Viehzucht

Aus Theoria Romana
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Ein prägendes Merkmal der antiken Viehzucht war die Wanderweidewirtschaft. Diese als Transhumanz bezeichnete, sehr alte Form der Weidewirtschaft ist dadurch charakterisiert, dass die Vieherden von Hirten zu mindestens zwei, jahreszeitlich wechselnden Weidegebieten getrieben werden. Anders als die Viehzucht bei nomadisierenden Gesellschaften spielt sich die Transhumanz gewöhnlich in eng begrenzten Räumen ab. Auch wenn die aufgesuchten Weiden mitunter bis zu mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt sein können, sind die eigentlichen Weidegründe eng umgrenzt und die Hirten kehren turnusmäßig immer an ihren festen Wohnsitz zurück. Die Tranzhumanz in antiker Zeit wird zum Beispiel durch den römischen Gelehrte Marcus Terentius Varro belegt. In einem seiner Werke erwähnte er Schafherden, die im süditalienischen Apulien (Apulia) überwinterten und im Sommer ins mittelitalienische Samnium (größtenteils in der heutigen Region Molise gelegen) getrieben wurden.

Zum Verständnis dieser Form der Viehhaltung muss man sich vergegenwärtigen, dass die landwirtschaftlich nutzbaren und für Ackerbau geeigneten Flächen im gesamten Mittelmeerraum sehr begrenzt waren. Viehzucht wurde nur betrieben, wo kein Ackerbau möglich war. Also musste man auf weniger fruchtbare Flächen ausweichen, oder auf solche, die schwer erreichbar oder nur saisonal nutzbar waren. Diese Weideflächen waren dann wiederum oft nicht dazu geeignet, größere Herden das ganze Jahr über mit Nahrung zu versorgen. Die Transhumanz war also ein Mittel, auch solche Flächen mit bestmöglichem Ertrag zu bewirtschaften und eine Reaktion auf die schwierigen landwirtschaftlichen Bedingungen des Mittelmeerraums.

Schwein

Die Römer als "Schweinezüchter" (lat. scrofipasci, Sg.: scrofipascus) zu bezeichnen muss keinesfalls als abfällige Bemerkung aufgefasst werden. Die Zucht von Schweinen (lat. porci, Sg.: porcus) war nämlich ein sehr typisches Merkmal römisch geprägter Viehhaltung. Mit archäologischen Funden lässt sich durchaus ein Zusammenhang belegen, zwischen der territorialen Ausdehnung des Römischen Imperiums und der Ausbreitung einer ausgeprägten Schweinezucht.
Die Schweinehirten (lat. subulci, Sg. subulcus) trieben die Schweine morgens in Herden von bis zu 100 bis 150 Tieren, aus ihren Ställen in nahe gelegene Wälder. Die Tiere suchten dort selbstständig ihre Nahrung. Besoners gerne suchte man im Herbst Wälder mit Eichen, Kastanien oder auch Buchen auf. Die Schweine konnten dort nahrhafte Eicheln, Kastanien und Bucheckern finden. Außerdem empfahlen die einschlägigen antiken Autoren, den Tieren die Möglichkeit zu geben, sich tagsüber in einer Schweinesuhle (lat. volutabrum) im Schlamm suhlen zu können. Am Abend brachte man die Herde wieder in ihren Stall.
Muttertiere mit Ferkeln trennte man von dem Rest der Herde (zumindest wenn man sich an die Empfehlung aus Lucius Iunius Moderatus Columellas Werk Rei rusticae libri duodecim hielt), weil man fürchtete, dass die jungen Schweinchen in der Herde zu Schaden kommen konnten.
Für die Zucht bevorzugte man Eber mit gedrungenem Körperbau, kurzen Beinen, ausgeprägtem Bauch, kurzem Rüssel und kräftigem Nacken. Männliche Tiere, die nicht der Zucht dienen sollten, wurden mit etwa einem Jahr kastriert. Das widerfuhr auch den Zuchttieren, wenn sie nach etwa drei Jahren ihre Aufgabe erfüllt hatten. Aus einem Wurf wurden nur die vielversprechendsten Jungtiere großgezogen. Die anderen Ferkel wurden bereits jung (als Schweinchen, lat. porcellus) verkauft. Schweine wurden ausschließlich als Schlachttiere gehalten. Schweinefleisch diente aber nicht nur dem Eigenbedarf. Es wurde auch für regionale, und ab der Zeit des frühen Prinzipats sogar für überregionale Märkte produziert. Als gesalzenes Pökelfleisch gelangte es zum Beispiel aus den Provinzen Gallia und Belgica über hunderte von Kilometern bis nach Rom.

Rind

Fleischrinder oder Milchkühe im heutigen Sinne gab es in der Antike nicht. Entsprechend spezialisierte Züchtungen kamen erst sehr viel später auf. Die Rinderzucht diente vor allem der Aufzucht von Ochsen (lat. bovis, Sg. bos, also kastrierten, männlichen Tieren). Sie wurden als Zug- und Arbeitstiere in der Landwirtschaft und zum Transport von Gütern benötigt. Vor allem beim wichtigsten Arbeitsvorgang in der Landwirtschaft, dem Pflügen, waren Ochsen fast unersetzlich. Zugkraft, Ausdauer und Sanftmut; diese Eigenschaften dürften dementsprechend die größte Aufmerksamkeit zugekommen sein und sie werden bei der Zucht im Vordergrund gestanden haben. Kühe (lat. vaccae, Sg. vacca, also die weiblichen Rinder) waren wegen ihrer geringeren Leistungsfähigkeit weniger gefragt. Unkastrierte Stiere kann man wegen ihrer Unberechenbarkeit praktisch nicht als Arbeitstier einsetzen. Man hielt sie darum ausschließlich als Zuchtbullen, oder als Opfertiere.
Nebenprodukte der Rinderzucht waren die Kuhmilch und das Rindfleisch, aber beides spielte bei der Ernährung eine eher untergeordnete Rolle, verglichen mit Ziegen- oder Schafsmilch, bzw. Schweine- oder Geflügelfleisch (einmal davon abgesehen, dass Fleisch für die ärmsten Bevölkerungsschichten generell fast unerschwinglich war). Man kann sich auch gut vorstellen, dass man Rinder oft erst dann schlachtete, wenn sie zu alt zum arbeiten wurden. Entsprechend zäh und folglich wenig geschätzt war ihr Fleisch. Etwas anders verhielt es sich mit Kalbfleisch.

Schaf

Schafe (lat. ovae, Sg. ovis) hielt man vor allem wegen der Wolle, die als Rohstoff für die Textilherstellung unentbehrlich war. Ihre Milch wurde außerdem zu Käse weiter verarbeitet. Lämmer, die für die Zucht nicht benötigt wurden, schlachtete man.
Die unterschiedlichen Schafrassen wurden nach ihrer Herkunft benannt und zwischen solchen mit grober und feiner Wolle unterschieden. Eine qualitativ besonders hochwertige Wolle wurde in römischer Zeit den Schafen aus Apulien, Kalabrien und Milet nachgesagt. Bei feinwolligen Schafen (lat. oves tectae) wurden die Rücken der Tiere manchmal sogar mit Decken geschützt.

Ziege

Ziegen (lat. caprae, Sg. capra) wurden wegen ihrer Genügsamkeit geschätzt. Sie benötigen wenig Platz und geben sich mit karger Kost zufrieden, weil sie über ein besonders effektives Verdauungssystem verfügen. Dabei liefern sie mehr Milch als Schafe und außerdem Fleisch und Leder. Den Ziegenhirt nannte man wie den Schafhirten opilio.

Esel, Maultier

Für den Gütertransport setzte man bis zur Spätantike häufig Lasttiere ein, denen man die Güter auf den Rücken lud. Das machte den Warentransport von ausgebauten Wegen und Straßen unabhängiger. Als Lasttier diente zumeist Esel (lat. asinus) oder Maultier (lat. mulus). Für Kleinbauern gehörte ein eigener Esel zum wertvollsten Besitz, denn mit seiner Hilfe konnte er seine Produkte zum nächst gelegenen Marktflecken bringen und dort zum Verkauf anbieten, und dabei war der Esel sehr anspruchslos in der Haltung. Wegen ihrer Anspruchslosigkeit setzte man Esel auch gerne in Tretmühlen ein.
Maultiere – also die Kreuzung auf Pferdestute und Eselhengst – wurden ähnlich wie Esel eingesetzt. Diese Tiere verkraften Belastungen sehr gut, erholen sich schnell und sind ähnlich ausdauernd und trittsicher wie Esel, dabei aber größer und kräftiger, so dass sie auch größere Lasten tragen können. Maultiere waren deshalb wohl auch die bevorzugten Lasttiere des römischen Militärs.
Maulesel sind die Kreuzung aus einer Eselstute und einem Pferdehengst, also das Gegenstück zum Maultier. Sie unterscheiden sich kaum von Eseln, weder äußerlich, noch in ihren Eigenschaften. Darum wurden und werden sie im Gegensatz zum Maultier nur selten gezüchtet, zumal die Zucht von Mauleseln auch noch als schwieriger gilt. Beiden gemeinsam ist, dass sie in der Regel unfruchtbar sind (Hengste sind immer unfruchtbar, fruchtbare Stuten treten nur gelegentlich auf).

Pferd

Pferde (lat. equi, Sg. equus) ziehen in den Homerischen Epen (Ende des 8. Jh. v. Chr.) vor allem Streitwagen, so wie es bereits bei den Ägyptern des Neuen Reiches, den Assyrern oder Hethitern üblich gewesen war. Zwar wurden Sattel und Zaumzeug bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. erfunden, aber erst die Zucht größerer und kräftigerer Rassen verhalf dem Pferd als Reittier im Mittelmeerraum zum Durchbruch. Als solches setzte es sich vor allem im Militär durch. Reiter boten Vorteile im unwegsamen Gelände, waren flexibler einsetzbar, wendiger und viel effektiver als Streitwagen. Denn wo bei den Wagen bis zu vier Pferde max. zwei Kämpfer beförderten, genügte bei gerittenen Pferden ein Tier pro Reiter, was nicht unwichtig war, eingedenk der Tatsache, dass jedes Pferd auf einem Feldzug versorgt werden musste. Xenophon (* 426 v. Chr., † 355 v. Chr.) gab in seinem Werk Peri hippikes (griech. "Über die Reitkunst") Ratschläge zu Pferdekauf und Pferdepflege, befasste sich mit der Schulung des Reiters und dem Kampf zu Pferd. In seinem Werk Hipparchikos befasste er sich zudem mit Kavallerietaktik. Gut belegt ist der Einsatz der Reiterei im Heer Alexanders des Großen während seines von 334 bis 323 v. Chr. geführten Feldzugs. Geradezu berühmt ist sein Reitpferd Bukephalos (latinisiert Bucephalus). Auch in der römischen Armee spielten Streitwagen praktisch keine Rolle mehr. Anders verhielt es sich im Sport, wo Wagenrennen sehr populär waren. Natürlich wurde auch außerhalb des Militärs geritten, etwa um zu Reisen oder auf der Jagd.
Als Arbeits- oder Lasttiere waren Pferde hingegen nicht sehr verbreitet. Hier zog man die genügsameren und unempfindlicheren Esel oder Maultiere vor. Als Zugtiere dominierten Ochsen, denn es fehlte ein für Pferde geeignetes Lastgeschirr. Das Kopfjoch war nur für Hörner tragende Tiere geeignet und das antike Widerristjoch konnte die grundsätzlich vorhandene Zugleistung von Pferden wegen der ungünstigen Krafteinleitung auf den Widerrist nicht in entsprechende Zugkraft umsetzen. Das änderte sich erst im Hochmittelalter mit der Erfindung des Kumt (oder Kummet).
Die Zucht von Pferden diente also vor allem dem Militär und einer wohlhabenden Bevölkerungsschicht. Ursprünglich hing beides sogar direkt miteinander zusammen. Denn nicht umsonst bezeichnete man im antiken Rom die ritterliche Mittelschicht als equites. Das waren nämlich die Männer, die im republikanischen römischen Heer die Reiterei stellten, denn sie konnten sich eigene Pferde finanziell leisten. Für Kleinbauern oder einfache plebs waren Pferde jedoch ein unerschwinglicher Luxus.
Wenn eingangs dieses Abschnitts von größeren Pferderassen die Rede war, dann darf man jedoch nicht die heutigen Vorstellungen zum Maßstab nehmen, denn Großpferderassen (also Pferde mit einem durchschnittlichen Stockmaß über 148 cm) waren in der Antike noch unbekannt. Die Pferde der Römer glichen eher heutigen großen Ponys. Großwüchsige Ponyrassen wie Norweger Fjordpferd, Haflinger oder Lewitzer geben einen gewissen Eindruck davon, wie römische Pferde ausgesehen haben könnten.



Literatur:
Helmut Schneider, Geschichte der antiken Technik, 2007
Karl-Wilhelm Weeber, Alltag im Alten Rom – Das Landleben, Taschenbuch-Ausgabe 2005
Wikipedia

Quellen:
Gaius Plinius Secundus Maior, Naturalis historia
Marcus Porcius Cato Censorius, De agri cultura
Marcus Terentius Varro, Rerum rusticarum de agri cultura
Lucius Iunius Moderatus Columella, Rei rusticae libri duodecim