Beiträge von Marcus Tiberius Durus

    Liebe Freunde, könntet ihr Valerius Flaccus vielleicht in den Kühlschrank stellen bevor er mir hier das Zeitliche segnet?. Ich hab die Zugangsdaten vergessen und eh keine Zeit für irgendwas 😅

    Marcus hatte so eine Ahnung. "Soranus hat versucht die Zedern loszuwerden, indem... was? Ihre Geldeintreiber zusammen schlagen lassen? Klingt nicht nachhaltig. Ihren Anführer aus dem Weg räumen? Damit hätte er ja nur einen Kopf der Hydra abgesenst. Nicht ausreichend, oder?"

    "Fast, Herr." antwortete Andro ernst. "Das Hauptquartier der Zedern befindet tatsächlich nicht in der Subura, sondern am Tiber hinter dem Marsfeld. Etwas unauffällig. Und nicht so notorisch wie Subura. Der Senator stand, wie du gesagt hast, vor dem Problem, dass er das ganze Syndikat hätte loswerden müssen. Oder zumindest diejenigen, die von der Abmachung wussten. Offenbar hat er es geschafft mit einigen diskreten Erkundigungen heraus zu finden, wo dieses Haus ist. Der hoch ehrenwerte Senator ist dann sehr, wie hast du es ausgedrückt, nachhaltig vorgegangen. Geradezu effizient." meinte der Kriminelle mit widerwillger Bewunderung in der Stimme.


    "Er hat herausgebracht, wenn sich die Führung der Zedern trifft. Sie tun dies natürlich zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Tagen. Man will es den Urbanern ja nicht herschenken, nicht wahr? Jedenfalls haben die Zedern irgendwo ein Leck und Soranus hat es genutzt. Beim nächsten Treffen stand die ganze Bude in Flammen. Soranus ist kein Idiot, wie der ehrenwerte Senator Chaera hier behauptet, aber eben auch kein Profi und man konnte mindestens einen seiner Leute identifizieren, als er zur relevanten Zeit am fraglichen Ort war. Nun trotzdem ist beinahe die ganze Führungsriege ist verbrutzelt, kannst du dir das vorstellen. Eines der angesehensten und honorigsten Kollegien, einfach so,"

    Andro schnippste zur Verdeutlichung. In seinem Gesicht fand sich zu Marcus' Erstaunen echtes Bedauernund ehrliche Entrüstung über einen derartigen Affront und Verstoß. Ja schlimm, wo kommen wir denn da hin, wenn sich das krumme Gelichter anfängt selbst den Garaus zu machen, dachte Marcus sarkastisch.

    "Bei sowas muss man sich immer fragen, wer profitiert?"

    "Naja, du sagtest fast die ganze Führungsebene war in dem Haus. Derjenige der übrig ist."

    "Genau. Und da haben wir das Leck, bin ich mir sicher. Sein Name spielt für unsere Zwecke hier keine Rolle, aber sagen wir mal, die Zedern hatten ziemlich schnell einen neuen Geschäftsführer. Und dieser hat mich unlängst um einen Gefallen gebeten."

    "Lass mich raten. Der profitierende neue Geschäftsführer muss jetzt irgendwie die losen Enden zusammen friemeln. Und das bedeutet, Soranus muss weg, richtig?"

    "Du hattest guten Unterricht, Herr."


    Ein Kompliment von dieser Person fand Marcus einigermaßen ekelhaft. In der Sache war es aber natürlich korrekt. Wie man ihm geraten hatte, hatte er zu seiner Unterweisung in allen klandestinen Dingen seinen eigenen Maiordomus Munos aufgesucht. Dessen Methode war so effektiv gewesen wie ungewöhnlich. Im Grunde war es genau diese Situation. Munos erzählte Marcus eine Geschichte. Normalerweise natürlich mit allerlei Verräterei, Drohungen, Erpressungen, Gewalt. Und Marcus sollte dann an verschiedenen Stellen heraus denken, was als nächstes passiert sein mochte, oder was etwa die korrekte Vorgehensweise gewesen wäre.


    "Und wo komme ich da ins Spiel?" Marcus war in diesem Gespräch nicht nach raten zumute.

    "Oh ja." setzte Andro in nun entschieden geschäftsmäßigerem Tonfall fort. "Wisst ihr, viele Leute treffen in ihrem Leben nunmal Entscheidungen, die sich zumindest im Rückblick als nicht eben optimal heraus stellen. Sie kaufen Klamotten, für die sie zu fett sind. Sie treffen Geschäftsentscheidungen, die nicht so lukrativ sind, wie erhofft. Und so weiter. Doch manche Entscheidungen, die manche Leute treffen, sind ein bisschen sehr weit vom Optimum entfernt. Das kann - rein zufälliges Beispiel - sogar ein erlauchtes Mitglied des hochehrenwerten Senates unseres glorreichen Gemeinwesens betreffen. Ganz alltäglich."

    War es Marcus vorher übel gewesen, war er nun kurz davor sich in die Orchidee zu übergeben. Das ging besser nicht in die Richtung, in die er vermutete.

    "Oh ja, sogar jemand, wie vielleicht ein gewisser Marcus Caelius Soranus zum Beispiel."

    "Soranus war immer schon ein Idiot." warf Chaera ein.


    "Ah. Ich würde doch niemals die Intelligenz eines hohen Senators in Frage stellen." antwortete Andro. "Oh nein. Dieser bestimmte Senator hat die Würfel geworfen. Und verloren. Wie gesagt, manche Fehlentscheidungen sind schlimmer als andere. Es begann alles vollkommen normal. Geschäftlich. Der gute Soranus hatte vor einigen Monaten ein schönes Stückchen Land in Cisalpina gekauft. Ufer des Padus, wunderbar. Auf dem Papyrus jedenfalls. Der Kerl, von dem der Senator es gekauft hat, hat ihn beschissen. Ein Typ aus Ägypten, wie wir heraus gefunden haben." fügte Andro mit einem ironischen Blick zu Marcus hinzu, der seinen in alexandrinischen Akzent noch immer nicht los geworden war.


    "Dort hin ist er auch wieder hin verschwunden. Jedenfalls hatte das Landgut nur vielleicht die Hälfte der Sklaven, die eigentlich beim Kauf inbegriffen waren. Ich verstehe ungefähr gar nichts von Landwirtschaft, aber dass man ganze Getreide nicht mit nur der Hälfte der notwendigen Hände ins Trockene bringen kann, leuchtet sogar mir ein. Jedenfalls brauchte der gute Soranus einen Kredit und die Geldverleiher wollten ihm nichts mehr geben. Schlechte Kundschaft, nicht das erste mal, dass er ordentlich was in den Sand gesetzt hat. Und was macht man, wenn man auf die grade Tour keine Kohle mehr bekommt? Man besorgt sie sich auf die krumme.

    Und so wurde der gute Soranus bei einem.. Freund von mir vorstellig. Er repräsentiert das Zedernkollegium. Gute Geschäftspartner. Sie sind, sagen wir mal, auf Landwirtschaft spezialisiert sind. Wenn du irgendwem die Ernte abfackeln oder einen Sklavenaufstand anzetteln, sind das deine Leute."


    Marcus ging auf, was hier gespielt wurde. "Und der üble Ägypter, der Soranus beschissen und die Hälfte der Sklaven weggezaubert hat, war auch ein guter Geschäftspartner des Zedernkollegiums?"

    Andros Antwort bestand aus seinem gackernden Lachen. "Fast. Sie wussten über den Verkauf Bescheid und haben die Sklaven diskret, sagen wir mal, anderweitig beschäftigt. Ein anderer Geschäftspartner hat ihm dann den Floh ins Ohr gesetzt, man könnte sich das Geld doch interimsweise bei dem Kollegium borgen, korrekt."

    Chaera schnaubte. "Ich hab doch gesagt Soranus ist ein Idiot."

    "Aber irgendwas ist aus dem Ruder gelaufen, ja?" fragte Marcus, wider Willen fasziniert von der Intrige und der Cleverness dieser Unterweltler.


    "Mhm." antwortete Andro. "Den Zedern war natürlich klar, dass Soranus das Geld nicht zurück zahlen konnte. Sie hätten ihn dazu gebracht, das Landgut für eine Pflaume und ein Ei an einen ihrer Strohleute zu verkaufen. Es ist selbst für die Kollegien nicht alltäglich, Landbesitz in die Finger zu bekommen und es wäre ein gutes Geschäft für sie gewesen. Aber statt sich weiter wie eine Kuh die Weide runter treiben zu lassen, tat Soranus etwas... außergewöhnliches."

    Ein paar Momente später standen die beiden auch schon vor Marcus. "Willkommen an diesem schönen Abend. Senator." Andro bekam zur Begrüßung immerhin ein Nicken ab.

    Senator Chaera winkte Andro mit einer unwirschen Geste in die Schatten des Atriums hinter ihnen, damit sich Marcus und er ungestört unterhalten konnten. Augenscheinlich wurde der Kriminelle erst später gebraucht.


    "Ich gestehe, keine Gesellschaft mehr erwartet zu haben.", sagte Marcus. Diese gewisse aalglatt höfliche und gleichzeitig ausdruckslose Ausdrucksweise, die ihm der Senator beigebracht hatte, beherrschte Marcus mittlerweile ganz ordentlich, fand er. Doch natürlich hatte sein Lehrmeister trotzdem etwas auszusetzen.

    "Mhm. Du solltest immer so viel erwarten, wie es dein Vorstellungsvermögen zulässt. Selbiges ist trotz gelegentlicher und nervtötender Begriffsstutzigkeit durchaus in ausreichender Menge vorhanden. Und dass auch zu unmöglichen Zeiten jemand vor deiner aufgebrezelten Hütte hier steht, solltest du immer und ständig erwarten."

    "Natürlich Senator."

    "Wenn eitles Begrüßungsgeplauder notwendig ist, nutze am besten Worte, die deinem Gegenüber nicht signalisieren, dass er dich überrumpelt hat. Lüge lieber ein bisschen rum und behaupte, du würdest dich freuen, deine Besucher zu sehen, mhm?"

    Marcus nickte.

    "Gut. Ähm ja. Ich musste diese Ratte" Chaera ruckte mit dem Kopf in Richtung Atrium und Andro "heute Abend leider mitschleppen. Es geht leider um eine arg delikate und brenzlige Angelegenheit und ich warne dich schon mal vor: Du wirst es unangenehm finden. Mehr als unangenehm. Aber wenn ich dir einen Rat geben darf: Zeige das vor der Ratte nicht."

    Marcus nickte erneut. "Danke Senator."


    Dieser bedeutete Munos den Suburakriminellen, der sich im Atrium die Ahnenmasken der Tiberier angesehen hatte (und wahrscheinlich ihren Schwarzmarktwert abschätze) wieder herbei zu pfeifen.

    "Lange nicht gesehen, Herr Marcus Tiberius." Andro war offenbar in aufgeräumter Stimmung. Aber nicht angetrunken. Was immer hier los war, es war dem Saufkopf wohl so wichtig, dass er klaren Kopfes bleiben wollte. "Ich hoffe der ehrenwerte Senator hat nicht alles ausgeplaudert, ja?"

    Der Senator schnaubte. "Nachdem du mir eindringlichst gesagt hast, es wäre absolut notwendig, dass du die Lage erklärst... Und wer wäre ich, den Anordnungen des großen Andro zuwider zu handeln."

    Andro war zufrieden. "Der Senator und ich sind durch gegenseitige Gefallen und gemeinsame Interessen miteinander verbunden, Herr. Man könnte sagen, wir sind ein eingespieltes Duo."

    Auf dem Gesicht des Senators zeigte sich keine Regung.

    "Und das", fuhr Andro fort, "ist auch gut so. Denn es gibt Arbeit, meine erlauchten Herren."

    Schon allein davon, wie Andro das Wort "Arbeit" aussprach, wurde Marcus übel. Aber er hielt sich an die Lektion seines Mentors und widerstand sowohl dem Drang eine Grimasse zu verziehen oder nachzufragen.

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    An einem arg warmen Sommerabend standen sie vor der Tür. "Herr?" Munos traf Marcus eine der letzten Orchideen betrachtend im Garten. "Der Senator Chaera und Andro wünschen dem Herrn ihre Aufwartung zu machen." Die überdrehte Formulierung konnte natürlich über den noch um ein Vielfaches absonderlicheren Inhalt dieses Satzes hinweg täuschen.

    "Der Senator und Andro."

    "In der Tat, Herr. Die beiden kamen zusammen. Andro spielt zu diesem Zweck wohl den Diener des Senators." Das dünne Grinsen des Maiordomus verriet, dass ihn eine so krude Deckung natürlich niemals täuschen würde, aber das war auch nicht der Punkt.

    Andro der Suburakriminelle hatte ihn weitgehend in Ruhe gelassen und Marcus hatte das dumpfe Gefühl, dass ihm nun die Rechnung für diesen Frieden präsentiert werden würde. Dass er im Schlepptau eines leibhaftigen Senators aufkreuzte, war mehr als aussagekräftig... und gab trotzdem Rätsel auf. Nun, es gab nur einen Weg dies heraus zu finden.

    "Mhm. Dann bitte die Herren doch herein, sei so gut."

    "Natürlich, Herr"
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    Chaeras Lektionen schritten voran. Nicht so zügig, wie es sich der Senator erhoffte natürlich. Doch unter reichlichem Gezeter und sarkastischen Bemerkungen über verweichlichte Patriziersöhnchen und "dich würden sie mit viel gutem Willen bei der Marine nehmen. Die sind auch alle so unkoordiniert mit dem Schild. Weiß gar nicht woher das kommt." machte Marcus trotzdem gesunde Fortschritte.


    Er ahnte aber da noch nicht, dass die wahre Prüfung noch bevor stand und sehr bald über ihn herein brechen würde. Schneller und plötzlicher, als ihm lieb sein konnte.

    Eine gute Idee, aber ich hab da schon jemand gefunden."

    Der Name Matinius Agrippa leutete natürlich eine Glocke. Wer kannte den nicht.

    Aber Respekt, dass du bei Agrippa untergekommen bist. Der wird dir sicher ordentlich zeigen wie es funktioniert. Und was hast du bisher so gemacht? In Caesarea oder wo du sagtest, dass du her kommst. Entschuldige, ich hab vergessen.

    "Zur Rechten oder Linken des Kaisers, soso. Willst du ihn heiraten?" witzelte Marcus. Jedenfalls kam ihm das große Ziel Senat natürlich nicht übertrieben vor. So eine öffentliche Karriere war in seinen Augen gleichsam obligat mitgedacht.

    "Aber das mit dem Senat klingt doch nach einem Plan. Naja, würde mich nicht stören, wenn es mich da auch hin verschläge. Schon Tirocinium fori gemacht?"

    Marcus bestellte sich einen ordentlichen Becher. In der Zwischenzeit wandte er sich wieder an Nero.

    "Keine Ahnung, ob der gut ist. Aber egal. Was hast du noch so vor in diesem Städtchen, wenn du also dein Glück machen willst?"

    Mit Aemilius tauchte Marcus schliesslich in der stadtbekannten Taberna auf.


    "Ich hab mir sagen lassen, mein Freund und Kollege, hier gäbe es ordentliche Sachen zu trinken."


    Er wedelte unbestimmt mit der Hand.


    "Lass Mal da hinten hinsetzen, was meinst du?."

    Quintus Geminus Chaeras Konditionen waren in der Tat akzeptabel gewesen und schon am nächsten Tag stand der Senator auf der Matte. Er hatte sich ausbedungen, dass das Tirocinium in der Villa Tiberia stattfinden sollte. Ein ungewöhnliches Arrangement, aber Chaera hatte behauptet, dass euer alter Kasten hier in jeder Hinsicht besser geeignet wäre als seine Hütte auf dem Aventin. Inwiefern das stimmte, oder ob der Senator einfach nur Fremde davon abhalten wollte zu intensiv in seiner Privatsphäre herum zu schnüffeln, wusste Marcus nicht und es ging ihn auch nichts an. In seiner heimischen Umgebung zu üben war ihm sowieso lieber.


    So war Chaera also in die Villa marschiert. Alles an dem Mann war furchterregend. Groß wie ein Schrank mit trotz offenbar fortgeschrittenen Alters schneidig kurzen schwarzen Haare stand er im Atrium und musterte Marcus mit unangenehm hellgrünen Augen. Die Förmlichkeiten der Begrüßung waren zügig abgehandelt.

    "Dann wollen wir mal. Zum Hortus geht's hier lang?" "Richtig, Senator. Wenn du mir folgen willst?"

    Hier angekommen gab Chaera auch Antwort auf Marcus Frage, was sie denn im Hortus wollten. "Draußen lernt man am besten. Das ist so. Keine Ahnung warum. Außerdem können wir hier besser mit dem Schwert und so weiter üben. Du scheinst ja einigermaßen stabil auf den Beinen zu stehen?" Eine rhetorische Frage, denn der Senator fuhr fort. "Oh ja Schwert, Schild und der verdammte Schreibgriffel. Das sind die Dinge, die das Reich zusammen halten. Du sagtest, du wärst in Alexandria aufgewachsen?"

    "Ja, Senator."

    "Mhm. Sinnvoll würde ich meinen, nach allem was mit deinem Vater passiert ist. Aber das bedeutet auch, dass du eine halbwegs anständige Erziehung genossen hast und wir nicht mit dem halten eines Schreibgriffels anfangen müssen, ja?"

    "Ja, Senator."
    "Ja, SeNAtOr. Na Spaß, alles gut. Kurze Antworten auf den Punkt. Guter Anfang. Für quasselnde Cretins hab ich nichts übrig. Äh ja. In die feine römische Gesellschaft kann ich dich nicht so richtig einführen, fürchte ich. Dazu bin ich zu neureich und zu klobig in meinen werten Umgangsformen aber das wird dein glitzernder Familienname schon richten."

    "Das tut er allerdings. Er führt mich anscheinend auch in weniger als feine Gesellschaft ein. Und damit meine ich natürlich nicht dich, Senator." antwortete Marcus mit einem sarkastischen Grinsen.

    "HA!" das Lachen des Senators klang wie ein kräftiger Schlag auf einen Blecheimer. "Das glaub ich dir, mein lieber. Apropos, Falls du das noch nicht getan hast: Du tätest gut daran, ein paar, sagen wir mal, Künste einzuüben, die ich dir nicht beibringen kann und die zwar höchst nützlich für Leute im öffentlichen Leben sind, aber höchst skandalös sind. Der gute Munos ist da dein Mann. Hinter seinem öligen Grinsen stecken Abgründe, du würdest es nicht glauben."

    Marcus konnte sich das sehr gut vorstellen, nickte aber lediglich unverbindlich.

    "Gut. Wenn du das verstanden hast, können wir ja loslegen. Ich sehe, du hast dich meinetwegen nicht in Staatsrobe geworfen. Prima, dann können wir ordntlich üben. Beginnen wir bei den Fundamenten und schauen mal was du weißst. Erkläre mir doch mal den Staatsaufbau und die Ämterlaufbahn unseres Gemeinwesen. Und währenddessen gib mir hundert Liegestütze. Los geht's"

    Das klang in der Tat, als ob sie einiges gemeinsam hätten.


    "Tja, kein besserer Ort, um sein Glück zu machen, als dieses Städtchen hier, nicht wahr?" Er ließ den Blick noch einmal über das Dekor schweifen. "Mhm, was hälst du davon, wenn wir erstmal ordentlich einen trinken gehen um unsere Erhebung zu den Augustales zu feiern?"

    "Aemilius, hm? Freut mich dich kennen zu lernen. Marcus Tiberius Durus." Er schüttelte lächelnd die angebotene Hand. Die Aemilier waren wahrscheinlich noch ein bisschen illusterer, als die Tiberier. Wie viele Konsuln hatten die nochmal hervorgebracht? Einen ganzen Haufen, sicherlich.

    "Und ja, heute war auch meine Aufnahme bei den Augustales. Der Magister scheint ein effizienter Mann zu sein. Jedenfalls mit effektiver Terminplanung. Zwei Rekruten an einem Tag. Glückwunsch dir jedenfalls."

    Das nahm Marcus aus dem ebenfalls in Aemilius Antwort. Er wandte sich der reich verzierten Decke zu.

    "Tja, ich sehe das hier drin auch zum ersten Mal. Falls mein Akzent es noch nicht verraten hat, ich war praktisch mein ganzes Leben in Alexandria."

    "Wenn du meinen Rat hören willst, Herr: Ich würde diesen ehrenwerten Herrn zu Rate ziehen." Marcus' Hausverwalter Munos deutete auf einen der Namen, die er seinem Herrn als mögliche Lehrer aufgeschrieben hatte. Marcus hob die Schultern. Die meisten dieser Namen sagten ihm nicht besonders viel. Alles gute ehemalige Parteigänger seines Vaters, hatte Munos ihm versichert. "Quintus Geminus Chaera, ja?" Er sprach den Namen Schära aus. "Äh Kaira, Herr. Der Senator besteht auf dieser Aussprache. Er meint Schära klinge, als wenn er gerade den Fluten des Nordmeers entsprungen sei." Der Hausverwalter machte eine lässige Geste, die wohl zum Ausdruck bringen sollte, dass nach seiner Ansicht genau dies der Fall sein könnte. "Soso. Und was genau zeichnet diesen Chaera," er betonte den harten K-Laut überdeutlich, "gegenüber den anderen Kandidaten so besonders aus?" Munos lächelte sein spitzes Lächeln. "Oh, bei diesem Senator würdest du wahrscheinlich mit der, sagen wir, komplettesten Ausbildung gesegnet. Einer, die sozusagen... abgerundet ist und dich für alle Eventualitäten gewappnet sieht." "Aha?"

    "Oh ja. Der Senator versteht sich nicht nur auf die Kunst des Rechts und des Staates. Also Politik, Intrige, Lächeln und Erpressung, sondern hat sich auch in diversen Feldaktionen in Niedergermania ausgezeichnet. Nordmeer wie ich sagte. Schwert und Schild, Speer und Dolch, Herr. Chaera ist bei Weitem der kompetensteste Mann. Und der vertrauenswürdigste, seit ihn der große Verus einmal aus einer üblen Sache diskret heraus geholfen hat. Es scheint, selbst die Helden des Schwertes und des Wurfspeers bringen sich gelegentlich in Schwierigkeiten. Aber der Mann ist absolut verlässlich." endete Munos mit einem gönnerhaften Grinsen.

    Marcus war durchaus überzeugt. Von Politik hatte er nicht allzu viel Ahnung und mit einem Schwert konnte er auch nicht vernünftig umgehen. Fit war er allerdings. Auf sowas hatten nicht nur seine Erzieher in Alexandria Wert gelegt. Sportliche Leistungsfähigkeit war dort geradezu eine Obsession. Ein Erbe der ungezählten Stunden, die sie und ihre Vorfahren in den Gymnasia auf und ab der Ostmittelmeerküste mit Rennen, Werfen und Ringen zugebracht hatten. Anstrengungen sah Marcus also gelassen entgegen.

    "Nun, dann wollen wir es doch mit diesem Schära versuchen, nicht wahr? Sei so gut, Munos und eruiere seine Konditionen." "Wie du wünschst, Herr."

    Nachdem sein eigenes Vorstellungsgespräch beendet gewesen war, schlenderte Marcus aus dem Officium und sah sich noch ein bisschen um. Er war noch nie zuvor im Ulpianum gewesen und nachdem sein eigentliches Anliegen bei den Augustales abgehakt war, konnte er das Bauwerk in seiner ganzen Grandiosität auf sich wirken lassen. Marmor. Säulen. Das ganze Programm. Eine pompöse Selbstbehauptung der ganzen Glorie der Kaiser und der verdienten Bürger, die es hier her geschafft hatten. Sie waren zu beneiden. Und wahrscheinlich war dies auch genau der Zweck dieses Gebäudes: Ein Ansporn für alle zu sein, die hier eintraten.

    Etwas abseits erblickte er den anderen, der sich auch in der Nähe des Hauptquartiers der Augustales herum gedrückt hatte und schlenderte auf ihn zu.

    "Kaum zu glauben, dass hier vorher einfach ein paar Lagerhäuser gestanden haben, nicht wahr?"

    Die versprochene Anzahlung war tatsächlich einige Zeit später eingetroffen. Ein nettes Sümmchen mit dem sich Marcus selbst und das Haus über Wasser halten konnte. Danach hatte er allerdings nichts mehr von Andro und seinen Machenschaften gehört. Schon war Marcus hin und hergerissen zwischen Erleichterung dieser zwielichtigen Gestalt entronnen zu sein und Enttäuschung darüber, dass die plötzlich auftauchende Einnahmequelle vielleicht schon wieder versiegt sein könnte. Doch Munos schleppte eines Tages doch wieder eine Nachricht des Unterweltsekretärs herein, in der er dem Tiberier seiner Existenz versicherte, aber behauptete, das im Moment sowieso alles wie geschmiert laufe und patrizische Rückendeckung im Moment nicht von Nöten war. Er würde wieder auf Marcus zurück kommen.


    Nun denn. Das gab Marcus Zeit, sich seiner Karriere zu widmen. Den ersten Schritt bei den Augustales hatte er ja gemacht. Das war alles sehr reibungslos gelaufen und Marcus kam der Gedanke, dass er als Mann seiner Klasse wahrscheinlich an vielen Türen nur sachte klopfen musste und schon würden diese sperrangelweit aufgerissen.

    Das war in Alexandria nicht wirklich so gewesen, oder hatte sich jedenfalls nicht so angefühlt. Die hellenisch-ägyptische Oberklasse dort hatte ihre eigenen Vorstellungen von Aristokratie, die sich in eine jahrtausende alte Tradition stellte und sich wahlweise auf Alexander oder die Pharaonen bezog. Die Römer blieben da schlicht ein unmöglicher Haufen neureicher Emporkömmlinge deren Stadt eben noch ein italisches Bauernkaff am äußersten Rand der relevanten Welt gewesen war. Wenn man die große Bahnen der Geschichte betrachtete jedenfalls. Und niemand war in dieser Disziplin besser als die nichtrömische Oberklasse Ägyptens.


    Bevor Marcus allerdings richtig loslegen konnte, sich einen Namen zu machen, gab es noch ein paar Dinge zu erledigen. Dazu gehörte diese spezielle römische Form der Ausbildung in den Dingen des Gemeinwesens, mit der man gleichsam sein Debut auf der urbanen Bühne zu machen hatte. Tirocinium fori. Normalerweise hätten die Beziehungen seines Vaters und seiner Familie da ohne weiteres eine Lösung präsentieren können. Allerdings war beides nicht vorhanden und so beauftragte er Munos damit eine Liste mit tauglichen Lehrern zusammen zu stellen. Es gab keine Zeit zu verlieren.

    Marcus war höchst zufrieden. Keine Bürokratie und kein Getue. Der Magister hatte ihn kurz gemustert - im wharsten Sinne des Wortes - und dann seine Entscheidung getroffen. Ein Mann nach Marcus' Geschmack.


    "Ich danke dir, Magister. Außerordentlich, in der Tat. Du kannst dich auf mich und die meinen verlassen." Lächelnd nahm Marcus die dargebotene Hand. "Es wird mir eine große Ehre sein. Und, so kann ich denke ich sagen, eine große Freude." Formelle Worte, sicher. Aber in diesem Rahmen durchaus angemessen fand er. Was irgendwo anders hoffnungslos hölzern geklungen hätte, schien hier im ehrwürdigen Ulpianum gerade recht zu sein.

    Cossus Casperius Megellus war es sich gewohnt, dass insbesondere junge Patrizier sich um einen Platz in den Augustales bewarben. Es war zwar längst nicht mehr ganz so oft der Fall wie früher, aber besonders die junge Patrizier mussten sich halt im Cultus Deorum aktiv und sichtbar zeigen, wenn sie den Cursus Honorum beschreiten wollten. Für einen Plebejer wurde dies erst mit der Aufnahme im Senat zur Pflicht. Demnach war es normal, dass die Kultvereine und somit eben auch die Augustales, mehr Zulauf erhielten aus den Reihen der jungen Patrizier.


    Salve Marce Tiberi Dure, es freut MICH, dass du dich für den Dienst bei den Augustales interessierst. Ich gehe davon aus, dass du dich über unseren Aktivitätenbereich informiert hast? Wo bist du denn aufgewachsen, wenn du sagst, das sei nicht in Rom gewesen und was bringt dich denn nun zurück nach Rom?


    Das waren nun keine speziellen Fragen, aber dennoch wichtig um die notwendigen Abklärungen nach diesem Gespräch treffen zu können.


    Sim-Off:

    So, kann weiter gehen


    Eigentlich war Marcus ganz dankbar, dass dem Magister das eher unrühmliche Schicksal seines Vaters entweder entfallen oder entgangen war. Nun, umso besser.


    "In Alexandria, Magister. Sie nennen sich dort gerne die zweite Stadt des Imperiums und tatsächlich ist es ein hervorragender Ort, um aufzuwachsen und zu lernen. Aber Roma aetaerna, nicht wahr? Tatsächlich ist es Zeit für mich, die nicht ganz entspannte Lage meiner Familie ein bisschen an den Zügeln zu nehmen. Das ist allerdings nicht alles, selbstredend.

    Man versteht es nicht, wenn man nicht hier ist und ich habe es verstanden, seit ich hier bin. Ich glaube es ist Zeit für mich zu den Wurzeln zurück zu kehren und das bedeutet für Tiberii Dienst am Gemeinwesen, am Kaiserhaus und Dienst im Cultus Deorum. Und wo könnte man diese Dinge eleganter verbinden, als bei den ehrenwerten Augustales?"


    Eine rhetorische Frage natürlich. Megellus hatte zweifellos dieselbe Meinung.