• Zwischen den wöchentlichen Lektionen, die ich zur Juristerei gab, hatte ich jede Menge Zeit. Deshalb entschloss ich, das Forum einmal genauer zu inspizieren. Ich sah mir also jeden Laden zumindest kurz an, nur um dann fast immer die Händler abzuwimmeln, weil mir die Auslage nicht zusagte. Doch schließlich fand ich einen Stand mit Büchern und Schriften. Dem herbeieilenden Händler signalisierte ich mit einem Wink meiner Hand, dass ich keine Beratung wünschte. So trat er zurück und ließ mich die Auslage betrachten.


    Hin und wieder nahm ich ein Buch in die Hand und entrollte es ein wenig, um den Beginn zu lesen. Eine Rolle des ersten Buchs der Naturalis Historia des Plinius hatte ich gefunden und bereits dem Händler hingelegt, damit es nicht an jemand anderen verkauft würde, als ich auf der Suche nach weiteren Büchern der Naturalis Historia die Stapel durchstöberte. Wonach ich suchte, fand ich nicht, jedoch rutschte aus einem Buch ein Stück Papyrus ein wenig heraus. Es gehörte nicht zum Buch. Das konnte ich deshalb sagen, weil es offensichtlich mit einer Landkarte bemalt war. Das erschien mir interessant. Ich entrollte das Buch komplett, womit auch die komplette Landkarte sichtbar wurde. Ich erkannte das östliche Mittelmeer, dann zwei Flüsse, die in ein Meer flossen. Das war sicher Mesopotamien. Meere, Flüsse und Städte waren in Koine benannt. Die Karte endete mit einem Gebirgszug im Osten, der anscheinend die Ostgrenze Baktriens zu sein schien.


    Noch interessanter waren allerdings die Beschriftungen, die offensichtlich mit einer anderen Feder in Latein hinzugefügt wurden. Einige auf der Karte, doch noch mehr auf der Rückseite der Karte. Sie waren klein, teilweise nur schwer zu lesen und häufig nur Abkürzungen. Langsam trat ich mit der Karte auf den Händler zu.


    "Salve. Woher kommt diese Karte?" wollte ich wissen.


    "Ich weiß es nicht."


    "Und das Buch?"


    "Das ist aus dem Nachlass eines Kaufmanns, der angeblich weit gereist ist. Ich weiß aber nicht, wie glaubhaft das ist. Interessierst du dich für die Karte?"


    Ich nickte.


    "Ja. Ich biete einen Denar."


    Der Händler sah mich fassungslos an.


    "Wie bitte? Die ist mindestens einen Aureus wert!"


    Ich zog eine Augenbraue hoch.


    "Aha. Weshalb? Was zeigt sie denn?"


    "Ähhh... Das... den... ähh..."


    Er konnte offensichtlich keine Koine lesen. Sonst hätte er gewusst, dass diese Karte für mich durchaus interessant war. Und dass der Kaufmann womöglich wirklich sehr weit gereist war.


    "Wenn du es nicht weißt, woher willst du dann den Wert kennen? Die Karte ist zweifelsfrei ganz hübsch anzusehen. Vielleicht zeigt sie sogar reale Länder, vielleicht auch nicht. Die lateinischen Kritzeleien versauen sie natürlich. Das mindert den Wert. Ich mache dir einen Vorschlag. Die Karte und das erste Buch der Naturalis Historia für einen Aureus. Sind wir uns einig?"


    Der Händler dachte nach.


    "Ich weiß nicht. Das ist schon recht wenig. Ich muss ja auch meine Familie ernähren, Herr."


    Das quittierte ich mit einem strengen Blick.


    "Nur, damit wir uns richtig verstehen: Du meinst ernsthaft, dass eine bekritzelte Karte etwas wert ist? Und dann besitzt du noch die Frechheit, mehr als einen Aureus für das Buch zu verlangen? Bedenken wir, dass genau dieses Buch nur das Vorwort und die Inhaltsangabe beinhaltet. Was ist das wert? Wenn du mir jetzt die restlichen Bände herbeischaffen würdest, wäre das etwas anderes. Aber so? Denkst du, dass ich dumm bin?"


    "Herr?"


    "Bist du schwerhörig? Ich habe dir großzügig einen Aureus geboten! Weißt du was, ich verzichte! Schönen Tag noch!"


    Ich drehte mich um und machte ein paar Schritte in Richtung Mittelschiff der Markthalle.


    "Warte! Ein Aureus ist in Ordnung!"


    Ich ging langsam weiter.


    "Das Buch, aus dem die Karte gefallen ist, gebe ich noch dazu! Alles für einen Aureus!"


    Langsam drehte ich mich um. Ich ging langsam auf den Händler zu und sah ihm dabei so lange in die Augen, bis er seinen Blick senkte. Danach holte ich einen Aureus aus meinem Geldbeutel und gab ihn dem Händler.


    "Die Bücher, bitte. Und die Karte. Alles schön einrollen und in ein Tuch packen. Danke!"


    Der Händler tat, wie ihm geheißen wurde und überreichte mir schließlich das Päckchen, welches ich mit einem kurzen Nicken an mich nahm. Dann machte ich mich auf den weg zur Domus Iunia. Der Händler hatte keine Ahnung, welchen wert ich hoffte, in meinen Händen zu halten.

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