Zitat
Original von Marcus Petronius Glabrio
"Guter Mann, deine Menschenfreundlichkeit ehrt dich natürlich und dein Ansinnen mag ja durchaus legitim sein. Nur: nimmt man dein Argumentationsmuster, erschient deine ganze Rede ein wenig absurd. Als römischer Bürger muss ich mich nämlich fragen, aus welchen realen Gegebenheiten sich deine Argumente ziehen. Denn irgendwie will das, was du gerade über den Sklavenstand sagtest, so gar nicht in das alltägliche Bild, das ich und wohl jeder andere Bewohner des Reiches vom Sklavenstand haben, passen.
Lassen wir einmal weg, dass ich deinen Zusammenhang zwischen Sklaverei und Kriegsglück nicht nachvollziehen kann. Meiner Ansicht nach ist es eher so dass Sklaverei eine Folge von Kriegsglück ist und nicht umgekehrt:
Du meintest, überall Sklaven zu sehen, die alle Arbeiten für die Bürger und Freien des Reiches erledigen. Ich verstehe nicht, welchen Teil des Reiches du denn meinst. Denn seit wann erledigen Sklaven alle Arbeiten für uns? Auch du wirst ja wohl schon mitgekriegt haben, dass ungefähr alle Arbeiten, der Handel, der Verkauf an den Märkten, der Bau von Gebäuden und die Landwirtschaft, ja sogar die meisten Dienstleistungen vom Kurierdienst bis hin zur Bedienung und Kindeserziehung von Freien erledigt werden. Und ist es jemals vorgekommen, dass Sklaven für uns in den Krieg zogen und ihr Blut vergossen, um das Reich zu vergrößern und unseren Reichtum zu mehren?
Denn der überwiegende Teil der Freien im Reich kann sich schon einmal überhaupt gar keinen Sklaven leisten, da ihn schlicht und einfach die finanziellen Mittel dazu fehlen. Er ist für den Broterwerb auf die eigenen Hände angewiesen. Nur ungefähr ein vierter Teil der Freien des Reiches ist so begütert, dass er sich Sklaven leisten kann. Und auch die meisten von ihnen sind im Besitz von höchstens ein bis drei Sklaven, die vor allem als Ausstellungsbjekte des eigenen Reichtums funktionieren.
Nur etwa ein zehnter Teil der Freien des Reiches ist so begütert, dass er es sich leisten kann, seine Latifundien, Plantagen und Minen durch die Arbeit von Sklaven ausbeuten zu können. Letzteres nimmt übrigens auch immer mehr ab, denn schon lange gehen die Grundherren dazu über, ihre Grundstücke lieber durch freie Pächter bebauen zu lassen.
Im Osten des Reiches ist Sklaverei sogar noch unüblicher. Das meiste Getreide des Reiches zum Beispiel wird von freien Ägyptern angebaut. Sklaven kommen dort außerhalb der Villen der Oberschicht gar nicht vor.
Ebenso verhält es sich mit den Staatssklaven. Die meisten Arbeiten, die früher einmal diesen vorbehalten waren, werden heute durch Sträflinge und Kriegsgefangene geleistet.
Du siehst also, von einen ökonomischen Übergewicht der Sklaverei gegenüber der freien Arbeit kann gar keine Rede sein.
Was mich zum nächsten Punkt bringt, den ich zur Debatte beifügen will: Du redest von der drohenden Gefahr einer Überpopulation von unterdrückten Sklaven, die sich gegen unsere Gesellschaft aufbegehren könnte. Durchaus ein berechtigtes Argument. Allerdings: Der Anteil der Sklaven an der Bevölkerung verhält sich proportional zum Anteil der Sklavenarbeit an der Ökonomie. Insgesamt muss man sagen, dass Sklaven vielleicht den fünften Teil der gesamten Bevölkerung des Imperiums stellen. Auf einen Sklaven kommen also vier Freie. Ich denke nicht, dass man da von der Gefahr eines Sklavenüberschusses reden kann.
Freilich entkräftet das immer noch nicht die Gefahr eines Sklavenaufstandes. Ein Viertel der Bevölkerung ist immer noch eine große Menge an Leuten und es gab schon genug Sklavenaufstände, die eben dies zeigten. Nur: Vergleiche einmal das Verhältnis von Sklavenaufständen und Aufständen von unzufriedenen Freien. Das Reich ist voll von Menschen, die zwar frei sind, aber nichts besitzen, kein Dach über dem Kopf und keine warme Mahlzeit. Oder Freien, die unter drückender Steuerlast, dem Joch unverantwortlicher Provinzstatthalter, unerträglichem Frondienst oder Grenzscharmützeln zwischen Rom und den Nachbarländern leiden. Ich wage, zu behaupten, dass das Elend der Freien weit schlimmer ist als das der Sklaven und dass die Masse der freien Elenden die der Sklaven weit übersteigt.
Ich wage deshalb, zu behaupten, dass ein Aufstand ägyptischer Bauern, einer unbezahlten Legion oder selbst des Pöbels in der Subura Roms eine viel größere Gefahr für das Reich darstellt als es ein Sklavenaufstand je darstellen könnte.
Sollte man daher nicht lieber das Hauptaugenmerk sozialen Handelns lieber auf die Massen der armen und unterdrückten Freien richten anstatt auf Sklaven, die meist, obwohl unfrei, allen Luxus der Herrenhäuser, in denen sie leben, genießen, von ihren Herren gepflegt werden und sich keine Sorge um ihr täglich Brot machen müssen?
Die Lebensumstände von Sklaven sind oft weitaus besser, als die von Freien und der Großteil der Sklaven gar keinen Grund zur Unzufriedenheit hat. Sklaven beaufsichtigen sogar freie Bürger als eingesetzte Verwalter von Pachtgründen, nehmen hohe Stellen in den Verwaltungen ein und erben oft die Güter ihrer Herren.
Und auch wenn der Sklave iuristisch Eigentum sein mag: Die Herren, die ihre Sklaven nur als Eigentum Tiere betrachten, gibt es zwar noch, sie sind aber deutlich in der Minderzahl. Fast alle Denker und Philosophen, sogar die Kaiser sind sich darin einig, dass Sklaven Menschen sind und nach Möglichkeit wie solche behandelt werden sollen. Was Seneca über den Sklaven gesagt hat, ist nicht unüblich oder revolutionär, sondern eigentlich Allgemeinvorstellung in allen gesellschaftlichen Kreisen, vor allem bei der sklavenhaltenden Oberschicht, zu der Seneca selbst gehörte. Ich muss mich an dieser Stelle wirklich fragen, aus was für arroganten Verhältnissen du stammst, dass dies bei dir zu Hause anscheinend nich üblich ist.
Der nächste Punkt erscheint mir dazu vollkommen absurd: Du meinst, die an das Reich angrenzenden Länder könnten sich verbinden, um über uns herzufallen, weil wir ihre Untertanen rauben und versklaven?
Wir rauben und verschleppen deren Untertanen nicht, wir 'kaufen' deren Sklaven, die ihre Händler uns als Sklaven anbieten. Kriegszüge und Versklavung sind heute nur noch sehr selten dank der Pax Romana. Im Übrigen tun wir das selbe zu ihnen: Auch wir exportieren Sklaven in deren Länder. Es gibt kein Land auf dieser Erde, in dem Sklaverei nicht vorkommen würde. Und auch die Parther, Garamanten oder Germanen rauben römische Bürger, wenn sie unsere Grenzen überfallen, ohne dass jemand was sagt. Kriegsgefangene in die Sklaverei zu verschleppen ist überall auf der Welt vorkommendes Kriegsrecht. Warum sollten die anderen Länder uns ausgerechnet deswegen zürnen?
Die Gefahr eines solchen Bündnisses gegen Rom wie du sie an die Wand zeichnest, scheint mir von daher als vollkommen unrealistisch. Zumal wegen der Sklaverei. Es gäbe weitaus gewichtigere Gründe eines gemeinsamen Feldzugs gegen Rom. Dazu müssten diese Länder aber erst einmal aufhören, sich untereinander zu bekriegen. Und auf die Möglichkeit diplomatischer Verhandlungen all dieser Länder, etwa der Parther zu den Briten, die beide nichts voneinander wissen, bin ich wirklich einmal gespannt.
Auch ist ein Sklave nicht unbedingt ökonomisch unrentabler als ein Freier Arbeiter. Auch die Freien müssen zum Beispiel auf den Feldern und in den Manufakturen von Aufsehern bewacht werden. Und da die meisten Freien auch Klienten ihres Arbeitgebers sind, zahlt dieser für sie ebenso und gibt ihnen Wohnungen. Dass ein Freier Arbeiter eine unliebsame Arbeit lieber tut als ein Sklave, will ich darüber hinaus sehr bezweifeln. Ich würde sagen, der Profitfaktor ist sowohl beim Freien als auch beim Sklaven gleich.
Auch deine Lösungsvorschläge kann ich nicht nachvollziehen. Erstens wird genau das, was du vorschlägst, von vielen Sklavenhaltern bereits so gehandhabt, wenn sie einen Sklaven befreien, zweitens muss ich einmal wieder die Befürchtung aufstellen, noch mehr Freie würden die prekäre Lebenssituation des Großteils der Freien noch verschlechtern."