Quirinus

Aus Theoria Romana
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Quirinus
Alternative Namen-
Griechische EntsprechungEnyalios
FunktionFriedlicher Kriegsgott
Symbole / Attribute(Lanze)
Typische Farbe der Opfertiere-

Quirinus war ein altitalischer Gott und wurde bereits von den ältesten Siedlern noch vor der Stadtgründung als kriegerischer Stammesgott verehrt. Sein Kult fiel sehr eng mit dem des Mars zusammen. Vermutlich war Quirinus ursprünglich eine Gottheit der Sabiner, denn sein Kult in Rom ist mit den Bewohnern des nach ihm benannten Hügels Quirinal verbunden, die sabinische Siedler gewesen sein sollen. Quirinus galt dort wohl als Kriegsgott, ähnlich dem Mars, der ihn in dieser Eigenschaft später fast vollständig ablöste. Deshalb wurde auch die These vertreten, dass der Name Quirinus möglicherweise nur die sabinische Form des Mars darstellte. Später galt er als der vergöttlichte Romulus.

Mythos

Als Romulus und der Sabinerkönig Titus Tatius nach dem Raub der Sabinerinnen Frieden schlossen, vereinigten sich die beiden Stämme unter der Bezeichnung "Quiriten", was wohl die ursprüngliche Bezeichnung für die auf dem Quirinal angesiedelten Gemeinden gewesen sein muss.

Unter Einfluss von Marcus Terentius Varro wurde einst die Hypothese von der sabinischen Herkunft der Quirinalgemeinde aufgestellt und erlangte allgemeine Geltung. So wurde auch der Gott Quirinus zum Sabiner und stammte aus Cures, der angeblichen Heimat der Hügelrömer. Die von Dionys von Halikarnass unter ausdrücklicher Berufung auf Varro erzählte Gründungsgeschichte von Cures ist deutlich der römischen nachgebildet. Wie Mars mit der albanischen Königstochter und Priesterin Rhea Silvia den Romulus, so zeugt dort Quirinus mit einer reatinischen Jungfrau edlen Geschlechtes, die in seinem Heiligtume im Reigentanze mitwirkt, den Modius Fabidius, der dann mit einer Schar von Männern aus der Nachbarschaft Cures gründet. Die Einführung des Quirinuskultes in Rom fiel für die Vertreter dieser Anschauung folgerichtig dem Titus Tatius zu, und darum findet sich der Name Quirinus in der von Varro aufgestellten Liste der von diesem Könige in Rom gestifteten Altäre.

Noch bedeutsamer wurde allerdings eine andere Kombination des Mythos um Quirinus, welche von der Entrückung und und Vergöttlichung des Romulus dahin vervollständigt wurde, dass dieser den Namen Quirinus angenommen und unter diesem Namen einen Staatskult erhalten habe. Nach dem unerklärlichen Tod des Romulus 715 v.Chr. erklärte man ihn für vergöttlicht. Vermutlich hat der Lokalkult seinen Anfang bereits nach Romulus' Tod genommen, denn laut der eidlichen Angabe des Iulius Proculus habe der zu den Göttern aufgefahrene ein Heiligtum am Quirinal gefordert. Belegt ist eine vereinzelte Verehrung als Romulus-Quirinus seit der mittleren Republik. Der älteste Zeuge dafür ist Cicero, in dessen Schriften jedoch zu erkennen ist, dass es sich um keine festgewurzelte Anschauung handelte.

Aber in der Folgezeit errang diese Geschichte die größere Bedeutung, begünstigt von den damaligen Machthabern. Denn wenn Caesar im Jahr 46 v. Chr. eine Statue im nach der Feuersbrunst wiederhergestellten Tempel des Quirinus erhielt, so hat sie Wahl dieses Platzes die Gleichsetzung des Gottes mit dem Stadtgründer zur Voraussetzung, und dasselbe gilt von der Tatsache, dass Octavian gelegentlich als Quirinus, d.h. als alter Romulus gefeiert wurde. Daher fand diese Version auch Aufnahme in die offizielle Reaktion der römischen Geschichte in den Elogies des Augustusforums und kam zum Ausdruck in dem Bilderschmuck des augusteischen Quirinustempels, in dessen Giebelfelde das Stadtgründungsaugurium des Romulus und Remus dargestellt war. Auch in der Dichtung Vergils erscheint der Name Quirinus fast durchgehend als Bezeichnung für den Stadtgründer und trägt dort die auszeichnenden Attribute des Romulus, lituus (gekrümmter oder spiralförmig endender Stab) und trabea ( mit breiten Purpustreifen verbrämte Toga).

Wahrscheinlich wurde die Gleichsetzung dahingehend ermöglicht, weil der eigenständige, noch nicht mit Romulus gleichgesetzte Quirinus-Kult in etwa ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. nur noch von sehr traditionellen Priestern gepflegt wurde. Dies drückt sich auch dadurch aus, dass die Feierlichkeiten mit Beteiligung der Salier, die Quirinus und Mars galten, zunehmend von Mars vereinnahmt wurden. Mit Romulus konnte dem verlassenen Tempel auf dem Quirinal wieder Leben eingehaucht werden. Offensichtlich gab es seitens der Priesterschaft auch keinen Widerstand gegen den "neuen Quirinus", der sich auf ganzer Linie durchsetzte. Des Weiteren lud das Vorhandensein zweier Kriegsgötter mit Mars und Quirinus dazu ein, den zweiten als Sohn des ersten zu betrachten. Romulus galt bekanntlich als Sohn des Mars.

Während die Griechen den Mars häufig mit ihrem Ares übersetzt haben, wurde der Quirinus oft mit Enyalios gleichgesetzt.

Funktion

Die charakteristischen Spezialzüge und Einzelfunktionen im Wesen des Quirinus treten nicht offen zutage. Möglicherweise liegt dies daran, dass er bei der früheren Quirinalgemeinde der göttliche Exponent sämtlicher Wünsche und Interessen seiner Gemeinde war. Von großer Bedeutung waren für diese latinischen Gemeinden vor allem die kriegerische Tüchtigkeit und die militärischen Erfolge, weshalb die Eigenschaften des Quirinus als Kriegsgott noch am ehesten hervortreten. Schon ältere Zeugnisse fasste ihn als Parallelgottheit zu Mars auf. Es existieren einige Hinweise, dass Quirinus mehr die friedliche Seite des Kriegsgottes Mars darstellte, sozusagen ein Gott des bewaffneten Friedens, der auch im Frieden stets kampfbereiten Bürgerschaft. Deshalb lag wohl sein Tempel als friedlicher Kriegsgott innerhalb der ersten Stadtmauern, der des Mars ausserhalb. Die Beteiligung an den Consualia des Flamen Quirinalis lässt darauf schließen, dass, ähnlich wie Mars, Quirinus eine Bedeutung als Gottheit des Ackerbaus sowie der Natur und der Fruchtbarkeit besaß. Quirinus gehörte auch zu denjenigen Gottheiten, die geehrt wurden als Augustus zur Abwehr von Feuersbrünsten am Tage der Volcanalia ein Kollektivopfer einrichtete. Wie es dazu kam, ist nicht bekannt. Möglich, dass hier der Gedanke an den Stadtgründer Romulus eingewirkt hat, der im Verein mit den speziell beteiligten Gottheiten seine Stadt vor Feuergefahr behüten sollte.

Spätrepublikanische Münzen zeigen den Gott als bärtige, großvaterähnliche Erscheinung.

Kult

Quirinus war Teil der älteren Göttertrias mit Mars und Iuppiter. Sein Priester, der Flamen Quirinalis und hinter den Flamines des Iuppiter und des Mars eine hochangesehen Person.

Die Tätigkeiten des Flamen Quirinalis sind nur schwer zu rekonstruieren. Er wird mit einer Reihe vereinzelter Kulthandlungen im Dienste verschiedener Gottheiten in Verbindung gebracht. So opfert er beispielsweise der Acca Larentia an den Larentalia, steht dem Festzuge und Opfer bei den Robigalia vor und vollzieht an den Consualia des 21. August das Opfer an dem unterirdischen Altare des Consus im Circustale unter Assistenz der vestalischen Jungfrauen, mit denen er auch sonst gelegentlich genannt wird. Kultverwandtschaften gab es ausserdem zu Ianus und Portunus. Die Tatsache, dass er Flamen Quirinalis so oft Kulten anderer Gottheiten teilnahm, lässt auch annehmen, dass der in eigenen Diensten wenig beschäftigte Flamen aushilfsweise für die Verehrung anderer Gottheiten, die keinen besonderen Priester hatten, herangezogen wurde.

Bei einem nicht bekannten Anlass soll der Flamen Portunalis die Waffen des Quirinus gesalbt haben. Auch von der Festfeier des Gottes, die der alte Kalender als Quirinalia am 17. Februar verzeichnet, ist nur weniges bekannt. Lediglich, dass der Flamen die Waffen des Quirinus auf einem heiligen Gefäße gesalbt haben soll und ihm opferte.

Ihm wurden gemeinsam mit Mars und Iuppiter die spolia opima geweiht. Dem Quirinus wurde dabei immer ein männliches Lamm geopfert. Ebenso wie Mars, wird auch Quirinus von den Saliern duch Kriegstänze gefeiert (Salii Collini). Sehr wahrscheinlich ist, dass er wie Mars mit dem Fetisch einer Lanze verehrt wurde. Daneben soll der Eber dem Quirinus heilig gewesen sein, wie der Adler dem Iuppiter und der Wolf dem Mars. Gesichert ist diese Angabe jedoch nicht. Auch sonst fehlt es an Hinweisen in welcher Art und Absicht man dieser Gottheit verehrte.

In alten Gebetsformeln wurde neben ihm auch häufig eine Hora Quirini genannt, von der außer dem Namen nichts bekannt ist.

Im Vergleich zu den häufigen Erwähnungen in der Poesie und der gehobenen Rede, die er besonders nach seiner Gleichsetzung mit Romulus erfuhr, ist die Rolle, die Quirinus als Gott im Kultus spielt, in der Kaiserzeit eine sehr bescheidene gewesen.

Kultstätten

Die Kultstätte des Quirinus befand sich seit alter Zeit auf der nach ihm benannten collis Quirinalis. Ursprünglich nur ein anspruchsloses sacellum, wurde an dessen Stelle oder in nächster Nachbarschaft im Jahr 293 v. Chr. ein reich ausgestatteter Tempel erbaut, welcher eine Stiftung des Konsuls Lucius Papirius Cursor gewesen ist, der damit ein von seinem Vater 32 Jahre früher als Diktator abgeleistetes Gelübde einlöste. Der Tempel soll mit den Spolien der Samniter und einer Sonnenuhr, der ersten in Rom, geschmückt worden sein. Durch eine Feuersbrunst im Jahr 49 v. Chr. wurde er im Jahr 16 v. Chr. durch einen prächtigen Neubau des Augustus ersetzt. Bis zum Neubau wurde er allerdings provisorisch wiederhergestellt. Der Tempel war ein dorischer Dipteros mit 8 Säulen in der Front und doppelter Säulenstellung an den Längsseiten und stand auf derselben Stelle, wie der frühere Bau. Der Stiftungstag, der bisher auf den 29. Juni gefallen war, wurde nunmehr mit dem neuen Tempel auf den Tag der Quirinalia am 17. Februar verlegt.

Plinius erzählt in einer Geschichte, dass vor dem alten Tempel des Quirinus lange Zeit zwei Myrten gestanden hätten, von denen die eine die patrizische und die andere die plebejische hieß. Viele Jahre habe die patrizische Myrte ein fröhlicheres Wachstum gehabt, während die plebeijische verkümmerte, so lange der Senat oben auf und der gemein Mann zurückgesetzt gewesen sein. Dann aber, während des Marsischen Krieges (Bundesgenossenkrieg) sei die plebejische Myrte mächtig aufgeschossen, die patrizische aber verwelkt und eingegangen. Diese beiden Bäume erinnern stark an die beiden Lorbeern im Heiligtume des Mars in der Regia.


Literatur:
Wissowa, Georg: Quirinus. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 2,1, Leipzig 1894, Sp. 10-18.
Koch, Carl: Bemerkungen zum römischen Quirinus-Kult, in: Seel, Otto (Hrsg.): Religio - Studien zu Kult und Glauben der Römer, Nürnberg 1960, S. 17-38.
Latte, Kurt: Römische Religionsgeschichte, München 1960.