[Atrium] Angus' Ankunft - oder: Aus dem Hades in den Hades

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    Auf dem Weg zur Domus waren mir tausend Gedanken durch meinem Schädel gegangen. Zunächst war da die berechtigte Sorge um Iduna und unser Kind, dann die Unverständnis über das, was überhaupt vorgegangen war und natürlich meine bevorstehende Konfrontation mit diesem blonden Jüngelchen, der sich nun als mein neuer Dominus aufspielen konnte. Doch bei Letzterem beflügelten mich die Vorkommnisse des heutigen Abends. Hey, ich war jetzt (so gut wie) Mitglied in einer Räuberbande! Mal ganz zu schweigen, was die Präsenz des Dolches unter meiner Tunika auf mich und mein Selbstbewusstsein ausübte. Das verlieh mir unglaublich viel Stärke und vernebelt mir dummerweise auch gleichzeitig die Sichtweise auf ein paar ganz entscheidende Punkte. Der blonde Römerbengel, so sagte ich mir, konnte mir gar nichts! Im Gegenteil, wenn er mir blöd kam, dann hatte er die Ehre, mein erstes Opfer zu werden!


    Mit einem ordentlichen Überschuss an Adrenalin stürmte ich, wie von der Tarantel gestochen, die Treppe hinauf ins Erdgeschoß und zum Atrium hin, wieder rief ich mehrmals Iduna Namen. Doch nichts geschah. Mein Herz pochte wie wild und drohte endgültig zu zerspringen. Nicht nur wegen der Anstrengung, vor allem auch vor Wut, weil mich scheinbar keiner hörte und weil ich überhaupt hier sein musste. Diese verdammten Römer! Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass der Germanicer und dieser Iulier um uns gespielt hatten! Den verdammten Iulier hatte ich vom ersten Moment an nicht leiden können. Und nun sollte ich ihm gehören!? Pah! Das war doch alles nur ein schlechter Witz!
    Wieder rief ich „Iduna, wo bist du!“, nur noch ein wenig lauter. Dabei spielte es keine Rolle, wie spät es schon war.„Wo ist meine Frau??!!“

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    Wonga, Custos Corporis


    Da Vibilius seinen freien Tag genoss, lag es heute wieder an Wonga an der Porta der Domus Iulia zu wachen und befand sich demgemäß im Atrium. Er freute sich jedes Mal, wenn er den Italiker vertreten konnte, denn etwas vermisste er ja schon seinen Dienst als Ianitor. Wonga fand seit seiner Abberufung davon hatte er den Tag über weniger zu tun. Zufrieden mit sich und der Welt saß er auf seinem Schemel und summte eine nubische Volksweise vor sich hin. Nicht mehr lange und er würde sich auf den Weg zu seiner gemütlichen Pritsche unten in den Sklavenunterkünften machen können. Es war schon längst die Sonne untergegangen, weshalb heute auch niemand mehr an die Porta klopfen würde.


    Das war auch so der Fall, jedoch kam ziehmlich bald Aufruhr aus der anderen Richtung. Plötzlich waren nämlich von der Treppe ins Untergeschoss her laute Rufe zu hören. Wongas Blick fixierte die bezeichnete Stelle. Diese Stimme kannte er nicht. Wenig später erschien deren Besitzer auch persönlich in seinem Blickfeld, als ein ihm vollkommen Fremder laut rufend ins Atrium sprang. Es musste ein Verrückter sein, anders konnte er es sich nicht erklären und außerdem war er ein Einbrecher. Sofort erwachten die Instinkte des Leibwächters in ihm. Die Familie war in Gefahr und musste beschützt werden! So reagierte also Wonga auf diese Bedrohung. Kaum hatte der Einbrecher wieder gerufen kam der riesenhafte Nubier aus dem Schatten über ihn und verpasste ihn einen ordentlichen Schlag gegen seine linke Schläfe. Gleich sofort packte Wonga den Mann, damit er nicht flüchten konnte und verdrehte ihm einen Arm auf den Rücken.
    "Wer du sein? Warum einbreche?" bellte er ihm entgegen.





    CUSTOS CORPORIS - DOMUS IULIA

  • Es kam keine Antwort auf mein rufen. Zumindest nicht die Antwort, die ich erwartet hatte. Von Iduna gab es weiterhin keine Spur. Was hatten sie nur mit ihr gemacht? Sofort sah ich wieder die Bilder vor meinem inneren Auge – der Abend in der Casa Germanica, als die beiden Römer um uns gewürfelt hatten. Der Iulier hatte es gewagt, sie anzutatschen. Seine verwunschene Hand hatte er auf ihren Bauch gelegt, als ob die Frucht, die darin heranwuchs, seine war! Meine Wut stieg ins Unermessliche. Wo war Iduna und wo hielt sich dieser selbstgefällige Römer auf? Wieder überkam mich die Eifersucht und ich stellte mir vor, dass sie bei ihm war. In seinen Räumen. Dass er sie zu Dingen zwang, die sie nicht wollte. Dass er wieder seine dreckigen Hände auf ihren Körper legte.


    Endlich hörte ich Schritte nahen. Eigentlich war es mehr ein Stampfen. Doch es war nicht der Iulier. Es war ein riesiger dunkler Fleischklops der sich da auf mich zubewegte. Er holte aus und seine massige Faust traf mich ganz unverhofft auf meiner linken Schläfe. Die Wucht des Schlages hob mich förmlich aus den Sandalen und ich wollte halb benommen zu Boden gehen, hätte mich der Kerl nicht sofort wieder gepackt. Er drehte meinen Arm auf den Rücken und ich schrie schmerzerfüllt auf. Dann brüllte er los. Der Schwachkopf hielt mich doch tatsächlich für einen Einbrecher! Nun ja, in gewisser Weise war ich das ja auch.
    „Du Idiot, ich bin kein Einbrecher!“, brüllte ich zurück und versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien. Natürlich schaffte ich das nicht, denn jeder Ruck verursachte mir noch mehr Schmerzen. Also musste ich es anders anstellen, um wieder frei zu kommen.
    „Ich bin Angus – der neue Sklave! Lass mich endlich los!“, erwiderte ich seine Frage und leistete dabei keinen Widerstand mehr.

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    Wonga, Custos Corporis


    Neuer Sklave? Der Einbrecher, immerhin ein Fremder, der mitten in der Nacht laut lärmend aus dem Untergeschoss gekommen war, sollte ein neuer Sklave sein?
    Wonga ging das eindeutig über sein Begriffsvermögen und er stutzte, unsicher geworden was er als nächstes tun sollte.


    "Du neue Sklave, ja? Wonga nix wissen. Wonga gehen und fragen Dominus. Du warten." Und mit diesen Worten stopfte er Angus in das nächstbeste angrenzende Officium und verriegelte hinter ihm die Tür.
    Dann machte er sich auf den Weg, um Dominus Caesoninus fragen zu gehen was jetzt als nächstes in dieser Sache zu machen war.





    CUSTOS CORPORIS - DOMUS IULIA

  • Jetzt hatte ich den nubischen Hünen ganz verwirrt. Zumindest brauchte er eine Weile, bis er mich endlich los ließ. Der Kerl hätte mir beinahe den Arm abgerissen. Außerdem dröhnte noch immer mein Kopf von seinem Schlag auf die Schläfe.
    Natürlich glaubte er mir kein Wort. Zumal er auch nicht über meine Ankunft, die bereits vor gut vier Tagen hätte stattfinden sollen, unterrichtet worden war. Da war es am sichersten, erst mal den Dominus zu fragen. Nur zu, dachte ich. Wenn ich den Kerl erst einmal zu Gesicht bekam, dann erfuhr ich auch endlich, was mit Iduna geschehen war.


    Da der Nubier auf Nummer sicher gehen wollte, schob er mich in einen Raum, der sich als eine Art Officium entpuppte, und verriegelte hinter mir die Tür. Nicht dass ich am Ende noch flüchtete! Dort sollte ich also ausharren, bis er den Iulier aus seinem Bett gezerrt hatte.
    Gereizt wie ein wildes Tier lief ich auf und ab. Dabei schielte ich auch auf den Schreibtisch, der dort stand. Vielleicht fand ich ja dort ein interessantes Schriftstück, denn zum Glück konnte ich ja lesen. Aber der Iulier war wohl ein ordentlicher Mann, der nach getaner Arbeit nichts liegen ließ.

  • Schon wieder eingesperrt zu sein fuchste mich. Erst die letzten vier fünf Tage (oder waren es vielleicht doch mehr gewesen?) hatte ich in diesem Kerker gesessen. Jetzt endlich war ich hier und wurde schon wieder eingesperrt! Dabei wollte ich doch einfach nur zu ihr! Und das Kind? Ob es schon da war? Dabei hatte ich mir doch immer vorgestellt, Iduna bei der Geburt nicht allein zu lassen. Schließlich hatte ich sie auf schändlichste Weise in diese Lage gebracht! Wenn ich sie nun im Stich ließ, dann würde sie mir das vielleicht nie verzeihen. Nein, ich musste aufhören, so zu denken! Damit machte ich mich nur noch ganz verrückt. Iduna liebte mich, genauso wie ich sie liebte. Die Sache mit Morrigan war längst vergessen. Sie existierte nicht mehr für mich.


    Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, seitdem mich der Nubier hier eingesperrt hatte. Warum kam denn nicht endlich dieser verdammte Iulier? Was hielt ihn so lange auf? Etwa Iduna? Mein Mädchen? Mein Körper versteifte sich wieder und meine herabhängenden Hände formten sich zu festen Fäusten, die darauf warteten, endlich loszuschlagen. Selbst den neuen Dolch, den ich erst vor ein paar Stunden erhalten hatte, schien sich bemerkbar zu machen. Wenn der Kerl meine Frau angerührt hatte, dann hatte er einen riesen Fehler begangen! Dann konnte ich für nichts garantieren. Dieser Widerling mit seiner überheblich herablassenden Art! Wenn er scharf auf meine Frau war, dann sollte er sich mir stellen. Dann konnten wir das wie Männer klären – von Mann zu Mann! Dann würde sich herausstellen, wer der Bessere von uns war! Dieses Handtuch hatte im Leben keine Chance gegen mich.


    Ich merkte, wie ich mich immer mehr hineinsteigerte und wie die Wut und die Eifersucht meinen Körper durchfluteten. Entnervt trat ich zur Tür, rüttelte daran und klopft schließlich so laut ich konnte. „Stell dich mir endlich, verdammter Iulier!“, rief ich in meinem Eifer. „Na los! Komm schon!“ Doch nichts geschah, was meinen Zorn nur noch mehr anfachte. Schließlich ging ich wieder auf und ab, wie ein eingesperrter Löwe, der auf seinen Auftritt in der Arena wartete.

  • Wonga lief zuerst nach nebenan in das angrenzende Officium (das von Caesoninus), um nachzusehen, ob der Dominus vielleicht noch anwesend war und Schreibarbeit erledigte, aber nein, das Büro war leer und finster. Dann lief er die einzelnen Wohnräume im Erdgeschoss ab, doch auch hier nichts. Also musste sich der Herr wohl schon in sein Cubiculum zurückgezogen haben. Wonga lief die Stufen hoch und klopfte.


    "Herein."


    Er öffnete die Tür und trat ein. Caesoninus lag auf seinem Bett und hatte einen Papyrus in der Hand den er vermutlich gerade eben noch gelesen hatte. "Wonga! Was für eine Überraschung, was brauchst du denn um diese Uhrzeit noch?"


    Wonga deutete auf die Tür und sprach:


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    Wonga, Custos Corporis


    "Dominus! Dominus fremde Mann da. Sagt neuer Sklave, Dominus, nix Einbrecher."


    Caesoninus hob eine Braue. "Von was redest du, Wonga?"


    Der Nubier deutete wieder zur Tür mit einem fragenden Blick.


    "Fremde Mann schon Einbrecher? Nix neue Sklave?"


    "Mein Lieber, keine Ahnung von was du da redest, aber es ist jemand Fremdes hier, der behauptet ein neuer Sklave zu sein?"


    Auf Wongas Nicken hin beschloss er sich diese Sache mal näher anzusehen.


    "Gut, ich werde mal nachsehen wer da uns besuchen gekommen ist. Wonga, hol eine Peitsche und begleite mich, nur für alle Fälle."


    Waffen waren ja verboten innerhalb der Stadtmauern und auch wenn sie kaum bis gar nicht gebraucht wurde, so besaßen die Iulier trotzdem genauso wie jeder andere Haushalt auch eine Peitsche. Die war bestimmt genauso nützlich zur Verteidigung, wenn es wirklich ein Einbrecher war. So also holte Wonga jenes Schlaginstrument und führte seinen Herrn zum leerstehenden Officium in dem er Angus eingesperrt hatte.


    "Fremde Mann seien da drinnen."


    Caesoninus nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Die Peitsche hing zusammengerollt seitlich am Gürtel des Nubiers. Er öffnete ihm und beide traten ein.

  • Endlich vernahm ich das Klicken des Schlosses. Von außen wurde der Schlüssel umgedreht, dann schob sich die Türklinke nach unten und kurz danach öffnete sich die Tür. Im gleichen Moment drehte ich mich zur Tür hin um und blickte gespannt zu der sich öffnenden Tür. Darin erschien der Iulier, der sich mir nun endlich stellte. Hinter ihm war unschwer der riesige Nubier zu erkennen. Die beiden traten nacheinander ein.
    In meinem düsteren Blick spiegelte sich meine unverhohlene Wut. Zunächst schwieg ich und musterte zuerst den Iulier. Dieser selbstgefällige Wicht! Schon bei unserer ersten Begegnung war er mir unsympathisch gewesen. Und nun sollten Iduna und ich sein Eigentum sein? Eine krude Vorstellung! Dann ging mein Blick zu dem Nubier. Gegen ihn hegte ich keinen Groll. Er konnte einfach nicht anders. Letztendlich fiel mir auch jenes kleine Detail auf, welches sich seitlich am Gürtel des Nubiers befand. Offenbar hatte der Iulier vor, ein Exempel an mir zu statuieren. Sollte er ruhig! Es war nicht das erste Mal. Er würde eines Tages am eigenen Körper spüren, was er davon hatte. Meinen neuen Freunden würde es sicher eine Freude sein, sich um ihn zu kümmern. Für einen kurzen Moment war mir in den Sinn gekommen, meinen neuen Dolch hier an Ort und Stelle auszuprobieren. Jedoch verwarf ich den Gedanken gleich wieder. Das war einfach zu gefährlich! Nicht nur für mich, auch für Iduna und das Kind.


    „Wo ist sie?!“, fragte ich ruhig aber mit einer eisigen Stimme. „Wo ist meine Frau?“

  • Caesoninus trat mit dem Nubier im Schlepptau in den Raum und richtete seinen Blick auf den vermeintlichen Eindringling. Er erkannte ihn sofort wieder, es war der gleiche junge Mann, den er auch schon in der Casa Germanica gesehen hatte, der da jetzt so wütend herumstapfte.


    Und Forderungen konnte er auch stellen! Vermutlich musste das Angus sein. Angus der entlaufene Sklave. Doch war er wirklich entlaufen gewesen? Glich eine verspätete Ankunft eines Sklaven einem Fluchtversuch? Dabei war sich Caesoninus gar nicht so sicher und ob hierbei eine Strafe angemessen war, besser, wenn er das jetzt herausfand was das richtige für diesen Moment war.


    "Begrüßt du so deinen neuen Herrn? Ich erwarte eine ordentliche Begrüßung und dann sagst du mir wieso du jetzt erst hier auftauchst, vorher wirst du keine Antworten erwarten dürfen, Sklave." Wonga im Hintergrund zuckte kurz mit der Wimper. Er war es nicht gewohnt, dass Dominus Caesoninus jemanden mit "Sklave" ansprach, aber solange er nicht benötigt wurde hielt er sich im Hintergrund. Viel mehr war er neugierig auf diese ganze Situation, anscheinend war es wirklich ein verspäteter Standesgenosse. Ob Wonga sich darüber jetzt freuen sollte wusste er jedoch noch nicht so recht.

  • Dieser blasierte Gockel! Offenbar wollte er sofort klare Verhältnisse schaffen und ließ keinen Zweifel daran, was er von mir verlangte. Ich sollte mich ihm unterwerfen und ihn als meinen neuen Dominus anerkennen. Er der er uns aus einer Laune heraus durch Zufall gewonnen hatte! Aber wie sagte man so schön: Wie gewonnen – so zerronnen! Eine Antwort auf meine Frage blieb er mir schuldig. Langsam machte ich mir ernsthafte Sorgen, denn eine Schwangerschaft oder gar eine Geburt konnte eine heikle Sache sein. Viele Frauen verloren ihre Kinder oder starben im Kindbett. Ich wusste noch immer nicht, wo Iduna war und wie es ihr ging.


    Mit versteinerte Miene sah ich ihn noch eine Weile an. Natürlich war das Recht auf seiner Seite und ja, er konnte mit mir verfahren, wie es ihm beliebte. Letztendlich würde ich mich fügen müssen. Doch er sollte genau wissen, was ich von ihm hielt und dass ich keiner der zahllosen Speichellecker war, die kuschten, wenn er befahl.
    „Salve Dominus!“, zischte ich schließlich verächtlich. Warum ich nicht früher gekommen war und wo ich überhaupt gewesen war, konnte ich ihm natürlich nicht sagen. Der Iulier brauchte das nicht zu wissen. Niemand brauchte das wissen. Nicht einmal Iduna. Letztendlich machte es keinen guten Eindruck, wenn man einfach so erzählte, man habe sich einer Räuberbande angeschlossen. Stattdessen wich ich seiner Frage aus. „Ich hatte zu tun,“ antwortete ich. Zugegeben, dies war eine sehr vage und unbefriedigende Antwort. Aber es war eine Antwort.
    „Also, wo ist meine Frau? Wo ist Iduna?“ Was hatte er mit ihr gemacht?

  • Caesoninus seufzte und massierte sich kurz die rechte Lende.
    Schon wieder so ein Möchtegernfauchebiest, wo kamen die nur alle her? Er war doch gerade erst eines losgeworden und schon wieder hockte eines unter seinem Dach, da musste wohl irgendwo ein Nest sein.


    Doch dieses Mal hatte Caesoninus entgültig die Geduld mit diesem Schlag von Sklaven verloren und er wäre nicht mehr so nachsichtig wie noch bei Livia (er hatte ja gesehen, dass das nichts gebracht hatte), daher schnippte er kurz und Wonga holte die Peitsche vom Gürtel. Dann trat er zwei Schritte vor und ließ sie zwei Mal durch die Luft schnalzen, um Angus zwei Hiebe zuzufügen. Dann ging er wieder hinter seinen Herrn zurück.


    "An deinem Ton müssen wir noch arbeiten, also noch einmal. Begrüße deinen Herrn in angemessener Weise, danach sagst du mir genau wo du die letzten Tage gesteckt hast, oder die Peitsche küsst dich ein weiteres Mal, verstanden?" Caesoninus' Augen hatten sich dabei verengt.


    Was dachten diese Sklaven eigentlich wer sie waren, dass sie sich bei ihm ständig solche Frechheiten herausnahmen?!

  • Es war nicht schwer zu erraten, dass ihm diese Art von Begrüßung nicht besonders gut gefallen hatte. Vielleicht weil meine Aussprache zu feucht gewesen war oder ich es an dem nötigen Respekt hatte mangeln lassen. Doch diesem Mann konnte ich keinen Respekt erweisen! Er hatte uns bei einem Glücksspiel gewonnen! Außerdem hatte er Iduna betatscht, noch bevor wir in seinen Besitz übergegangen waren. Dieser Mistkerl! Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, was er in den letzten Tagen mit ihr angestellt hatte.


    Zugegebenermaßen hatte er mich eiskalt erwischt, als plötzlich sein Wachhund vortrat, mit der Peitsche knallte und mich unsanft an der linken Hüfte und am Arm erwischte. Meine Tunika wurde ein wenig in Mitleidenschaft gezogen, aber ansonsten hatte er nicht viel Schaden angerichtet. Dem zweiten Hieb konnte ich gerade noch so ausweichen, dass er mich nur noch am Arm traf. Na, wenn das alles war, was er so drauf hatte. Ich lächelte nur müde.


    Endlich kam er mit der Sprache heraus. Mein Ton hatte ihm also nicht gefallen! Na so was! Mir gefiel es nicht, dass ich noch immer nicht wusste, was mit Iduna los war.


    [„Du willst wissen wo ich die letzten Tage war? Wie gesagt, ich hatte was zu erledigen. Für den Germanicer.“ In gewisser Weise hatte das ja sogar gestimmt. „Dummerweise bin ich dabei den falschen Leuten begegnet, die mich für einige Tage festhielten. Aber inzwischen schwimmen ihre Kadaver irgendwo im Tiber,“ log ich. Schließlich wollte ich ja meine „neuen Freunde“ nicht verraten. Vielleicht beeindruckte ihn ja auch meine Geschichte. Zumindest wusste er nun, dass ich definitiv kein braver Junge war!


    „Und du möchtest, das ich dich in angemessener Weise begrüße,“ stellte ich fest und machte dabei ein ratloses Gesicht. „Mhh, ja, was schwebt dir denn so vor? Soll ich mich vor dir in den Staub werfen und dir die Füße küssen. Oder warte... eher ein anderes Körperteil?“ fragte ich hämisch. Andererseits traute ich dem Kerl alles zu!

  • Das musste der Bruder von Livia sein...anders konnte es sich Caesoninus nicht erklären. Was hatte er den Göttern nur angetan, dass er ständig so ein Möchtegernfauchebiest vor seiner Tür abgesetzt bekam? Hatte er nicht immer gut und regelmäßig geopfert? War er als Aedituus nicht sogar in einen noch größeren Dienst an sie getreten? Na hoffentlich machte sich all das irgendwann bezahlt...


    "Du scheinst eine freche Zunge gegenüber deinem Dominus zu schätzen...nun ich tu das nicht."


    Wieder schnippte er nach dem Nubier.


    "Wonga! Weitere vier Peitschenhiebe und du Kerl hälst gefälligst still, verstanden?" schärfte er Angus nochmal ein.


    Wonga trat direkt vor Angus, damit dieser nicht wieder ausweichen konnte und schwang die geflochtenen Lederriemen, um Angus vier saftige Hiebe auf die Schultern und die Oberarme zuzufügen, dann trat er wieder zurück, während Caesoninus einen Schritt näher auf Angus zutrat, mit einem eiskaltem Blick.


    "Wir können das die ganze Nacht lang so weiterspielen, wenn du es so willst, ich habe Zeit. " Hoffentlich würde der Bubi schön langsam zur Besinnung kommen, andernfalls würde er sich gleich morgen auf dem Sklavenmarkt wiederfinden, vielleicht war ja auch Livia noch dort, dann konnte ein glücklicher glücklicher Glückskunde beide gleich im Doppelpack mitnachhause nehmen, das hieß wenn ihn dann noch wer nehmen wollte mit all den blutigen Peitschstriemen, die wohl noch zu den bisherigen sechs hinzukommen würden.


    "Ich bin kein parthischer Großkönig und auch kein Perversling irgendeines Männerlupanars, also spar dir deinen Blödsinn von verbeugen und lutschen und fang an dich angemessen zu verhalten, verstanden? Nimm dir ein Beispiel an Iduna, oder du landest gleich morgen grün und blau geschlagen am Sklavenmarkt, das heißt falls du dann überhaupt noch am Leben bist!"


    Langsam wurde Caesoninus dieser Mätzchen müde und sein ohnehin schon dünner Geduldsfaden wurde mehr und mehr strapaziert.

  • Wieder schickte der Iulier seinen Wachhund vor. Doch diesmal gab er darauf acht, dass ich nicht ausweichen konnte. Bevor der Nubier zuschlug, trafen sich unsere Blicke. Ich hegte keinen Zorn gegen ihn. Er tat ja nur, was man ihm befahl. Also nickte ich ihm zu und bot ihm meinem Rücken dar. Mit meinen Händen stützte ich mich an einem Möbelstück ab. Kurz darauf traf mich der dritte Hieb auf meine Schulter. Diesmal war es wesentlich fester und schmerzhafter. Ich zuckte zusammen, doch ich gab keinen Mucks von mir. Diese Genugtuung wollte ich ihm nicht geben. Die drei Hiebe, die dann noch folgten, waren in ihrer Intensität noch heftiger. Der Letzte indes ließ mir den Atem stocken und zwang mich dann tatsächlich in die Knie.


    Der Iulier trat neben mich und säuselte weiter. Ich hörte ihm gar nicht richtig zu. Stattdessen rappelte ich mich wieder auf. Ich spürte etwas Nasses auf meiner Tunika. Das musste Blut sein. Wahrscheinlich war nun auch die Tunika endgültig hinüber.
    Schließlich stand ich dem Iulier wieder gegenüber. Er faselte immer noch etwas von Perversling und Männerlupanar. Doch erst bei der Erwähnung des Namens Iduna kehrte meine volle Aufmerksamkeit zurück. Wieso sollte ich mir ein Beispiel an ihr nehmen? Was hatte sie getan? Oder besser - was hatte er mit ihr gemacht? „Iduna? Was … was ist mit Iduna? Nun sag doch schon!“ Diesmal klangen meine Worte eher bittend, nicht mehr fordernd.

  • "Du sollst dir ein Beispiel an ihr nehmen hab ich gesagt! Sie ist ein Vorbild an Tugend und Freundlichkeit und bestimmt würde sie es nicht gern sehen, dass der Vater ihrer Tochter verkauft, oder gar getötet wird, oder willst du Aislin zumuten ohne Vater aufwachsen zu müssen, bloß weil du Wurm von einem Schreihals unbedingt den starken Mann markieren und dafür bezahlen hast müssen?"


    Anscheinend war Angus das Wohl seiner Familie völlig egal, wenn er größeren Wert auf Ärger mit seinem Meister legte, als auf gutes benehmen, um bei seiner Familie sein zu können. Doch was wollte Caesoninus schon groß erwarten...Angus war ein Barbar und selbst nach all den Jahrhunderten, wo diese Kontakt mit dem zivilisierten Rom gehabt hatten, verhielten sich die Barbaren eben immer noch äußerst "barbarisch".

  • Ja, freundlich war sie, meine Iduna. Und man konnte sie schnell einschüchtern. Mit Worten und Taten. Aber sie war eben auch eine Frau, die so gut wie nie aufmuckte und mit der man alles machen konnte. Deswegen war ich ja auch so besorgt. Außerdem war sie schwanger und schwangere Frauen waren sowieso eine Sache für sich!


    „Was? Was sagst du da?“ , fragte ich mit aufgerissenen Augen. Hatte ich eben richtig gehört? Hatte er soeben ‚Vater ihrer Tochter‘ gesagt? „Sie hat ein kleines Mädchen geboren?“, fragte ich mit bebender Stimme. Eine Tochter! Meine Tochter! Ich hatte eine Tochter! Doch was ich dann hörte, rührte mich fast zu Tränen. „Aislin? Sie hat sie wirklich Aislin genannt?“ Meine Stimme wollte beinahe versagen und ich musste mich wirklich zusammennehmen, um vor dem Römer nicht loszuheulen vor Freude und Rührung. Iduna hatte unserer Tochter den Namen gegeben, den ich mir gewünscht hatte, falls es ein Mädchen würde. Aislin – der Name meiner ach so tapferen Frau. Aislin, die Mutter meines Sohnes, der vor meinen Augen getötet worden war. Aislin, mein Sonnenschein aus einem anderen Leben, das inzwischen so unendlich weit weg war. Im Moment jedoch war aber alles wieder präsent, als ob es erst gestern gewesen wäre.


    Aislins Ankunft änderte natürlich alles. Obwohl ich sie noch nicht gesehen hatte, fühlte ich mich stark mit ihr verbunden. Sie brauchte nun meinen ganzen Schutz, genauso wie auch Iduna. Aislin war als Sklavin zur Welt gekommen und der Iulier konnte nun über sie verfügen. Ob ich sie jemals sehen würde? „Ist sie gesund? Und Iduna, geht es ihr gut?“
    Ich fühlte mich wie ein getretener Hund, weil ich nicht bei Iduna gewesen war, als das Kind kam und weil ich nichts tun konnte, meiner Tochter eine bessere Zukunft zu bieten, als die die ihr mit ihrer Geburt aufgebürdet worden war. Doch, ich konnte etwas tun! Mich ihm unterwerfen auch wenn es mir sehr schwer fiel und es mich einiges an Überwindung kostete.
    „Es tut mir leid, Dominus!,“ sagte ich schließlich und blickte betreten zu Boden. Sollte der Iulier seinen Willen bekommen, denn von nun an hatte er uns alle in seiner Hand. Iduna, Aislin und mich.

  • Ach, jetzt auf einmal war die Agressivität von Angus wie im nu verflogen, ja er entschuldigte sich sogar! Diese Auseinandersetzung hatte Caesoninus also gewonnen und seine Autorität gegenüber seinem Sklaven behaupten können. Doch jetzt war er der Spielchen wirklich leid und wollte seine Ruhe für den Rest der Nacht. Es interessierte ihn sogar nicht einmal mehr was jetzt in den letzten Tagen bei Angus geschehen war.


    "Schön, dann hätten wir das ja. Wie es ihnen geht wirst du gleich selber sehen. Wonga, führe Angus in die Sklavenunterkünfte zu Iduna und ihrem Kind und für den Rest der Nacht möchte ich nicht mehr gestört werden! Ihr könnt gehen!"


    Und mit diesen Worten drehte sich auch Caesoninus um, um sich zurückzuziehen.


    So kam es also, dass nun auch Angus ein Mitglied der Gens Iulia geworden und seine kleine Familie endlich wiedervereint war.

  • Ich sah wieder auf als der Römer mir in Aussicht gestellt hatte, dass ich Iduna und das Kind gleich sehen könne. Als er dann an mir vorbeischwirrte, um sich wieder zurückzuziehen, bedankte ich mich noch, auch wenn mir das nicht ganz leicht viel.
    Anschließend folgte ich Wonga, der mich zu meiner kleinen Familie brachte.

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