Beiträge von Faustus Iunius Crassus

    Oh gut, dachte Crassus. Wenigstens war er nicht der einzige der hier fremd war. Schnell drehte er sich um, nahm sich seine Kleidung und streifte sie, so schnell er konnte, über. In Gedanken bei seinem Traum, zog er noch seine Sandalen an und war bereit sich auf den Weg zu machen. Er folgte Stilo zur Taberna.

    Die Quarta hora? Crassus dachte, noch leicht schlaftrunken, nach ob dies bedeutete dass er wirklich zu lang in seinem Bett gelegen hatte. Crassus rieb sich die Augen und konzentrierte sich. Die Zeit hätte nicht besser sein können. Genau der richtige Moment um in die Taberna zu gehen.


    Erneut rieb sich Crassus die Augen und sprach dann:


    „Oh gut. Ich hatte befürchtet, Somnus wäre so gut zu mir gewesen, dass der Schlaf den er mir brachte weit über die Nacht hinaus gereicht hätte. Schön zu hören, dass ich noch die Möglichkeit habe die Nacht in Mogontiacum zu erleben. Falls dieser Ort eine Taberna hat, würde ich dich einladen wenn du mich hinführst?“


    Ein etwas unbeholfenes Lächeln ging Crassus über die Lippen. Hoffentlich wirkte er wirklich nicht zu forsch. Es war normalerweise nicht seine Art sich aufzudrängen, doch er wollte wirklich nicht erneut zu bette gehen. Sicher würde Somnus ihm wieder den Süßen schlaf bringen doch seine Kinder die Somnia würden ebenfalls ihm wieder die Aufwartung machen. Noch einen Traum würde er heute Nacht einfach nicht ertragen. Außerdem war die Gelegenheit günstig, Stilo ein wenig besser kennen zu lernen.

    Ein Lächeln, ein Krug voll Wein. In den Ohren von Crassus hallen die Worte seines Freundes nach: „ Jetzt komm schon. Ein paar Sesterzen mehr oder weniger schaden nicht. Die Wette ist sicher. Das Pferd soll wie Mercure rennen. Der Sieg ist hier uns gewiss.“ Plötzlich wird es dunkel und es folgt ein dumpfer Schlag …


    Schnell reißt Crassus die Augen auf. Sein Herz schlägt so schnell, dass er kaum seinen Impuls zurückhalten kann, aus dem Bett aufzuspringen und im Zimmer auf und ab zu gehen. Die Schatten der Vergangenheit verfolgen ihn wohl doch um das halbe Imperium. Die ganze Reise über hatte er schon diese Träume. Da klopft es an der Tür.


    Wie lange hatte er geschlafen? Wer mochte das sein? War es seine Vergangenheit, die an die Tür klopfte? Nein, sicher nicht. Er hatte das hinter sich gelassen. Tief atmete er aus und ein und dann ging er zur Tür. Mit leicht zitternder Hand öffnete er die Tür und sah nun den jungen Stilo da stehen.


    Crassus war froh, dass es Stilo war. Auch wenn er nicht viel Gelegenheit gehabt hatte, seine Familie bei seiner Ankunft kennen zu lernen und obgleich die wenigen Eindrücke von jedem mehr als positiv gewesen waren, so musste er doch zugeben dass der Stilo seine Neugier geweckt hatte.


    Irgendwie hatte er das Gefühl, Stilo könnte ihn verstehen. Es fühlte sich so vertraut an, als ob sie schon immer Familie gewesen wären. Nicht die Sorte von Familie, die man ab und zu besucht, den schlechten Wein trinkt, um nicht unhöflich zu sein und erleichtert ist, wenn man zur Tür hinaus ist. Nein, eher wie ein Bruder. Ein Bruder im Geiste wenn man so will.


    Crassus war sich nicht sicher wie spät es war, also sprach er:


    „Salve Stilo. Vergebt mir wenn ich noch etwas verschlafen wirke. Könnt ihr mir vielleicht sagen wie spät es ist?“


    Hoffentlich war es schon spät genug, um Stilo zu bitten mir die Taberna dieses Ortes zu zeigen.

    Als Crassus in dem Zimmer angekommen war, dass fortan seins sein sollte fühlte sich alles immer noch sehr unwirklich an. Er wieder hier an diesem Ort. An dem Ort, an dem er eigentlich nicht mehr zurückkehren wollte und doch stand er jetzt hier. Umgeben von Menschen, die seine Familie waren. Obwohl sie ihm fremd waren und er ihnen fremd war, hatten sie ihn dennoch mit offenen Armen aufgenommen.


    Langsam legte sich Crassus in das Bett. Je mehr er darüber nachdachte desto mehr war er davon überzeugt, dass es hier doch nicht so schlimm sein konnte. Irgendwie freute er sich sogar darauf diesen Ort neu kennenzulernen und auch seine Familie besser kennenzulernen.


    Lange konnte er allerdings nicht mehr darüber nachdenken da die Müdigkeit ihn schnell davon trug. Die Reise hier her war sehr lang gewesen doch Crassus Weg hatte gerade erst begonnen.

    Eine gute Suppe? Nahrhaft war sie gewiss, doch Crassus war sich nicht sicher, was er sonst von der Suppe halten sollte. Ausschweifungen müsste man wirklich nicht fürchten. Doch bei diesen Worten merkte Crassus, dass der Mann Sinn für Humor hatte.


    Jemand der Sinn für Humor hat, kann wahrlich kein furchteinflößendes Wesen besitzen. Er blickte den Mann an und sagte:


    „Vielen Dank für die nahrhafte Suppe.“


    Dabei lächelte er so freundlich er nur konnte. Erst jetzt wo er etwas gegessen hatte merkte er das er von der Reise noch sehr erschöpft war. Vielleicht wäre es besser gewesen sich noch ein wenig auszuruhen bevor er Moganiacum erkunden würde. Er wandte seinen Blick zu den anderen am Tisch und sagte:


    „Vergebt mir wenn ich unhöflich bin aber ich fürchte ich bin noch sehr ausgelaugt von der Reise. Könnte ich mich ein wenig zurück ziehen und zum Abendessen wieder zu euch stoßen?“

    Die Worte die Crassus gesprochen hatte, schienen wirklich sein Verhalten ausreichend zu erklären. Jetzt merkte Crassus wie er sich noch ein klein wenig mehr entspannte und tiefer in den Stuhl sackte.


    Als Stilo ihn nun fragte, wo er her gekommen war, dachte er kurz nach. Wo war er bloß hergekommen? Nun den Großteil seines Lebens hatte er gewiss in Rom verbracht doch auch Mantua und Ostia waren ihm gut bekannt. Vater war schließlich viel herum gekommen. Überall wo es Pferde gab, die ein Rennen bestritten, dort war Vater zuhause gewesen.


    Nun ein gutes hattes gewiss. Crassus konnte ein Pferd, allein mit einem einzigen Blick, recht gut einschätzen. Zumindest in der Hinsicht, ob er sich drauf setzen sollte oder eher nicht.


    Crassus blickte zu Stilo und sagte:


    „Nun, ich bin ebenfalls aus Rom hergereist. Allerdings bin ich in der Ecke auch gut herum gekommen. Schade das wir uns nicht auf dem Weg hier über den weg gelaufen sind. Gesellschaft hätte die beschwerliche reise sicher etwas erfreulicher gestaltet.“


    Er lächelte Stilo bei diesen Worten zu. Andererseits hatte er so mit seinen Gedanken alleine sein können. Das hatte durchaus auch etwas heilendes für ihn.


    Als nun der Mann der ihn herein geführt hatte doch Wein und etwas von der streng riechenden Suppe ihm hinstellte wusste er nicht genau was er tun sollte. Es wäre gewiss unhöflich gewesen, alles stehen zu lassen. Vor allem aber wollte er dem Wein mehr entsagen. Was also tun? Er nickte dankend dem Mann zu und versuchte sich seinem inneren Konflikt nicht anmerken zu lassen.


    Zögernd nahm er den Löffel und probierte die Suppe. Der Geschmack war deutlich besser als der Duft den es verströmte. Dennoch konnte Crassus der Suppe nicht viel abgewinnen. Was war das bloß? Höfflich aß er den Klecks den er bekommen hatte mit dem Fleischstück auf und nahm dann einen kräftigen Schluck von dem Wein.


    Während er trank, merkte er wie ihn Matidia musterte. Crassus war weder begabt im Umgang mit dem schönen Geschlecht, noch konnte er recht gut damit umgehen wenn ihn eine Frau musterte. Er wurde immer recht verlegen und die Worte stockten ihm. Da man sich hier noch öfter sehen würde versuchte Crassus nicht zu erröten und lächelte freundlich Matidia zu.


    Als Scato nun fragte, ob er länger bleiben würde, musste er kurz schlucken. Er würde eine Weile hier bleiben, doch wie lange? Langsam ließ er seinen Blick zu allen die hier in der Runde saßen wandern und dachte sich das es wahrscheinlich hier dennoch recht schön werden könnte also antwortete er Scato:


    „Wenn es nicht zu viele Umstände macht, würde ich gern eine Weile hier bleiben.“


    Was er mit seinem Leben hier anfangen würde das müsste die Zeit noch zeigen. Eines war jedoch klar. Dieses mal wollte er sein leben nicht in eine Sackgasse lenken.

    Leicht zögernd folgt Crassus dem Mann durch die Porta ins Haus. Der Mann führte Crassus in einen Raum, in dem drei Männer und eine Frau an einem Tisch saßen. Der Duft, der von dem ausging was sie da aßen, war etwas merkwürdig.


    Alle blickten auf und sahen Crassus an. Der Duft, der in der Luft lag und die Blicke, die ihn betrachteten, reichten aus, dass ihm das Herz wieder schneller schlug. Sein Blut pochte richtig und er fühlte sich fast wie in einer Arena mit wilden Tieren, die jederzeit über ihn herfallen konnten.


    Doch nichts wäre der Realität ferner gewesen. Keiner der Menschen im Raum hatte auch nur etwas argwöhnisches in seinem Blick. Ganz im Gegenteil sogar. Alle begrüßten ihn höflich, man bot ihm Wein an.


    Einem Fremden wurde mitten am helllichten Tag Wein angeboten. Unter anderen Umständen hätte sich Crassus sofort an den Tisch gesetzt, der Tageszeit wenig Wichtigkeit beigemessen und dem Wein seinen verdienten Platz eingeräumt. Doch zum einen war Crassus zu nervös, um etwas anzunehmen , zum anderen wollte er genau diese Gewohnheiten hinter sich lassen.


    Als sich Scato dann vorstellte und ihm ebenfalls Essen und Wein anbot, lockerte sich die Anspannung etwas in ihm. Vielleicht hatte er sich im Vorfeld zu viele Gedanken gemacht? Er neigte ja dazu ein wenig zu verkopft zu sein. Er sollte nun auf keinen Fall unhöflich wirken.


    Langsam sortierte er sich nochmal und setzte dann zu etwas Höflichkeit an, indem er sagte:


    „Salve, vielen Dank für das Angebot. Ich setze mich gern zu euch, doch zu Essen brauche ich nichts. Nach der langen Reise brauche ich noch etwas Zeit, bevor mein Appetit zurückkehrt.“


    Er setzte sich auf den nächsten Stuhl, der frei war. Hoffentlich wirkte er nicht sonderbar. Wenn er die Situation als Außenstehender betrachtet hätte, so hätte er sich selbst für äußerst sonderbar gehalten. Ein Fremder, der aus dem Nichts auftaucht und sich dann einfach in die Mitte seiner Verwandten setzt, so als ob es das natürlichste der Welt wäre. Er konnte es sich selbst nicht erklären, doch jetzt wo er hier saß, kam in ihm tatsächlich ein warmes Gefühl auf.


    Nachdem sein Herz sich beruhigt hatte und sein Verstand wieder klarer wurde, versuchte er sich zu erklären und sagte:


    „Vergebt mir bitte mein überraschendes Erscheinen, doch meine Abreise war etwas - überhastet. Ich war so aufgeregt die Reise anzutreten, dass ich es versäumt habe mich schriftlich anzukündigen. Mein Vater Gaius Iunius Tiro hatte mich einst als kleinen Jungen hergebracht und diesen Ort wieder zu besuchen, hatte gewiss meine Aufregung nur noch weiter angetrieben.“


    Das war so zwar nur teilweise wahr, doch es musste für den Moment reichen. Würde Crassus die ganze Wahrheit preisgeben, könnten seine Verwandten das falsch verstehen und gar glauben er hätte Schwierigkeiten mit den Liktoren gehabt. Dies war natürlich nicht so, doch wie sollten sie nicht an seinem Charakter zweifeln, da sie ihm im Grunde noch nicht kannten. Sei es drum, er würde ihnen mit der Zeit die ganze Wahrheit erzählen und hoffen, dass ihnen bis dahin diese Halbwahrheit reichen würde.

    Als Crassus den ungnädigen Blick der Person auf der anderen Seite des Tores sah, erschauderte er. Alle seine Befürchtungen waren wahr geworden. Wahrscheinlich wohnte seine Familie gar nicht mehr hier.


    Nun gut, er war ja schon mal hier und jetzt umdrehen und wegrennen wäre gewiss keine zivilisierte Reaktion gewesen. Auch wenn alles in ihm genau das wollte. Er schluckte und fing dann an:


    „Salve, ich bin Faustus Iunius Crassus. Ich wünsche Einlass und würde gern mit meiner Familie sprechen.“


    Er hätte ja gern ersucht mit einer bestimmten Person zu sprechen, doch er war so nervös, dass ihm nicht ein Name einfallen wollte.


    Mit so einem Torwächter hätte Gewiss auch Pluto das Infernum sicher wissen können. Auch wenn dieser Mann keine drei Köpfe wie der Kerberos hatte, so war er doch genau so furchteinflößend. Zumindest für Crassus. Diese steinerne Miene, dieser Blick der einem in die Knochen fährt.


    Noch einmal schluckte er und hoffte das ihm sein Gegenüber bald etwas erwidern würde.

    Das Licht war die Tage selten gewesen doch ausgerechnet jetzt wo er ein wenig Schlaf finden konnte blendete das flüchtige Sonnenlicht Crassus. Langsam öffnet er seine Augen und richtet sich etwas benommen auf. Die Kutsche bahnte sich immer noch unermüdlich ihren Weg durch die grüne Einöde. Crassus würde sich nicht so schnell an diesen Anblick gewöhnen können.


    Wenn man fast sein ganzes leben in Rom verbracht hatte war die Rückkehr an diesen Ort wie ein Schlag in die Magengrube. Natürlich war das Land auf seine Art und Weise schön und das Anwesen das Crassus Familie hier hatte war mehr als komfortabel doch egal wie sehr Crassus sich anstrengte er konnte Rom einfach noch nicht los lassen.


    Dennoch musste er es einfach. Das Leben in Rom war in einer Sackgasse gemündet. Die Menschen mit denen er sich Umgab hatten gelinde gesprochen seinen Geist begonnen zu vergiften. Es hätte nicht viel gefehlt und wäre von seinem Pfad abgekommen. Der einzige Weg den er sah zu sich selbst zurück zu finden war die Rückkehr in die Heimat.


    Doch konnte er sie wirklich noch seine Heimat nennen? Er war so lange von hier weg gewesen das er nicht einmal wusste ob seine Familie hier noch lebte. Wie würde man ihn wohl empfangen?


    Als die Kutsche den kleinen Weg erreichte der zum Landgut führte rief Crassus dem Kutscher zu anzuhalten. Er stieg aus nahm seinen Sack mit dem wenigen hab und gut das er hatte und drückte dem Kutscher ein paar Sesterzen in die Hand.


    Dieser Bedankte sich und zog mit der Kutsche von dannen. Crassus wandte seinen Blick wieder auf den Pfad. Da war er also. Am Anfang eines Weges den er nie geglaubt hätte je wieder beschreiten zu werden. In seinem Kopf herrschte wie immer rege Unruhe doch nach einem kurzen Moment des Zögerns setzte er sich in Bewegung. Seine Mutter hatte immer gesagt:


    „Lass einen Schritt den nächsten folgen Crassus. Denke nicht über den Weg nach der noch vor dir liegt sonst wird dein Ziel in die ferne Rücken.“


    Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte er nun das Hölzerne Tor. Er hob die Hand und wollte gerade Klopfen als er erneut zögerte. Sein Herz schlug so stark das es ihm die Kehle zuschnürte. Was tue ich hier nur schoss es ihm erneut durch den Kopf. Wahrscheinlich werden sie mich nicht einmal einlassen.


    Er atmete einmal tief aus und klopfte fest an das Tor.