte ihn am Frigidarium vorbei und zog ihn dermaßen nachdrücklich ins Warmwasserbecken, dass Zmertorix ausrutschte und ins Wasser stürzte. Er konnte nicht einmal schimpfen. Er nutzte den kurzen Moment, da Cimber von ihm abließ, um sich Gesicht und Haar zu waschen, ehe dessen Finger schon wieder nach seinem Arm griffen, um ihn nahe zu sich zu zerren. Stocksteif saß Zmertorix neben ihm und blickte starr geradeaus.


    "Mein lieber Cimber", sprach er schließlich betont langsam und würdevoll. "Es erscheint mir wenig schicklich, einen angehenden Priester räumlich zu verfrachten wie ein Gepäckstück. Ich wäre auch so mit dir gekommen, da ich Körperpflege als eine dringende Notwendigkeit erachte."


    Nachdem das raus war, entspannte Zmertorix sich und sank etwas tiefer ins Wasser. Langsam atmete er durch, ließ die Wärme in seine Glieder fahren und den Duft des warmen Wassers in seine Nase strömen. Über dem Wasser waberte feiner Nebel.


    "Immer wieder wundervoll ist es hier", verkündete er schließlich. "Vielleicht erstaunt dich die noble Ausstattung dieser Therme in einer so kleinen Stadt. Dies hat seinen Grund in der Abgeschiedenheit und Langeweile, die manch einer hier empfindet, sodass die Therme der wichtigste Ort ist, um sich zu treffen und miteinander zu plaudern. Der lokale Markt ist winzig im Vergleich zu anderen Städten. Für Abwechslung sorgt sonst nur das Theater und die Darstellungen sollen so schlecht sein, dass einige Gäste aus weiter Ferne kommen, nur um sich darüber zu amüsieren. Entsprechend bedeutsam ist diese Therme für die Einwohner von Satala."

    Das denke ich auch. Das Geschlecht ist kein "Status" und die ohnehin beschränkten Karrieremöglichkeiten der Frau sollten nicht zusätzlich versteckt werden.


    Auch die Sklaven würde ich vorschlagen zu belassen, wo sie sind, damit die Übersicht wie beabsichtigt tatsächlich einen globalen Überblick über die Möglichkeiten aller Spieler bietet.

    "Schmeichler!" Zmertorix wippte die Hand auf und ab, um das Lob ob seiner Erzählkünste abzuwiegeln, während er sich in Wahrheit darüber freute. "Ein angehender Priester muss sich natürlich zu artikulieren wissen. Die Sprache der Götter gleicht nicht der unseren, sodass ihre Botschaften für uns oft rätselhaft erscheinen. So sollte zumindest ihr sterblicher Übersetzer klar verständliche Worte finden und zwar in beide Richtungen."


    Dabei dachte er an seinen Freund und Bruder im Geiste Leonnorios, den er zwar als Mensch schätzte, ihn aber dennoch als stammelnden Idioten betrachtete.


    "Warme Handlungen müssen nicht mit weichen Händen erfolgen ... ein tiefer Sinnspruch, eines Soldaten würdig. Bei deiner Schwärmerei ob des Gestüts Umbrena bekommt man ja selbst Lust, ein paar Tage deine Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. Aber in meinem gegenwärtigen Zustand würde ich die Gastgeber beleidigen."


    Er schaute Cimber zwischen den schmutzigen Stoffbahnen hervor an.


    "Meine sogenannte Rettung ist eine längere Geschichte. Ich schlage vor, dass wir aufessen und dem Wirt eine Botschaft für deinen Sohn hinterlassen, während wir uns in den Thermen reinigen. Dort erzähle ich dir, wie Stilo und ich uns kennenlernten. In der Zwischenzeit wird Cinna sicher aufgetaucht sein.


    Danach unternehme ich noch eine kleine Reise. Ich hörte, in Caesarea habe ein Laden eröffnet, der sich auf die Wiederherstellung ruinierter Erscheinungsilder versteht. Dufter Viri nennt er sich, diesen würde ich gern ausprobieren. Du musst wissen, dass ich mich nun bereit fühle, die Große Mutter nicht nur zu ehren, sondern ihr auch zu dienen, indem ich ihrem Kult beitrete. Entsprechend wichtig ist, dass ich mich würdig präsentiere."


    Ob Cimber ihn begleiten mochte, fragte er nicht, da er diesen nicht in die Verlegenheit bringen wollte, ablehnen zu müssen, weil seine soldatische Pflicht ihn in Satala nahe der Legio festnagelte, wovon Zmertorix ausging.

    Ich freue mich sehr darüber, dass der Kult der Magna Mater Einzug in die Werdegänge des Staatskult gehalten hat! Danke an alle Beteiligten.


    Wäre es möglich, die entsprechenden Ämter, (mit Ausnahme jener des Archigallus und der Sacerdos maior, welche Einzelstellung in Roma genießen), auch in Satala und Caesarea anzubieten, auf dass ich dereinst an einem dieser Orte der Großen Mutter dienen kann?

    Die Aussicht auf einen baldigen Thermenbesuch stimmte Zmertorix ein wenig glücklicher. Er würde dort sehr viele Stunden verbringen und die Sklaven würden ein Stoßgebet zu den Unsterblichen senden, wenn er gegangen war.


    Auf das Zupfen am Schleier reagierte er etwas biestig. "Ein Spiegel lügt nicht! Natürlich habe ich Grund, mich zu verhüllen."


    Zmertorix hatte bei seinem letzten Blick in den kleinen Handspiegel fast geheult. Zwar transportierte er ein umfangreiches Toilettenbesteck und diverse Kosmetikartikel stets mit sich, aber er musste dazu allein sein und das war auf dem Schiff nicht möglich gewesen. Nicht viele verstanden das, besonders keine Seeleute oder Soldaten wie Cimber, die es gewohnt waren, auf engstem Raum eingepfercht ihren Verrichtungen nachzugehen, doch für Zmertorix war Körperpflege in Gegenwart anderer eine Tortur. Das war sie ja schon, wenn er allein war.


    Den Käse nahm er allerdings dankbar entgegen. Er aß davon und trank die Hälfte seines Weins, ehe er fortfuhr.


    "Ich stamme aus Tavium, das östliche Gegenstück zum berühmten Pessinus. Tavium ist eigentlich galatisches Territorium, aber Rom hat das bei seiner Grenzziehung nicht berücksichtigt. So gehört Tavium nun seit vier Generationen zu Cappadocia, was aber nichts daran ändert, dass die Bewohner Galater sind. Vom Stamme der Trokmer, wenn du es genau wissen willst."


    Und nun war Zmertorix ganz in seinem Element. Vergessen war die eigene Abscheulichkeit und nach einem weiteren Schluck Wein zu Kräftigung begann er darzulegen, wobei Cimber damit konfrontiert wurde, dass der Stamm der Trokmer eine Vorliebe für den Buchstaben T zu hegen schien:


    "Wir selbst nennen die Stadt Tawiniya und sie ist noch immer Kultort der alten Götter. Warum auch nicht? Viele Götter werden dort verehrt, vor allen anderen aber ist Tavium Kultort des Telipinu, Sohn des Wettergrottes Taru. Taru ist jener, den die Hellenen Zeus nennen. Entsprechend kamen sie auf den Gedanken, eine Kolossalstatue des Zeus Tavianos in Tavium aufzustellen. Telipinu wird als für die Vegetation zuständig gesehen. Sein Symbol ist die Eiche. Er steht in der Liste der Schwurgötter und man nennt ihn auch schrecklicher Telipinu von Tawiniya, da er wie sein Vater in der Lage ist, Blitze zu schleudern sowie Donner und Regen zu erzeugen."


    Spätestens jetzt begannen die meisten Zuhörer sich zu langweilen, sodass Zmertorix schaute, ob Cimber noch zuhörte. Er vermutete, dass die Details, die ihn selbst ins Schwärmen brachten, für Cimber von eher mäßigem Interesse war und kam zu dessen anderer Frage.


    "Zunächst einmal gehöre ich nicht zu Stilos Gefolge, sondern wenn überhaupt, dann er zu meinem Gefolge. Dazu, wie es dazu kam, gibt es zwei Versionen. Seine und meine. Wenn ich dir meine erzähle, zerstöre ich seinen Wunschtraum, mich gerettet zu haben. Vermutlich beleidige ich ihn obendrein, weil ich ihm eine verzerrte Wahrnehmung unterstelle.


    Aber warum erzählst du nicht stattdessen ein wenig von dir? Wie hast du Stilo kennengelernt?"


    Dass die beiden mehr als Kameradschaft verband, war Zmertorix nicht entgangen. Er wusste, dass sie sich gegenseitig Brüder nannten und einen Teil ihrer Kindheit gemeinsam verbracht hatten, doch wie es dazu gekommen war, das wusste er nicht.