Beiträge von Decimus Antonius Aquila

    "Wie wahr, du hast deine Talente", amüsierte sich Aquila. Was hatten er und Tacitus nicht alles erlebt als sie noch kleine Jungs waren. Es tat ihm damals im Herzen weh, als Tacitus mit seiner Familie nach Roma zog und er quasi alleine hinten blieb. Tacitus war immer der stärkere von den beiden Antoniern gewesen, Aquila eher der intellektuellere der beiden. Aquila tat sich damals immer schwer neue Kontakte zu knüpfen und war sehr schüchtern. Tacitus hatte ihm dagegen die Welt außerhalb der eigenen Casa gezeigt. Noch schlimmer wurde es dann als Tacitus weg war. Aquila hatte sich noch mehr zurückgezogen und verkroch sich in seinen Papyrusrollen bis sich sein Vater gezwungen sah, ihm einen Rhetoriklehrer an die Seite zu stellen. Er machte nur langsam Fortschritte, doch sie kamen. Erstaunlicherweise wurde es dann besser als Aquila Decitas als seinen persönlichen Sklaven bekam. Obwohl, oder gerade weil dieser ebenfalls kaum sprach fasste der junge Antonier Vertrauen und freundete sich mit ihm an. Heute sind sie unzertrennlich.


    Als Aquila gedanklich in Erinnerungen schwelgte trat dann aber sein Onkel ein. Den bissigen Kommentar gegenüber Tacitus quittierte Aquila mit einem leichten Hochziehen seiner linken Augenbraue, so wie er es immer tat wenn ihn etwas erstaunte oder er intensiv über ein Problem nachdachte. Aquila erwiderte den Gruß von Cursor und beantwortete die Fragen seines Gastgebers:


    "Vielen Dank Onkel. Ich wäre natürlich auch lieber unter anderen Umständen hierher gekommen um dich und deine Familie zu besuchen. Leider hatten die Götter aber andere Pläne."


    Er machte eine kurze Pause und war froh, dass mit der Frage nach der Reise endlich das Gespräch weg von seinen Eltern kam. Es grämte ihn immer noch und ständig darauf angesprochen zu werden machte die Situation nicht besser:

    "Ich kann mich nicht beklagen. Die Straßen waren in gutem Zustand und wir haben die Reise in kurzer Zeit geschafft. Zudem hat ein wenig Bewegung gut getan um die Gedanken zu sortieren. Ich möchte mich natürlich für dein großzügiges Angebot bedanken in deine Casa ziehen zu dürfen. Es freut mich wieder Familie um mich zu haben."

    Aquila verstand eigentlich umgehend. Das Grinsen und die Art und Weise wie Tacitus ihm erklärte wie es ihm in Rom ging sagte eigentlich alles. Er war mit dem Kerl ja aufgewachsen. Mit einem Grinsen im Gesicht erwiderte er:


    "Ich verstehe."


    Als Tacitus nochmal auf seinen Vater zu sprechen kam wurde er anfänglich doch noch etwas melancholisch, doch die Aussage sturer Bock brachten ihn wieder zum lachen:

    "Wie wahr, wie wahr. Wenn Vater sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann erreichte er das auch meistens. Nur bei dir, da wurde er dann doch immer wieder schwach. Ich habe bis heute nie deine Raffinesse erreicht, wenn es darum geht jemanden um den Finger zu wickeln."


    Aber was sollte er in Rom machen. Das war eine gute Frage, die er sich nach der Nachricht über das Schicksal seiner Eltern und dem Weg nach Rom selber immer und immer wieder gestellt hatte. Als er zum ersten Mal die Stadt Rom betreten und den Palatium Augusti von Weitem gesehen hatte wusste er dann eigentlich was er wollte:

    "Ich habe mir lange darüber Gedanken gemacht. Doch ich denke, nein, ich weiß, dass ich in der Verwaltung des Palatium arbeiten möchte. Mein Vater hat mich zwar für die Laufbahn in der Verwaltung von Misenum vorbereitet, aber ich bin mir sicher, dass ich das hier auch anwenden kann."

    Aquila war kaum imstande die Casa und das Atrium zu betraten, da wurde er überschwänglich von seinem Cousin empfangen. Eigentlich war ihm nicht nach Frohmut, aber das herzhafte von Tacitus welcher dieser schon immer besessen hatte war irgendwie ansteckend. Mit einem ehrlichen Lächeln im Gesicht erwiderte er die Umarmung:


    "Wie wahr, es ist wirklich zu lange her. Wie geht es dir? Was machst du so?"


    Der plötzliche Stimmungsumschwung ging auch an Aquila nicht vorbei.


    "Ich danke dir für deine Worte, die letzte Zeit war wahrlich nicht einfach. Doch ist es nun daran in die Zukunft zu blicken. Ich bin mir sicher Vater hätte sich das gewünscht. Du kennst ihn doch."


    Er lächelte wieder....

    Als Hephaestion die Porta öffnete und Aquila in dessen altes runzliges Gesicht blickte war der Schmerz und die Mühsal der langen Reise auf einen Schlag verflogen. Ein Lächeln zeichnete sich in Aquilas Gesicht ab. War es wirklich schon so lange her, dass er seinen alten Lehrmeister gesehen hatte? Hephaestion war für ihn immer schon alt gewesen, doch musste er zugeben, dass dieser noch um einiges älter geworden war. Er strahlte seinen Gegenüber an:


    "Hephaestion!!! Welch eine Freude. Du siehst gut aus. Es ist viel zu lange her."


    Gerne folgte er der Aufforderung einzutreten und deutete dabei Dicetas es ihm gleich zu tun. Als sich dieser in Bewegung setzte stellte er ihn seinem alten Lehrmeister vor:


    "Hephaestion, darf ich dir Dicetas vorstellen? Er ist mein treuer Begleiter seit Jahren. Leider spricht er so gut wie nie." Dabei lächelte Aquila milde. ER hatte Dicetas wirklich bisher noch fast nie sprechen hören. Er wusste, dass er des Lateinischen mächtig war und es sowohl verstehen als auch sprechen konnte. Wenn er denn wollte. Doch bisher war es Aquila nicht gelungen herauszufinden warum er nicht sprach.


    Bei Hephaestion an der Porta angekommen legte er seine Hand auf dessen Schulter und senkte seinen Kopf:


    "Ich danke dir, sowohl für deine Worte als auch für das Entzünden der Kerzen. Ich hoffe es geht ihnen gut, egal wo sie jetzt sind."


    Er ließ sich selber noch einen kleinen Hoffnungsschimmer, galten seine Eltern doch als verschollen und nicht tot. Dennoch war ihm klar, dass die Chance äußerst gering war. Danach trat er in die Casa seines Onkels...

    >> Am Stadttor


    Vom Stadttor kommend zogen Aquila und Dicetas direkt weiter zur Casa Antonia. Sie hatten einen weiten Weg hinter sich und beide spürten langsam aber sicher die Müdigkeit. Endlich kamen sie an. Aquila stemmte die Hände leicht in die Hüften und betrachtete die Casa von Außen. Natürlich war sie nicht mit einer Villa eines Patriziers zu vergleichen, doch machte sie wirkliche etwas her. Sein Onkel hatte also nicht übertrieben. Er hatte es tatsächlich geschafft sich eine ansehnliche Casa zu erwerben:


    "Sie dir das an Dicetas. Mein Onkel hat wirklich etwas aus sich gemacht. Wir können froh sein, dass er uns Obdach und Unterstützung zugesagt hat. Es wird uns hier an nichts mangeln."


    Dicetas nickte zustimmend.


    "Los komm, lass uns anklopfen."


    Dicetas trat an die Porta heran und klopfte dreimal kräftig an:


    *POCH*POCH*POCH*


    Aquila nutzte die Zeit um seine Kleidung noch einmal etwas in Ordnung zu bringen, auch wenn dies ob der langen Reise ein Ding der Unmöglichkeit war. Irgendwie war er leicht nervös.

    Der Antonier nickte zustimmend als ihm ein guter Aufenthalt gewunschen wurde. Langsam setzte er sich mit Dicetas wieder in Bewegung um das Stadttor zu durchschreiten. Beim vorbeigehen stieg im der Duft der Bratwürste in die Nase und sein Magen begann ungeniert zu knurren. Sie waren schon eine ganze weile auf dem Weg und er hoffte inständig, dass er in der Casa seines Onkels etwas zu essen bekommen würde.


    So machten sie sich auf in Richtung der Casa Antonia.

    Aquila erreichte mit dem treuen Hausklaven seines Vaters das Stadtor der Urbs Aeterna. Während der Sklave zur rechten Seite des Esels welcher den Wagen zog herging, schritt der junge Antonier zur linken. Der schmerzhafte Verlust der ihn ereilt hatte zeichnete noch immer sein Gesicht. Vieles von seiner jugendlichen Leichtigkeit war Sorgenfalten gewichen. Zu sehr dachte er in Misenum über die Zukunft nach und verrannte sich dabei teilweise in närrischen Ideen. Da war ihm das Angebot seines Onkels nach Rom zu ziehen gerade recht gekommen. So konnte er sich ablenken und nach einer neuen Beschäftigung suchen. Zudem würde er endlich wieder einmal seinen consobrinus Antonius Tacitus sehen.


    Als die Familia Antonius Cursor ebenfalls noch in Misenum wohnte und von dort aus die Geschäfte leitete wuchsen er und Tacitus auf wie Brüder. Sie waren stets unzertrennlich und hielten immer zueinander. Der Gedanke an ein Wiedersehen zauberte ihm seit langem das erste Lächeln ins Gesicht.


    Als sie endlich an der Reihe waren meldete sich Aquila bei der Stadtwache:


    "Salve Miles, mein Name ist Antonius Aquila, das ist mein treuer Slave Dicetas. Wir sind auf dem Weg zu meinem Onkel Antonius Cursor und werden dort erwartet."


    Er kannte das Prozedere und hoffte auf schnellen Einlass ohne große Durchsuchung der wenigen Habseligkeiten auf dem Wagen.

    Ein Bote brachte eine Schriftrolle, adressiert an den Hausherrn:


    Ad

    Galeo Antonius Cursor

    Casa Antonia

    Roma - Italia


    Geschätzter Onkel,


    es zerreißt mir aufs neue das Herz dir Botschaft über den Verbleib meiner Eltern, deinem Bruder und meinem Vater Iullus Antonius Pius und deiner Schwägerin und meiner Mutter Plancia Pacata zu überbringen. Am ANTE DIEM XV KAL DEC DCCCLXX A.U.C. (17.11.2020/117 n.Chr.) erreichte mich neue Nachricht aus Cyprus. Es konnten einzelne Wrackteile der Imperatoris gefunden werden, welche wohl am ANTE DIEM III ID IUL DCCCLXX A.U.C. (13.7.2020/117 n.Chr.) vor Cyprus in einen Sturm geriet. Das Gerücht, das Schiff sei von Piraten aufgebracht worden hat sich leider nicht bewahrheitet. Es konnten bisher keine Überlebenden gefunden werden und es ist davon auszugehen, dass auch niemand mehr gefunden werden kann.


    Ich bete zu den Göttern, dass meine Eltern noch leben mögen, doch schwindet die Hoffnung von Tag zu Tag mehr und lässt mich der Wahrheit ins Auge sehen. Bereits viele Schicksalsschläge haben unsere Gens erreicht, doch zum ersten mal betrifft es mich direkt selber. Aus diesem Grund danke ich dir für deine aufmunternden Worte in deinem letzten Schreiben und möchte nun dein Angebot annehmen und nach Roma kommen. Ich bin gerade dabei den Hausstand hier in Misenum aufzulösen.


    Erwarte meine Ankunft am ANTE DIEM VIII KAL DEC DCCCLXX A.U.C. (24.11.2020/117 n.Chr.) zur zehnten Stunde. Ich werde in Begleitung unseres treuen Haussklaven Dicetas und einiger weniger persönlicher Habseligkeiten sein.


    Vale Bene,

    Decimus Antonius Aquila