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Original von Maximus Decimus Meridius
Du weißt zu genau, dass ein Kloster auch von was leben muss. Ein Kloster ist eine Lebensgemeinschaft und ein Wirtschaftskomplex. Es gibt dort also normale Angestellte und Laienbrüder, die weitgehend weltlicher Arbeit nachgehen. Die Mönche selbst gehen in der Tat zum einen dem Auswendiglernen von Bibelpassagen nach, aber noch viel mehr dem Auswendiglernen von Ordensregeln, Ritualen, usw. Einige wenige widmen sich dem Abschreiben von Literatur, dem Anfertigen von Chroniken und was sonst so anfällt. Doch auch in der Antike wirst Du nicht tausende Philosophen und helle Köpfe antreffen. Auf Raum und Zeit betrachtet, waren die wenigsten der antiken Philosophen wirklich groß. Und ebenso wie die Antike hat auch das Mittelalter helle Köpfe hervorgebracht. Freilich im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
Soll das eine Anspielung sein.
Natürlich musste es das, aber Klöstern ging es in weiten Phasen des Mittelalters sehr gut und später verpflichtete man sich nur zur Armut, eine wirtschaftlichen Grund hatte diese meist nicht.
Das Kopieren von Bibeln war übrigens selbst ein sehr erträgliches Handwerk und für religiöse Artikel gab es im Mittelalter einen sehr großen Absatzmarkt. Die genauen Verhältnisse der Arbeitsaufteilung in einem Kloster, in den jeweiligen Orden, Standorten und Epochen haben wir jetzt einfach nicht.
Der Unterscheid ist wohl das man in der Antike gern neues erfinden und entdecken durfte, im Mittelalter war das nicht immer der Fall. Desweitern möchte ich zu bedenken geben das durch den Hellenismus vorallem griechische Philosophen erhalten sind. Es gab bestimmt auch karthagische, ägyptsiche, persiche und so weiter, nur sind die uns wohl einfach nicht bekannt.
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Das gilt im Übrigen auch für die Neuzeit. Kant, zum Beispiel, gilt als der helle Kopf der Aufklärung. So gut wie keiner weiß, dass er jedoch zeitgleich einer der größten Antisemiten seiner Zeit war.
Größe auf dem einen Gebiet hat leider wenig mit Größe auf anderen zu tun. Das gleiche Problem gibt es ja auch bei M. Luther.
Sim-Off:Natürlich ging viel Wissen verschütt. Im frühen Mittelalter herrschte zur Antike sicher kein vergleichbares Bildungswesen. Doch solche Phänomene sind auch schon in der Antike festzustellen. Man denke nur an die mehrmalige Zerstörung der Bibliothek von Alexandria. Das erstemal meines Wissens, durch die Römer, das zweitemal durch ein islamisches Heer. Bereits in der Antike waren manche Erfindungen schon wieder in Vergessenheit geraten und die meisten griechischen Philosophen haben ja Zeit ihres Lebens nie was aufgeschrieben.
Ja, aber es gab ebend immer wieder Abschriften und Menschen die es Rekonstruieren konnten, die gab es im Westen nicht. Außerdem haben die Griechen ja nicht nur philosphiert sondern auch Phalanxen gebildet, Schiffchen gabaut und vorallem das erste Bürgertum hervorgebracht.
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Was die Städte betrifft hast Du Recht, dann jedoch auch wieder nicht. Für Italien trifft sicher zu, dass der Untergang des Imperiums bedeutete, dass zum Beispiel die meisten römischen Städte stark schrumpften. Rom fiel vergleichsweise fast zusammen. Vor allem deshalb, weil es nicht mehr zu finanzieren und zu erhalten war. Die römische Wirtschaft war ja keine reine Marktwirtschaft, sondern ein gigantisches Ausbeutungssystem. Die Provinzen lieferten vereinfacht dargestellt ihre Reichtümer nach Rom und Rom wuchs und gedieh bis zu einer Millionenstadt. Mit dem Wegfall der Provinzen, musste auch Rom zwangsweise eingehen.
Nun, die Städte Italien zerfiehlen schon vor dem Untergang und waren an dem Untergang wohl teilweise mit Schuld. Man siehe hierzu die fast kaum noch vorhandenen Steuereinnahmen im Westreich.
Aber der Zerfallsprozess fing schon an als die wertvollen Provinzen noch da waren, nur zahlten sie halt das Gend nach Konstantinopel. Aber ich denke schon das es an dem Ausbeutersystem lag, eine kleine reiche Oberschicht verdiente sich nämlich immer mehr zum Krüppel und die Römer selbst waren ihnen zu Diensten in der Zwischenzeit füllte man das Heer mit "Barbaren" auf. Die Germanen mussten die Legionen teilweise ja nichtmal angreifen, sie waren die Legionen.
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Was die Städte im deutschen Raum betrifft, gab es im Prinzip auch zur römischen Zeit fast keine nennenswerten. Die meisten waren entweder Verwaltungssitze oder Legionsstandorte. Die Germanen selbst lebten auf Höfen, oder in kleinen Siedlungen, Städte waren ihnen fremd.
Ein paar gabs ja schon, aber ebend nicht so wie in den südlichen Provinzen. Aber im Norden lag nun der Machtschwerpunkt Europas, in einer unterentwickelten Landschaft und um die Machtverhältnisse so zu gestalten verwüstete man die entwickelten Gegnen im Süden, ein Gesamtrückschritt auf voller Linie.
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Betrachtete man dagegen die gewaltigen Städtegründungen und das gigantische Städtewachstum im Hochmittelalter, muss ich Dir klar widersprechen. Das Mittelalter bedeutete, was die Stadt betrifft, eine gewaltige Innovation, die sehr viel bewegte und ja letztlich auch mit Bevölkerungswachstum und den Rodungen, sowie der Landschaftsgestaltung zu tun haben. Im Deutschen Raum wurden verhältnismäßig nie wieder so viele Städte und Siedlungen gegründet wie im Mittelalter. Im Gegenteil. Viele Siedlungen gingen in der Neuzeit sogar wieder ein und es gibt in Quellen hunderte, wenn nicht sogar tausende Orte, die heute nicht mehr lokalisiert werden können, weil sie schlicht nicht mehr existieren.
Nun, man hatte auch zu römschen Zeiten viele Städte gegründet, aber diese gingen in den Provinzen als Außenposten des Imperiums oft ein, wenn auch nicht immer. Die Sache mit dem Wachstum ist einfach zu erklären, Bevölkerung wächst ohne Verhütungsmittel (oder andere Einschnitte) exponential, aus der Bevölkerung im Mittelalter konnte im gleichen Zeitraum mehr neue Bevölkerung enstehen. Mehr Menschen bekommen mehr Kinder, welche wieder mehr Kinder bekommen. Wenn wir von mittelalterlichen Städten reden müssten wir den Begriff genauer klären, im Mittelalter war ja nicht alles was eine große ansammlung von Einwohnern war gleich eine Stadt.
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Nunja, es ist immer die Frage, was man unter einem funktionierenden "Staat" versteht. Die Athener haben darunter sicher was anderes verstanden als die Römer, und mal ehrlich, die römische Herrschaft war Anfangs die Herrschaft einer adeligen Aristokratie, die sich im Senat versammelte und später eben einen der Ihren zum Kaiser machte. Ämter wurden zwar eingeführt, aber meist aus der eigenen Kasse bezahlt und mit der Ausbeutung der Provinzen refinanziert. Die Verwaltung der Provinzen wurde weitgehend den dortigen Bewohnern überlassen, die unter römischer Herrschaft nicht selten so weitermachten wie vorher, lediglich eine andere Organsisationsform annahmen, so lange nur ein Mann aus Rom dafür sorgte, dass dort Ruhe herrschte und die Waren und Gelder regelmäßig nach Rom flossen.
Ein Staat muss für mich die folgenden Dinge haben: ein Staatsvolk, ein Staatsgebiet, die Staatsgewalt und er muss mit anderen Staaten in Kontakt treten könne. Diese Eigenschaften erfüllten die frühen christlichen Königreiche nicht. Naja die Sache mit dem Kaiser und den Senat ist so eine Sache, er stütze seine Macht vielmehr auf die Legionen, wie man an den ganzen Soldatenkaisern sieht.
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Sulla und Marius regierten ebenso über ihre Gefolgschaften wie ein mittelalterlicher Herrscher und Augustus selbst hatte wohl genau genommen im Senat nur - ich sag es mal krass - Klienten sitzen.
Das halte ich für flasch. Als ein gutes Beispiel für einen funktionierenden Staat nehmen wir mal wenn ein Teil dieses Saates temporär nicht funktioniert. Dafür nehmen wir mal meinen "Vorfahren" Kaiser Nero, auch wenn vieles über hin nicht stimmt, so hat er in seiner Herrschaftszeit kaum regiert, trotzdem lief der Staatsaperat weiter, warum? Weil es eine recht eigentsändige Verwaltung gab. Wenn ein König im Mittelalter so unfähig war stürzte man ihn entweder ganz schnell oder dem Königreich ging es auf lange zeit sehr schlecht. Ein weiterer Beweis ist hier das im Mittelalter sich total fremde Länder durch einen gemeinsamen König "vereinigen" konnten.
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Was das Mittelalter betrifft erleben wir natürlich zuerst das Aufkommen der germanischen Herrschaftsformen. Doch schon sehr früh gibt es hier Bestrebungen Herrschaft zu maximieren. Ich nennen nur Karl den Großen. Oder später die Bemühungen der Staufer mit ihrer Reichslandpolitik, die zweifelsohne darauf abzielt die Gefolgschaft der alten Fürsten und Stammesherzöge durch Magistrate und Ministerale zu ersetzen, was allerdings scheiterte. Und das war weit vor der Renaissance.
Gescheiterte Reformen nutzen nur wenig. Villeicht hätte es Rom länger gegeben wenn alle Reformen der Gebrüder Gracchi durchgekommen wären, die Rom so dringen gebraucht hätte und die Provinzen "romanisiert" hätte.
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Hat viele Gründe. Natürlich auch vorrangig, dass sich Herrschaft im germanischen System nicht an Boden und Grenzlinien, sondern an Gefolgsleuten und Anhängern festmacht.
Das ist nicht germanisch, das ist eine Stammesgeselltschaft, die Römer und Griechen lebten auch einst so.
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Was die italienischen Städte betrifft, bleibt vielleicht noch festzuhalten, dass diese zum einen auf das antike Erbe zurückgreifen konnten, bereits einen erschlossenen Kulturraum hatten, und zu guter letzt natürlich immens vom Mittelmeerhandel profitierten.
Natürlich konnten sie das zum Teil. Jedoch waren Genua, Florenz und Venedig nicht unbeding die größten italienischen Städte zur Römischen Zeit. Es war die Kombination aus Erbe, einer guten Wirtschaft und einen städtischen Bürgertum.
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Interessanter Gedanke. Das Mittelalter war diesbezüglich sogar noch fleißiger. Die Gelehrten dort kopierten die Griechen, die Römer und die Araber, fügten germanische Traditionen hinzu und entwickelten daraus eine eigene Kultur, die sich permanent weiterentwickelte.
Frühmittelalter und Hochmittelalter unterscheiden sich extrem, alleine daran kann man die immensen Entwicklungen erkennen.
Sicher, aber dafür hat man 700 Jahre gebraucht, so lange haben die Römer nicht gebraucht.
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Was "Erfindungen" betrifft will ich nur ein paar nennen, wenn ich wollte könnte man noch mehr raussuchen: Steigbügel, Eisenpflug, Das Geschirr für das Pferd (vorher konnten nur Ochsen den Pflug ziehen und das mehr schlecht als recht), Dreifelderwirtschaft, man könnte ewig weitermachen, und letztenendes sogar beim Papier, Buchdruck, der Räderuhr und der Brille enden.
Das sind sehr wichtige Erfindungen, doch gerade diese leiteten ja das Ende des Mittelalters ein. Weil sie vorallem eine neue Sozialstruktur erforderten.
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Immense Veränderungen geschahen im Handwerk und der Landwirtschaft. Die Antike war da nicht sehr innovativ, wenn man bedenkt, dass dort das Kunststück darin bestand, eben noch mehr Sklaven auf die Felder oder in die Betriebe zu schicken, wenn man mehr produzieren wollte. Sklaven fielen im Mittelalter aus, man war durchaus einfallsreicher. Bestes Beispiel: Windkraftnutzung.
Fast alle geselltschaftlichen Veränderungen werden durch eine Veränderung im Wirtschaftsleben ausgelöst. Sklaven gab es auch im Mittelatler, aber sie waren so gut wie nicht verbreitet und sehr, sehr unmoralisch. Aber ebend jene Methoden wie Spezialisierung, Arbeitsteilung und vorallem die Weiterverarbeitung und der Handel mit waren enstand in der Antike. Der Handel fehlte dann vorallem im Mittelalter.
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Die Griechen und Römer segelten Jahrhunderte über das Mittelmeer, die Windmühle ist ihnen jedoch nie eingefallen.
Aber sie sind in Ruhe übers Mittelmeer gefahren. Das haben die Leute im Mittelalter nicht geschafft. Sowieso war man meist auf die Italiener angewisen wenn man mal mit dem Boot wo hinfahren (Jerusalem) wollte.
Abschließend will ich sagen das ich dir zustimme das, das Mittelalter keine "dunkle Zeit" war. Sie war ebend anders, als die Antike und die Konvervativität der Kirche, das Chaos zu beginn dieser Phase und das Fehlen von stabilen Staaten hemmten die Entwicklung die eigentlich besser hätte sein könne.
Aber Fehler machte man auch in der Antike.