hortus et peristylium

  • Livianus sah sich kurz im Garten um, bis seine Augen in unmittelbarer Umgebung einen, für seine Zwecke gut zu gebrauchenden, Ast gefunden hatten. Er hob ihm auf und ging wieder zu Ganymed.


    „Gut! Dann wollen wir einmal sehen, wie geschickt du bist.“


    Er zwinkerte Ganymed zu.


    „Greif mich an! Irgendwie! Was dir gerade einfällt. Los!“


    Livianus stellte sich selbst in eine günstige Kampfposition und wartete auf das Angreifen seines Gegeners.

  • Erschrocken starrte Ganymed Livianus an. "Was?" fragte er verdutzt. "Euch Angreifen...?" Sein Mund öffnete sich und schloß sich wieder. Langsam ließ er den Stock sinken. In dem Moment schoßen ihm doch einige Gedanken durch den Kopf. Hatte Aemilia Livianus von der Sache mit den Rosen erzählt. Wollte sein Herr ihn in diese Situation bringen, damit er ihn bestrafen konnte und Aemilia würde dann nichts sagen, weil Ganymed ihn doch angegriffen hatte. Zweifel huschten über Ganymeds Gesicht.


    "Das kann ich nicht, Dominus. Euch Angreifen, mein ich!" erwiderte er mit Besorgnis in seiner Stimme. Insgeheim dachte er sich, dass Schläge weil er sich dem verweigerte wohl besser wäre, als Gekreuzigt zu werden, weil er seinen Herren angegriffen hatte.

  • Livianus seufzte und sagte mit ruhiger Stimme


    „Ganymed! Willst du nun kämpfen lernen oder nicht? Das ist doch kein echtes Schwert und wenn du nicht gerade der neue Archilles bist, dann sollte ich mich gegen dich auch recht gut verteidigen können.“


    Mit einer auffordernden Handgeste, deutet Livianus erneut dem Jungen anzugreifen.

  • Ganymed musste kurz grinsen. Achilles gleich zu kommen, würde ihm wohl durchaus gefallen. Nach einer genauen Gewissensprüfung kam er schließlich zum Schluss, dass er es durchaus riskieren konnte.


    So hob er wieder den Stock. Seinen hinteren Fuß grub er etwas tiefer in den Boden. Er verlagerte wieder sein Gewicht und schwang den Stock. Ohne darüber nachzudenken, wie es Anfängern auch gerne passiert, sieht Ganymed auf die Stelle am Bein, wo er hinzuschlagen gedachte. Und dort sauste auch sein Stock herunter, mit nicht sehr viel Kraft und eher zögerlich in der Bewegung.

  • Auch wenn Livianus nicht gerade im Training war, konnte er diesen Stockhieb problemlos abwähren. Sein Stock krachte mit einem lauten Knacken auf den von Ganymed. Er feuerte den Jungen an.


    „Sehr gut! Weiter Ganymed! Weiter! Zeig was du kannst!“

  • Ganymed presste die Lippen aufeinander und nickte knapp. Wieder holte er aus und schlug etwas höher und auf der anderen Seite zu. Doch statt zu warten, da seine Schläge sowieso nur auf Holz landeten, setzte er noch mal nach und fing an auch seine Beine zu bewegen. Langsam begann er Livianus zu umrunden, um nach Schwächen in der Deckung zu spähen, während er ab und an Angriffe vortäuschte und mal zu schlug. Man merkte ihm zwar an, dass er eine Form des Kämpfens wohl schon betrieben hatte, doch den Kampf mit den Waffen wohl wirklich nicht geübt war. Doch flink war er und so sauste sein Stock in schneller Reihenfolge hintereinander auf Livianus zu.

  • Immer wieder parierte Livianus die Stockschläge und fand langsam aber sicher wieder in seine alte Form zurück. Sein Atem wurde immer schneller und er spürte wie das Adrenalin durch seinen Körper schoss. Immer mehr wurde er in den Rausch des Kampfes gezogen, während ihm alte Erinnerungen an den Hispaniafeldzug vor seinem Geiste abliefen. Beim letzten Schlag den er abwerte, zog er plötzlich seinen Stock blitzschnell zurück, machte einen Ausfallschritt zur Seite verbunden mit einer anschließenden Drehung. Sein Stock raste mit einer Höllengeschwindigkeit auf Ganymeds Kopf zu und kam nur wenige Zentimeter vor seinem Hals zum stehen. Völlig außer Atem und mit großen, aggressiven Augen starrte er Ganymed an. Es dauerte einige kurze Momente bis er sich wieder beruhigt hatte. Er senkte den Stock und atmete tief durch.


    „Dieser Schwerthieb hätte dem Gegner den Kopf abgetrennt.“


    Er warf seinen Stock weg und sah kurz zu Boden um sich zu sammeln. Dann blickte er wieder erschöpft zu Ganymed auf.


    „Du willst also kämpfen lernen? Wenn du möchtest werde ich dich trainieren. Wir fangen vorerst zwei mal in der Woche an. Wenn du gut bist und weiter machen willst, dann werden wir die Trainingseinheiten erhöhen.“


    Er sah Ganymed fragend an.

  • Als der Stab so dicht vor Ganymeds Hals schwebte, erstarrte Ganymed auch. Der Schreck darüber war ihm durchaus im Gesicht anzusehen. Er nickte leicht und beschloss beim nächsten Mal besser aufzupassen. Und er war wirklich froh, dass das hier kein echter Kampf war. Sonst wäre er schon nach wenigen Momenten wohl tot gewesen. Er musste leicht schaudern bei dem Gedanken, schüttelte diesen jedoch schnell wieder mit einer leichten Bewegung fort. Sein Atem ging schwer und an seinem Rücken hatte sich, trotz der Morgenkälte, der Schweiß gebildet.


    Er ließ auch seinen Stock sinken und nickte langsam. "Ja, Dominus, das wäre fantastisch!" gab er zur Antwort und lächelte begeistert über das Angebot, dass ihm Livianus gemacht hat. Er wußte zwar nicht, ob er wirklich irgendwann mal zur Legion durfte, aber Kämpfen zu können, konnte in Rom ja auch nicht schaden. Und wieder flammte seine natureigene Neugierde auf. "Dominus, von wem habt Ihr so gut kämpfen gelernt?"

  • Livianus lächelte.


    „Nicht von wem…. Wo?! Ich habe in der Legion kämpfen gelernt. Wenn du auf dem Schlachtfeld überleben willst, dann tust du gut daran so viel wie möglich darüber zu lernen, oder dir von anderen Kämpfern abzuschauen. Natürlich hat mein damaliger Centurio sehr viel dazu beigetragen, aber mit der Zeit entwickeln die meisten Kämpfer ihren einen Stil und so war es auch bei mir.“

  • Ganymed nickte beeindruckt. "Habt Ihr in vielen Kämpfen und Schlachten mitgekämpft, Dominus? Und wo ward ihr überall stationiert?"


    Fast hätte er auch gefragt, ob Livianus auch in seiner Heimat war, aber er wollte nicht wieder das Gespräch darauf bringen. Das mit Aemilia hatte ihm in dieser Hinsicht schon gereicht. Aber trotzdem brannte die Neugierde in Ganymed. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und atmete die kühle und erfrischende Morgenluft ein.

  • Bewundernd sah Ganymed Livianus an. Als Ganymed mit Aemilia in Hispania war, hatte er gesehen, was für zähe und auch erstaunlich große Männer die Iberer waren und auch bei der Gladiatoreneinweihung hatte er einige von ihnen kämpfen sehen. Das waren bestimmt keine leichten Gegner. Und wieder, wie so oft in der letzten Zeit spürte er, wie eine Schwermut ihn ergriff, wenn er an solche Dinge und an die Legion dachte, die ihm jetzt doch für immer verwehrt war. Die Hoffnungen, die er sich mit der Legion gemacht hatten, waren weggewischt und hinterließen nur eine bedrückende Leere.


    Aber schnell versuchte er diesen bedrückenden Gedanken wieder loszuwerden. An diesem Morgen hatte er jedoch wieder eines, neben der Kampflektion gelernt, eigentlich wusste er ziemlich wenig über seinen Herren. "Und wie seid ihr dann zur Stadtwache gekommen, Dominus?"

  • Livianus schmunzelte.


    „Der Kaiser ist damals in Hispania auf mich aufmerksam geworden und hat mich nach Rom berufen um zum einen in den Cursus Honorum einzusteigen und zum anderen die Cohortes Urbanae zu übernehmen. Anfangs war ich also nur der Kommandeur der Stadtwache und wurde dann später, nach dem Erhalt der Senatorenwürde, zum Praefectus Urbi ernannt. Wie du also siehst, ist das Leben eines Soldaten nie vorhersehbar. Man wird dort eingesetzt, wo der Kaiser es wünscht. Bei mir war das Rom.“

  • Ganymed stützte sich auf dem Besenstil ab, der einige Kratzer nach dem Kampf aufwies. Bewundernd und beeindruckt sah er seinen Herren an. Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe herum. Da fiel ihm doch noch etwas anders ein. Er zögerte für einen Augenblick, doch die Frage brannte ihm zu sehr unter den Fingernägeln.


    "Dominus? Domina Aemilia hat mir erzählt, dass beschlossen wurde, dass Freigelassene nicht mehr das Bürgerrecht erlangen können. Hat das der Senat entschieden?" fragte er ihn schließlich.

  • Ganymed schluckte. Fest hielt er den Stab in seiner Hand, fast so als ob er sich an ihm festhielt. Für einen Moment schwieg er. Unsicher, ob er die Frage nicht lieber unterlassen sollte, schürzte er die Lippen. Doch er wußte, dass er sich die Frage wohl immer wieder stellen würde und so wollte er doch die Gewissheit haben.


    "Habt Ihr auch dafür gestimmt, Dominus?" fragte er tonlos, so dass die Gefühle, die ihn heftig durchfluteten, nicht zu hören waren.

  • Livianus hatte schon mit dieser Frage gerechnet und wusste nicht so recht was er sagen sollte. Er seufzte und sah Ganymed an.


    „Ja! Ich habe ebenfalls dafür gestimmt Ganymed! Es ist eine Sache von seinem Herren frei gelassen zu werden, aber eine andere auch das römische Bürgerrecht zu erhalten.“

  • Ganymed sah Livianus groß an. Seine Hand krampfte sich fast unmerklich fester um den Besenstil, wobei seine Knöchel weiß hervortraten. Für einige Herzschläge vergass er das Atmen als er die Antwort hörte, die er nicht ganz glauben konnte. Doch er hatte sie laut und klar gehört. Wut, Enttäuschung und die Bitterkeit keimten wieder in ihm auf. Um weiterhin äußerlich einigermaßen ruhig zu wirken, hielt er sich an dem Besenstiel fest und schwieg. Seine Stimme hätte ihn mit Sicherheit verraten. Schließlich holte er wieder Luft und atmete leise ein und aus.


    Langsam senkte er seinen Blick und nickte. "Ja, Dominus, wenn Ihr das meint..." flüsterte er und wollte an Livianus vorbeigehen.

  • Livianus lies Ganymed ohne ein weiteres Wort gehen. Er konnte zwar die Enttäuschung des Jungen nachvollziehen, musste aber in diesem Fall als Senator Roms und nicht als Sklavenfreund denken. Er seufzte und sah Ganymed nach.

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