Tablinum | Sponsalia von Sextus Aurelius Lupus und Flavia Nigrina

  • Seit Tagen schien es in der Villa Flavia schier zu summen vor Aufregung. Kaum hatte der Termin für die Verlobungsfeier festgestanden, waren schon die ersten Vorbereitungen in Gang gekommen, und je mehr Zeit verging, je näher der Tag rückte, desto mehr hatten sie an Intensität gewonnen – und desto mehr Stress, Arbeit und Aufregung hatten sie für die Sklaven der Villa bedeutet. Auch Nigrina war, selbstverständlich, aufgeregt. Wer wäre das nicht, angesichts solcher lebensverändernden Umstände, die ihr bevorstanden. Und so sehr sie sich auch darauf freute, dass sie endlich verheiratet wurde, konnte sie doch nicht leugnen, dass sie damit endgültig ihr bisheriges Leben hinter sich lassen würde, das, was sie gekannt hatte. Sie zweifelte nicht daran, dass sie zurecht kommen würde, aber dennoch war es eine einschneidende Änderung. Allerdings: davon ließ sie sich herzlich wenig anmerken. Das fehlte gerade noch, dass irgendjemand – am besten noch Sklaven – bemerkten, dass sie aufgeregt war. Dass sie sich freute, ja. Dass es ein wichtiges Ereignis war, selbstverständlich. Dass es ihr WICHTIG war, auf jeden Fall. Aber dass sie aufgeregt war? Nein. Es reichte wenn die Sklaven wussten, was ihnen blühte, wenn sie diese Feier nicht perfekt organisiert bekamen, und das wussten sie, dafür hatten sowohl Nigrina als auch ihr Vater, unabhängig voneinander, gesorgt. Und so vergingen die Tage vor der Feier mit verschiedenen Proben für das Menü, das gereicht werden würde, Getränke, Dekoration, Planungen für den Ablauf, Erstellung der Einladungen, und immer wieder ein Umschmeißen sämtlicher bisherig getroffenen Entscheidungen. Die Sklaven verfluchten ihre Herrin in diesen Tagen, war Nigrina doch wahrlich nicht einfach, selbst für ihre Verhältnisse nicht. Im Grunde lief es so ab: die Flavia sagte schlicht: macht mal. Die Sklaven machten, dachten, überlegten, entwarfen, stellten zusammen – und stellten vor. Die Flavia begutachtete – und sortierte sämtliche Details aus, die ihr nicht zusagten, nur um zu sagen: macht noch mal. Ohne dabei sonderlich viele Hinweise darauf zu geben, wie es ihr womöglich besser gefallen könnte. Die erste signifikante Änderung in diesem Ablauf ergab sich dadurch, dass – je näher der Termin rückte – Nigrina jede weitere Ablehnung mit einem stetig wachsendem Temperamentsausbruch begleitete, Beschimpfungen und fliegende Gegenstände eingeschlossen. Immerhin war das ihre Feier. Sie sollte perfekt sein, das war nicht zu viel verlangt, fand sie. Und die Sklavin, die es gewagt hatte etwas davon zu murmeln, dass sie ja furchtbar aufgeregt sein müsse, hatte es bitter bereut, nicht gewartet zu haben mit diesen Worten, bis sie sicher außer Hörweite der Flavia gewesen war. Dass sie zugleich von diesem Moment an von sämtlichen Vorbereitungen ausgeschlossen war, konnte nur ein schwacher Trost gewesen sein für sie. Erst als irgendwann ihr Vater bei einer dieser Gegebenheiten dazu kam – sie ahnte nicht, dass es der Parther gewesen war, der Aetius dazu gebracht hatte zu kommen –, wendete sich das Blatt ein weiteres Mal. Was die Sklaven nicht wagen durften – nämlich Fragen zu stellen –, war für ihren Vater kein Thema, und während sie sich mit ihm unterhielt, erhielten die Sklaven um sie herum zugleich Hinweise darauf, was sie tatsächlich zu ändern hatten. Nicht, dass beim nächsten Anlauf dann bereits alles stimmte – aber von diesem Moment an ging es aufwärts.


    Und so war an diesem Tag tatsächlich alles perfekt. Nigrina hatte sich zuvor noch einmal alles angesehen, und nicht nur die Sklaven hatten kollektiv erleichtert aufgeatmet, auch ihr Vater war es gewesen, als sie sich begeistert gezeigt hatte. Aetius wusste besser als jeder andere, dass die Feier in einer Katastrophe hätte enden können, wäre Nigrina nicht zufrieden gewesen. Er hatte sich bereits darauf vorbereitet, ein Machtwort zu sprechen, damit sie sich zusammenriss und zufrieden gab mit dem, was vorbereitet worden war, damit sie sich nicht aufführte wie das verwöhnte Gör, das sie – das sah er durchaus – letztlich war. Sie war eine Flavia, sie war seine Tochter, sie hatte auch das Recht darauf, anspruchsvoll zu sein, gerade an einem Tag wie diesem. Nur: irgendwann musste Schluss sein, und dieser Moment war unter anderem dann gekommen, wenn Nigrinas Ansprüche drohten, eine politische Verbindung zu gefährden. Im Vorfeld hatte er ihr alle Freiheiten gelassen – an diesem Tag war aber Schluss damit. Und Nigrina wusste das auch. Möglicherweise spielte dieses Wissen mit hinein in die gezeigte Begeisterung darüber, wie die Villa nun hergerichtet war, jedenfalls vermutete Aetius das. Seine Tochter konnte auch durchaus vernünftig sein, und ihr war klar, dass diese Hochzeit in allererster Linie ein politisches Bündnis war, ein Mittel zum Zweck, um für beide Familien Vorteile zu schaffen. In jedem Fall wusste sie, dass ihr, hätte sie an diesem Tag noch stänkern wollen, jede Unterstützung von Aetius gefehlt hätte. Und dennoch war er erleichtert, dass sie sich von selbst zufrieden zeigte, und nicht erst auf ein entsprechendes Machtwort seinerseits hin.


    Aetius war es nun, der – entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten – sich bereits im Tablinum eingefunden hatte, um die Gäste begrüßen zu können. Ein alter Geschäftsfreund war bereits eingetroffen, mit dem er sich unterhielt, während Nigrina noch auf sich warten ließ.



    Sim-Off:

    Gäste der Verlobungsfeier können gerne direkt hier posten, ohne Umweg über die Porta :)

  • Noch vor dem eigentlichen Beginn der Feierlichkeiten traf auch schon Sextus im Haus der Flavier ein. Auch wenn er nicht Gastgeber war und Aetius um diesen Posten wahrlich nicht beneidete, musste er auch anwesend sein, um die Gäste zu begrüßen. Immerhin galt es nicht nur, hier eine Verbindung zu den Flaviern zu schaffen, sondern möglicherweise auch sich die ein oder andere Stimme für seine Wahl zu sichern. Es waren ja doch einige Senatoren eingeladen worden. Ebenso war der Haruspex Primus eingeladen worden, der hoffentlich bei seinem Erscheinen dann auch einer Aufnahme in das Collegium Haruspicium nicht abgeneigt war. Alles Faktoren, die dieses Fest für Sextus zu mehr als einer bloßen Verlobung machten.
    Gefühle hingegen waren hierbei vollkommen irrelevant. Welche Gefühle sollte er schon haben? War er nervös? Nein, war er nicht. Er hatte sich vorbereitet, Nervosität war etwas für Leute, die sich ihrer Sache nicht sicher waren. Er war sich seiner Sache sicher. Und verliebt war er definitiv auch nicht. Noch nie wirklich gewesen. Weswegen auch, wozu sollte das gut sein? Wenn er seinen Verstand ausschalten und alles beschönigt sehen wollte, konnte er sich auch betrinken. Es gab wenig Gelegenheiten, in denen Sextus die Kontrolle aus der Hand gab, folglich gab es sehr wenige Gelegenheiten, in denen Gefühle für ihn irgendeine Rolle spielten.


    So betrat er, für den Anlass entsprechend elegant gekleidet in feiner Toga das Tablinum, um seinen künftigen Schwiegervater zu begrüßen. “Flavius, ich bin beeindruckt. Wenn die Feier als solches so exquisit wird wie der bislang sichtbare Teil der Vorbereitung, wird man über sie noch in Jahren Lieder singen.“ Eine Übertreibung, aber nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt.
    Sextus ging schonmal an dem ihm zugedachten Platz, um ebenfalls die Gäste in Empfang nehmen zu können. Seine zukünftige Verlobte indes sah er noch nicht, sagte aber nichts hierzu. Was sollte er auch sagen? Im Grunde musste sie nur nachher bei der Unterzeichnung der Verträge anwesend sein, um sich einmal küssen zu lassen. Mehr wurde von ihr heute nicht erwartet. Den Vertrag würden Sextus und Aetius unterschreiben. Und da heute morgen ein Brief aus Athen eingetroffen war, konnte Sextus das auch selbst, und nicht nur sein Vater. Denn heute, sobald die Verlobung entstand, heute würde er endlich frei sein von der Patria Potestas seines alten Herrn. Nicht, dass er dieser bislang übermäßig große Beachtung geschenkt hätte. Dennoch ein weiterer Schritt auf dem Weg, den er sich vorgestellt hatte.

  • Viele Einladungen hatte Menecrates in der Vergangenheit ausgeschlagen oder nicht berücksichtigt. Seit es ihm wieder besser ging, unternahm er Reisen, plante seine berufliche Zukunft und stellte längst eingeschlafene Kontakte wieder her. Er zählte nicht unbedingt zu den Liebhabern von Feierlichkeiten. Das hatte bereits die Hochzeit von Antonia und Gracchus gezeigt, aber es stellte auch ein Muss dar, sich von Zeit zu Zeit sehen zu lassen. Zwar ohne die Gattin, aber dennoch nicht alleine traf Menecrates in der Villa Flavia ein.
    Seine Toga saß akkurat, der Bart - neu rasiert - zeugte wie der frische Haarschnitt von gepflegtem Aussehen. Sklaven trugen eine mitgebrachte Aufmerksamkeit für das Paar.


    Er blickte sich nach den Gastgebern um, als er das tablinum betrat.

  • An der Seite seiner Frau Albina erschien Macer in der Villa Flavia und dachte darüber nach, dass er schon ziemlich lange nicht mehr hier zu Gast gewesen war. Da wurde es also höchste Zeit, dies nachzuholen. Sie traten ein und stellten fest, dass sie offenbar zu den ersten Gästen gehörten. Zumindest entdeckte Macer in der überschaubaren Runde nur wenige bekannte Gesichter, aber zumindest war er nicht der erste anwesende Senator. Bevor er sich aber nach Gesprächspartnern umschaute, warte er erst einmal die Begrüßung durch den Gastgeber ab. Jenen Flavius Aetius kannte er bisher nicht, auch wenn dieser der Vater seines Klienten Piso war.

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    Aurelius.“ Der markante Klang von Aetius' Stimme erklang, als sein zukünftiger Schwiegersohn das Tablinum betrat, und er kam ihm einige Schritte entgegen. „Dein Lob freut mich durchaus, aber es trifft den falschen. Meine Tochter war federführend bei den Vorbereitungen.“ Die Sklaven, die eigentlich die Hauptarbeit geleistet hatten, zählten für Aetius genauso wenig wie sie es für Nigrina taten – und eben jene Sklaven waren es nun, die dem Aurelier und jedem weiteren eintreffenden Gast unauffällig Getränke anboten. „Darf ich dir einen alten Bekannten vorstellen? Decimus Tarpeius Dorso. Solltest du jemals in die Lage kommen einen zusätzlichen Finanzier zu brauchen, wende dich vertrauensvoll an ihn.“ Geld war nicht das geringste Problem für den Tarpeier, der im Lauf der Jahre ein Handelsvermögen angehäuft hatte, das seinesgleichen suchte. Während dieser nun Lupus begrüßte, trafen bereits die nächsten Gäste ein, und Aetius wandte sich dem ersten zu. Auch er hatte sich vorbereitet und wusste entsprechend, wer ihm gegenüber stand. Claudius Menecrates. Welch Freude, dich endlich kennen lernen zu dürfen, da unsere Familien so verknüpft sind.“ Durch zwei Hochzeiten in diesen Zeiten, wenn Aetius sich nicht irrte – der Lümmel Furianus hatte seine Heirat ja so ziemlich unter den Teppich gekehrt. Nicht dass Aetius gekommen wäre, aber dass es nicht einmal die Möglichkeit gegeben hatte, fand er dann doch etwas bescheiden. Ungeachtet dessen begrüßte er auch dessen Begleitung*. „Bitte, bedient euch.“ Ein Wink ließ einen weiteren Sklaven herbei huschen, der die gewünschten Getränke brachte, und Aetius wandte sich den nächsten Gästen zu. Purgitius Macer und seine liebreizende Gattin. Seid mir gegrüßt.“ Der obligatorische Sklave machte auch hier so unauffällig wie möglich auf sich aufmerksam, um Getränkewünsche erfüllen zu können. „Mein Sohn ist äußerst zufrieden, dich seinen Patron nennen zu dürfen, Purgitius.“



    Sim-Off:

    *leider noch anonym :D

  • Einige Wochen waren nun verstrichen, seit Cnaeus Flavius Flaccus' Tod, der damit verbunden Rückkehr des Sohnes nach Italien und seiner späteren Ankunft in Rom sowie der freundlichen Aufnahme in die flavische Villa. Wenngleich der junge Flaccus sich inzwischen einigermaßen eingelebt hatte, so waren Begegnungen mit den restlichen Familienmitgliedern doch bisher äußerst spärlich ausgefallen. Und so war es gekommen, dass er den Großteil seiner Zeit in seinem Cubiculum verbracht hatte, vertieft in die Lektüre seiner gliebten griechischer Lyrik, aber in in zunehmendem Maße auch römischer theoretisch-religiöser Schriften, um seine Studien als Discipulus des Cultus voranzutreiben und im Unterricht vor den ehrwürdigen Aedituae Iunia Serrana und Pedania Iunor glänzen zu können. Vor allem die kürzlich erfolgte Auszeichnung seiner Studien der Rerum Vulgarium an der Schola Atheniensis mit einer Diploma hatte ihn mit Stolz erfüllt und in seinem Bestreben, weitaus Größeres anzustreben, bestärkt. Eingedenk der bisher eben nicht allzu ausgeprägten Möglichkeiten für Flaccus, die übrigen Mitglieder der flavischen Dynastie kennen zu lernen, mag es nicht verwundern, dass die bevorstehende Verlobungsfeier Nigrinas mit jenem Aurelier dem jungen Mann gerade recht kam, um endlich stärkere Bande zu knüpfen, zu jener Familie, deren Ruhm zu mehren sein Vater ihm, im Angesicht des Todes, auf so verstörende Weise befohlen hatte.


    Und so zierte ein freundlicher Gesichtsausdruck das sonst so ernste Antlitz des jungen Flaviers, als er, in eine feine Toga, dem feierlichen Anlass entsprechend, gekleidet, das Tablinum betrat. Nur mühsam konnte er sein Erstaunen über den überschwänglichen Luxus, der ihm gleichsam einer gewaltigen Welle entgegenschwappte, als er den festlich dekorierten Raum betrat, verbergen, war er solchen Überfluss doch weder von Festen seiner Familie am Landgut bei Paestum, noch von der schlichten Lebensweise seines Freundes Polykarpos in Athen gewohnt und widersprach dieser scheinbar nutzlose Luxus um des Luxus Willen seinem eher nüchternen Gemüt etwas ... wenngleich er sich in seiner bisherigen Zeit in der Villa schon etwas daran gewöhnen hatte müssen. Nichtsdestotrotz übte die Perfektion mit der alles abzulaufen schien, doch eine unbeschreibliche Faszination auf den jungen Mann aus. Überall wuselten die flavischen Sklaven herum und doch schien jeder Handgriff einem höheren Ziele folgend und einen gründlich durchdachten Plan verwirklichend. Da Cnaeus Flavius Aetius, Nigrinas Vater und überdies hinaus auch Bruder von Flaccus' Großvater Flavius Bellienus, dessen Bekanntschaft zu schließen dem jungen Flavier bisher leider verwehrt geblieben war, im Moment scheinbar in ein lockeres Gespräch mit einem Senator verwickelt war, hielt sich der junge Mann noch im Hintergrund, wenngleich er den von einer hübschen Sklavin angebotenen Wein wortlos annahm.

  • Sim-Off:

    Ich weiß selbst noch nicht, wer mich alles begleitet. :D


    Einer der Angestellten flüsterte Menecrates kurz nach dem Eintreten zu, wie die anwesenden Personen hießen, sodass ihm eine Einordnung möglich war. Ihn begrüßte also der Vater der Flavia Nigrina.


    "Flavius Aetius, die Freude ist auch auf meiner Seite. Gute Beziehungen wollen gepflegt sein, auch aus diesem Grund habe ich die Einladung gerne angenommen. Eine Aufmerksamkeit haben ich mitgebracht." Er blickte hinter sich, wo auf den Händen einer Sklavin ein Päckchen ruhte.
    Anschließend wählte er als Einstieg ein Glas stark verdünnten Wein und blickte in die Runde. Ob der junge Mann neben Aetius die männliche Hautperson des Abends war, wusste er nicht sicher. Die Vorstellung geschah eilig, daher wartete Menecrates ab, bis das Wort an ihn gerichtet wurde.
    Sein ehemaliger Legat traf kurz nach ihm ein. Sicherlich würde sich im Verlauf des Abends die Möglichkeit zu einem Gespräch ergeben, im Augenblick nickte er ihm nur zu, weil die Begrüßung noch nicht abgeschlossen war.

  • Zitat

    Original von Flavia Nigrina
    Aetius wandte sich den nächsten Gästen zu. Purgitius Macer und seine liebreizende Gattin. Seid mir gegrüßt.“ Der obligatorische Sklave machte auch hier so unauffällig wie möglich auf sich aufmerksam, um Getränkewünsche erfüllen zu können. „Mein Sohn ist äußerst zufrieden, dich seinen Patron nennen zu dürfen, Purgitius.“


    "Und ich bin ebenso zufrieden, ihn zu meinen Klienten zu zählen", gab Macer das Lob in gleicher Größe zurück. "Er hat sicher noch eine große Zukunft vor sich und es freut mich, dass ich ihn auf diesem Weg begleiten darf. Männer wie er gehören in den Senat." Und das meinte er nicht einmal übertrieben, denn er mochte den Flavier tatsächlich gerne und die Gens hatte ja auch schon mehr als einen tauglichen Senator hervor gebracht. Ob Piso dann auch heute anwesend sein würde, fragte er gar nicht erst, sondern ging einfach davon aus.

  • Es hatte im Grunde nur zwei Möglichkeiten gegeben, wie Axilla mit dieser Einladung hätte umgehen können. Nungut, eigentlich drei, aber die, dass sie sie ausschlug, war eigentlich keine Möglichkeit, die in Frage gekommen wäre. Folglich blieben nur zwei Möglichkeiten übrig. Sie wusste, dass sie nichts dagegen tun konnte, dass die Leute über den Tod ihres Mannes redeten. Sie wusste, dass sie an der Art oder gar an dem Ort seines Dahinscheidens nichts ändern konnte. Sie wusste, dass es auch Gerede gab wegen den beschlagnahmten Besitztümern ihres Mannes. Das waren die Sachen, an denen sie nicht das geringste ändern konnte, egal was sie machte. Also blieben folgende zwei Möglichkeiten: Sie konnte sich verstecken. Möglichst unauffällig und in Trauerkleidung auf diese Feier huschen, nur hier und da hallo sagen und versuchen, möglichst unbemerkt das ganze durchzustehen, ohne dass jemand Notiz von ihr nahm. Das war die eine Möglichkeit.


    Axilla hatte sich für die zweite entschieden.
    Malachi, selbst ziemlich opulent ausstaffiert, hatte sie bis zur Villa Flavia begleitet und wartete nun bei den übrigen Sklaven. Axilla war sich sicher, dass er hier in guten Händen war, und auch, dass er nichts anstellen würde. Sie selbst ließ sich ins Tablinum führen. Bevor sie letztendlich eintrat, atmete sie noch einmal kurz durch. Jetzt gab es kein Zurück mehr.


    Ihr Kleid war aus feiner, ägyptischer Seide gefertigt und von sanftem Grün. Jedoch war es nicht nach römischer, matronenhafter Art hoch geschlossen, sondern in der durchaus modisch begehrten Art eines griechischen Chitons aus Alexandria geschnitten. Das wiederum hieß, dass es ein freizügiges Dekolleté besaß, und auch, dass es an ihrer linken Seite einen Schlitz bis hinauf zu ihrem Po hatte, der allerdings nur beim Gehen sich öffnete und so einen kurzen Blick auf ihre glatten Beine freigab. Doch damit nicht genug. Axilla wusste, dass dahin wohl der ein oder andere Blick wandern würde, also hatte sie extra am gestrigen Tag eine Frau mit Henna kommen lassen und diese recht üppig dafür entlohnt, ihr ein Muster ähnlich einer Efeuranke auf die Haut zu zaubern. Von ihren Knöcheln aufwärts wand sich so eine feine Ranke angedeuteter Blätter und verschwand irgendwo unter dem Kleid, dem Betrachter einige Phantasien überlassend, wo sie wohl enden mochte. Passend dazu waren auch in ihrem Haar ein paar winzige, goldene Blätter in Form des immergrünen Efeus eingeflochten, verbunden durch feine, goldene Bänder. Ein guter Teil ihrer Haare fiel lockig über ihren Rücken hinunter, während der Rest sehr modisch so zusammengesteckt war. Dazu noch eine feine, goldene Kette mit grünen Steinen um den Hals, ein passender Gürtel, und feine Leder-Sandalae, die sie so als halbe Nymphe diesen Raum betreten ließen.


    Einen Augenblick hielt sie die Luft an und bekämpfte jeden Fluchtreflex, als sie merkte, dass sie bemerkt worden war. Vielleicht wäre still, leise und unauffällig doch die passendere Wahl gewesen, aber nun war es zu spät. Und, bei den Göttern, wenn sie sich schon das Maul über sie zerreißen wollen würden, sollten sie etwas als Anlass haben, an dem Axilla auch schuld war! Sie schluckte also ihre Nervosität hinunter und ging zu der Person, von der sie annahm, dass sie ihr Gastgeber war. Sie kannte ja im Grunde genommen niemanden hier im Raum, noch nicht einmal vom Sehen. Aber bei dem älteren Herrn standen mal mehrere Personen zur Begrüßung, also schickte sie einfach ein strahlendes und vielleicht etwas betörendes Lächeln in diese Richtung. Darauf, etwas zu sagen, verzichtete sie lieber im Moment, ehe sie doch den Falschen begrüßte.

  • Sich noch immer im Hintergrund haltend und am verdünnten Wein nippend, ließ Flaccus den neugierigen Blick seiner braunen Augen über das bunte Geschehen schweifen. Wenngleich bereits einige Gäste sich eingefunden hatten, war doch noch niemand da, der die Aufmerksamkeit des jungen Mannes wirklich auf sich gezogen hätte. Allerlei Sklaven standen herum und reichten Getränke und kleine Häppchen, während die wenigen bereits Anwesenden in gedämpfte Gespräche verwickelt waren. Gerade ließ er seinen Blick erneut zum Eingang wandern, als eine junge Frau eintrat, gekleidet in einen griechischen Chiton, in ihrem Aussehen und Auftreten so einzigartig, dass nicht nur sie selbst, sondern auch Flaccus die Luft anhielt. Das dunkle Grün ihrer Augen harmonierte mit dem Grün der, durch eine filigrane goldene Kette verbundenen Steine an ihrem Hals und dem sanften Grün ihres, für römische Verhältnisse etwas freizügigen, Chiton. Die gleichsam zierlich ihr glattes Bein emporrankenden Efeublätter vervollkommneten den exotischen Anblick der dryadenhaften jungen Frau, der den jungen Flavier nicht nur fesselte, sondern vielmehr verzauberte. Er kannte diese Frau nicht, und doch - oder gerade deshalb - übte ihr bloßer Anblick eine gewaltige Faszination auf das poetische Gemüt des jungen Mann aus. Weiterhin hielt er sich distanziert, erkundigte sich jedoch bei einem der herumstehenden Sklaven nach dem Namen der Schönheit.

  • “Dann kann ich mich wohl schon auf viele rauschende Feste freuen, wenn wir verheiratet sind. Wenn sie allerdings immer mit solchen Leckereien aufwartet, dann hast du mich bei der Mitgift über den Tisch gezogen.“ Ein Scherz, noch dazu ein offensichtlicher. Aber da der Flavier bald sein Schwiegervater war und sie sich eigentlich bei den Verhandlungen sehr gut verstanden hatten, und sich Sextus zudem sicher war, dass der Mann den Scherz als eben solchen verstehen würde, hielt er ihn für angemessen. Sollten ruhig die Gäste sehen, dass die Aurelier und die Flavier einen freundschaftlichen Umgang miteinander pflegten und diese Ehe nicht dazu da war, irgendwelche Zwistigkeiten beizulegen. Im Gegenteil, diese Ehe würde das Band zwischen beiden Familien festigen und die Stellung der beiden gentes festigen. Und jedes Zeichen, das dazu beitrug, eben jenen Eindruck zu vermitteln, kam gerade recht.
    Er wurde also einem Tarpeius vorgestellt, der offensichtlich in Geld schwamm. Natürlich lenkte der sofort beschwichtigend ein und meinte übertrieben peinlich berührt, dass Aetius zu scherzen beliebe, ehe dann das berühmte aber kam. Aber ein wenig Geld hätte er schon, und wenn Sextus wirklich etwas brauchen würde, dann könne er – zu günstigen Zinsen – sicher eine gewisse Menge aufbringen. Aber das wäre ja nur ein persönlicher Gefallen dann, und eigentlich könne er sich solche Großzügigkeit kaum leisten. Aber immerhin sei die Sponsalia der Tochter eines so guten Freundes, da könne er eine Ausnahme machen.


    Sextus gab sich also durchaus interessiert. Geld war immerhin eine sehr launische Geliebte. Verärgerte man sie einmal, kam sie womöglich nie wieder, sondern sprang fröhlich durch die Betten anderer Männer. Aber so wirklich ging er auf den Tarpeier nicht ein, vor allem, da auch schon die ersten anderen Gäste eintrafen. Aetius begrüßte die Claudier gekonnt charmant, und Sextus schenkte dem bislang ihm unbekannten Senator zum Zeichen, dass er ihn gesehen hatte, ein respektvolles Nicken. Dem Purgitier und seiner ja tatsächlich liebreizenden Frau prostete er einmal kurz zur Begrüßung zu. Leider kam er von diesem wandelnden Geldverleih nicht wirklich los, ohne unhöflich zu werden, aber die Flavier war ohnehin Gastgeber. Er wurde erst wichtig, sobald seine Verlobte sich mal dazu begnügte, hier zu erscheinen. Bis da hin hatte er hier nicht das geringste zu melden, und er war klug genug, dem Flavier erstmal die Bühne zu überlassen. Zwei Platzhirsche auf einer Lichtung war einer zu viel. Sextus hatte noch genügend Zeit, bei der eigentlichen Feier alle auf viel subtilere Art anzusprechen als im Moment noch. Abgesehen davon dass der Flavier ihm früh genug bei dieser Sache das Feld würde räumen müssen und er sich so der Mittelpunktes gewiss sein sollte. Nigrina musste sich lediglich herbequemen, und die Zeit des Flaviers war vorbei. Und bis dahin würde er ihn einfach machen lassen.


    Und dann kam noch ein weiterer Gast, der Sextus Konzentrationsfähigkeit auf das belanglose Gerede des Geldverleihers doch auf eine sehr harte Probe stellte. Er hatte keine Ahnung, wer sie war. Niemand, der auf seinem Teil der Gästeliste gestanden hatte, und damit leider, leider jemand, bei dem er noch behutsamer würde vorgehen müssen, solange er und die Flavia nicht verheiratet waren. Doch vermutlich auch jemand, der nicht wichtig genug war, erkannt werden zu müssen. Aber bei Venus' Titten, er würde nur zu gern herausfinden, wohin das Muster an ihrem Bein führte. Sofern der Flavier sie begrüßte, wollte er sich einmal ihren Namen merken. Man wusste nie, ob es nicht doch einmal noch auszahlen würde. Wenn nicht heute, dann vielleicht an einem anderen Tag.
    Er war sicher weit davon entfernt, irgendwelche Gefühle für sie zu hegen. Abgesehen von jenen, die durch leichte Verlagerung der Blutzirkulation hervorgerufen worden waren. Und er würde sicherlich nicht riskieren, wegen einem letztlich austauschbaren Bettwärme seine ihm doch wichtigere Bindung zu den Flaviern mit all den Vorteilen, die sich daraus ergaben, zu gefährden.

  • Die Sponsalia von Lupus hatte für das blanke Chaos in Floras Zimmer gesorgt. Tagelang vorher hatte sie sich schon Gedanken darüber gemacht, was sie nun anziehen sollte. Und nicht nur sie, für Narcissa hatte sie natürlich auch etwas Passendes gesucht, denn ihr Zwilling neigte ja immer dazu, sich für solche Ereignisse wie eine kleine graue Maus zu kleiden. Sonst war es ihr ja egal, dass Narcissa nicht so sehr dem Wahn der schönen Kleider verfallen war, aber bei so etwas, musste dann auch mal ihr Ebenbild zeigen, dass sie eben eine hübsche junge Frau war. „Ich weiß nicht was ich anziehen soll!“ hatte sie am Morgen noch gejammert. Nur in ein Tuch gehüllt, da sie gerade aus den hauseigenen Thermen kam, hatte sie ratlos die sechs verschiedenen Kleider mit dem passendem Schmuck betrachtet, welche auf ihrem Bett lagen. „Ihr werdet noch zu spät kommen!“ meine Lysandra, zumindest war Narcissa bereits schon fertig angezogen, fehlte nur noch die Frisur. Kurz warf sie ihrer Schwester einen fragenden Blick zu. „Was meinst du?“


    Am Ende war die Entscheidung auf ein smaragdgrünes Kleid mit silberner Stickerei im Ausschnitt und am Saum gefallen. Passend zu den grünen Augen. Die wilden Locken waren zu einer fragilen Frisur hochgesteckt. So herausgeputzt und bildhübsch, entstiegen sie der Sänfte vor der Villa Flavia und wurden dann schließlich auch sogleich hinein geführt. Seite an Seite blieben sie erst einmal im Eingang stehen und sahen sich um. Bis auf Lupus war noch keiner ihrer Verwandten da, Glück gehabt, sie waren nicht zu spät dran.

  • Ein wenig später, aber noch nicht zu spät, erschien auch der Patron des sich Verlobenden, Manius Tiberius Durus. Zu diesem Anlass trug er erstmals eine schwere Synthesis aus blauem Brokatstoff, die ein Vermögen gekostet hatte. Auf eine Toga hatte er verzichtet, da er davon ausging, dass es auf ein Essen hinauslaufen würde. Als seine Begleitung fungierte Tiberia Arvinia, seine Nichte. Nachdem die Hochzeit mit Orestes geplatzt war, wollte Durus so sorgen, dass sie wieder ein wenig unter die Leute kam - und vielleicht würde ja auch Claudius Lepidus, ihr zukünftiger Ehegatte erscheinen!


    Nachdem man den Consular eingelassen hatte, suchte dieser sofort das Paar. Während er auf es zuhumpelte, stellte er fest, dass schon einige andere Gäste anwesend waren: Tatsächlich hatten sich dort bereits Purgitius Macer, Claudius Menecrates, sowie einige unbekannte Gesichter versammelt.


    "Salvete! Ganz besonders natürlich das glückliche Paar!"


    begrüßte der alte Tiberier die Runde.

  • Narcissa hatte keinen Sinn für Klamotten, Schmuck, Haare hochstecken. Eine Zeitverschwendung, der sie nur allzu gern aus dem Weg ging. Nur manchmal funktionierte das eben nicht. Gut, wenn Flora da das Heft in die Hand nahm und sich nicht nur für sich selbst auf die Suche machte, sondern auch Narcissa im Blick behielt (die dann hinterher regelmäßig geschockt war über das, was Flora anschleppte). Die Aurelia war schon längst fertig gewesen, als Flora gerade eben aus den Thermen gekommen war. Patschnass wohl gemerkt. Also saß sie in einem Weidenkorb, eine Schriftrolle in der Hand, hatte gewartet, während sich Lysandra um Floras Haare gekümmert hatte und hatte die Prozedur mit gelegentlichen Blicken überwacht. Es dauerte und dauerte und dauerte…“Jaaaah, du siehst wunderbar aus!“, meinte sie mit einem leicht gereizten Tonfall und füge ein „Wie immer“, hinzu.


    Im Eiltempo ging es dann zur Villa Flavia. Es tummelten sich schon einige Gäste im Atrium, herausgeputzt und ihren Wohlstand zur Schau stellend. Mit einem raschen Blick überflog sie die Meute. „Komm lass uns Lupus begrüßen…“, schlug sie vor und hielt auf ihren Verwandten zu….

  • Der Vorteil an Festivitäten im eigenen Heim war, dass man nicht erst sich musste aufraffen, nicht erst aus der behaglichen Wärme hinaus, dass man zudem nicht sich musste eilen, ganz müßig und ohne Eile irgendwann zwischen zu früh und zu spät konnte erscheinen. Der Nachteil an Festivitäten im eigenen Heim war, dass man an ihnen teilnehmen musste, es kaum einen Grund gab, welcher eine Absenz hinreichend plausibel exkulpierte, die Teilnahme somit nahezu unausweichlich war. Um darob jener gegenwärtigen Festivität, über welche Aetius maßgeblich würde Obhut inne haben, ausreichend gefestigt sich zu stellen, und da er nicht darüber war informiert, welcherlei Gäste geladen waren, hatte Gracchus mit seiner Gemahlin Antonia zur Linken und seinem Sohne Gracchus Minor zur Rechten sich umgeben, einem Legionär gleich für zweifelsohne nicht ausbleibende kurze Scharmützel des gesellschaftlichen Umgangs mit Schild und Schwert sich bewaffnet, würde doch seine Gemahlin allein durch ihr liebreizendes Äußeres, durch ihre makellose Perfektion jegliche Aufmerksamkeit von ihm abziehen, und würde dies als Deckung nicht ausreichen, mochte er noch immer Minor ein wenig nach vorn schieben, dass dessen prächtiges Wachstum und Gedeihen, wiewohl seine tadellose und vorzügliche Strebsamkeit in den Fokus geriet. Nigrina selbst als hauptsächlich Beteiligte des Geschehens war noch nicht anwesend, so dass Gracchus - seinen in Begrüßung einiger Gäste involvierten Onkel Aetius vorerst ignorierend - samt Anhang sich zuerst zu Aurelius Lupus hin begab.
    "Salve, Aurelius! Für Glückwünsche ist es wohl noch zu früh, doch sicherli'h nicht, um dich bereits im filigranen Netz familiärer Verflochtenheit willkommen zu heißen. Gestatte, dass ich dir meine Gemahlin vor..stelle, Claudia Antonia, Tochter des Marcus Claudius Arbiter. Und dies ist unser Sohn, Manius Gracchus Minor."

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

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    „Ich bin mir sicher, meine Tochter wird dies auch selbst noch tun, aber lass mich dir in ihrem Namen bereits Dank aussprechen für deine Aufmerksamkeit“, lächelte Aetius dem Claudier charmant zu, bevor er sich zunächst den weiteren Gästen widmete. Später würde noch mehr Zeit sein, sich mit einzelnen zu unterhalten, gegebenenfalls neue Kontakte zu knüpfen... Für den Moment wollten erst einmal alle begrüßt werden, und der Purgitier war der nächste. Bei dem Lob, dass der Senator für seinen Sohn aussprach, zuckte Aetius' Augenbraue, ganz in flavischer Manier, ein wenig nach oben, während er zugleich jedoch sein Lächeln nicht aufgab. Das war nun etwas, was er ganz sicher nicht erwartet hätte, dass ein gestandener Senator derart von Aulus sprach... was entweder hieß, er kannte ihn nicht wie er seinen Sohn kannte, oder... nun... vielleicht tat das Leben in Rom Aulus ja tatsächlich gut. Machte ihn etwas härter, vor allem härter im Nehmen, das hatte der Junge wahrhaftig nötig. „In den Senat... Es freut mich aufrichtig zu hören, dass du so denkst, Purgitius. Welcher Vater vernimmt nicht gern solche Worte über seinen Sohn.“ War da ein wenig Sarkasmus zu hören in den ersten Worten? In jedem Fall war der zweite Satz völlig ernst gemeint. Jetzt musste Piso nur noch beweisen, dass dem tatsächlich so war. „Verzeih mir bitte, Senator... es wäre mir eine Freude, später noch weiter über meinen Sohn und seine Karriere mit dir sprechen zu können, aber für den Moment muss ich mich um die Gäste kümmern.“


    Noch während Aetius einen weiteren Mann begrüßte – diesmal erneut ein Geschäftsfreund von ihm –, betrat eine Frau den Raum, die sofort sein Augenmerk auf sie lenkte. Noch sehr jung, keine zwanzig, schätzte er, aber doch eine Art Rasseweib, jedenfalls wenn man davon ausging, wie sie hergerichtet war. Unwillkürlich zuckte seine Augenbraue nach oben, während er in Gedanken bereits das Liebchen abschob, das zuhause in Ravenna auf ihn wartete. Derer war er eigentlich sowieso schon überdrüssig, und selbst wenn nicht, was sprach gegen ein bisschen Spaß in Rom? … Dagegen sprach, im Augenblick zumindest, dass diese Frau ganz sicher nicht zu den Gästen gehörte, die sofort begrüßt werden mussten – sonst hätte er ihren Namen gewusst oder ein Sklave würde ihn darauf aufmerksam machen –, während stetig mehr eintrudelten, die seine Aufmerksamkeit erforderten. Nicht die weiteren hübschen Frauen, die ankamen, nein, Manius Durus von den Tiberiern war es, der nun sein Augenmerk auf sich lenkte. Während er irgendwo aus dem Augenwinkel bemerkte, dass Gracchus und seine Familie ebenfalls auftauchte – den er ebenso gekonnt ignorierte wie dieser ihn –, steuerte er auf den Tiberier zu, der, wie er erfahren hatte, seit kurzem der Patron seines zukünftigen Schwiegersohns war. „Manius Tiberius Durus.“ Sein übliches Lächeln zeigte sich. „Es ist mir eine Ehre, auch dich im Haus der Flavier begrüßen zu dürfen, noch dazu zu diesem Anlass. Mein zukünftiger Schwiegersohn beweist Geschick in der Wahl derer, die er um Unterstützung bittet.“

  • ...tauchte schließlich Vala auf der Hochzeit auf, begleitet von dem regelmäßigen Tocken des schwarzen Stocks, selbstverständlich aus nordischer Eiche, auf den er sich zwangsläufig stützen musste um nicht umzukippen. Auch wenn die dunkelblaue Toga aus feiner Wolle und die Tunika aus grüner Seide ihm ein doch recht edles Aussehen gaben, so konnte es doch nicht über die zahlreichen Wundmale hinwegtäuschen, die man hier und da an ihm erblicken konnte. Die leichteten Wunden waren schon so gut wie verheilt, doch die tieferen Schnitte und Schürfungen, die man an seinem Hals und seinen Unterarmen erkennen konnte leuchteten durch ihr dunkles Rot immernoch deutlich als Brandzeichen des Schmerzes. Der Stich in seiner Seite war fern jeder Lebensgefahr, doch er hinderte Vala daran sich zu bewegen als wäre nichts, und das hätte er wahrlich gern getan. Im Moment fühlte er sich wie ein jahrhunderte alter Mann, und das schlimmste war: im Moment sah er wahrscheinlich auch danach aus. Die wachsamen Augen waren eingefallen, die Mundwinkel vor unterdrücktem Schmerz nach unten gerückt und jeder Schritt bedächtig wie der eines Methusalem.
    Das schlimmste an seinem Zustand war aber: er hatte nicht die geringste Ahnung wer ihm das angetan hatte. Wenn, hätte es ein Blutbad gegeben, doch das war ausgeblieben als Vala im Heim eines Medicus aufgewacht war, und seine Erinnerung nur wenig mehr als ein schwarzes Loch war. Ihm fehlte letztendlich fast ein gesamter Monat, und eben soviel hatte es ihn gekostet, die Arbeit als Vigintivir aus eben jener Zeit zu rekapitulieren. Mal davon abgesehen, dass er wochenlang ausgeschaltet war. In eben dieser Zeit war Vala vollkommen aus dem öffentlichen Leben verschwunden.. und die Verlobung seines.. nun... Partners sollte die Gelegenheit bieten, sich wieder zu zeigen. Auch wenn er alles andere als vorzeigefähig betrachtet werden konnte. Und laut Aussage der Medici noch mindestens zwei Wochen das Bett zu hüten hatte. Aber wenn Vala eins hasste, war es Hilflosigkeit, was bedeutete, dass er sich hierher geschleppt hätte, auch wenn seine unbekannten Peiniger ihm beide Beine abgehackt hätten. Und das, obwohl er sich bei öffentlichen Gegebenheiten bei aller Eloquenz immernoch sehr fehl am Platze fühlte.


    Valas Begleitung zu diesem Ereignis war in diesem Fall das absolute Gegenteil. Sie schwamm in die Menge wie ein Fisch. Ein Goldfisch, um genau zu sein: eine schneeweiße Tunika aus der Wolle von britannischen Schafen, so orthodox wie modisch gerafft, bildete das Untergewand zu einer Palla aus feiner Seide in strahlendem Weinrot, der Farbe ihrer Gens. Komplettiert wurde die modische Erscheinung durch goldenen Schmuck, der dezent genug war, um nicht aufdringlich zu sein, doch präsent genug um nicht übersehen zu werden. Ihre schlanke und mit für Männer wohl mörderische Hingabe gepflegte Figur würde die Aufmerksamkeit erlangen, die sie verdiente ohne dabei unzüchtig zu wirken. Ihre Haare waren kunstvoll zusammengesteckt, wobei man auch hier penibel darauf geachtet hat, sich der Tradition nicht allzu sehr anzubiedern, was man vor allem durch goldenen Haarschmuck erreichte, der die feuerrote Farbe nur noch mehr unterstrich. Alles in allem war Valas Begleitung eine Erscheinung, der man ihre Herkunft von Stand sofort ansah. Vala konnte es durchaus als Kompliment und Großzügigkeit betrachten, dass man ihm die Ehre gewährte, sie als Begleitung zu diesem Ereignis auszuführen. Sie jedoch hatte keinen Zweifel daran, dass seine Anwesenheit nichts anderes als eine öffentliche Demütigung für sie selbst sein sollte.


    Vinicia Sabina
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    "Ich werde meinen Onkel umbringen, sobald wir dies hinter uns gebracht haben. Was habe ich ihm getan? NICHTS!", zischte die junge Vinicia ihrem männlichen Begleiter zu, nur um im fast gleichen Augenblick mit einer herzerwärmenden Freundlichkeit eine Bekannte zu grüßen. Ihre Miene zeigte nichts anderes als neutrale Gefasstheit, vielleicht sogar ein wenig Freude über den Anlass, aber keine Spur von dem Groll und den Spott, mit dem sie Vala seit einer Stunde übergoss. Diesem blieb nicht viel anderes übrig, als nur mit den Schulter zu zucken während ihre Tirade mit dem Engelsgesicht fortfuhr: "Einen verdammten Barbaren hat er mir an die Hand gegeben... als wäre es nicht schlimm genug, dass er dich als Freund der Familie bezeichnet.. jetzt muss ich auch noch mit, und dann auf so ein Ereignis. Schau da..", sie deutete nicht auf eine Gruppe von nahebeistehenden Gästen. Das musste sie auch garnicht, Vala verstand auch so. Als er hinsah, drehten sich auf einmal drei Köpfe weg, so, wie nur ertappte Gaffer schauen können.
    "Da schaut der auch noch direkt hin.. Morgen bin ich das Gespött der Nobilitas. Schaut nur, Sabina... mit einem Duppius an der Hand.. hätte sie doch den Cornelius geheiratet, dann müsste sie jetzt nicht mit einem Barbaren an der Hand herumvegetieren."


    "Duccius.", intonierte Vala dezent genervt, sich die größe Mühe gebend nicht genauso auszusehen.


    "Meinetwegen kannst du sogar Dullius heißen..", biss die Stute zurück, "..es wäre mir vollkommen gleich. Und ich gehe nur mit, um den Hausfrieden zu wahren, das solltest du dir... oh, Tullia, welch Freude. Schönes Kleid, ist das von Ioopus? ...wie verdammt ordinär, die alte Schachtel sollte aufhören sich zu kleiden als wäre sie zwanzig. Wo war ich? Achja... eine verdammte Schande, und ich bin..."


    "Achtung, wir sind gleich da...", knirschte Vala zermürbt von der Tirade und den Schmerzen, die bei jedem Schritt seinen Körper durchzuckten. Er sollte aussehen wie ein Politiker, verdammte Axt, und nicht wie ein Kriegsveteran. Sabina schloss den Mund, und warf ihm noch einen sehr undeutbaren Blick zu. Das erste Mal, als sie es zusammen zu tun bekommen hatten, hatte sie Vala in der Villa Vinicia ein leeres Glas in die Hand gedrückt und ihn ein neues holen lassen. Es war selbstverständlich an der nächsten Wand zerschellt.
    Gefolgt war ein riesiger Streit, der beinahe in Handgreiflichkeiten ausgeartet war, und letztendlich in ihrem Bett zuende diskutiert wurde. Das hatte ihr Verhältnis allerdings kein Stück verbessert: sie hatte ihm sehr deutlich gemacht, dass seine Qualitäten als Bettgenosse nicht zu verachten waren, er doch gesellschaftlich trotzdem nicht in ihrer Liga spielen würde. Umso größer war das Geschrei, als Lucianus ihr eröffnet hatte, dass sie Vala zu diesem Ereignis begleiten sollte. Und jetzt standen sie hier, und machten gute Miene zu bösen Spiel.


    "Aurelius.", grüßte Vala seinen... nunja... immernoch Partner, und drückte ihm auf sehr männliche Art die Hand, was ihm letztendlich mehr wehtat als seinem Kompagnon, "Dir zu meinen Glückwünschen noch den Segen der Götter. Mögen die Manes deiner Familie beistehen und dich zu einem wahren Mann deiner Sippe formen. Du kennst das ja... bla bla.." Die Glückwünsche kamen sehr gepresst, und man sah Vala an, wie schwach er im Moment war, was ihm wohl genauso zusetzte wie die körperliche Schwäche selbst. Die Gratulation seiner Begleiterin jedoch brillierte im Kontrast zu seiner durch souveräne Selbstverständlichkeit.


    "Aurelius Lupus. Da kommt der unverfrorenste Junge der Stadt, und dummerweise auch der hübscheste, nach seinem langweiligen Exil in Athen wieder nach Rom... und gibt der Damenschaft nicht einmal die Chance, die Absprachen seiner Eltern zu sabotieren. Zu schade... aber natürlich will ich nicht geizen, meine Gratulation sei auch dir gewiss, auch wenn ich anscheinend dazu verdammt bin, mich jetzt mich zweitrangigem zufrieden zu geben.", ein koketter wie selbstbewusster Wimpernaufschlag unterstrich noch einmal diese sehr weibliche Art der Gratulation mit dem sehr offenen Stich gegen ihren Begleiter.

  • Irgendwen musste sie doch kennen...
    Axilla sah sich unauffällig um, mittlerweile einen Weinkelch in der Hand. Getrunken hatte sie nichts, er diente eigentlich nur dazu, dass sie sich an irgendwas festhalten konnte und ihre Hände etwas zu tun hatten. Aber sie kannte hier niemanden. Nichtmal Piso sah sie, an den sie sich hätte hängen können, um so erstmal Anschluss zu haben. Aber hier liefen Senatoren herum... und noch mehr Senatoren... und noch mehr Senatoren... Axilla glaubte, sie hatte noch nie so viele fette, rote Streifen auf einem Haufen gesehen. Allerdings war das auch nicht weiter schwer, da es weder auf dem Landgut in Hispania noch in Alexandria Senatoren gegeben hatte. Eigentlich kannte sie nur zwei, Decimus Livianus und Aelius Quarto. Ersterer war in Germania und letzterer bei seinem Bruder. Oder anders ausgedrückt: Niemand bekanntes war hier. So wirklich gar niemand. Und sie traute sich nicht, einfach irgendwen anzusprechen und ein Gespräch anzufangen.
    So stand sie ähnlich einer Statue – schön anzuschauen, aber reichlich stumm – erstmal nur da und überlegte, wie sie vielleicht doch mit irgendwem ins Gespräch kommen konnte. Immerhin war sie ja deshalb hier so hergekommen. Hätte sie nur stumm herumstehen wollen, hätte sie auch in unauffälligem Schwarz gehen können, von oben bis unten in festen Stoff gewickelt.


    Und dann kam doch jemand, den sie erkannte. Egal, wie er lief, egal, wie er aussah, Axilla erkannte ihn gleich, und sie erschreckte sich. Der Weinkelch rutschte ein wenig in ihrer Hand und wäre ihr beinahe entglitten, aber gerade noch rechtzeitig packte sie wieder zu, so dass sie nur ein paar Tropfen auf den Boden verschüttete, die ihr über die Hand liefen. Das Weinglas erschrocken weghaltend und an sich herunterschauend stellte sie glücklicherweise fest, dass sie sich nicht bekleckert hatte, und auch gleich war ein Sklave bereit, der ihr ein weiches Tuch für ihre Hand reichte. Das gemurmelte “Danke“ hatte ein kurzes Aufblicken des Mannes zur Folge, der irgendwie auch leicht verwirrt schien, aber sofort war er auch Wortlos wieder verschwunden mitsamt dem Tuch, das ihren Fauxpas einfach weggewischt hatte.
    Es war keine wirklich lange Unterbrechung gewesen, aber lange genug, dass Axilla Vala in der langsam größer werdenden Menge erst wieder suchen musste. Einen Augenblick glaubte sie schon, sie hätte sich geirrt, ihr Wunsch, jemand bekanntes zu sehen sei einfach so groß gewesen, dass ihre Augen ihr einen Streich gespielt hätten. Aber schon eine Sekunde später sah sie den dunklen Stock, und dann auch den Mann, der sich darauf stützte. Er stand da und sah aus, als hätte er Schmerzen. Und etliche, rote Striemen zeigten auch, wo diese herrühren mochten. Was war passiert? Was war da geschehen? Und wieso wusste sie nichts davon? Ohne darüber nachzudenken, wo der Duccier gerade war - nämlich bei dem baldigen Verlobten, den Axilla noch nichtmal so richtig begrüßt hatte bislang – machte Axilla ein paar Schritte auf ihn zu. Sie wollte ihn fragen, was passiert war, wollte sich versichern, dass alles in Ordnung war. Sie wollte... sie hatte keine Ahnung, aber sie wollte hier nicht herumstehen und nichts tun.
    Doch kaum zwei Schritte weit gelangte sie, da sah sie SIE. Sie hatte ihre Hand ganz leicht an Vala gelegt in diesem Moment. Und sie stand neben ihm. Sie lächelte zwar den Aurelier an, aber so, wie sie da stand, wie sie neben Vala stand... er war mit ihr hergekommen. Sie begleitete ihn. Sie war bei ihm, obwohl er aussah, als wäre er gerade vom Schlachtfeld gekommen, nur notdürftig zusammengeflickt. Ihr Vater hatte auch viele Narben gehabt von den vielen Schlachten, aber keine solchen. Und auch allesamt nie so frisch, wenn er nach Hause gekommen war. Axillas Schritt stockte, und einen Moment wusste sie nicht, was sie denken sollte. Oder fühlen. Da war so eine kalte Hand um ihren Magen. Sie besah sich die Frau noch ein wenig näher. Sie war hübsch. Oder nein, sie war wunderschön. Ihr Haar... sicher hatte das Stunden gedauert. Axilla kam ihre im Moment geradezu lächerlich vor. Genauso das Kleid. Angesichts der Art, wie sie ihres trug, so hoheitsvoll und nobel, kam sich Axilla fast schäbig dagegen vor. Ihr Kleid war aus der besten Seide, die es in Alexandria gegeben hatte, von Urgulanias Näherinnen in endloser Kleinarbeit vernäht und angepasst worden, bis jeder Stich unsichtbar und perfekt war. Und doch kam sich Axilla gerade albern darin vor. Ihr Schmuck zu blass. Ihr Auftreten zu ärmlich.
    War Vala wirklich mit dieser Frau hier? Du bist eine Iunia! Dein Kleid ist aus der teuersten Seide! Diese Farbe bekommt man hier in Rom nicht einmal, denn du hast den Stoff selbst färben lassen! Deine Familiengeschichte reicht bis in die Gründungszeit von Rom zurück und ist gespickt mit Senatoren und Konsuln! ermahnte sie sich in Gedanken und nahm den Kopf wieder stolz etwas höher. Sie musste sich nicht verstecken. Wenn Vala mit dieser Frau hier war, dann... dann war das eben so. Was machte das schon? Sie waren ja nur Freunde. Das hatte sie auch Archias immer gesagt. Vala war ein ehrenvoller Mann, natürlich konnte er da auch eine Frau aus der Nobilitas auf so eine Feier begleiten. Denn da war sich Axilla dann doch ziemlich sicher, dass die unbekannte Frau die Einladung wohl erhalten hatte, so wie sie damals die von Tiberia Septima und Aurelius Ursus, und ihn nur als Begleitung mitnahm.
    Und da sie nur Freunde waren, konnte sie ihn ja auch gleich fragen, was los war. Ganz unverbindlich. Und... unverbindlich eben! Sie nahm einen kleinen Schluck Wein, auch wenn sie wusste, wie dumm diese Idee war. Bacchus liebte sie ein wenig zu sehr, auch wenn sie dem Gott nicht so zugetan war. Und dann trat sie in die Nähe, so dass Vala sie bemerken würde, wenn er den Kopf hob, aber nicht so nah, als dass sie einfach in das Gespräch geplatzt wäre. Wobei vermutlich jeder halbwegs aufmerksame Beobachter ihr Hinzutreten durchaus auch bemerken würde, unauffällig war sie ja nicht gerade.

  • Immer mehr Leute erschienen. Nur seine Verlobte ließ auf sich warten. Sextus hoffte, dass sie nicht wartete, bis wirklich alle Gäste eingetroffen waren und er die ganzen Glückwünsche noch einmal über sich ergehen lassen musste. Außerdem sah das ganze weit repräsentativer aus, wenn sie sich bereits an seiner Seite befand. Doch noch hatte er kein Glück, und nachdem Flavius Aetius die Gäste begrüßte, wanderten diese schnurstracks zu ihm weiter. Allerdings hatte es auch eine sehr positive Seite: Er war den Geldverleiher mit seiner aufdringlich unaufdringlichen Art losgeworden.


    Der Raum füllte sich langsam, und sein Patron brachte eben einen Segensspruch auf das Paar aus, ehe er von Flavius Aetius auch schon begrüßt wurde. Sextus nickte ihm kurz zu, dann stand auch schon der nächste vor ihm, der ihm die Hand reichen wollte.
    Zum Glück erschien direkt darauf Flavius Gracchus nebst Gemahlin und Sohn und gab ihm damit jemanden an die Hand, der ihm nun doch einen Vorteil verschaffen konnte. Sofern sich der Senator an sein Versprechen noch erinnerte, ihm nach erfolgter Verlobung zu helfen, dem Collegium Haruspicium beizutreten.
    “Salve, Flavius, und danke für das herzliche Willkommen.“ Nun streifte Sextus Blick die strenge Schönheit an der Seite des Flaviers. Ein hübsches Weib, der man das edle Blut sofort ansehen konnte. “Claudia, es ist mir eine besondere Freude. Dein Mann muss sich besonders glücklich schätzen, eine solche Schönheit an seiner Seite zu wissen.“ Er hätte noch viel blumigere Worte wohl sagen können, nur hatte er den Flavier nicht als humorvolle Person kennengelernt. Und er wollte es sich mit ihm nicht verscherzen, nur weil er mit dessen Frau flirtete. Noch dazu, auf seiner eigenen Sponsalia, bei der er mit einer Verwandten eben jenes Mannes verlobt werden sollte.
    Aber es gab ja noch das Kind. “Salve, junger Mann. Amüsierst du dich gut?“ Sextus gab sich nett und freundlich. Er hasste Kinder ja. Diese Minihektiker mit maximaler Durchschlagskraft waren bestens dazu geeignet, einem Mann das Leben schwer zu machen. Wären sie für einen Stammbaum nicht unablässig und ein eigener Sohn nicht so vorteilhaft, Sextus hätte keine Verwendung für sie allgemein. Dennoch hieß das nicht, dass er das nach außen auch zeigen musste, schon gar nicht, wenn es um den Sohn eines potentiellen Verbündeten ging.


    Aus den Augenwinkeln entdeckte er da gerade seine beiden Cousinen. Als Zwillinge waren sie immer recht auffällig, wo sie auch hingingen, da war es nicht weiter schwer, sie auch hier auszumachen. Vor allem, da sie auf ihn zutraten. “Flavius, Claudia? Ihr kennt meine liebreizenden Cousinen? Flora und Narcissa?“ Als die Mädchen näher gekommen waren, stellte er sie gleich vor. Dabei war er sehr sicher, was die jeweiligen Namen anging. Regel Nummer 1 bei Zwillingen war: Nie verwechseln! Egal, was auch passierte, egal, wo man auch war, und sei es mitten in einer Keilerei, wenn man blutend zu Boden ging: Nie verwechseln! Und wenn man eine Weile mit Zwillingen verbrachte, dann sah man auch die kleinen Unterschiede, bis man schließlich zu dem Punkt gelangte, wo man nicht einmal mehr fand, dass sie gleich aussahen.
    Und so war es auch hier. Inzwischen konnte Sextus die beiden einfach auseinander halten. Wenn er eine von beiden allein erwischte und sie ihn fragte, wie er das machte, antwortete er jedes Mal mit dem Brustton der Überzeugung: “Ist doch ganz einfach: Du bist die Hübschere.“ Normalerweise hatte das ein belustigtes Kichern zur Folge, das er mit einem breiten Grinsen quittierte.
    Nun, im Moment grinste er nicht, sondern stellte die beiden nur vor. “Meine Diamanten, das ist Senator Flavius Gracchus, seine geehrte Gemahlin Claudia Antonia und ihr Sohn, Flavius Gracchus Minor.“

  • Nach zahlreichen Händen und Glückwünschen war seine Anvertraute noch immer nicht zu sehen. Aber Sextus machte das beste daraus, nickte hier, schüttelte dort, scherzte, war ernst, stellte vor, ließ sich vorstellen, schüttelte noch mehr Hände und übte sich ein wenig im Reden über Belanglosigkeiten und dem unauffälligen Werben von Stimmen. Zumindest, was das Politische betraf, war diese Sponsalia das beste, was ihm überhaupt passieren konnte. Neben den viele Freunden des Flavius Aetius mit zweifelhaftem Ruf und noch zweifelhafteren Methoden – die Sextus sich aber dennoch für zweifelhafte Taten zu merken gedachte – gab es hier mehr als genug Senatoren, denen er sich vorstellen konnte. Perfekt, wenn man gerade in Wahlvorbereitungen steckte und den eigenen Namen etwas bekannter machen wollte. Im Grunde fehlte zu seinem absoluten Glück nur noch der Consul und der Haruspex Primus. Sollte er die beiden noch erfolgreich einlullen können, seine Pläne für die nächste Zeit würden besser als gedacht gedeihen.


    So verabschiedete Sextus gerade einen Antonier, der sogar über fünfzig Ecken mit seiner Mutter verwandt zu sein schien und nicht müde geworden war, das zu betonen, als ihm jemand entgegenkam, der nur aus einem Grund hier war: Sextus tat ihm einen Gefallen, um ihm Gegenzug einen anderen zu erhalten. Nur, bei den Göttern, welcher Wagen hatte ihn überrollt? Er sah schrecklich aus.
    “Duccius, schön, dass du hergefunden hast und danke für diese so eloquent vorgebrachten Glückwünsche.“ Er entgegnete seine Worte ebenso trocken, wie er die Glückwünsche erhalten hatte. Direkt darauf aber verzog er seinen Mund zu dem breitesten Lächeln, dessen er imstande war. Die Begleiterin des Ducciers war ihm wohlbekannt. Und verdammt, er hatte fast vergessen, wie sie sein konnte, wenn sie wollte. “Vinicia Sabina, lass dich anschauen. Zu sagen, dass du umwerfend aussiehst, wäre zu untertrieben, um meinen Eindruck auch nur annähernd anzureißen.“ Er ließ seinen Blick unverholen von oben nach unten an ihr entlang gleiten, und schüttelte lächelnd dann den Kopf. “Ich glaube, du bist die einzige Frau, für die ich wahrlich keinen passenden Vergleich habe. Löwin, Tigerin, doch alles graue Kätzchen im Vergleich zu dir.“ Zum Glück war Nigrina nicht da, ansonsten hätte er auf diesen doch sehr anregenden Wortwechsel verzichten müssen. Der Duccius hingegen störte ihn dabei keineswegs. So ramponiert, wie er wirkte, schon zweimal nicht.


    Die Nymphe von vorhin schob sich vorsichtig näher und blieb fast in Griffweite stehen. Sextus schaute kurz zu ihr herüber, aber es war wohl nicht er, dem ihre Aufmerksamkeit galt. Das wäre dann auch eine zu herrliche Zwickmühle geworden, würde Venus ihm heute so viele schöne Frauen vor die Nase setzen, die ihn wollten, wenn er doch gerade heute dieser Leidenschaft nicht nachgeben durfte. Zumindest nicht, bis die Feier vorbei war.
    “Doch sag an, Duccius, unter welchen Ochsenkarren bist du geraten? Du wirkst wie Vulcanus an der Seite der Venus. Die Flavier haben auch sehr bequeme Sitzgelegenheiten, wenn du dich ausruhen möchtest...?“ Das war eigentlich keine Sorge um Vala, die da aus Sextus sprach. Eher die Sorge, was für Gerede es gab, wenn ein Gast hier auf dieser Feier erst herbeigehumpelt kam und schließlich auf dem Boden zusammenbrach. Ein schlechtes Omen konnte Sextus nicht gebrauchen.

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