Decimus Livianus

  • Der Decimer hörte bereits das sich jemand seinem Officium näherte und sah auf, als die neue Sklavin zögerlich den Raum betrat. Er wusste von ihr bisher nicht viel, außer das sie aus Dacia stammte, angeblich in Haushaltsdingen geschult war und gut singen konnte. Von Letzteren konnte er sich bereits selbst überzeugen. Dies war auch der große Schwachpunkt gewesen, warum er letztendlich diesen nicht ganz billigen Kauf aus dem Affekt heraus durchgeführt hatte. Auf dem Feldzug gegen die Parther war er auch durch Dacia gekommen und hatte diese Gesänge dort bereits gehört. Bereits damals hatten sie ihn verzaubert und es war das erste Mal nach sehr langer Zeit, dass er sie auf diesem Markt wieder gehört hatte.


    "Komm nur weiter. Ich beiße nicht."


    Er versuchte der neuen Sklavin etwas Mut zu machen und sah ihr mit einem aufmunternden Lächeln entgegen. Dem Sklavenhändler nach verstand sie Latein, wenn sie es selbst auch nur mit einem starken Akzent sprach. Doch davon hatte sich der Decimer bisher nicht selbst überzeugen können, da er sie noch nicht sprechen gehört hatte. Außer seinen Namen, den sie am Marktplatz einigermaßen passabel wiederholt hatte und ihr Gesang, den sie in ihrer Muttersprache gesungen hatte. Er sprach daher ein wenig langsamer als sonst und mit seiner sehr entspannten Stimme.


    "Du kannst das Tablett hier auf meinen Tisch abstellen. Wie ich sehe hat man dich versorgt und neu eingekleidet. Ich nehme also an, man hat sich bisher gut um deine Aufnahme in meinen Haushalt gekümmert?"


    Die Frage war eigentlich mehr rhetorisch, da Livianus seinen Maiordomus lange genug kannte um zu wissen, wie gut er neue Sklaven in den Haushalt einführte und der Decimer wiederum sehr erpicht darauf war, dass jeder seine Sklaven gut behandelte, sofern sie sich nichts Schwerwiegendes zu schulden kommen ließen. Sie waren und blieben Sklaven, aber hatten einige Freiheiten und genossen aufgrund ihres wohlhabenden Besitzers und des luxuriösen Haushalts auch automatisch so manche Annehmlichkeiten, von denen andere Sklaven nur träumen konnten.

  • Natürlich biss er nicht! Noch nicht. Seine Worte lösten meine Anspannung nicht. Wie auch? Dieser Mann war ein Römer. Und Römer waren niemals wirklich gut, sondern eher.... anders. Als Dakerin verstand ich vieles dieser römischen Welt nicht, auch wenn es schon immer gewisse Beziehungen gegeben hatte. Mühsam näherte ich mich, wobei ich eine Haarsträhne aus meinem Gesicht pusten wollte, die immer wieder in mein Gesichtsfeld trudelte. Mieses Ding. Gerade jetzt, wo meine beiden Hände mit dem Stützen des Tabletts beschäftigt waren. Aua. Jetzt piekste das Ding auch noch genau ins Auge. Ich zwinkerte verlegen, unbewusst, weil das Ding einen Reflex auslöste. Mist. Er sollte es jetzt nicht falsch verstehen. Immerhin ließ er mich das Tablett abstellen, was ich sofort tat, um endlich mit einer freien Hand die Haarsträhne zu bestrafen und gleichsam zu bändigen. Gut, das war erledigt und ich achtete darauf nicht zu nah an meinen neuen - ich mochte das Wort nicht - Dominus zu gelangen. Man wusste ja nie! "Ja," war die Antwort, die ich brutal akzentuiert vergab, um nicht allzu viel Kommunikation zu pflegen. Ich war noch nicht bereit, Dinge aus meinem alten Leben zu offenbaren oder wirklich eine zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen. Er war ein Sklavenhalter verdammt! Mein Sklavenhalter. Furchtbar! - und nun wollte dieser auch noch reden? Ich seufzte unbewusst und senkte meinen Blick ab.

  • Für eine Sklavin ihres Alters wirkte sie doch ein wenig ungeschickt und sehr verschreckt, was auf zweierlei Dinge hindeuteten konnte. Entweder sie wurde von ihrem Vorbesitzer schlecht behandelt oder Livianus war der erste Besitzer. Zweiteres schloss er jedoch aus. Laut dem Sklavenhändler war sie neben ihrem betörenden Gesangskünsten in Haushaltsdingen geschult. Dies ließ den Decimer davon ausgehen, dass sie bereits vorher schon zumindest einem anderen Herrn gedient hatte. Er würde vermutlich daher noch einige Zeit dauern, um dass Eis ein wenig zu brechen. Doch vorerst wollte er sie über die klaren Regeln in seinem Haushalt aufklären.


    "Gut. In meinem Haushalt gibt es klare Regeln für alle die unter meinem Dach wohnen. Kein Sklave wird geschlagen oder gegen ihn irgendeine andere Form von Gewalt ausgeübt. Bestrafungen obliegen alleine mir. Der Maiordomus ist es auch, dem die Einteilung der Sklaven in ihre Dienste obliegt. In den Ruhepausen ist es den Sklaven erlaubt sich frei zu bewegen und auch das Haus zu verlassen, sofern sich der- oder diejenige mein Vertrauen verdient hat. Wie du bestimmt weißt fallen die Verfehlungen eines Sklaven auch auf das Ansehen dessen Herrn zurück. Ich wünsche daher, dass sich meine Sklaven in der Öffentlichkeit anständig und meinem Status als Consular entsprechend verhalten.


    Dir stehen in meinem Haushalt täglich drei Mahlzeiten, frische Kleidung und tägliche Körperhygiene zu. Ich erwarte von dir, dass du diese Möglichkeiten auch in Anspruch nimmst. Zusätzlich bleiben auch sehr oft Speisen von diversen Feiern oder Festessen über. Diese werden unter den Sklaven ausgeteilt. Es gilt jedoch für alle Sklaven strengstes Alkoholverbot. Weiters wünsche ich auch keine romantischen Beziehungen zwischen meinen Sklaven."


    Der Decimer überlegte kurz. Mehr viel ihm jedoch vorerst nicht ein. Der Maiordomus würde vermutlich ohnehin in den nächsten Wochen die neue Sklavin noch öfters über die Regeln belehren.


    "Alles weitere wird dir der Maiordomus erklären. Jegliche Verfehlungen gegen unsere Hausregeln sind jedenfalls mir oder dem Maiordomus unverzüglich zu melden. Sklaven haben in diesem Haushalt einige Regeln zu befolgen, haben aber auch einige Freiheiten und trotz ihres Status ein gutes Leben. Hast du das alles so weit verstanden?"

  • Regeln. Die Römer mochten wohl ihre Regeln. Ich verstand, was mir dieser Senator ausdrücken wollte. Ich verstand sehr gut, was er verlangte und wie gönnerhaft er einer auf Dauer Gefangenen etwas erklärte. Wenigstens schien ich dieses Haus verlassen zu können. Ein Vorteil aber auch ein Nachteil. Ich würde fliehen wollen aber in einer fremden Stadt wohin sollte ich fliehen? Das Imperium würde mich bald einfangen und grausam bestrafen. Aber ich wollte es versuchen, auch wenn ich am Kreuz enden würde. Er verstand nicht, dass mir drei Mahlzeiten nichts bedeuteten. Frische Kleidung, eben nur Kleidung war. Und Körperhygiene nicht ortsgebunden war. Ich wollte frei sein, wie meine Ahnen und nicht auf Wünsche eines Eroberers hören. Römer waren Eroberer und unterwarfen Völker. So auch meines. Keine romantischen Beziehungen? Er verbot uns Liebe? Jetzt zeigte er sein wahres Gesicht. Es war also kein gutes Leben, sondern das Leben eines Haustieres. Mein Käfig konnte noch so schön sein aber es blieb ein Käfig. Wütend brach es aus mir heraus: "Ihr habt meine Familie getötet! Ihr habt uns alle getötet!" Endlich konnte ich einen Schuldigen ausmachen. Dieser Senator - durch sein Amt an dieses furchtbare Rom gebunden - war Sprecher für diese Entscheidung. Auch wenn ich sicherlich wusste, dass er nicht unmittelbar beteiligt war. Diesen Mann würde ich noch finden und eigenhändig erwürgen! Mir war egal, ob dieser Senator mich nun auspeitschen ließ, denn wenigstens Schmerz konnte verdrängen, was mein Herz fühlte. Vorübergehend. "Sie sind gekommen! Haben uns überfallen und...," wollte ich weiter sprechen. "Kannst du dir vorstellen, wenn Fremde in dein Haus kommen und deine Familie töten? Und du sie ansprichst... und...sie sagen, dass sie nicht schuldig sein, sondern wir. Immer wieder stachen sie zu und mein Bruder weinte, als sie über uns lachten. Sie lachten über uns...," forderte ihre Stimme brechend, während sich Tränen zeigten. Diese Gleichgültigkeit des Senators traf sie. "Ihr denkt, dass ihr Götter seid. Ihr denkt, dass ihr das einfach machen könnt... und uns nach Rom schaffen, damit wir euch dienen?" Tränen wollten nicht mehr weichen. "Kannst du dir das vorstellen? Ich kann das nicht vergessen," warnte ich, während sich der Albtraum erneut in meinem Schädel abspielte. Meine beiden Hände ballten sich Fäusten. "Ich bin allein," verweinte ich diesen Satz. Ich hasste Rom und fragte mich, warum die Römer mich nicht auch einfach töteten, wie all die anderen in meinem Dorf. Dakien war noch ungebrochen und so wollte ich auch ungebrochen sein. Ich wollte wahrhaftig sein und diesem Römer zeigen, was ich in Wahrheit war.

  • Noch zuvor wirkte die junge Sklavin verschreckt und zurückhaltend. Doch nach der Belehrung des Decimers brach es mit einem Mal aus ihr heraus. Dieser plötzliche Gefühlsausbruch irritierte Livianus noch mehr. Erneut stellte er sich die Frage, ob der Sklavenhändler ihm übers Ohr gehauen hatte. Wenn er tatsächlich nicht der erste Herr dieser Sklavin war, warum stellte sie dann immer noch ihr Schicksal derart in Frage? Warum hatte sie sich nicht damit abgefunden und ihren Frieden mit sich und dem Schicksal geschlossen, wie es die meisten Sklaven taten, wenn sie einmal längere Zeit bei einem Herrn gelebt hatten von dem sie gut behandelt wurden. Diesem jungen Mädchen ging es vermutlich hier im Haus der Decimer besser als da wo sie her kam. Livianus atmete tief durch.


    "Schon gut Mädchen. Du bist nicht alleine. Du bist nun hier in Sicherheit und wir werden gut für dich Sorgen."


    Er konnte der jungen Sklavin nun eine lange Predigt darüber halten, dass die Römer von den Göttern dazu bestimmt waren die bekannte Welt zu beherrschen und das die feindliche Übernahme Dacias tatsächlich an der Gegenwehr gelegen hatte, die ihr Volk diesem Willen der Götter entgegengebracht hatten. Sie persönlich war vielleicht nicht schuld an ihrem Schicksal, aber ihr Volk als Ganzes war es in den Augen der Römer sehr wohl. Das die Soldaten im Krieg nicht immer Zimperlich mit ihren Gegnern und den Kriegsgefangenen umging wusste der Decimer als langjähriger Feldherr nur zu gut. Aber es war schwer die vom Kampf aufgestachelten und von der römischen Doktrin der Überlegenheit vereinnahmten Männer unter Kontrolle zu halten. Solche 'unschönen' Dinge passierten daher immer wieder, auch wenn nicht alle Römer oder Soldaten damit einverstanden waren. Er entschied sich dennoch für eine kurze Erklärung, auch wenn diese vermutlich nicht fruchten würde.


    "Du musst lernen dich mit deinem Schicksal abzufinden. Auch deinem Volk ist die Sklaverei nicht unbekannt. Dein Volk hat sich gegen den Willen der Götter aufgelehnt und dies ist nun der Preis dafür. Hätte es die Götter anders gewollt, so wären wir vielleicht nun eure Sklaven. Aber sie wollen das Rom über die Völker und die bekannte Welt herrscht. Und wer sich dieser Gewissheit nicht fügt, der muss mit den Konsequenzen leben. Dein Volk hat diese Entscheidung für dich getroffen. Es liegt nun an dir das beste daraus zu machen und vielleicht eines Tages wieder frei zu sein."

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