• Noch immer in Gedanken schaut Vic auf und nickt seinem Bruder zu, als der durchs Atrium latscht. "Hoi, Sev. Jo, mach ich." Die kurzen Besuche zwischen Arbeit und Castra oder umgekehrt bringen Vic schon lange nicht mehr dazu, irgendein Gespräch anfangen zu wollen. Meist ist Sev nur aufm Sprung, hats eilig, dürfte eigentlich gar nicht da sein und wenn Vic jemand fragen würde, dann wär er auch nicht vorbei gekommen. Wenns was wichtiges gibt, dann fängt Sev von selbst an, und wenn Vic was wichtiges zu besprechen hat, dann legt er Sev eine Nachricht zu den Briefen die der abholt und sein Bruder meldet sich dann schon irgendwann.


    Etwas später kommt Sev auf dem Rückweg nochmal vorbei. "Jo, bis denn." gibt ihm Vic mit auf den Weg und schaut dann irritiert zu den Weinbechern. Er kratzt sich am Hinterkopf und steht auf. Dann geht er zum Balneum. Was, wenn Helena gar nicht da drin ist? Vielleicht hat sie die Casa längst verlassen und erstattet in diesem Moment gegen Vic Anzeige wegen Verführung einer Witwe. Er klopft an die Tür, von der er hofft, dass Helena dahinter ist. "Alles in Ordnung?" Langsam öffent er die Tür und steckt seinen Kopf in den Raum.

  • Sie ließ sich damit Zeit, sich zu reinigen, wusch die Arme bedächtig ab, steckte ihr Haar neu auf und betrachtete die Mosaike an der Wand. Sie waren schlicht gehalten, aber geschmackvoll, wahrscheinlich hatten die Valerier einstmals einen guten Architekten beauftragt, der die richtigen Handwerker gleich mitgebracht hatte - auch wenn das Bild eines Handwerkerscheuchenden Valerius Victor auch so seine amüsanten Konnotationen besaß. Doch immer wiede lauschte sie in Richtung des Ganges, hoffend, er würde noch auftauchen, auch wenn sie sich gleichzeitig eine dumme Gans dafür schalt, etwas zu erhoffen, das über ein leidenschaftliches Miteinander hinausging. Sie hatten es schließlich beide gewollt, da machte sie sich keine Illusionen, aber zärtliches in-den-Armen-halten danach oder ein wenig Streicheln, während man gerade Atem schöpfte und sich ausruhte, war wohl ein Wunsch, der sich nicht erfüllen würde. Was hast Du eigentlich erwartet? fragte sich Iulia Helena stumm und umfing ihre Knie mit den Armen, das Kinn auf ein Knie stützend. So blieb sie auf einer der in das Becken führenden Stufen sitzen und dachte nach.


    Es war so gänzlich anders gewesen als mit Titus - im Grunde war es ohnehin verrückt, Valerius Victor mit ihrem verstorbenen Mann zu vergleichen, zwischen einer Ehe und einer leidenschaftlichen Affäre war doch ein großer Unterschied. Aber es war, wie es nun einmal nun aussah, Victor war erst ihr zweiter Mann, und sie hatte keinen anderen Vergleich als Titus. Was empfand er wohl für sie? Empfand er überhaupt etwas ausser Verlangen? Und was empfand sie für ihn? Sie bemerkte nicht einmal, dass sich im Atrium eine Unterhaltung abgezeichnet hatte, erst als die Stimme Victors erklang, tauchte sie aus ihrer gedankenverhangenen Überlegung wieder auf und zuckte leicht zusammen.
    "Oh ... ja, sicher. Ich war nur gerade ein wenig am ... entspannen," erwiederte sie schnell und lächelte etwas. "Hast Du schon etwas gegessen?" Ohjeh, was fragte man mit einem eigentlich fast unbekannten Mann, nachdem man mit ihm geschlafen hatte? Sie stellte mit einem Mal fest, dass Ovids ars amatoria eindeutig auch darüber ein Kapitel vertragen hätte.

  • Erleichtert, dass sie noch da ist, tritt Vic ein und zieht einen Mundwinkel nach oben. Die Aussichten sind bestens. "Nein, ich hab nur ... nich so wichtig. Hulc is noch nich fertig." Vic ist noch nie aufgefallen, dass das Badebecken so groß ist, aber zwei Personen hätten darin locker Platz. Er setzt sich auf den Beckenrand, legt seine Hände an Helenas Nacken und beginnt sie etwas zu massieren. "Vielleicht hab ich doch keinen Hunger." Hunger schon, aber nicht auf die tote Taube.


    "Ziemlich verspannt. Du sitzt wohl wirklich viel in deinem Officium rum, hm? Irgendwann wirst du da drin verstauben." Er muss an den Tag denken, an dem sie verstaubt hinter ihm im Circus Maximus von der Quadriga gestiegen ist. Wer hätte damals gedacht, dass sie beide tatsächlich eine Zukunft haben? Und nun sitzen sie hier und es kommt Vic so vor, als gäbe es nichts natürlicheres auf der Welt, als dass Helena nackt in seinem Badezimmer sitzt. Er fährt mit dem Zeigefinger über ihr Rückgrat. "Dein erster Mann wurde dir von deiner Familie ausgewählt, nicht wahr?" Eine ziemlich dämliche Frage, nachdem, was gerade im Atrium passiert ist sie jetzt nach ihrem verstorbenen Ehemann zu fragen. Trotzdem scheint es Vic auf einmal wichtig, das zu wissen.

  • Das warme Wasser tat gut, aber die Massage seiner erstaunlich weichen und doch kundigen Finger überbot das Wasser mit Leichtigkeit, sodass sie sich mit einem genüsslichen Seufzen weiter zurücklehnte und den Kopf nach einer Weile halb zu ihm umwandte, um ihn betrachten zu können. Der vage Unmut über seinen Weggang war wieder geschwunden, vielleicht konnte er es einfach nicht haben, direkt nach einer gemeinsamen Erfahrung der Frau nahe zu sein. Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie wenig sie über ihn eigentlich wusste, wie viel dieses fehlenden Wissens durch dieses körperliche Begehren bisher ersetzt worden war.


    "Vielleicht ein bisschen zuviel, aber irgendwie enden diese Aktenberge nie, egal wieviel man davon abträgt. Ich sage Dir, werde niemals Duumvir, wenn du Sonnenschein magst, man sieht nicht mehr allzu viel davon," scherzte sie lächelnd udn streckte eine Hand aus, bis ihre Finger seine Wange erreicht hatten, um sanft darüber zu streichen. Seine Rasur war sicher schon einen halben Tag her, oder eher einen Dreivierteltag, Priester standen ja meist recht früh auf, und ihre Fingerkuppen ertasteten einige winzige Bartstoppeln, während sie der Linie seiner Wangenknochen folgte. "Aber es geht Dir doch sicher genauso. Als Septemvir sich um all diese Belange der Priesterschaft zu kümmern stelle ich mir ziemlich anstrengend vor.." Der Klang ihrer Stimme verlor sich etwas in ihren Gedanken, dann blinzelte sie überrascht, als er sie nach ihrer Ehe fragte.


    "Mein Vater wählte mir meinen ersten Gemahl, ja. Auch wenn ich ihn in den ersten Jahren oft deswegen verflucht habe, im Nachhinein war es eine gute Wahl, wir hatten bloß einige .. nunja, Anlaufschwierigkeiten. Als fünfzehnjähriges Mädchen stellst Du Dir deinen Traumprinceps nunmal nicht unbedingt als groben Soldaten mit Kasernenhofmanieren vor, der ungefähr doppelt so alt ist wie du," meinte sie bei dieser Vorstellung amüsiert und schüttelte dann den Kopf. "Den nächsten Mann werde ich mir selbst erwählen, Valerius Victor, ich möchte nicht ewig alleine leben. Und irgendwann ist es zu spät für Kinder." Sie legte den Kopf schief und blickte fragend zu ihm. "Warum fragst Du?"

  • Es hat sich kaum etwas geändert zwischen ihnen. Wie viele Lupae hat Vic schon verlassen und hinter keinen Gedanken mehr an sie gedacht? Sogar bei Ambrosiana ist es nur ein kurzer Moment gewesen, zwei verheiratete Menschen, die etwas Abwechslung suchten, die nicht weiter als bis zum Opfer danach dachten. Sogar beim ersten mal mit Vio hatte er nichtmal bis zum nächsten Tag gedacht. Doch an was denkt Helena? Wie weit denkt sie? Die Berührung ihrer Finger auf seiner Wange verwirrt Vic und er weiß nichtmal, wie weit er denkt oder wie weit es gut ist, zu denken. Er streicht ihr schwarzes Haar hinters Ohr zurück und grinst verlegen, froh, erstmal über alltägliche Dinge reden zu können.


    "Keine Sorge, ich glaub nicht, dass mich irgendwer zum Duumvir wählen würd. Es ist zwar wahr, den Septemviri gehts auch nicht viel besser, aber es gibt schon noch genug undankbare Aufgaben, die einen Epulonen aus der Regia heraustreiben und die darf alle ich machen, hrhr." Vic lauscht ihrer Stimme, als sie über ihren verstorbenen Mann spricht und merkwürdigerweise verspürt er ein Gefühl wie Eifersucht in sich aufsteigen. Eine gute Wahl ist es sicher immer, wenn Eltern ihren Kindern die Ehe aussuchen, meistens denken sie sich schließlich was dabei.


    Er bemerkt, dass sie sich noch immer davor scheut, ihn beim Cognomen zu nennen, selbst nachdem sie gerade im Atrium die Kline geteilt haben. Womöglich ist ihre Welt einfach doch eine ganz andere, von Ständen und Zwängen beherrscht und Vics einfacher Denkweise, die noch immer mehr der eines Peregrinus gleicht als der eines Eques, viel zu fern. "Och, das war nur so ein Gedanke. Nuja, ... da wirst du sicher keine Schwierigkeiten haben. Eine Iulia kann sich in Rom doch wohl kaum retten vor Angeboten ..." Das hört sich mehr an, als würden sie über Marktangebote reden, aber irgendwie muss er herausbekommen, was sie denkt, ob es mehr gibt zwischen ihnen als eine Kline und das Bad danach. Leider liegt darin, herauszubekommen, was eine Frau denkt nicht unbedingt Vic Stärke. Selbst mit Göttern ist es einfacher, als mit Frauen.

  • Seine Geste, ihr das Haar zurück zu streichen, ließ sie lächeln, und es tat auf eine seltsame Weise gut, dass er ihre Berührung nicht zurückwies. Was in seinem Kopf vor sich ging, war ihr nach wie vor schleierhaft, denn letztendlich war er ein Mann, der verheiratet war, der zu einer anderen Frau gehörte. Wahrscheinlich erleichterte er sich den Abstand zu seiner Frau mit regelmäßigen Besuchen im lupanar, welcher Mann tat das nicht? Wahrscheinlich zählte ein Abend wie dieser nicht als etwas Besonderes für ihn, sondern einfach nur als eine Art Vergnügen, das man genossen hatte, sich ein Weilchen bewahrte und dann zur nächsten ging ... der Gedanke an sich tat weh und sie nahm schnell Abstand davon. Sein Lächeln deutete zumindest an, dass ihre Befürchtungen ziemlich gegenstandslos waren, aber ein Rest Unsicherheit blieb.


    "Dann hast Du Glück, ich glaube, ich sattle doch irgendwann auf Septemvir um," meinte sie lächelnd und stellte sich kurz vor, wie einer dieser Priester durch die diversen Tempel der Stadt zu schleichen und sich bei allen Opfern durchzuschnorren. Für einen Moment betrachtete sie ihn seltsam nachdenklich, die blauen Augen glommen merklich und mit einem ernsten Beiklang, sie atmete leicht dabei ein und ließ sich dann etwas tiefer in das Becken sinken. "Setz Dich doch zu mir, wenn Du möchtest, das Wasser ist herrlich warm und ich könnte Dir auch das Haar waschen," sagte sie nach einigen Momenten, ihre nun wieder vollends zurückgekehrte Unsicherheit überspielend. Wieso sprach er von Heiratsangeboten, wenn er doch gerade mit ihr geschlafen hatte? Wollte er sichergehen, dass ihre Affäre nur eine einmalige Sache gewesen war? Oder sie weiterführen, wenn sie verheiratet war?


    "Es gibt den ein oder anderen Interessenten," meinte sie ausweichend und lächelte wieder. "Letztendlich muss auch mein Vater einverstanden sein. Auch wenn ich längst emanzipiert bin, weil mein Stand höher ist als der meines Vaters, seine Meinung ist mir sehr wichtig und ich möchte mich darüber nicht hinwegsetzen." Warum sprachen sie nur über irgendwelche Hochzeiten, es musste doch andere Themen geben als genau dieses. Aber ihr Kopf war wie leergefegt. "Wie hast Du eigentlich Deine Frau gefunden? Auch eine Entscheidung Deiner Eltern? Ich kann es mir immernoch kaum vorstellen, mit jemandem verheiratet zu sein, der so weit weg lebt und die gemeinsamen Kinder erzieht."

  • "Hrhr, Septemfemina? Das hört sich nich gut an. Außerdem kann es nur einen geben, der die ungeliebte Fußarbeit macht und der bin ich schon. Wie wärs mit Pontifex? Die ham nich viel zu tun, wenn du mich fragst und die wenigsten von denen haben ein Officium." Er schaut unschlüssig in das verlockende Wasser, in dem der noch verlockendere Körper von Helena liegt. Die Haare waschen - das zählt nicht zur Standardhandlung nach einer kurzen Bettgeschichte, ebenso wenig wie ein Bad. Aber was solls, irgendwie ist sowieso schon längst alles außer Kontrolle. Er richtet sich auf, zieht sich die Tunika über den Kopf und lässt dann seine Füße ins Wasser baumeln. Eigentlich ist es viel zu warm, ihm ist sowieso schon heiß, aber - was solls. Langsam rutscht er die Stufe hinab zu Helena ins Wasser.


    Der ein oder andere Interessent, das hört sich nicht so an, als wäre schon etwas ernstes dabei. Aber dann kommt doch wieder ihr Vater ins Spiel. Natürlich, sie ist trotz allem eine Iulia, würde immer eine sein, mit kaiserlichen Ahnen. Ebenso, wie er immer ein Valerier sein würde, mit Ahnen, die nicht seine sind und Vorfahren, die in Malaca noch immer Ställe verwalten oder ein paar Zimmer weiter beim Würfeln bescheißen. "Nuja, gefunden hab ich sie schon selbst, aber nich um sie zu heiraten. Das war dann nur nach ein paar Monaten die unausweichliche Konsequenz und letztendlich auch die Entscheidung unserer Eltern." Er zuckt mit den Schultern und starrt an die Wand des Balneums. "Es war damals sicher auch nicht die schlechteste Entscheidung. Soviel Unterschied zur feinen Gesellschaft hier in Rom ist da gar nicht. Sie kam aus ner guten Familie, hatte ein untadeliges Leben, nuja, zumindest bis sie mit mir ... öhm ... ja, und die Mitgift war auch passabel." Vic kratzt sich verlegen am Hinterkopf. "Ich hätte ja nich nach Rom müssen, wenn ich es nicht gewollt hätte. Und ... ich könnte längst wieder in Malaca sein, als Sacerdos oder sonstwas."

  • "Ach nein, Pontifex reizt mich schon allein deswegen nicht so sehr, weil man dann auf Jahre in der Provinz vergraben ist, und das habe ich nun wirklich genug gehabt während meiner Ehe. Ein klein wenig Nähe zu Rom darf schon sein und bleiben," erwiederte sie lächelnd und beobachtete ihn dabei, wie er sich entkleidete und in das Becken zu ihr glitt. Jetzt, da sie mehr Zeit hatte, seinen Körper zu betrachten, gestand sie sich dies auch als Genuss zu. Dass er bei der Ala gewesen war, sah man ihm eindeutig an, auch dass er sich wohl jetzt noch fit hielt - sie überlegte einige Momente lang, warum sie trainierte Männerkörper noch immer so anzogen und schob die 'Schuld' dafür Titus zu, der auch mit über vierzig Sommern noch kein Fett angesetzt gehabt hatte. Sie zog ihre Beine etwas an, um ihm Platz zu machen, bevor sie sich etwas ausstreckte, um nach einem der kleinen Fläschchen zu greifen, die auf einem Holzregal neben dem Becken aufgereiht standen. Wahrscheinlich eine Hinterlassenschaft von Valeria Amatia, überlegte sie, denn sie traute weder Victor noch Severus zu, allzu viel mit Essenzen im Sinn zu haben.


    Was er allerdings über seine Ehe sagte, ließ sie in der Suche nach der passenden Essenz innehalten. Irgendwie klang das Ganze wie eine Menge vorehelichem Vergnügen, das zu Nachwuchs und dann einer Heirat geführt hatte - eine Art Lebensweg, der deutlich mehr zu Victor passte als die übliche arrangierte Eheschließung, die zumindest bei den Iuliern üblich war und immer üblich sein würde. "Das klingt, als gefiele Dir das Leben in Rom und ... Du wolltest nicht zurückkehren. Warum lässt Du Deine Frau und Deine Kinder nicht hierher nachkommen? Ich glaube, ich würde jedem Mann energisch die Tunika über dem Rücken strammziehen, der so etwas mit mir versuchen würde," erklärte Helena schließlich mit einem Schmunzeln ihre Gedanken und griff sich eins der Fläschchen aus der gesamten Batterie heraus, hoffend, dass es kein allzu süßer Geruch sein würde. "Aber warum sprechen wir über Ehen. Letztendlich verändern sie die Tatsachen nicht im Geringsten. Du hast eine Frau, und ich werde in absehbarer Zeit wohl wieder heiraten." An diesem Punkt waren sie schon einmal gewesen, und es hatte damit geendet, dass sie ihm wochenlang aus dem Weg gegangen war.

  • Dass Vic bei der Ala gewesen ist, das sieht man auch den Kratzern welche die Kämpfe, vor allem die Schlacht um Septimanca, auf seinem Körper hinterlassen haben und die er natürlich wie jeder einstige Soldat stolz herumträgt. Ein Grinsen zieht sich über sein Gesicht, als er sich Helena vorstellt, wie sie jedem Mann die Tunika über dem Rückken stramm zieht, das kann er sich tatsächlich ziemlich gut vorstellen. Doch das Grinsen vergeht mit dem Gedanken an Vio. "Es is ja nicht so, dass ich ihr verbieten würde, herzukommen." Merkwürdigerweise ist das immer die Annahme, die sein Gegenüber trifft. Als würde Vic aussehen wie ein tyrannischer Ehemann. "Sie will einfach nich und ich zwing sie nicht." Helenas Reaktion lässt ihn wieder einmal überlegen, ob es dafür nicht längst einen anderen Grund als die Abneigung gegenüber der Großstadt gibt. Doch wahrscheinlich ist es der gleiche Grund, wie bei ihm auch, es gibt einfach keine Notwendigkeit dafür.


    Helenas letzten Worte klingen endgültig und vermutlich sind sie es auch. "Ja." ist alles, was er dazu sagen kann. In der letzten Zeit ist ihm ein Gedanke gekommen, der ihn weit weniger erschreckt, als die Tatsache, dass er überhaupt über so etwas nachdenkt. Doch was würde er schon an ihrem Leben ändern können? Nichts. Diese Frau ist einfach ein Stück zu hoch für ihn, sie stammt aus einer völlig anderen Welt und dass er mit ihr Kline und Wanne teilt, das ist mehr, als ihm überhaupt zustehen kann. Trotzdem passt es ihm nicht.

  • Vielleicht hatten sich beide einfach an das Leben, wie es war, gewöhnt - dennoch, sie konnte es nicht wirklich verstehen, wie man eine solche Entfernung freiwillig über längere Zeit ertragen konnte. Vielleicht, wenn man den Ehepartner nicht besonders mochte, in der Anfangszeit war es ihr auch lieber gewesen, wenn Titus länger bei seinen Soldaten geblieben war und sie zuhause ihre Ruhe hatte. Aber er klang eigentlich nicht so, als würde er seine Frau verabscheuen oder hassen. Letztendlich stand ihr darüber ohnehin kein Urteil zu, es war nicht ihre Ehe, nicht ihr Leben. Dass sie sich überhaupt nun als ein geringer Teil seines Lebens in seinem Baderaum befand, war erstaunlich genug. So lächelte sie etwas und öffnete die Phiole, aus der ein recht kräftiger, aber doch herberer Duft emporstieg.


    "Sandelholz - magst Du diesen Geruch, Victor?" Sie hielt ihm das Fläschchen hin und ließ ihn selbst daran riechen, bevor sie es beiseite stellte und ihn abermals betrachtete. "Es war eine schreckliche Zeit, Dich nicht zu sehen und doch Deine Nähe zu ersehnen," fuhr sie fort, als würde sie über Alltägliches sprechen, und doch glomm der Ernst nach wie vor in ihren blauen Augen. "Es wurde schlimmer, als ich Dich jeden Tag in der curia sehen musste und genau wusste, dass meine Hoffnungen sinnlos sind. Ich habe mir lange gewünscht, es gäbe einen Weg, der uns beide vereinen könnte. Aber ich wusste auch, wie sinnlos es sein würde, etwas zu erhoffen, das ich niemals bekommen würde. In solchen Dingen habt ihr Männer es deutlich leichter, glaube ich manchmal .." Ihre Stimme verlor sich etwas, nicht aber der Blick in seine Richtung. "Wahrscheinlich klingt das alles ziemlich lächerlich für Dich, jetzt hier etwas von Gefühlen zu hören, wo unser Zusammensein doch eher ... körperlich war. Aber das eine gehört wohl zum anderen dazu. Zumindest für mich."


    Wieder entstand eine kleine Pause, in der sie mit einer Hand etwas des Wassers über seine Schulter schöpfte und dort hinab rinnen ließ. "Und momentan fühle ich mich einfach ... unsicher. Ich kenne Dich kaum, ich weiss nicht, was Du denkst, was Du empfindest und ob das heute einfach eine Begegnung unter hundert anderen für Dich war. Du bist der zweite Mann in meinem Leben."

  • Vic riecht an der kleinen Flasche und nickt leicht. "Kann man bei vielen Gelegenheiten räuchern, Sandelholz ist ziemlich vielseitig." Dass sie dann auf einmal anfängt, so offen zu reden, bringt ihn wieder aus dem Konzept. Er betrachtet ihr Gesicht, ihre tiefen blauen Augen und weiß am Ende selbst nicht mehr, was möglich ist und was nicht.


    "So war das? Ich mein, in der Curia da warst du immer so abweisend. Ehrlich gesagt, ich hätte nich gedacht, dass du überhaupt noch daran denkst." Dann aufeinmal hört Vic ganz genau hin. 'Ich habe mir lange gewünscht, es gäbe einen Weg, der uns beide vereinen könnte.' - bezieht sich das nun auf die körperliche Vereinigung oder hat sie noch mehr im Sinn? Warum können Frauen nicht einfach klar und deutlich sagen, was sie denken, anstatt aus allem immer eine zweideutige Sache zu machen?


    Vic fasst ihre Hand und hält sie fest. Er beugt sich etwas weiter zu ihr. "Du machst mich wahnsinnig, Iulia Helena. Das ist es, was ich denke. Du gehst nicht mehr aus meinem Kopf und während ich an dich denke, überleg ich, wie ich dich dauerhaft in meine Nähe bringen kann. Bei den Göttern, Helena, meine Frau sitzt am anderen Ende der Welt, ich hab sie nicht mehr gesehen, seit ich zur Ala bin und ich musste sie heiraten weil ich ein schwanzgesteuerter junger Kerl gewesen bin und in ihr ein Kind gezeugt habe." Einen kurzen Moment kommt Vic der Gedanke, dass er auch heute noch nicht anders ist - was, wenn er da drüben im Atrium wieder ein Kind gezeugt hat? Er schiebt den Gedanken beiseite und schaut sie eindringlich an. "Was ich mir immer wieder überlege ist, was wäre wenn diese Ehe nicht wäre? Würdest du ... ich mein ... könntest du dir vorstellen ... wir beide ...?"

  • Helena hielt das Fläschchen einige Momente lang noch in der Hand, nahm den Geruch, der draus empor strömte, tief in sich auf, sodass dieser Augenblick in ihrer Erinnerung wohl immer mit Sandelholz verbunden sein würde, wann immer sie an das balneum der Valerier und den nackten Victor neben ihr darin denken würde. "Ich habe in der curia nicht gewagt, zu Dir zu sehen, damit man mir nicht allzu sehr ansieht, wie es mir ging," flüsterte sie schließlich tonlos, nachdem er gesprochen hatte, um dann das Fläschchen beiseite zu stellen, fürchtend, ihre Hände würden zu sehr zittern, und sie würde es noch fallen lassen.
    "Du weisst doch selbst, wie es dort immer zuging, ich wollte einfach alles vermeiden, das allzu sehr in Erinnerung rufen würde, dass ich eine Frau bin, und einen anwesenden Septemvir anhimmeln wäre nun wirklich recht eindeutig gewesen. Es war schon schlimm genug, von jedem der dort Anwesenden dauernd deswegen schlecht behandelt zu werden, nur weil ich als Frau in einem Männergremium sitze, und dann noch ein Gefühl zu offenbaren, das andere ausnutzen könnten - es wäre uns beiden nicht gut bekommen."


    Dass er ihre Hand ergriff, ließ sie stocken, ihr Blick suchte den seinen, und mit einem Mal ging ihr Herzschlag so schnell, dass ihr der Atem stockte. Das waren die Worte, die sie so lange hatte hören wollen, und nun sprach er sie, sagte alles genau so, wie sie es sich erhofft hatte, ersehnt hatte - nur einige wenige Wochen, Tage zu spät. Reflexartig schossen ihr die Tränen so heftig in die Augen, dass sie nur durch schnelles Blinzeln verhindern konnte zu weinen, und sie blieb ihm einige Momente lang die Antwort schuldig.
    "Du ahnst nicht, wie oft ich mir vorgestellt habe, Du könntest mich dies fragen. Wie oft ich nachts aufgewacht bin, von jenem Traum, der dich und mich vereinte, und davon träumte, Du könntest dies sagen. Aber immer war die Antwort ein Nein, weil Du eben verheiratet bist, Victor, und ich könnte nicht mit dem Gedanken leben, dass Du Deine Familie aufgibst, nur um mit mir zusammen zu sein," flüsterte sie schließlich atemlos.


    "Man kann immer träumen, Victor, und ich habe von Dir geträumt, seit ich im Circus hinter Dir auf dem Streitwagen stand, seit Du mir allein durch Deine Nähe gezeigt hast, dass mein Leben nicht allein aus Trauer besteht, dass ich noch lebe ..." Ihre Worte hatten an seltsamer Intensität zugenommen, und die Lippen bebten, zeigten, dass sie emotional längst nicht mehr auf Distanz gegen konnte, wie es vielleicht besser gewesen wäre. "Irgendwann ... irgendwann habe ich diese Sehnsucht einfach ... unterdrückt. Versucht, nicht daran zu denken und weiterzuleben. Du hast Dein Leben, und ich habe meins ... und es gibt jemanden, der mein Gemahl werden möchte, bei dem ich auch denke, ein gutes Leben zu haben, ohne die Schuld auf mich zu laden, eine Familie zerstört zu haben." Es tat weh, dies zu sagen, und es musste ihm weh tun, es zu hören, aber sie konnte ihn auch nicht anlügen, wollte nicht mit ihm spielen, nicht mit ihm ...

  • "Hmm." erwidert Vic einsilbig auf ihre Ausführung über die Curia. Seine Art ist es schon immer gewesen, über sowas nicht allzu viel nachzudenken, aber Helenas Vorbehalte sind natürlich nicht von der Hand zu weisen und erklären auch ihr Verhalten. Wenn man genauer darüber nachdenkt, dann ist es tatsächlich gut, dass es so und nicht anders gewesen ist.


    Für einen Moment glaubt Vic, dass ihre Augen feucht werden, aber wahrscheinlich ist es nur der Lichteinfall. Dann folgt der Augenblick, in dem sie genau das sagt, was er hofft, dass sie darauf gewartet hat, dass sie von ihm geträumt hat, dass nur eine Familie dagegen spricht, die womöglich längst keine Familie mehr ist, vielleicht nie eine war. Bei den Überlegungen, seine Ehe zu lösen ist Vic der Gedanke gekommen, dass er womöglich nichteinmal eine rechtskräftige römische Ehe führt. Er hatte Vio auf traditionelle iberische Weise geheiratet, mehr brauchte es damals und in einer Stadt wie Malaca nicht. Möglicherweise hat die Bürgerwerdung längst einiges durcheinander gebracht, was er versäumt hatte zu korrigieren. Selbst wenn nicht, seine Familie ist in Rom und wenn sie da nicht ist, ist sie nirgends, ein Lösen der Bindung wäre nur noch der kleinste Schritt.


    Doch bevor Vic ihr das alles eröffnen kann, spricht Helena die Worte aus, die all die Träume wie eine Seifenblase zerplatzen lassen. Ihre Worte sind wie ein Schlag ins Gesicht. Nein, schlimmer noch. Es kommt Vic vor, als hätte ihm jemand mit einer wuchtigen Faust in die Magengegend geschlagen und gerade als er sich vor Schmerz zusammenkrümmt, holt derjenige nochmal aus und donnert seine Faust von unten gegen Vics Kinn, so dass er nur noch rückwärts an die Wand fliegt und regungslos liegen bleibt. Der Unterschied besteht darin, dass sich Vic nach so einem Schlag in die tiefe Schwärze der Benommenheit flüchten könnte, Helenas Worte das aber nicht zulassen. Er lässt langsam seine Hand sinken, samt ihrer darin und als sie die Wasseroberfläche berühren, lässt er sie los. Dass ihn eine Frau zurückgewiesen hat, ist ihm selten passiert, und noch nie ging es um so viel. Er hat keine Ahnung, was er sagen oder tun soll. Sie hat vor, einen anderen zu heiraten, auf 'iulische' Weise und trotzdem ist sie zu ihm gekommen. Wieso? Um aus ihrem Leben auszubrechen, ein kleines Stück valerische Freiheit zu genießen? Was sollen dann ihre Worte über Träume und Hoffnungen? Es passt überhaupt nichts mehr zusammen und langsam macht sich ein mulmiges Gefühl in Vic breit, das Gefühl, dass er in dieser Sache die Oberhand verloren hat und Helena längt ihr eigenes Spiel mit ihm treibt. "Warum bist du hier, Iulia Helena?" Eine einfache Frage, alles andere würde Vic im Moment überfordern.

  • Als seine Hand herabsank, ihre Finger entlassend, wurde es mit einem Mal fast totenstill im balneum der Valerier, so still, dass Iulia Helena glaubte, ihren eigenen Herzschlag hören zu müssen. Die Geräusche des Hauses, in dem sicher noch andere Menschen anwesend waren, nicht nur Hulc, der Koch, schienen mit einem Mal bedeutungslos geworden zu sein. Dass sie ihn verletzt haben musste, war offensichtlich, sein Blick schwankte zwischen ohnmächtiger Fassungslosigkeit und Schmerz, aber gleichzeitig wusste sie, dass sie nicht hätte neben einer Ehe eine Affäre weiterführen wollen, die beide Männer nur herabgesetzt hätte. Sie hätte nicht kommen dürfen, nicht in die private casa der Valerier, niemals so nahe zu ihm, dass so etwas hätte passieren können, und doch war es geschehen, sie hatte mit der Möglichkeit nicht einmal ansatzweise gerechnet, in seinen Armen zu landen und ihn leidenschaftlich zu lieben. War dies ein Streich der Götter, ein unauswendbares Schicksal? Oder war sie einfach nur schwach gewesen, ihrem Körper gefolgt, der ihn begehrt hatte, seit sie sich das erste Mal berührt hatten?


    "Eigentlich ... wegen des Termins für ein Opfer," flüsterte sie leise. "Ich hätte zur regia kommen sollen, nicht hierher, ich hätte ahnen müssen, dass ich nicht stark genug sein würde, einem Wunsch zu widerstehen, der schon so lange in mir war. Ich hätte es wissen müssen, es tut mir leid ... es tut mir so unendlich leid," die Worte drangen stockend, dann schneller hervor, wurden atemlos dahin gehaspelt, während sie erbleicht war, ihre Finger fanden einander vor der Brust, verhakten sich ineinander und sie begann, nervös mit ihnen zu spielen, eine Geste, die man an ihr nur ausgesprochen selten beobachten konnte, nur in den Augenblicken vollkommener Unsicherheit und der Not, Worte finden zu müssen, die sich nicht finden lassen wollten.


    "Vielleicht wollte ich einfach ein einziges Mal in Ruhe mit Dir sprechen, ohne dass jederzeit irgendwer herein kommen kann, oder zehn andere um uns herum stehen, ich weiss es nicht. Bei Dir weiss ich einfach so vieles nicht, Victor, vielleicht weiss ich gar nichts mehr." Sie hielt inne und wandte den Blick ab, diesmal sehr bewusst, um das Schimmern der Augen zu verbergen, während sie nach Fassung rang. Selten hatte sie sich so nackt gefühlt wie in diesem Moment, selten so schwach - und es hatte herzlich wenig damit zu tun, dass ihr Körper nicht bekleidet war. Mit einer einzigen Frage hatte er aus einer Frau, die zu wissen geglaubt hatte, wohin ihr Weg zu laufen hatte, eine Frau gemacht, die wie ein Mädchen vor ihrem ersten Mann stand und sich fürchtete, was dieser tun oder sagen könnte.

  • Ihre Worte sorgen nicht dafür, dass Vic nun weiß, was er tun soll. Er ist ziemlich ratlos. Auf soetwas bereitet einen das Leben nicht vor, auch nicht die Ala und der Cultus Deorum erst recht nicht. Sowas passiert und plötzlich steht man vor einem Scherbenhaufen. Er hätte nicht auf Flaccus hören sollen. Er hätte sie nicht in die Casa einladen sollen. Er hätte sie nicht fragen sollen. Er hätte sie gehen lassen sollen nachdem er mehr von ihr bekommen hat, als er verdient hat. Hat er aber nicht. Genauso wenig wie sie hatte, was sie hätte tun sollen. Auf einmal scheint sie ihm so klein und verletzlich und der Beschützerinstinkt in ihm erwacht. Aber wie soll er sie berühren, wo sie längst einem anderen gehört? Was soll er machen? Sie aus dem Haus schmeißen? Sie bitten zu bleiben? Sie vergessen? Sie an sich drücken?


    Nichts von alldem tut er. Er bleibt einfach sitzen. "Dann ... meinen Glückwunsch ... dir und ... wem auch immer." Er würde es gern aufrichtig sagen können, doch er kann es nicht. Niemandem würde er diese Frau gönnen, niemand soll mit ihr glücklich sein, niemand soll das haben, was er nicht haben kann. Vic hat plötzlich das Verlangen nach Wein, nach einer großen Kanne Wein, oder vielleicht auch zwei oder mehr. Mehr auf jeden Fall, als dass er noch irgendetwas wissen könnte, was er sowieso nicht weiß.

  • "Danke," sagte sie leise und blickte auf das zwischen ihnen liegende, schaumige Wasser, die Augen dann zusammenpressend. Helena zwang ihren Atem, ruhig zu gehen, auch wenn es eine Weile dauerte, bis sie das Gefühl hatte, dass es sich tatsächlich so entwickelte wie sie es wollte - momentan fühlte sie sich, als stecke ein dicker, bitterer Kloß in ihrem Hals, als müsste ihr das Herz zerspringen, weil sie ihm dies antat, weil sie es sich selbst antat. Aber vielleicht war dieser Realismus mit den Jahren gekommen, hatte kommen müssen, als der Überschwang der Jugend einer gewissen Ruhe hatte Platz machen müssen, ohne die sie ihren Weg an der Seite eines nicht immer einfachen Mannes nicht hätte gehen können. Hatte sie sich richtig entschieden? War es richtig, der Vernunft vor der Leidenschaft den Vorzug zu geben? Er klang schrecklich, als hätte sie seine Welt mit Anlauf zerschmettert, aber auch in ihrer eigenen Welt war etwas zerbrochen. Langsam schlang sie die Arme um ihre Brust, als müsse sie sich selbst nun den Halt geben, den er ihr nicht geben konnte oder wollte, blieb einfach sitzen, genau wie er.


    "Ich gehe jetzt besser," sagte sie leise, ohne ihn anzusehen, denn was sollte sie noch sagen? 'Tut mir leid, mit Dir habe ich sicher viel leidenschaftliche körperliche Liebe, aber das reicht mir nicht für meine Zukunft' oder 'Du hast so lange nichts von Dir hören lassen, dass ich an Dir und mir nur noch zweifeln konnte' waren sicherlich keine Sätze, die jetzt noch gepasst hätten, und sie waren auch längst nicht alles, was sie ihm sagen wollte oder konnte. 'Ich war sehr verliebt in Dich und bin es wahrscheinlich noch' würde auch nichts besser machen ... so schwieg sie und wartete seine Antwort ab.

  • Das war es also. Sie würde gehen und er würde sie nicht aufhalten, obwohl er nichts lieber täte. Danach? Wahrscheinlich weiß es keiner von beiden. Schlimmer noch als die Ungewissheit der letzten Wochen würde in Zukunft die Gewissheit sein. Die Curie könnte Vic eine Weile ignorieren, im Factiohaus braucht er sich auch nicht sehen zu lassen, es reicht, wenn er sich um die Wägen und Pferde kümmert. Ostia ist weit weg, Rom groß genug und ein Haufen Lupanare gibt es allemal, das Leben geht also weiter. Ganz sicher.


    "Ja." Mehr fällt ihm wieder nicht ein. Er reibt sich die Arme kurz mit Wasser ab, steht auf und verlässt das Becken. Mehr schlecht als recht trocknet er sich und zieht sich wieder seine Tunika über. Dann nimmt er ein Handtuch und hält es für Helena bereit. Alles in ihm sträubt sich dagegen, es ihr einfach hinzuhalten, nichts täter er lieber, als sie darin einzuwickeln und abzureiben, aber es würde alles nur schlimmer machen. Also hält er ihr es nur hin. "Wegen des Opfers kannst du dich an den Sacerdos Tiberius Flaccus wenden. Er ist meist im Tempel des Apollo zu finden und er ist ein fähiger Priester."

  • "Danke, das werde ich tun," sagte Iulia Helena und erhob sich langsam aus dem Becken, strich mit den Händen behutsam das Wasser von Armen und Beinen, ohne ihn anzublicken, bevor sie vorsichtig das Handtuch entgegen nahm, sorgsam darauf achtend, ihn nicht zu berühren, um es sich und ihm nicht noch schwerer zu machen, als es war. Sie hätte so gern so vieles noch gesagt, aber in der Stille des balneums schien jedes Wort das Gewicht mehrerer Talente zu besitzen, verklemmte sich tief im Hals und wollte nur unter Protest und Kratzen wieder herausrutschen. Während sie ihren Körper mit dem Tuch abrieb, danach das Haar locker zusammenfasste, sprach sie kein Wort, und es war auch besser so, damit konnte sie besser verhindern, nicht unsicher zu klingen, nicht so traurig und verloren, wie sie sich gerade fühlte. Musste es denn wirklich so enden zwischen ihnen beiden, blieb denn nichts, das wenigstens einer Freundschaft würde gleichen können?


    Langsam hob sich ihr Kopf zu ihm, und nun, da ein wenig Abstand zwischen ihnen beiden eingekehrt war, da sie das Handtuch vor sich halten konnte, um ihren Leib zu bedecken, sah sie ihn auch wieder direkt an. "Victor," erklang die Stimme der Iulierin leise, aber dennoch ernst, gefasster nun. "Wir hätten früher miteinander sprechen müssen, viel früher. Vielleicht hätte dann alles anders ausgesehen. An jenem Tag, nachdem wir uns in der regia unterhalten hatten, dachte ich ... ich dachte wirklich, Du möchtest es nicht. Mir nahe sein. Es tat einfach weh, und ... ich versuchte irgendwie damit klar zu kommen, glücklicherweise gab es genug Arbeit, auf die ich mich stürzen konnte damals. Es tut mir leid ... einfach nur leid, dass es nun ist, wie es ist." Wäre sie nicht verletzt gewesen, hätte sie ihn nicht so gemieden, und dann wäre vielleicht alles anders. Sie läge nun in seinen Armen, würde seine Frau werden anstatt die des Tiberius Vitamalacus - wäre es wirklich so gewesen, so geworden? Still blickte sie ihn an, die blauen Augen schimmernd, denn noch immer musste sie den Reflex unterdrücken, ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Wenigstens diesen Rest Stolz versuchte sie zu wahren.

  • Stumm beobachtet Vic, wie Helena das Wasser von ihrem Körper abstreift und sich trocknet. Was für eine Frau, die sogar jetzt noch, bei so einer profanen Tätigkeit, mehr Feuer ausstrahlt als alle anderen Frauen Roms zusammen. Sein Name aus ihrem Mund klingt gar nicht mehr nach seinem Namen, er klingt einfach nur falsch. Trotzdem nickt er und stellt beinahe sachlich fest: "Ja, das hätten wir. Viel früher." Was hätte er ihr sagen sollen? Dass er ein miserabler Ehemann ist und darüber nachdenkt, sich von Vio zu trennen, wegen ihr? Was, wenn es doch nicht so gekommen wäre?


    "Mir tut es auch leid." Tut es? Vic hat keine Ahnung. Das alles scheint so weit weg von ihm zu passieren. Es scheint ihm, als würde es nur das Leben eines anderen betreffen. "Aber jetzt ist es zu spät." Ist es das? Vic hebt langsam eine Augenbraue. "Seid ihr schon verheiratet?" Er geht einen Schritt auf sie zu. "Eine Verlobung zählt nichts, Helena. Sie hat überhaupt keinen Wert, nicht juristisch und nicht vor den Göttern." Es ist ein letzter, verzweifelter Versuch, sie zum Bleiben zu bewegen. "Ein Valerier ist auch nicht übel und ein Septemvir in der Familie schon gar nicht. Ich bin Ritter, Helena, reicht das nicht? Was ist er? Ein Senator? Irgend so ein alter Sack mit ein Haufen Kohle? Was könnte er dir bieten, was könnte er deiner Familie bieten was ich nicht bieten kann?"

  • Sie schlang das Handtuch um ihren Körper und dann die Arme mit dazu, sich für einen Moment selbst diesem tröstlichen Halt überlassend, aber es änderte nichts daran, dass sie ihm würde antworten müssen, auf eine Art antworten müssen, die ihr seltsam falsch erschien, bei der sie nicht einmal wusste, wie sie die Worte formulieren sollte.


    "Wir sind noch nicht einmal verlobt, Victor, sonst wäre es sicher längst lang und breit in der Acta ausgewalzt worden, dessen kannst Du Dir sicher sein. Aber ich habe mein Wort gegeben, und derzeit wird mit meinem Vater wegen dieser Ehe verhandelt. Eine Verlobung zählt mir sehr viel, Victor, und eine Ehe noch viel mehr. Du bist bereits verheiratet, Du hast Kinder und Du empfindest auch etwas für Deine Frau, sonst würdest Du nicht mit dieser gewissen Wärme von ihr sprechen, wenn Du sie denn erwähnst. Glaubst Du wirklich, dies ließe sich einfach beiseite schieben? Du bist Vater, Victor, und wenn nicht Deine Frau Dich in dieser Ehe hält, dann sollten es die Kinder. Ich habe selbst zwei Kinder verloren und ich wünschte, es wäre nicht so, aber ich kann es nicht ändern. Glaubst Du wirklich, ich möchte Deinen Kindern ihren Vater nehmen, wenn sie alt genug sind, hierher zu kommen und in Rom etwas zu werden? Du sagst, es sei nichts bedeutendes, sich zu verloben, es zähle nichts, aber warum verlobt man sich dann, wenn es nichts wert ist?"


    Leise atmete sie ein und schüttelte dann den Kopf. "Er ist kein alter Sack und reich wohl auch nicht, und noch kein Senator, aber auf dem besten Weg dazu. Er ist Patrizier, Victor, und ich würde Schande über meine Familie bringen, jetzt noch einer Verlobung aus dem Weg zu gehen, alles rückgängig zu machen, was besprochen wurde. Ich habe mir diesen Schritt gut überlegt, und ich werde diesen Weg beschreiten." Jedes Wort schmerzte, sie konnte nicht einmal richtig artikulieren, was sie sagte, aber es musste gesagt werden. Sie hatte sich entschieden, alleine dafür entschieden, was in den nächsten Wochen folgen würde, und sie würde dabei bleiben. Wahrscheinlich war es das Aus jedes freundlichen Wortes zwischen ihnen beiden, aber wenn die Iulier eine Qualität aufzuweisen hatten, dann jene, zu einem gegebenen Wort zu stehen, und sei es inmitten glühender Lava oder im schlimmsten Schneesturm des Jahrhunderts.

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