Beiträge von Unauris

    Unauris versuchte, nichts falsch zu machen, als er Sextus Iunius Stilo helfen wollte. Er hatte gesehen, dass der junge Herr schon wach war und irgendetwas tat. Allerdings musste Unauris feststellen, dass Stilo anscheinend schon fix und fertig war, fertig angezogen, gekämmt und rasiert - bereit zum Aufbruch ins Unbekannte. Unauris war schon wieder zu langsam gewesen. Würde das Ärger geben? Die Herren waren nicht seine Sorge, sie waren alle freundlich, aber die Angst vor Terpander saß tief, obwohl der Hellene in all den Jahren, die sie sich kannten, ihm noch nie ernsthaft etwas angetan hatte. Von dem Mann ging etwas Dunkles aus, das sich für Unauris' beschränkten Verstand nicht in Worte fassen ließ, aber in seinem Inneren alle Alarmglocke gellen ließ.


    Er wollte gerade fragen, was er tun dürfe und öffnete den Mund, da erhielt er schon einen Auftrag, so dass er seine Frage wieder herunterschluckte. "Ja, Herr", sagte er und machte sich auf die Suche nach den Verwandten des jungen Herrn, um sie ins Atrium zu bitten.


    Triclinium

    Empfang von

    Aulus Iunius Tacitus &

    Sextus Iunius Stilo


    Der Speisesaal der Domus Iunia war mit drei Speisesofas möbiliert, die hufeisenförmig um den Tisch angeordnet waren. Das ideale Gastmahl bestand rechnerisch aus neun Personen, aber auch zwei Personen fanden hier gemütlich Platz. Wie sich die beiden neu angekommenen Bewohner des Hauses sortieren wollten, war ihnen überlassen. Die gewünschten Getränke in Form von Posca standen schon auf dem Tisch und aus der Küche duftete es nach gekochtem Puls mit süßen Früchten.


    "Ja, das habe ich verstanden", sagte Unauris nervös. Das waren unwahrscheinlich viele Informationen, die er sich auf einmal merken sollte. "Erst die Schreibutensilien, dann Früchtepuls und Posca sowie Brot mit Käse. Erst danach die Taschen und alles ins Trockene räumen." Er führte die Pferde in einem Bogen an Terpander vorbei ins Innere der Domus Iunia, wo es einen kleinen Stall gab. Dort konnten sie erstmal gefüttert, getränkt und abgerieben werden. Tagsüber würden die Pferde auf einem eingezäunten Bereich des Grundstücks weiden können, nachts kamen sie zum Schutz vor Dieben rein. Nachdem Unauris die Schreibutensilien abgeladen hatte, eilte er in die verwüstete Küche, um etwas zusätzliches Geschirr abzuwaschen und das Essen zuzubereiten.


    Bald war das Triclinium bereit, um die neu angekommenen Iunier zu empfangen.

    Diesmal bot sich den Gästen ein anderes Bild: Unauris steckte in anständiger Sklavenkleidung, das Haar war mit Öl in Form gekämmt und er trug stabile Sandalen, in denen er nicht stolpern würde. Außerdem war er ein bisschen blasser als zuvor. Zu Terpander hielt er Abstand.


    Er verneigte sich tief vor den Gästen. "Meine Herren, ich freue mich sehr über euer Erscheinen. Mein Name ist Unauris. Ich wurde in Britannia geboren und bin ein gewöhnlicher Haussklave. Ich gehöre meinem Herrn Iullus Seius Iunianus Fango. Wann immer ihr etwas benötigt, zögert nicht, es mitzuteilen! Ich stehe euch Tag und Nacht zur Verfügung!" Schleunig griff er nach den Zügeln der Pferde, um diese in den Innenhof zu führen, wo er sie abladen und versorgen würde. Hoffentlich würde Terpander ihm helfen und sich nicht nur von der langen Reise ausruhen. Sooo alt war er schließlich nun auch wieder nicht. "Was möchtet ihr essen und trinken?"

    Nach einer Weile öffnete sich die Tür. Sie öffnete sich gleich komplett und nicht erst einen Spalt, weil Unauris bereits aus einem der beiden Türmchen herausgeschaut hatte, wer da nahte. Wenn jemand Unheimliches vor der Domus gestanden hätte, würde er die Tür gar nicht erst geöffnet haben. Sollten die Leute ruhig glauben, das Anwesen sei verlassen oder gerade niemand zu Hause.


    "Salve Terpander", sagte Unauris ohne zu lächeln. Sein Haar war unordentlich und er trug eine Schlaftunika ohne Gürtel, die Füße steckten in strohgefüllten Holzschuhen. Er war wenig erfreut darüber, dass der grimmige Grieche plötzlich wieder vor der Tür stand und wahrscheinlich erneut hier einziehen sollte. Bis gerade eben war seine Welt in Ordnung gewesen, nun geriet sie schon wieder aus den Fugen. "Wen hast du mitgebracht?"


    Misstrauisch schaute Unauris an Terpander vorbei und beäugte die beiden Fremden. Anhand des dunklen Haars und der dunklen Augen vermutete er Verwandtschaft, doch es könnte auch sonstwer sein, aufdringliche Händler, Betrüger oder Leute von der Stadtverwaltung, die wegen irgendetwas Geld eintrieben.

    Unauris, einer jener verwöhnten Sklaven im Umfeld von Scato, die aus sentimentalen Gründen trotz horrender Faulheit weder gezüchtigt noch verkauft werden, beschloss, heute einmal mit Fleiß zu glänzen. Nachdem der Bruder seines eigentlichen Herrn, Iullus Seius Iunianus Fango, etliche Monate benötigt hatte, um einen simplen Brief zu beantworten, trug Unauris diesen nun frohgemut zur Post.


    "Salve, Herr! Dieser Brief muss im Auftrag meiner vielbeschäftigten Herren schleunigst nach Roma gelangen. Wenn dies etwas mehr kostet, so ist dies kein Problem. Bitte zieh den notwendigen Betrag von der Wertkarte der Gens Iunia ab."


    Ad

    Aulus Iunius Tacitus

    Domus Iunia

    Via Flaminia

    Roma


    De

    Sisenna Iunius Scato

    Domus Iunia

    Mogontiacum

    Provincia Germania Superior


    Salve mein lieber Vetter Tacitus,


    ich habe mich sehr über deinen Brief gefreut. Leider zählt die pünktliche Beantwortung von Post nicht zu meinen Stärken, aber besser zu spät als nie.


    Um zunächst deine Frage zu beantworten: Selbstverständlich ist es in Ordnung, dass du die Domus Iunia bezogen hast! Sie ist dafür da, allen Iuniern ein Heim zu bieten und von allen Häusern, die wir über das Imperium verstreut besitzen, ist dieses das schönste und größte. Seine Hallen haben zu lange leer gestanden.


    Zum Beginn deiner Karriere als Jurist spreche ich dir meine herzlichen Glückwünsche aus! Mit Senator Annaeus Florus Minor als Patron hast du einen zuverlässigen und korrekten Mann, der dir den Rücken stärken wird. Ich selbst habe noch keinen Patron, aber von jenem Annaeus habe ich nur Gutes gehört. Manche behaupten sogar, er zeige gelegentlich Anflüge von Humor, was man nicht von vielen Senatoren behaupten kann.


    Deine liebe Schwester Iunia Matidia ist wohlbehalten in der Domus Iunia in Mogontiacum eingetroffen, was man von ihren Verwandten leider nicht sagen kann. Die Mutter bedarf der Pflege und der Vater hat den Angriff der Barbaren leider nicht überlebt. Doch Iunia Matidia ist eine starke junge Frau, die von den schrecklichen Ereignissen nicht sonderlich erschüttert zu sein scheint. Momentan erkundet sie die Stadt und lernt die Gesellschaft kennen, etwas, wovor ich mich bisher erfolgreich gedrückt habe.


    Deine Frage, was ein Prätorianer in Mogontiacum treibt, kann ich dir durchaus beantworten. Unsere Einheit ist unter anderem für den Schutz der Kaiserlichen Familie zuständig. Der größte Teil dient daher in Rom, aber die kaiserliche Familie begibt sich auch auf Reisen, besonders der nunmehr einzige Stammhalter. So ergab es sich, dass ich unseren verehrten Caesar Aquilius Bala, mögen die Götter über ihn wachen, auf seiner Mission nach Germania superior begleitet habe. Ziel ist es, die Barbaren zu züchtigen und in ihre Schranken zu verweisen. Ich diene hier als Optio valetudinarii und bin als Verwalter des Lazaretts für die Gesundheit der Soldaten zuständig.


    Mich bindet meine Pflicht daher die meiste Zeit an das Valetudinarium, das in diesen Tagen leider übervoll ist. Eine Seuche grassiert und hat viele Leben gekostet. Es hat viele Monate gedauert, bis wir als Ärzte der Cohortes Praetoriae und der Ala I Aquilia Singularis eine Therapie entwickeln konnten, welche die Sterblichkeit eindämmte. Faunus möge mir helfen, sie weiter zu verbessern. Noch können wir keine Entwarnung geben. Ich hoffe, die warme Luft des Frühlings, der sich nun endlich einzustellen beginnt, trägt weiter dazu bei, den Krankenstand zu senken.


    Leider enden die traurigen Nachrichten nicht bei den Eltern von Iunia Matidia. Unser treuer Vetter Faustus Iunius Rupa ist bislang nicht von einer Aufklärungsmission zurückgekehrt, auf die er geschickt worden war. Das ersparte ihm bislang das Schicksal, zu erfahren, dass seine liebe Fraue Hilda, die hier in der Domus Iunia lebte und mir als Kräuterfrau gute Unterstützung in der Bekämpfung des Sumpffiebers leistete, eines Morgens nicht mehr aufgewacht ist.


    Ich hoffe, wenn wir wieder voneinander hören, kann ich dir bessere Nachrichten überbringen lassen. Bitte trage dafür Sorge, dass die Figur des Faunus, der auch in der Domus Iunia in Roma über uns wacht, stets die ihm gebührende Behandlung erfährt. Ich weiß, dass viele ihm nicht so viel zutrauen wie den großen Göttern und ihm entsprechend nicht die gleiche Achtung erweisen, aber bisher ließ er uns nie im Stich.


    Für deine Karriere wünsche ich dir alles Gute und werde dich in meine Opfer und Gebete einschließen.


    Vale bene

    Scato


    Unauris hatte sich für seine Verhältnisse sehr beeilt, den heißen Kräutersud zuzubereiten. Den stellte er auf einem nahen Tischlein ab, dazu einen Becher. Dann trat er ein paar Schritte in den Hintergrund, blieb aber anwesend. Ängstlich beobachtete er das Geschehen. Was war hier nur los?

    Kurz darauf kam Unauris mit einem Tablett, auf dem eine Weinkaraffe und zwei Becher standen. "Falerner, lieblich und mild gewürzt", erklärte er. Vorsichtig schenkte er ein, dann zog er sich disrekt in den Hintergrund zurück. Wenn man ihn brauchte, würde er da sein. Nicht immer sofort, weil er manchmal in anderen Ecken des Anwesens seinen Pflichten nachkam, weshalb er den Pfiff nicht hörte, oder einkaufen war, aber immerhin überhaupt.

    Erschrocken blickte Unauris noch weiter in Richtung seiner Füße, als er den leichten Schlag gegen seine Schulter spürte. Wohlwissend, wie freundlich gemeint dieser war, konnte der Sklave dennoch nicht aus seiner Haut heraus und die Empfindung, den arglosen Herrn schützen zu müssen vor zu viel Freundlichkeit gegenüber einem Niederen, ließ ihn als menschliche Säule verharren. Lurco sollte seine Dignitas nicht gefährden, weil Unauris ihn dazu verleitete, indem er die vertrauliche Geste in irgendeiner Form beantwortete.


    Unter halb gehobenen Lidern und den Blick ein bisschen erhoben versuchte Unauris durch den Schleier seiner Wimpern das Gesicht des Herrn unauffällig zu mustern. Er begriff, dass Lurco aufrichtig bereute, ihm das Ohr abgetrennt zu haben. Es tat ihm nicht leid um das beschädigte Eigentum eines anderen, sondern um Unauris als Mensch. So weit, so menschlich, Unauris war eben trotz allem noch zu freundlich gewesen. Seia Sanga hatte ihn gewarnt und er hatte nicht gehört. Die Leidtragenden waren immer die Herren, denn sie hatten viel zu verlieren, Unauris hingegen wenig. Lurco meinte sogar, den Schaden wieder gutmachen zu müssen. So überlegte Unauris, ob er Lurco nicht Anlass zur Klage geben sollte, um ihn vor seiner eigenen Freundlichkeit zu schützen. Sollte Unauris schlecht arbeiten? Dinge fallen lassen, wie diesen Becher? Faul sein, sogar unverschämt? Doch dazu fehlte ihm der Mut und er trottete nur nachdenklich nach draußen, als man ihn dazu aufforderte.


    Seine Gedanken fokussierten sich, als er seinen eigenen Herrn nach all der Zeit wieder erblickte. Und in Militärkleidung saß er da, wirkte viel älter, als zum Zeitpunkt ihres Abschieds! Obgleich Fango dies nie verlangt hatte, sank Unauris vor ihm auf dem Boden zu einem Häuflein zusammen, umfasste seine Fußgelenke und presste das Gesicht zwischen ihnen auf die feuchte Wiese. Dies war die einzige Art, wie er seiner überwältigenden Freude Ausdruck verleihen konnte. Seine Form einer Umarmung. Fest klammerten seine Finger sich um die Füße, die nun in erdigen und nach Pferd riechenden Caligae steckten. Ein Kloß im Hals blockierte jedes Wort.

    In der Küche presste Unauris ein Geschirrtuch zu fest um einen nassen Becher, den er hatte abtrocknen wollen. Im Garten, ein Stück abseits vom Küchenfenster, saß sein Herr mit dem Rücken zu ihm. Der schwarze Haarschopf war feucht und strähnig, lockte sich darob, der Helm lag auf dem Boden. Seit Jahren sah der Sklave seinen Herrn das erste Mal wieder, das erste Mal, seit er fortgelaufen war. Und doch war Fango nicht wütend auf ihn, den Ungehorsamen, wünschte ihm immer noch Gutes. Ja, Unauris hatte gelauscht, das tat er immer. Die Schergen der Krähe hatten es ihn gelehrt. Jedes Wort kannte er, dass die beiden Männer gewechselt hatten. Er wusste um Lurcos Pläne und er wusste um Fangos Sorge. Doch als die Tür sich öffnete und Lurcos breitschultrige Gestalt den Türrahmen ausfüllte, erschrak Unauris, starrte ihn an, den Mann, der ihn verstümmelt hatte und nun adoptieren wollte. Der Becher fiel zu Boden, zerbarst jedoch nicht, gepolstert im Aufprall durch das Geschirrtuch. Unauris senkte den Blick und hob den Becher auf, wollte ihn fertig abtrocknen, als wäre es ein Tag wie jeder andere.

    Salve,


    ich möchte aus meinem Schattendasein befreit und zum Leben erweckt werden.


    Name: Cassivellaunus Unauris (s. u.)

    Stand: Sklave

    Wohnort: Roma


    Mein Besitzer ist Iullus Iunianus Fango.


    Vale,

    Cassi Unauris