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Version vom 15. November 2008, 00:46 Uhr
Als cívitas (Pl. civitates; dt. "Bürgerschaften") werden die Verwaltungsbezirke bezeichnet, in die Italia sowie die Provinzen unterteilt sind. Zu jeder civitas gehört ein Hauptort (oppidum), sowie eine beliebige Anzahl von Dörfern (vici) und Gehöften (villae rusticae). In den gallischen und germanischen Provinzen bildeten sich die civitates beispielsweise meist aus den Gebieten der dort ansässigen Stämme. Die Benennung der civitas erfolgt dann in der Regel nach dem Namen des Hauptortes oder des Stammes. Im hellenistisch geprägten Osten des Reiches ist civitas auch gleichbedeutend für oppidum.
Der Hauptort einer civitas verfügte in den Provinzen nicht notwendigerweise über Stadtrechte (als municipium oder colonia), jedoch in der Regel über eine gewisse Anzahl repräsentativer öffentlicher Bauen, die für die Verwaltung der civitas nötig waren (Forum, Basilika) oder ihren Charakter als Hauptort unterstrichen (Theater, Thermen, Tempel). Für nahezu alle Hauptorte kann angenommen werden, dass sie zumindest in der Entstehungszeit der jeweiligen Provinz mit einer kleinen Garnison besetzt waren.
Der Rechtsstatus des Hauptortes war ausschlaggebend für den Rechtsstatus der Einwohner des gesamten civitas. Während in Italia seit dem Bundesgenossenkrieg alle Bürgerschaften über das volle Bürgerrecht verfügten, existierten in den Provinzen stets Gebiete mit verschiedenem Rechtsstatus nebeneinander. Wurde einem oppidum die Stadtrechte erteilt, galten das damit verliehene latinische oder italische Bürgerrecht für alle Einwohner der civitas. Gegenüber den Einwohnern beachbarter civitates ergaben sich dadurch beispielsweise Beschränkungen bei der Heirat, jedoch nicht im alltäglichen Rechtsverkehr.
Die Organisation einer civitas
Das Zentralorgan der civitas stellte der Ordo Decurionum dar, welcher sich aus den magistri vici der einzelnen Siedlungen und aus verdienten und/oder vermögenden Bürgern der civitas zusammenstellte, und von einer Gruppe von vier bis sechs Magistraten geführt wurde.
Die sechs Magistratsämter stellten sich wie folgt zusammen:
- Zwei duumviri leiteten die Verwaltung der civitas und die Ratsversammlungen, saßen den Wahlen zu den Ämtern vor und führten die niedere sowie freiwillige Gerichtsbarkeit aus.
- Mehrere aediles führen weitere wichtige Aufgaben in der civitas aus.
- Ein quaestor steht der Kasse einer civitas vor und führt die finanzielle Verwaltung.
Außerhalb der Rangordnung einer civitas stand der curator civitatis, welcher normalerweise ein stadtbekannter Senator oder Ritter war, und vom Kaiser für die Überwachung und Sanierung der Stadtkasse eingesetzt wurde.
Die Bedeutung der civitas
Im römischen Staatsapparat, der zu größten Zeiten mehr als fünf Millionen Quadratkilometer an Territorium verwalten und verteidigen musste, war das Prinzip der sich selbst verwaltenden civitas einer der Grundbausteine für das erfolgreiche Funktionieren des römischen Reichs über mehrere Monate hinweg. Sowohl in juristischer, militärischer und sozialer Form war die civitas stabile Grundlage für eine zentralistische Verwaltung, die in Rom ihren Mittel- und Angelpunkt hatte.
Werner Eck schreibt in seiner Festschrift 'Die staatliche Administration des Römischen Reiches in der Hohen Kaiserzeit - ihre strukturellen Komponenten' in klaren Worten über die Bedeutung der Civitas für den gesamtrömischen Staat: "Gerade diese lokalen Einheiten haben den wesentlichen Bezugspunkt für die Provinzbewohner abgegeben und die meisten Bedürfnisse konnten dort bewältigt werden. Doch waren sie kein unmittelbarer Teil der staatlichen Administration; vielmehr genossen sie eine weitgehende Autonomie, was sich symptomatisch in der freien Bestimmung der Amtsträger der Städte durch die Bürger in der Volksversammlung bzw. durch die Stadträte selbst manifestierte."
In wie weit sich die römischen Statthalter in die lokalen Belange einmischten wird durch folgendes Zitat deutlich: "Rom in Gestalt des Statthalters hat hier unter normalen Verhältnissen nicht eingegriffen, hätte es auch bei der großen Zahl von Städten in manchen Provinzen gar nicht tun können. Da andererseits die weitgehend autonomen Gemeinden die staatliche Administration von vielen Aufgaben entlasteten und sie den Römern als ein adäquates, in seiner Struktur klares Herrschaftsinstrument erschienen, haben alle Principes seit Augusts in mehr oder weniger großem Ausmaß die Gründung neuer Städte bzw. die Umwandlung schon bestehender zu römisch organisierten gefördert."
Die letztendliche Schlussfolgerung folgt auf dem Fuße: "Erst auf dieser Basis ist es überhaupt möglich gewesen, die vor allem personell so beschränkte Form der römischen Administration über Jahrhunderte hinweg aufrechtzuerhalten."
Die Bevölkerung einer civitas außerhalb Italias
Die Bevölkerung einer civitas bestand zum großen Teil aus der Urbevölkerung des jeweiligen Landstrichs, oder aus von der römischen Administration angesiedelten Völkern. In Germania gehörte die Errichtung einer civitas zu den Grundbausteinen der Sicherung der Rhenusgrenze, sie gaben den Rom-freundlichen Stämmen (u.a. Mattiaker, Treverer, Vangionen) einen lokalen Zentralort, der in seiner Verwaltungsform meist die schon bestehende Stammeshierarchie übernahm und somit zur Integration der Stämme in den Vielvölkerstaat beitrug. Die lokalen Eliten stellten häufig den Großteil der Verwaltungsbeamten und wurden nach Überlieferung auch mit dem römischen Bürgerrecht ausgezeichnet, was bedeutend zur zuverlässigen Selbstverwaltung der civitas beitrug.
Literatur:
Th. Fischer (Hrsg.), Die römischen Provinzen, Stuttgart 2001, S. 51-56
M. Wamser (Hrsg.), Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer, Mainz 2000, S. 98-107
Friedrich Vittinghof, Civitas Romana, Klett-Cota, Stuttgart 1994
Werner Dahlheim, Geschichte der römischen Kaiserzeit, Oldenbourg, München 2003
Jochen Bleicken, Verfassungs- und Sozialgeschichte des römischen Kaiserreichs, Band 2, Stuttgart 1995
Frank Kolb, Stadt im Altertum, Düsseldorf 2005
Werner Eck, Die staatliche Administration des Römischen Reiches in der Hohen Kaiserzeit - ihre strukturellen Komponenten, In "100 Jahre Neues Gymnasium Nürnberg", 1989 Donauwörth