Es hätte ihm eigentlich sofort auffallen müssen. Doch diese Stimmung hatte ihn abgelenkt. Abgelenkt gleich von Satz eins der Ausgabe. das Symptom hatte ihn von der Ursache fern gehalten. Es traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube ...
.... "Der Kaiser ist tot", .......
Julian ist tot? Stürzt denn die ganze Welt ein?
.... so tönt es in diesen Tagen durch alle Provinzen, durch alle Städte, durch alle Straßen und Gassen. Die meisten Truppen sind bereits auf den vom Kaiser bestimmten Nachfolger, den ehrenwerten Caesar Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, eingeschworen worden. ....
Zumindest scheint die Nachfolge sicher. Valerian ist stark, als militärischer Führer etabliert. Aber in die römische Stadtpolitik hat ihn Julian nie auch nur annähernd genug eingeführt.
..... Die Mächtigen und Reichen, die Senatoren und Legaten, sie alle scheinen fest hinter dem Caesar zu stehen und ihn zu unterstützen. ....
Das steht zu hoffen, ja.
.... Zugleich sieht man allerorts dunkle Kleidung und traurige Gesichter, wohin das Auge auch blickt. Doch was denken die Menschen? Was denkt das Volk? Was fühlen sie, die Händler, Tagelöhner, die Magistraten und Soldaten, die Beamten, die Reichen und die Schönen? Wie sieht ihr Blick in die Zukunft aus? .....
Daher diese Grabesstimmung in der Stadt.
.... Die Acta Diurna hat einige von ihnen befragt.
Ein ehemaliger Gladiator gestand uns mit feuchten Augen: "Er gewährte mir das hölzerne Schwert. Das war der großartigste Augenblick in meinem Leben. Ich habe ihn wirklich gemocht. Den neuen kenne ich nicht. Ich hoffe, er ist so wie sein Vater."
"Oh, ist das nicht furchtbar? Unser guter Kaiser! Ich könnte Tag und Nacht weinen! Nein, vom neuen weiß ich nicht viel. Ist er nicht Soldat?", fragte eine alte blinde alte Frau, die vor ihrer Casa saß und fleißig feinste Wolle sponn.
"Ich habe es ja schon immer gesagt! Bürger Roms, habe ich gesagt, eines Tages wird der Kaiser sterben! Aber auf mich wollte ja keiner hören! Jetzt habts den Salat ... pah!" raunzte uns Gaius Secundus* an, ein Tagelöhner aus Rom. ....
Ein wahrer Prophet.
.... "Eine Katastrophe ist das, sag ich euch. Eine furchtbare Katastrophe! Der Caesar macht’s nicht mehr lange, der ist doch krank. .....
Eine zusätzliche Schwäche. Grade in dieser schweren Übergangszeit.
.... Jetzt schwören sie ihm alle brav die Treue, aber heimlich wetzen sie schon die Messer für den Tag, an dem er stirbt. Und dann haben wir hier Krieg. Krieg, sag ich euch! Und zwar mitten in EUREM atrium! Müsst nur gucken, wer in der nächsten Zeit mit wem dauernd zusammenhängt." war die Meinung eines ausgesprochen pessimistischen Fischhändlers hierzu. ....
Manch einer nennt den Mann einen Pessimisten, hoffentlich entpuppt er sich nicht als Realist.
.... "Der Iulianus war ein großartiger Mann! Wirklich großartig! Aber ich bin ja der Meinung: Der Valerianus, der wird noch viel großartiger sein! Was für ein Mann! Ich sah ihn einmal vor einigen Jahren. Da ritt er ganz nah an mir vorbei. Fast in Ohnmacht gefallen wäre ich!" Das hätte die schöne, edle Dame beinahe nachgeholt, doch das Schlimmste konnte gerade noch verhindert werden. ......
Weiber.
.... "Ist mir doch egal, wer da oben sitzt. Kannte den alten nicht, kenne den neuen nicht. Für uns bleibt ja doch alles gleich." Aus der Sicht eines Sklaven ist diese Äußerung sicherlich verständlich.
Ein Soldat erklärte uns: "Der ist wirklich in Ordnung, der Valerianus. Nur ob er so mit den Senatoren kann? Ich weiß ja nicht. Ich glaube, das hatte der Iulianus besser drauf." .....
Der musste das auch erst lernen. Und er musste sich seinen hron ja auch erstmal wiederholen.
.... Eine arg verklärte Dame mit wallendem Haar und stahlblauen Augen berichtete uns in einem sonderbaren Singsang: “Die Welt ist im Wandel. Ich spüre es im Wasser. Ich spüre es in der Erde. Ich rieche es in der Luft. Vieles, was einst war, ist verloren, da niemand mehr lebt der sich erinnert… “ Hier hat unser Reporter die Befragung abgebrochen und darauf geachtet, lediglich die gut besuchten und beleuchteten Straßen für den Heimweg zu nutzen.
Traurig sind sie, die Menschen. Über den Tod eines Mannes, der die Geschicke Roms mit weiser und auch fester Hand über viele Jahre hinweg lenkte. Ein Mann, der für Sicherheit und Ordnung sorgte und der jeden Römer wie sein eigenes Kind liebte.
Trauert, ihr Römer, gleich welchen Standes ihr auch angehören mögt.
Trauert, wie es unserem geliebten geschiedenen Kaiser Iulianus gebührt.
Und traure auch du, Rom, du ewige Stadt, ganz gleich, wie viele Kaiser du noch sehen magst. .....
Julian tot. Welch Jammer. Wie viele ulpische Kaiser würde er noch erleben? Er erinnerte sich noch gut, als Julian aus dem Schatten Trajans trat, dessen Tod er geschworen hatte zu rächen. Das ulpische Kaiserhaus wieder zu errichten. Zunächst hatten ihn die Republikaner beschwatzt, klein gemacht und versucht ihn vor ihren winzigen, geringen Karren zu spannen. Doch er hatte seine kaiserliche Natur nicht lange unterdrücken können. Er hatte rebelliert gegen den republikanischen Sumpf und Rom seinen Imperator wiedergegeben. Hispania Occupata. Fast keine Getreuen, nur Verrat von alten Weggefährten. Doch er verzagte nicht. Er leistete Widerstand. Zunächst nur die Legio Prima und dann immer mehr Truppen standen zu ihrem Eid. In Gallien hatten nur vereinzelte Gegner sich gezeigt. Der Purpur hatte seine Neider bald hinweggefegt. Und der stolze Adler breitete erneut seine Schwingen aus und ließ die Welt erzittern.
Ein großer Mann hat uns verlassen.