Mord in einem Lagerhaus

  • Die beiden Liebenden hatten das Viertel der Gaukler, Schausteller und Akrobaten gerade verlassen um sich auf den Markt zu begeben, als ein lauter Aufschrei aus einem der Lagerhäuser zu hören war.


    "Mord... Mord..."


    Der kleine Sohn des Bärenführers Kaleb rannte so schnell er konnte zu dem Gebäude, duckte sich und verschwand an Erwachsenen vorbeihuschend in dem dunklen Tor des Gebäudes. Mehrere Sklaven und Arbeiter drängten sich schon um einen Toten, der von einem Sparren herunterhängend an einem Seil baumelte. Die nackten Füsse und Beine hingen leblos in der Luft. Bevor der Knabe jedoch weiter nach oben sehen konnte, hatte ihn sein Vater schon entdeckt und ihm schützend die Hand vor die Augen gehalten.


    "Sieh da nicht hin, mein Sohn!
    Sieh nicht hin..."


    Eilends rannte ein anderer nach draussen, rief nach einer Patrouille der Stadtwache und kam wenig später mit mehreren der bewaffneten Männer wieder...



    ...

  • Schon wieder hatte ich so einen Fall, wo ich am liebsten nur gespuckt hätte. Stundenlang die Eimer vollgekotzt, die Seele mit Wein in den Fluss gespült, hinunter in das Meer, bis sie sich irgendwo an einem tiefen Grund verlieren würde.


    Ich stand in dem Lagerhaus und blickte baumelnden Beinen und Armen entgegen. Der Kerl - und dass es ein Kerl war konnte man daran erkennen, dass sein Glied dunkelblau angeschwollen in Richtung Himmel zeigte - hing splitternackt an dem Seil. Und an der Stelle wo sein Gesicht hätte sitzen müssen, hatten wir wie bei dem Toten auf dem Fischmarkt nur Brei. Brei aus zerstampften Fleisch, gesplitterten Knochen und Gehirnmasse.


    Mir wurde sofort klar, dass wir es mit dem selben Täter zu tun hatten. Mir wurde klar, dass es kein Einzelfall bleiben würde und ... dass eventuell noch weitere Fälle folgen würden.


    "Grandios. Einfach grandios.
    Wer hat ihn gefunden?"


    Der Centurio blickte mich an.


    "Die Patrouille von Marcus war als erste da. Allerdings standen da schon mehrere Dutzend Menschen hier rum. Wir haben bereits begonnen sie zu vernehmen, Regionarius."


    Ich nickte mit dem Kopf.


    "Gut, gebt mir Bescheid, wenn ihr was gefunden habt."


    Dann stieg ich langsam die offene Treppe in die nächste Etage hinauf, blickte mich um, versuchte mir eine Motiv auszudenken. Als ich den Balken erreicht hatte, an welchem der Tote hing, setzte ich mich auf den Boden und starrte ihn an. Es musste für dies alles doch eine plausible Erklärung geben.

  • Nach einer Weile erhob ich mich wieder und wandte mich an den Centurio.


    "Am besten lasst ihr alles so, wie es ist. Schickt nach diesem griechischen Arzt, der sich schon um den ersten Toten gekümmert hat. Er soll sich auch diesen hier ansehen..."


    Der Mann nickte mit dem Kopf und schickte gleich einen Burschen los. Dann blickte auch er zu dem Toten hoch und kratzte sich an dem Kopf.


    "Regionarius... darf ich offen sprechen?"


    "Sicher, nur zu..."


    "Regionarius, das ganze ist mir unheimlich.
    Schon der zweite Tote innerhalb so kurzer Zeit und wieder ohne Gesicht..."


    Ich nickte mit dem Kopf. Auch mir war die die ganze Sache unangenehm.

  • Ich trat wieder nach draussen und blickte mich ein wenig in der Umgebung um. Die Strasse war eine Strasse wie jede andere. Die Menschen sahen auch aus wie überall, wenn man mal davon absah, dass die Leute hier eher der untersten Schicht entsprangen. Sklaven, Freigelassene, Peregrini. Und wie es nicht anders sein konnte: eine Menschentraube rund um den Tatort.


    Es verwunderte mich, dass der Mord am hellichten Tage geschehen war. Dies ließ mich nur zu dem Schluss kommen, dass der Ermordete schon tot gewesen sein musste, bevor man ihn an dem Galgen aufhängte. Oder doch nicht? Das geschwollene Glied... Ein Blutstau wie er bei Erhängten des öfteren auftrat. Der Tote musste also durch Erhängen gestorben sein. Doch wie konnte dann sein Gesicht so zerstört worden sein, ohne dass es auf dem Boden des Lagerhauses vor Blut und Überresten nur so wimmelte? Ich stand vor einem Rätsel...

  • Etwas später kommt Apollonius herangelaufen. Über seiner Schulter hängt die ältere, leicht ausgebeulte Ledertasche mit seinen Instrumenten. Suchend sieht er sich um und geht dann schnurstracks auf Balbus zu.


    "Salve, Regionarius. Eine der Wachen hat mir Bescheid gegeben, dass es einen neuen Mord gab." Er krazt sich am Bart. "Dieselbe Weise?"

  • Ich war gerade in Gedanken versunken als mich der Grieche von hinten ansprach. Ich drehte mich um und war froh, dass er hier war. Das ganze war so mysteriös und wieder einmal wusste ich beim besten willen nicht weiter. Ich nickte mit dem Kopf.


    "Wie ein zertrümmertes Gesicht. Nur diesmal kein Fass, sondern der Tote hängt an einem Seil. Doch sieh selber nach, wir haben nichts angefasst."


    Ich wies mit einer Handbewegung in Richtung des Lagerhauses, in dessen zentralen Raum der Tote von einem Sparren nach unten baumelte.

  • "Hmmm!" Apollonius blickt durch den Eingang ins Lagerhaus. "Erhängt? Immerhin etwas solider als das mit dem Faß!" Er nickt und krazt sich in seinem dichten, ergrauten Bart.


    "Ich schau mir das mal an...!" Mit den Worten marschiert er an den Wächtern vorbei und in das Lagerhaus hinein.


    Einen Schritt hinter dem Eingang bleibt er stehen und mustert die gesamte Situation. Dann fällt sein Blick auf den Boden und danach wieder auf den Erhängten. Leicht grummelnd tritt er langsam näher und stellt seine Tasche neben dem baumelnden Mann ab.


    Langsam und immer wieder auf den Boden schauend, geht er um den Mann herum. Mit gerunzelter Stirn bleibt er wieder stehen und sein Blick wandert nach oben.


    "Das ist doch wirklich verrückt...!" Er schüttelt den Kopf. Dann mustert er wieder den Toten. "Was haben wir bisher...Beide männlich, Beide unkenntlich gemacht...relativ ähnliche Statur...hmm!" murmelt er leise vor sich hin. Er dreht sich abrupt um und öffnet seine Tasche und holt sein Instrument mit dem Vergrößerunsglas hervor, was er sich um seine Stirn schnallt. Mit dem Glas vor dem Auge geht er näher an den Körper heran, um ihn sich wieder etwas genauer anzuschauen...

  • Ich folgte dem Griechen wieder hinein in das Gebäude und blieb im Eingang unschlüssig stehen. Den Toten blickte ich schon gar nicht mehr richtig an, er schien für mich schon zum Inventar geworden zu sein. Oder verdrängte ich ihn nur? Ich wollte ihn nicht ansehen.


    "Was meinst Du? Wie wurde er getötet?
    Erschlagen oder erhängt?"


    Ich blickte Apollonius fragend an.

  • Apollonius mustert den Leichnahm und dreht sich einmal um die eigene Achse, um sich die ganze Situation noch mal vor Augen zu führen.


    "Hmm!" Apollonius atmet langsam ein und wieder aus und kniet sich nieder, um die Unterseite der Füße zu betrachten. Sein Blick wandert von den Zehen bis zu der Ferse des Toten.


    Dann richtet er sich abrupt wieder auf und wendet sich an Balbus. "Der Mann wurde durchs Strangulieren getötet. Es gibt jedoch einige merkwürdige Umstände."


    Er tritt an den Regionarius heran. "Er ist gestorben, als seine Säfte noch in ihm geflossen sind. Normalerweise führt das jedoch auch dazu, dass betreffende Säfte von dem Körper ausgeschieden werden, wie das bei den meisten Todesfällen der Fall ist. Die Muskeln erschlaffen und der Körper kann Schleim und Exkremente nicht mehr an sich halten."


    Er deutet auf den Boden. "Aber hier ist nichts! Ebenso ist kein Blut zu sehen. Da jedoch die Zeichen auf Strangulation hindeuten, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Gesicht nach dem Eintreten des Todes zerstört wurde. Also zu einem Zeitpunkt, wo die Säfte zum Stillstand gekommen sind. Aber wahrscheinlich ist der Tote auch hierher gebracht worden, nachdem er schon tot war."


    Er reibt sich den Bart und blickt auf. "Ähm...ja, also Tod durchs Strangulieren!"

  • Nachdenklich kratzte ich mich hinter dem Ohr.


    "Das hatte ich auch angenommen. Hätte man ihn einfach nur so erschlagen, wäre es kaum zu diesem Blutstau gekommen..."


    Ich deutete nach oben und sprach dann weiter.


    "Die Frage ist nur, wann und wo wurde sein Gesicht zertrümmert. Es kann unmöglich hier gewesen sein, oder doch? Das ganze kommt mir absurd vor, und absurd ist wohl eher noch untertrieben...."


    Ich blickte noch einmal zu dem Toten hinauf und wandte mich dann in Richtung Türe.


    "Du entschuldigst mich, ich brauche frische Luft..."


    sprachs und verschwand nach draussen.


    Die Kotze, welche ich im nächsten Hauseck entleerte war warm und stank säuerlich, etwas Wein, Traubenschalen und Brotbrocken, ich hatte nicht viel gegessen, aber viel vertragen hätte ich sowieso nicht.

  • Apollonius blickt Balbus kurz hinter her, dreht sich jedoch taktvoll um.


    Er geht wieder einige Schritte in das Lagerhaus und mustert noch mal den Leichnahm. Schließlich geht er hinaus und bleibt einige Schritte von Balbus stehen.


    "Er wurde bestimmt hier weder umgebracht, noch so zugerichtet. In diesem Lagerhaus davon jede Spuren zu beseitigen, wäre so gut wie unmöglich." Er zuckt mit der Schulter.


    "Aber meine Augen sind nicht mehr so gut, wie in meiner Jugend. Jedenfalls konnte ich keinerlei Knochensplitter oder sonstiges hier erkennen!"


    Er verschränkt die Arme hinter dem Rücken. "Nun, das mit dem Gesicht hat sich ja sehr wahrscheinlich erübrigt. Wahrscheinlich ist nicht die Identität das Wichtige an diesen Morden..."


    Er sieht neugierig zu Balbus. "Und wie werdet Ihr weiter vorgehen, wenn ich fragen darf?"

  • Ich erhob mich langsam von den Knien und wischte mir den Mund ab. Nachdenklich blickte ich ihn an. Ich hatte keine Idee. Wir jagten im Grunde ein Phantom.


    "Ich weiß nicht..."


    sprach ich und zuckte mit der Schulter.


    "Ich lass ihn in die Stadtkaserne schleppen und Du machst Dich bei ihm wieder an die selbe Arbeit. Nur wie Du sagtest, das mit den Büsten hat sich erledigt. Ich denke nicht, dass es uns was bringen wird."


    Ich atmete durch.


    "Und sonst... Wir machen unsere Arbeit und warten. Was soll ich sonst tun? Alle Leute in dem Viertel hier verhaften lassen? Eine Großfandung nach einem Unbekannten ausschreiben? Alle lokalen Verbrechersyndikate hochgehen lassen? Wir haben zwei Tote. Wir wissen nicht wer sie sind, und wer dahinter steckt. Grosse Scheisse, aber so ist das Leben..."

  • Nachdenklich nickt Apollonius. Seine Stirn ist gerunzelt als er in seinen Gedanken verloren einfach vor sich hinsieht. "Hmh! Ich frag mich, was einen Verbrecher oder Mörder von einem normalen Menschen unterscheidet...ob es vielleicht auch eine Krankheit der Säfte ist...der gelbe Schleim? Vielleicht etwas mit dem Pneuma?" Er nickt und blickt auf.


    "Nun, ich habe keine Ahnung, was man bei solchen Ermittlungen macht und war nur daran interessiert, wie Ihr vorgehen würdet, Regionarius! Mir ist bewußt, dass es hier ein sehr schwieriger Fall ist."


    Er geht an den Ort des Verbrechens zurück und holt seine Instrumente wieder aus dem Lagerhaus.


    Leicht grummelnd bleibt er an der Seite von Balbus stehen. Es ist ein nachdenkliches und abwesendes Grummeln. "Hmh...Gut, ich komme dann später wieder zur Wache. Vale!"


    Er nickt Balbus freundlich zu und verschwindet in einer anderen Gasse...

  • Ich blickte dem Griechen noch hinterher und wandte mich dann an den Centurio, welcher gerade aus dem Lagerhaus trat. Ich gab ihm Anweisung den Toten unversehrt zur Stadtwache zu bringen und neben dem anderen Toten aufzubahren. Desweiteren sollten alle "Zeugen" befragt werden. Mehr gab es nicht zu tun. Ich sah noch einmal zu dem Gebäude und machte mich dann auf den Weg. Ich wollte nur noch nach Hause, ich wollte nur noch schlafen und am liebsten alles vergessen. Verdammter Beruf, verdammtes Leben...


    Ich ging.

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