Decimus Livianus

  • Ihre Aufgaben auf dem Palatin nahmen sie mehr in Anspruch als sie es sich anfangs vorgestellt hatte und sie hatte sich wirklich schon viel Zeit vorgestellt. Oft ging sie früh aus dem haus und kam erst am späten Abend wieder zurück. Sie hatte inzwischen eine ganze Vielzahl von römischen Bewohnern kennengelernt, die sie vermutlich sonst nie getroffen hätte. Ihr Mann hatte bereits vor ihr das Haus verlassen und sie war jetzt kurz davor es auch zu tun. Gerade bürstete ihre Sklavin ihr die Haare um sie danach zu einer Hochsteckfrisur aufzutürmen.


    "Gaius? Ich bin hier."


    Ihre Stimme war aus ihrem Raum zu hören. Als Gaius dann eintrat, lächelte sie ihn freundlich an und bedeutete ihm zu ihr zu kommen um ihn in die Arme zu nehmen wie sie es immer zu tun pflegte, wenn sie unter sich waren.


    "Was kann ich denn für dich tun?"


    Vespa bedeutete der Sklavin kurz mit dem Bürsten aufzuhören, damit sie sich mit ihrem Sohn unterhalten konnte.

  • Gaius erwiderte die wohltuende Umarmung seiner Mutter. Auch wenn er solche familiären Zuneigungsbekundungen in der Öffentlichkeit vermied - immerhin war er ja kein Kind mehr - tat es gut hin und wieder die Fürsorge, dass Sicherheitsgefühl und die Liebe zu spüren, die hinter einer solchen mütterlichen Umarmung steckte. Vielleicht auch auf Grund des ernsten Themas, dass er gleich mit seiner Mutter besprechen wollte, dauerte die Umarmung heute einen Wimpernschlag länger als sonst. Als er sich wieder von ihr löste, lächelte er sie noch einmal an. "Sie kann ruhig weitermachen. Es stört mich nicht." sagte er mit einem Blick auf die Sklavin, die mit der Bürste in der Hand nun etwas verloren neben seiner Mutter stand. Dann setzte er sich auf einen leeren Stuhl der gleich in der Nähe stand und begann, in einem möglichst erwachsen klingen wollenden Tonfall "Mutter! Tut mir leid, dass ich dich damit nun ein wenig überfalle. Aber wie du es wolltest, habe ich mir in letzter Zeit viele Gedanken zu meiner Zukunft gemacht. Ich hoffe du und Livianus seid mir nicht böse, dass ich zuerst mit mir selbst ins Reine kommen wollte und daher noch nicht das Gespräch mit ihm gesucht habe. Ich weiß dass er es angeboten hat."


    Er überlegte kurz, wie er nun am besten Anfagen sollte seiner Mutter die getroffene Entscheidung mitzuteilen und merkte, dass er plötzlich ein wenig verlegen wurde. Die erwachsene Ernsthaftigkeit, mit der er seiner Mutter eigentlich gegenübertreten wollte - immerhin war es ein sehr wichtiges Thema - war nicht so einfach aufrecht zu erhalten, wenn er dabei in die liebevollen und vielleicht auch etwas besorgt wirkenden Augen seiner Mutter blicken musste. "Also.... ich weiß ihr hättet es gerne gesehen, wenn ich bei einem von Livianus Senatskollegen mein Tirocinium absolviere und danach selbst die Würde eines Senators anstrebe...." Es wurde nicht wirklich einfacher. Würde es seine Mutter enttäuschen, wenn er ihr seine Entscheidung mitteilte? Vermutlich nicht, denn sie liebte ihn. Würde es seinen Stiefvater enttäuschen? Vielleicht schon eher aber das war ihm ziemlich gleich. Würde dieser aber dann seine Enttäuschung Gaius Mutter mitteilen was wiederum diese doch dazu bewegen konnte von ihrem Sohn enttäuscht zu sein? Er atmete tief durch. Egal.... es musste raus. "Ich.... Ich würde jedoch lieber dem Vorbild meines Vaters.... also meines leiblichen Vaters... folgen und den Cursus Honorum eines Eques beschreiten." So! Nun war es heraus und Gaius sah mit erwartungsvollen Blick gespannt auf das Gesicht seiner Mutter. Konnte er darin schon etwas ablesen? Eine erste Reaktion vielleicht? Würde sie es gutheißen oder würde nun eine enttäuschte Belehrung folgen, dass eine Karriere im Senat wesentlich ruhmreicher war. Sicherheitshalber setzte er das liebevolle Lächeln auf, mit dem ihm seine Mutter keine Bitte abschlagen konnte. Meistens zumindest. :)

  • Nachdem sie ihren Sohn in die Arme geschlossen hatte, signalisierte sie der Sklavin, dass diese sie weiter frisieren konnte. Allerdings setzte sich Vespa vorher so, dass sie ihren Sohn anschauen konnte.


    „Du musst dich nicht dafür entschuldigen. Weder dafür, dass du mich angeblich überfällst – was du nicht tust – und auch nicht dafür, dass du dir Zeit genommen hast dir Gedanken über deine Zukunft zumachen.“


    Nun also wusste sie was ihr Sohn von ihr wollte. Für Primus würde sie sich auch immer Zeit nehmen. Da musste auch die Kaiserin mal auf sie warten. Nun war sie wirklich gespannt für was sich ihr Sohn entschieden hatte, welchen Weg er gehen wollte. Er schien Zeit etwas Zeit zu brauchen um das sagen zu können was ihm auf dem Herzen lag. Dann hatte er ihr seine Entscheidung mitgeteilt und sie musterte ihn einen Augenblick recht intensiv. Sie wollte wissen ob es nur eine kurze Laune war oder ob er sich diesen Weg wirklich ausgesucht hatte, weil es seine Überzeugung war. Sie kam zu dem Schluss, dass es wirklich eine reiflich überlegte Entscheidung war, die er ihr gerade präsentiert hatte.


    „Nun, wenn du diesen Weg als richtig erachtest, werde ich dich dabei natürlich unterstützen und auch dein Stiefvater wird das ganz sicher tun. Es ist deine Zukunft und natürlich wäre ein weiterer Senator in der Familie großartig gewesen, aber auch der Ritterstand ist eine ruhmreiche und sehr angesehene Laufbahn. Ich freue mich, dass du deine Entscheidung getroffen hast.“


    Die Sklavin war inzwischen mit der Hochsteckfrisur fertig geworden und Vespa konnte sich etwas bequemer hinsetzen.


    „Hast du dir denn schon Gedanken dazu gemacht welchen Weg du gehen möchtest, also ob du den militärischen Weg oder den der Verwaltung beschreiten möchtest? Vielleicht auch den religiösen Weg?“

  • "Nun, ich würde gerne hier bei dir in Rom bleiben." platzte es einmal als aller erstes aus ihm heraus. Denn dies war eine Frage, mit der er sich wirklich lange beschäftigt hatte. Wobei es ihm dabei weniger um die Fürsorge seiner Mutter oder gar um eine Art Sorge um sie ging. Denn er wollte ja nun auf eigenen Beinen stehen und bei den Decimern und seinem Stiefvater war sie sehr gut aufgehoben. Mit diesem Entschluss hatte wohl eher die Angst vor der großen weiten Welt zu tun, mit der er sich im Zuge seiner Überlegungen immer wieder konfrontiert sah. Auch wenn er seinen Vater nacheifern wollte, so konnte er es sich kaum Ausmalen, plötzlich am Limes zu stehen und sich dort mit wilden Barbaren auseinandersetzen zu müssen, geschweige denn in irgendeiner Nussschale der Classis auf dem Mittelmeer zu treiben. Da bevorzugte er doch lieber weiterhin die römischen Hauptstadt, welche ihm im Vergleich Ruhe und Geborgenheit vermittelte. Um diese Ängste jedoch nicht seiner Mutter zu offenbaren fügte er jedoch gleich an "Also natürlich gehe ich dorthin, wo mich der Kaiser braucht. Wobei ich dich sehr ungern hier ganz alleine in Rom zurück lassen möchte. Daher konnte ich mich zu einer Entscheidung für eine bestimmte Richtung noch nicht durchringen. Wo würdest du mich sehen Mutter? Du kennst mich am besten."


    Wenn er sich so darüber reden hörte, schien es ihm immer noch vollkommen Unglaubwürdig, sich selbst vielleicht bald als Tribunen oder Procurator herumlaufen zu sehen. Auch ein Amt im Priestercollegium brachte einiges Ansehen mit sich und hatte den Vorteil, sich auf Rom zu beschränken. Aber Priester? Passte das wirklich zu Gaius? Er schob diese Fragen vorerst beiseite und machte seine Mutter auf eine viel wichtigere Tatsache aufmerksam "Aber bevor ich mir darüber Gedanken mache stellt sich eher die Frage, wie ich es schaffe in den Ritterstand erhoben zu werden. Es hieß immer das es kein Problem sei, wenn der Vater selbst ein verdienter Ritter ist... war. Denkst du Livianus kann da vielleicht helfen? Oder kannst du vielleicht mit der Kaiserin sprechen?" Fragend sah er seine Mutter an, wobei ihm der Gedanke jetzt schon nicht gefiel, dass sie ihm vielleicht riet zu Livianus zu gehen.

  • Natürlich war Vespa froh zu hören, dass ihr Sohn in Roma bleiben wollte. Welche Mutter wäre dies nicht wenn ihr Sohn nicht viele Meilen weit weg wollte, in eine andere Provinz. Hätte sich ihr Sohn anders entschieden, hätte sie ihn natürlich auch nach Kräften unterstützt und ihm versucht zu ermöglichen was sie konnte und Marcus davon überzeugt es auch zu tun.


    „Es ist wirklich sehr nett von dir, dass du mich hier nicht allein lassen möchtest. Du solltest deine Entscheidung jedoch davon abhängig machen was du wirklich möchtest. Es kann auch schnell passieren, dass dein Stiefvater an einer anderen Stelle vom Kaiser gebraucht wird und ich dann mit ihm Roma verlassen muss. Das ist das Leben, das Ritter und Senatoren zu leben haben. Die Soldaten ja genauso. Die werden auch im Reich herumgeschickt wenn es sein muss. Natürlich freut es mich, dass du dich für Roma entschieden hast.“


    In welcher Laufbahn sie ihn jedoch sehen würde, war eine schon etwas schwierigere Frage. In einer militärischen Einheit sah sie ihn nicht wirklich. Irgendwie konnte sie sich ihren Jungen dort nicht recht vorstellen.


    „Hast du dich denn schon etwas über die verschiedenen Möglichkeiten in der Verwaltung informiert? Das könnte ich mir für dich recht interessant vorstellen.“


    „Wenn wir ihm von deinen Plänen erzählen, wird er dir sicher helfen. Ich kann auch gern mit der Kaiserin sprechen. Ich denke, es ist das Beste, wenn wir beide gemeinsam oder wenn du es selbst tun möchtest, Livianus davon erzählen und dann schauen wir welchen Weg er für den Besten hält. Ich denke, dass es nicht so schwer sein sollte dir den Ritterstand zu verschaffen.“


    Sie wusste nicht was dagegen sprechen sollte ihren Sohn in den Stand erheben zu lassen. Es würde schon klappen und zur Not musste wirklich die Kaiserin tatkräftig unterstützen.

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