Nun hast du einen Charakter mit Potential. Als nächstes muß er ins Spiel finden.
1. Die Hüls'schen "Zwei Regeln"
Sind die Grundlage eines entspannten Miteinanders im Spiel. Sie stammen aus dem Larp, passen aber für alle Formen des freien, durch Werte unreglementierten Spiels.
Sie lauten:
Wenn Du angespielt wirst, zeige irgendeine plausible Reaktion. Spiel irgendwas, egal was, aber spiel.
Wenn Du jemanden anspielst, erwarte keine bestimmte Reaktion. Akzeptiere, was Dein Gegenüber draus macht.
2. Einstieg in den Fluss des Spiels
Zum Einstieg ins Spiel - stell dir wieder vor du drehst einen Film, und frage dich: auf welche Weise würdest du deinen Charakter einführen? Überlege dir zum Beginn also eine Szene, die deine Figur charakterisiert.
Bsp.: Unser "großmäuliger Soldat" könnte, anfangs noch Zivilist, prahlend in der Schenke sitzen, und sein letztes Geld verspielen. Am nächsten Morgen dann, da pleite und ohne Dach über dem Kopf, sich der Armee verschreiben.
Eine Alternative ist, mit der Ankunft des Charakters in Rom, oder wo er sonst leben soll, zu beginnen. (Vermeide, wenn möglich, das Klischee von der jüngst verstorbenen Mutter, die den Charakter als letzten Wunsch zur Familie des Vaters schickt. Sowie als Sklave das Klischee vom durch finstere römische Soldaten abgefackelten Dorf, und dem versklavten Stammesprinzen. Beides ist schon sehr ausgelutscht.)
Danach, folge einfach dem Weg deines Charakters, interagiere mit den Figuren die dir unterwegs begegnen, so ergeben sich schnell Kontakte, und damit auch noch mehr Storyideen. Nutze öffentliche Feste und andere Ereignisse, um dort aufzutauchen und auch Figuren ausserhalb des direkten Familienumkreises kennenzulernen. (Vermeide, wenn möglich, das auch schon sehr überstrapazierte Klischee des "zufälligen Anrempelns".)
Sehr wichtig ist auch: Werde selbst aktiv. Warte nicht passiv darauf, dass jemand deinen Charakter in den Fluß des Spieles hineinzieht, sondern schaffe dir selbst aktiv Situationen, in denen du anderen Charakteren eine gute Gelegenheit gibst, dich anzuspielen. Schreibe anschauliche Szenen, eröffne interessante Threads, die anderen Lust machen, da mitzumischen. Der "großmäulige Soldat" könnte z.B. wenn er in der Schenke sitzt, alle Anwesenden lautstark dazu auffordern, mit ihm eine Runde zu würfeln. Der "Matrone in der Midlife crisis" könnte ihre Schoßkatze entlaufen, und sie auf der Suche nach dem edlen Tier mit allerlei Menschen in Kontakt bringen. Der "abgebrühte Straßenjunge" könnte auf dem Markt nach Arbeit für einen Tagelöhner Ausschau halten, usw.
3. Schreiben, schreiben, schreiben...
Schreibe so, dass es nicht nur für dich, sondern darüber hinaus auch für die Leser interessant ist. Stell dir die Situation genau vor, beschreibe was zu sehen, zu hören, zu fühlen ist. Schaffe Atmosphäre, indem du alle Sinne ansprichst.
Wörtliche Rede lockert Textblöcke auf. Überlege dir, welche Sprechweise deinem Charakter, seiner Herkunft, seinem Bildungsgrad, seinem Temperament entspricht. Gedanken geben Einblick in die Erlebenswelt des Charakters. (Aber vergiss über weitschweifigen Gedankenschilderungen nicht die Action.)
Du kannst wählen, welche Perspektive du als Erzähler einnimmst. Ob als "allwissender" Erzähler, als personaler Erzähler, der aus der Perspektive einer Figur erzählt, als neutraler Erzähler, der wie eine Kamera nur das äussere Geschehen beschreibt. Oder aus der Ich-Perspektive, die dem Text besonders Nähe zum Charakter, aber zugleich einen eingeschränkteren Blickwinkel verleiht. Je nachdem ergeben sich unterschiedliche Effekte.
Zur Länge der Postings – etwas ausführlicher ist meist interessanter. Stimme dich in der Hinsicht ein bisschen auf deine Postingpartner ein. Wenn sie dir mit ausführlichen Beiträgen geantwortet haben, speise sie nicht mit einem lahmen Dreizeiler ab.
Überfliege nicht nur, sondern lies genau, und würdige was deine Postingpartner schreiben. Gehe inhaltlich darauf ein, und gib ihnen in deinen Postings immer auch Spielimpulse zurück, auf die sie ihrerseits eingehen können, um die Handlung oder den Dialog weiterzutreiben. Auf die Rechtschreibung zu achten, zeugt von Respekt gegenüber den Mitspielern. Achte darauf, moderne Ausdrücke und Anglizismen möglichst zu vermeiden, um das Gefühl, sich in der Antike zu befinden, zu wahren.
Zwar gibt es eine Möglichkeit, Text als simoff zu markieren, es ist aber angenehmer für den Leser wenn du simoff-Angelegenheiten mit deinen Mitpostern per PN klärst.
Zu den Threads – es gibt welche, die nur für eine Szene erstellt werden, und Threads, die einen Ort repräsentieren. Wenn du einen Szenen-Thread erstellst, gib ihm einen aussagekräftigen Titel, der die Neugier der Leser weckt.
4. Rollen glaubhaft darstellen – oder: "Den König spielen die anderen"
Charaktere entfalten sich in der Interaktion mit anderen. Die Art und Weise wie andere auf einen Charakter reagieren, beeinflusst wie er wahrgenommen wird, wie er wirkt, wie er sich entwickelt.
Daraus folgt zum einen: Zeige deinen Mitspielern deutlich, mit was für einem Charakter sie zu tun haben, spiele deine Rolle prägnant, dem Konzept und dem Status deiner ID entsprechend. Dann wissen deine Mitspieler auch mit was für einer Figur sie es zu tun haben, können dementsprechend reagieren und deine Darstellung damit unterstützen.
Zum zweiten folgt daraus: Wenn du im Spiel auf einen glaubhaft dargestellten Charakter triffst, dann unterstütze ihn in seiner Wirkung – "pushe" ihn, indem du deinen Charakter auf eine adäquate Weise reagieren lässt. Insbesondere die überzeugende Darstellung von Rollen mit hohem Status funktioniert nur dann, wenn dieses Prinzip beherzigt wird.
"Den König spielen die anderen" heißt es beim Theater. D.h. die Position, die Macht und die Ausstrahlung einer solchen Herrscherfigur kommt nur dann wirklich rüber, wenn die Figuren um ihn herum sich dementsprechend respektvoll/höflich/furchtsam/feierlich verhalten, und damit diese Aura der Macht erscheinen lassen.
Das gilt aber nicht nur Führungsfiguren. Sei es ein weiser Gelehrter, ein bedrohlicher Prätorianer, eine die Sinne verwirrende Kurtisane oder ein ranziger Bettler.... jede dieser Rollen ist darauf angewiesen, dass die Mitspieler sie mit tragen, indem sie adäquat reagieren. In diesem Sinne ist es für das Spiel sehr unkonstruktiv, den eigenen Charakter als ultracool, immer lässig und von nichts zu beeindrucken zu spielen.
Es ist ein Geben und Nehmen. Unterstütze die anderen in ihrer Darstellung, und sie werden auch dich unterstützen. Der Spielspaß und die Atmosphäre profitieren davon.