equile
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...betritt Ganymed den Stall. In seiner Hand hält er einen Eimer, einer Mistgabel und einen Strohbesen. Lächelnd geht er zu dem Hengst von Didia Aemilia, dem Schimmel Maysoon.
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Er tritt an ihn heran und streichelt ihm über die Mähne. "Na, Du?" murmelt er und zieht unter seiner Tunika einen Apfel hervor, den er an Maysoon verfüttert. Er bleibt einen Moment stehen, dann gibt er sich einen Ruck. Er holt einen Strick und legt ihn um den Hals des Schimmels. Lächelnd führt er ihn nach draußen und bindet ihn vor dem Stall an.
Vor sich hinpfeifend geht er zum Eimer, Mistgabel und dem Besen und tritt in die Pferdebox hinein. Dort stellt er den Eimer ab und fängt an den Stall auszumisten.
Sein Pfeifen weicht dann einer Melodie, die er leise vor sich hinsingt, während er im Stall arbeitet.
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Nach vielen Runden, in denen Ganymed das verdreckte Heu und die Pferdeäpfel auf den Misthaufen gebracht hat, schüttet er frisches, goldenes Heu in die Box.
Leise singend geht er zum Schimmel zurück und führt ihn in den Stall. Auch bei den anderen Stallboxen wiederholt er die Arbeit und füttert die Pferde mit frischem Heu.
Nach der harten Arbeit im Stall wäscht er sich draußen in einer Regentonne die Hände und das Gesicht und schließt das Werkzeug wieder weg. Immer noch vor sich hinsummend, geht er wieder in das Haus hinein.
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...nachdem Ganymed Aemilia nach ihrer Krankheit begrüßt hat und Livianus Bescheid gegeben hat, ist er wieder in den Stall geschlichen.
Er lehnt sich an die Tür zum Stall und mustert die Pferde und besonders den Schimmel. Langsam geht er auf das Pferd zu. "Ich weiß gar nicht, wen ich mehr beneiden soll...!" flüstert er leise zum Schimmel. "Dich oder Domina Aemilia!" Er schweigt und holt noch einen Apfel, um ihn an das Pferd zu verfüttern.
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Gemeinsam mit Aemilia kam Livianus in den Stall.
"Ah Ganymed! Wie geht es dem Pferd? Wir werden einen Ausritt machen. Kannst du alles vorbereiten."
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Ganymed wendet sich um und senkt schnell den Blick. Doch sofort sieht er wieder auf. "Salve Dominus! Es geht allen gut." Er nickt eifrig auf den Befehl und holt Zaumzeug und Sattel für die Pferde herbei.
Eilig, aber sorgfältig, sattelt er das Pferd von Livianus und Aemilias Schimmel, die er danach nach draußen führt, zu einer dort stehenden Trittstufe, um das Aufsteigen zu erleichtern.
"Dominus..." meint Ganymed und reicht Livianus die Zügel seines Pferdes und hält die Zügel des Schimmels, damit Aemilia besser aufsteigen kann.
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Livianus nahm mit der einen Hand die Zügel seines Pferdes und strich ihm mit der Anderen den Hals entlang.
"Na mein alter Freund! Du hast mich bestimmt schon vermisst! Was?!"
Er seufzte.
"Ich hab dich, seit wir in Rom sind, ziemlich vernachlässigt.... und das obwohl wir beide schon so viel miteinander erlebt haben."
Langsam zog er das Pferd zu sich und stieg auf. Dann wandte er sich um und wartete bis Aemilia fertig war.
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Aemilia ist noch ganz versunken in die Bewunderung von Maysoon als sie plötzlich die abwartenden Blicke von Ganymed und Livianus bemerkt. Sie grinst entschuldigend und beeilt sich, schnell auf ihr Pferd hinaufzuklettern. Mit Ganymeds Hilfe ist dies auch tatsächlich schnell geschafft und mit einem stolzen Grinsen sitzt Aemilia auf dem riesengroßen Schimmel.
"Hach, ein tolles Gefühl! Das wird ein Spaß!"
Sie zwinkert Livianus verschmitzt zu und treibt Maysoon eilig mit den Schenkeln an. Das große Tier ist offensichtlich erfreut über die Aussicht auf einen ausgedehnten Ausritt und mit einem großen Satz prescht er aus den hinaus. Aemilia hat Mühe den Schimmelhengst und vor allem sich selbst zu zügeln, damit sie keine unbeteiligten Passanten niederreiten. Ohne darauf zu achten, ob Livianus ihnen folgen kann, bahnen Maysoon und Aemilia sich einen Weg aus der Stadt heraus. -
Livianus gab seinem Pferd die Sporen und ritt Aemilia hinterher.
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Genüsslich in einen roten, saftigen Apfel beißend, erreichte Maximian den Stall, in dem die zum Teil sehr prächtigen Pferde der Familie untergestellt waren. Die meisten der Tiere näherten sich den Stalltüren, um den Kopf über das Gatter zu heben und zu schauen, wer da kam. Eins der Pferde war angebunden und wandte ihm schnaubend den Kopf zu, kaum später sah ein Sklave unter dem geschwungenen Pferdehals hindurch, um es den Tieren gleich zu tun.
Maximian schluckte den Bissen herunter und grüßte den Bediensteten mit einem knappen Kopfnicken, dann tätschelte er mit der freien Hand eine Pferdestirn.
"Lahmt er noch?" fragte er. Der Schimmel, der seine leere Hand ableckte, doch aber nur den Apfel im Sinn hatte, stubste ihn an und schnaubte, als er damit nichts erreichte.
"Nein, schon seit gestern nicht mehr, Herr. Er wird sich das Bein verknackst haben, aber nun scheint wieder alles in Ordnung zu sein." Der Sklave antwortete, ohne ihn dabei anzusehen.
Maximian nickte zufrieden, biss noch einmal ab und gab dem Schimmel den Rest vom Apfel. "Ich denke, er hatte es nur eilig wieder in den Stall zu der rossigen Stute zu kommen." Dem Schimmel den Hals klopfend, grinste Maximian kurz und sah, dass der Sklave es erwiderte, aber nichts weiter antworte, und das Pferd, um das es ging, hob seinen dunklen Kopf und schüttelte den, um den Decima keines weiteren Blickes zu würdigen.
Es war ein leises lachen zu hören, dann nahm Maximian ein Tuch und reinigte sich damit ein wenig die Hände vom Pferdesabber."Also gut, dann spulen wir am Nachmittag das gewohnte Programm ab" bemerkte er und ging weiter seines Weges, wobei er das untertänige Nicken des Dieners aus dem Augenwinkel heraus wahrnahm und wie dieser sich wieder an die Arbeit machte.
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Die ganze letzte Woche hatte ich das Haus meiner Familie gemieden. Der Streit mit meiner Schwester lag mir schwer im Magen, ich grübelte und grollte, und hörte noch immer die Worte, die sie mir nachgerufen hatte: lauf nur davon, das kannst du ja so gut!
Ja, das konnte ich wirklich, und im Moment war mal wieder so ein Punkt erreicht, wo ich am liebsten alles hingeschmissen hätte um auf und davon zu gehen. Was sollte ich mich mit meiner halsstarrigen Schwester herumschlagen, die doch eh machte was sie wollte? Was sollte ich mich bis zur Selbstverleugnung bemühen, meine Familie stolz zu machen, wenn meine früheren Verfehlungen mir doch immer wieder unter die Nase gerieben wurden?!
Und was sollte ich tagtäglich in den Strassen von Rom herummarschieren, um den Anschein von Ordnung aufrechtzuerhalten? Es half nicht gegen den Sumpf des Verbrechens, der unaufhaltsam aus den Niederungen der Stadt hervorquoll. An einem Tag noch unterhielt man sich mit einem Mädchen, am nächsten schon fand man sie erdrosselt in der Gosse. Und ausgerechnet die schlimmsten Verbrechen, die waren ganz legal!! Hannibals Tod, seine grausige Folter – alles ganz korrekt. War ja nur ein Sklave. Keinem war ein Vorwurf zu machen.
Es nagte an mir. Tagsüber stürzte ich mich in die Arbeit, nachts schlief ich schlecht, und immer heftiger war das Verlangen, den ganzen Scheiß mit ein paar Zügen aus meiner Opiumpfeife hinter mir zu lassen. Ja, ja, ich wusste natürlich, daß das auf die Dauer wieder fatal werden konnte, deshalb widerstand ich meistens, und suchte mir andere Ablenkungen.Heute zum Beispiel hatte ich mir ein neues Spielzeug gekauft: eine Biga, fast wie neu. Seitdem ich beim Equus October mitgefahren war, hatte ich mir so was gewünscht, und mit den beiden Schimmelstuten, die ich neulich auf dem Pferdemarkt erworben hatte, war das Zweigespann dann komplett.
Das Gefährt war vorhin geliefert worden, es stand im Hof vor dem Pferdestall, und ich war damit beschäftigt es anzustreichen. Es war erst später Nachmittag, aber schon so dämmrig, die Wolken hingen so tief, dass ich mehrere Laternen entzündet hatte. In deren Schein schwang ich, in eine alte Tunika gekleidet, den Pinsel und grundierte die Kanzel der Biga in Weiß. Der Vorbesitzer, wie ich ein Eques mit einem Faible für den Rennsport, hatte den Wagen in einem Anfall von Geschmacksverirrung mit grell-gelben Blitzen auf orangenem Grund bemalen lassen. Das war nicht schön. Ich tunkte den Pinsel in den Topf und übermalte die Scheußlichkeit Strich für Strich, bis endlich alles weiß war. Im Anschluß trug ich eine zweite Schicht auf, dann nahm ich schwarze Farbe für die Kanten und Beschläge. Das waren unsere Wappenfarben und elegant sah es auch aus.
Aber bei der eintönigen Arbeit geriet ich wieder ins Grübeln. Mit verbissener Miene lackierte ich eine Zierleiste und ließ den Wortwechsel zwischen meiner Schwester und mir noch einmal im Geiste Revue passieren. Wie zum Henker war das geschehen, dass, aus der Widersehensfreude heraus, auf einmal so ein heftiger Streit entstand?!
War ich zu... dramatisch gewesen? Ich hatte doch nur gefordert, was jeder normale Römer von seiner Schwester verlangen würde! Aber wahrscheinlich war es eine Farce so zu tun als ob wir normal wären... als ob das Zerwürfnis von früher überwunden wäre. Ich wünschte Seiana und ich hätten uns nicht gestritten. Aber sie hatte mir deutlich genug gemacht, was sie von mir hielt, und ich wollte verdammt sein, wenn ich mich dafür entschuldigen würde!! -
Faustus war nicht der Einzige, dem die letzte Woche schwer im Magen gelegen hatte. Was Seiana eigentlich hatte hoffen lassen, dass es ihr wieder besser gehen würde, hatte sich als mittlere Katastrophe entpuppt – in jedem Fall aber als etwas, was ihr weder Ruhe noch ihr inneres Gleichgewicht wiedergab. Rom und die Casa Decima hatten in dieser ersten Woche keinen Reiz für sie, und auch ihre Familie mied sie, wo es ging. An diesem ersten Abend ihrer Rückkehr hatte sie sich in ihrem Zimmer verkrochen, und irgendwann – nachdem die flammende Wut abgeflaut war und einige Zeit nachdem sie aufgegeben hatte zu zählen, wie viele Becher Wein sie schon getrunken hatte – hatte sie angefangen darüber zu grübeln, ob es vielleicht eine Art Fluch war, der ihr anhaftete. Egal wo sie hinging, sie konnte nicht wirklich glücklich sein. Irgendein Schatten folgte ihr stets, ließ sie wenn überhaupt nur kurze Zeit in Ruhe. Sie wusste selbst, dass sie dramatisch wurde in diesen Gedanken, aber die Kombination aus Selbstmitleid, Alkohol und den Resten der Wut förderten das nur noch. Irgendwann war Elena aufgetaucht, aber bevor sie irgendetwas hatte sagen können, hatte Seiana sie vor die Wahl gestellt: entweder sie holte neuen Wein und setzte sich zu ihr – oder sie verschwand wieder. Ach ja, aber Wein sollte sie ihr vorher trotzdem holen. Elena war geblieben, ohne Wein zu holen, aber zu diesem Zeitpunkt war Seiana ohnehin längst jenseits von Gut und Böse gewesen. Es hatte nicht lange gedauert, bis die Sklavin – die Freundin – ihr den Kopf hatte halten müssen, wie so oft auf dem Schiff, wofür Seiana ihr mehr als dankbar war. Aus ihrer Meinung hatte sie allerdings auch keinen Hehl gemacht, und das war etwas, worauf die Decima gut und gerne hätte verzichten können.
Glücklicherweise hatte an diesem Abend keiner mehr etwas von ihr gewollt, oder besser, Elena hatte es verstanden, alle abzuwimmeln. Und auch am nächsten Tag gelang ihr das, den Seiana mit einem Schädel zubrachte, der scheinbar zu zerspringen drohte. Eine Woche später schauderte es sie immer noch bei dem Gedanken daran, als Elena sie unter einem Vorwand in den Stall lockte. Und dort blieb Seiana wie erstarrt stehen, als sie Faustus sah. Ihren Bruder hatte sie in der gesamten Woche kein einziges Mal zu Gesicht bekommen, und sie bezweifelte dass das daran lag, dass er vor lauter Arbeit nicht hatte kommen können. Und sie hatte nicht eingesehen, ihn Castra aufzusuchen. Wozu auch? Er hatte seine Meinung von ihr doch klar gemacht. Und dann war er gegangen, was sie ihm auch noch vorgeworfen hatte. Ein finsterer Blick traf Elena, die nur humorlos grinste. „Salve“, grüßte sie Faustus, dann legte sie Seiana die Hand auf den Rücken und drückte auffordernd. „Hey“, murmelte die. Und setzte dazu an, sich wieder umzudrehen, während sie gleichzeitig begann: „Entschuldige, ich, ähm, wollte nicht stören, ich-“ Elena allerdings verhinderte alles weitere. „Ich glaube nicht, dass du störst.“ Sie lächelte honigsüß. „Bleib doch einfach und schau dir an, was dein Bruder da macht. Oder soll ich dir lieber wieder Wein bringen?“ Die Andeutung reichte aus. Elena fing sich einen Blick ein, der nur allzu deutlich besagte, dass sie sich später auf etwas gefasst machen konnte, aber für den Moment beschloss Seiana, dass es besser war einfach zu bleiben. Elena würde weiterreden, das traute sie ihr zu, und das Letzte was Seiana wollte war, dass Faustus erfuhr, was sie sich nach ihrem Streit geleistet hatte. Er hatte ihr schon genug Vorwürfe gemacht, dass sie ihre Ehre und die der Familie beschmutzte. Elena verließ den Stall und zog die Tür hinter sich zu, und Seiana wandte sich langsam zu Faustus um und betrachtete zum ersten Mal, was er da überhaupt tat. „Ähm. Du… Neu?“
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"Salve" grüßte ich arglos zurück, als ich Elenas Stimme hörte, ohne dabei von meiner Lackiererei aufzusehen. Ich wollte ja nicht kleksen. Dann allerdings machte Seiana sich bemerkbar, und prompt rutschte mir der Pinsel aus, und verunzierte die elegante Linie mit einem plumpen Zacken. "Jolín!" fluchte ich leise, hielt die Augen aber trotzig weiterhin auf meine Arbeit gerichtet. Hoffentlich, sagte ich mir, hoffentlich verziehen die beiden sich jetzt einfach wieder, ich kann's echt nicht brauchen, dass die mir jetzt auf den Geist gehen! Natürlich, eigentlich würde ich mich schon gerne wieder vertragen, aber im Moment war ich so resigniert, dass ich bloß meine Ruhe wollte. Oder doch nicht? Jedenfalls konnte ich auf einen weiteren Streit gut verzichten.
Mit zusammengepressten Lippen und angespannten Schultern griff ich nach einem Leinöl-getränkten Lappen und wischte die unsauber aufgetragene Farbe weg. Elena, die gute Seele, schien fest entschlossen uns hier zur Aussprache zu nötigen. Wahrscheinlich dachte sie, wir müssten nur reden, dann würde sich alles in Wohlgefallen auflösen."Ja. Neu."
Dann war ich wieder still, pinselte, rührte in der Farbe herum und tat beschäftigt. Aber irgendwie kam ich mir dann etwas albern vor. Ich gab mir einen kleinen Ruck.
"Ich habe ihn gebraucht gekauft. Ist aber in sehr gutem Zustand, der Vorbesitzer hatte ihn fast nur in der Remise stehen. Jetzt hat er sich einen neuen angeschafft, ein leichteres Modell für die Rennbahn, aber ich finde den hier eigentlich genau richtig. Er hat eine besonders solide Steineichenholz-Achse, und sechsspeichige, doppelt beschlagene Räder, damit kann man auch mal auf einer holprigeren Strasse fahren, und so... ähm... aber du hättest sehen sollen wie der Wagen vor dem Anstrich ansah, ganz orange mit so komischen Blitzen, echt geschmacklos... hier kommt dann noch unser Wappen drauf, und hier..."
Ich zeigte auf die Seiten der Kanzel, und blickte dann auch mal Seiana ins Gesicht. So wahnsinnig fröhlich sah sie ja auch nicht aus.
"Wie findest du ihn? Und neue Pferde hab ich auch dazu. Die beiden hier, schau."
Ich wies betont unbeteiligt auf die Boxen, wo meine beiden hübschen Stuten, die eine schneeweiß, die andere ein Apfelschimmel, gemütlich an ihrem Heu knabberten. Auf mein Gespann war ich ziemlich stolz, und zeigte es natürlich gerne vor. Und irgendwie war mir gerade wichtig, dass es Seiana auch gefiele... – obwohl mir das ja eigentlich vollkommen egal sein konnte! -
Seiana konnte ein Zusammenzucken nicht verhindern, als sie Faustus’ leisen Fluch hörte – aber dann reckte sie trotzig ihr Kinn vor. Bitte, dann kam sie eben ungelegen. Dann wollte er nicht mit ihr reden! Sie musste nicht bleiben – aber da Elena in diesem Moment ihre Drohung andeutete, blieb Seiana wohl doch keine Wahl. Mit einem unterdrückten Seufzer drehte sie sich um, sah aber nur aus den Augenwinkeln zu Faustus. Verbissen, so schien es ihr, arbeitete der weiter an dem Wagen, wischte Farbe weg, wo sie verschmiert war. Und als endlich eine Reaktion seinerseits kam, war sie ebenso einsilbig wie ihre Frage es gewesen war, was Seiana aber praktischerweise beiseite schob. „Aha“, machte sie. Und fragte sich, ob es jetzt wohl sicher war zu gehen. Oder ob Elena draußen auf sie wartete. Aber dann schalt sie sich selbst in Gedanken. Abgesehen davon, dass Elena nach ihrer Bemerkung gerade mit Sicherheit draußen herumlungern und irgendwo warten würde, wäre es lächerlich und kindisch, jetzt zu gehen. Er war ihr Bruder, bei den Göttern! Und sie hatten sich schon mehr als einmal gestritten, es war ja nicht so, dass sie das nicht gewöhnt wären… Nur schien das mit dem Streiten – und vor allem mit dem Versöhnen – einfacher gewesen zu sein, als sie noch jünger waren. Einfacher, als sie ihre Kindertage noch nicht so weit hinter sich gelassen hatten…
Faustus schien zu demselben Schluss gekommen zu sein, dem, dass es wohl auf Dauer lächerlich und noch dazu peinlich werden würde, je länger sie hier verharrten und beide nichts sagten – in jedem Fall sprach er plötzlich doch weiter, ohne Aufforderung, ohne dass sie etwas gefragt hätte. Zögerlich kam sie einen Schritt näher, um den Wagen genauer in Augenschein zu nehmen. Sie war in einer Familie aufgewachsen, die für ihre Pferdezucht bekannt war, sie kannte sich besser mit solchen Gefährten aus als die meisten Frauen – interessierte sich wohl auch mehr dafür als die meisten Frauen. Aber das war wohl kein Wunder, wenn man mit drei Brüdern aufwuchs. „Der… sieht wirklich gut aus…“ murmelte sie und machte noch einen Schritt näher, hob leicht die Hand, als wollte sie ihn berühren, tat es dann aber doch nicht, als sie sich an die frische Farbe erinnerte – und weil es Faustus’ Wagen war. Es mochte lächerlich sein, aber so gespannt, wie die Situation gerade war zwischen ihnen, hatte sie irgendwie kein gutes Gefühl etwas zu berühren, was ihm gehörte, etwas, wo er gerade so viel Arbeit reinsteckte und offensichtlich auch Begeisterung. Strahlendweiß, mit schwarzen Linien überall dort, wo das Holz ohnehin unterbrochen war. Elegant und schlicht, ohne unnötigen Schnickschnack. Im Grunde genau so, wie Seiana es mochte. „Klingt hervorragend, und die Farbe, ich meine, das Weiß, das… wirkt toll.“ Sie sah zu den Pferden, auf die Faustus wies, und ging zu ihnen hinüber, um beiden die Nüstern zu streicheln. „Du… hrm.“ Es war lächerlich. Inzwischen war der Moment gekommen, in dem Seiana nicht nur dachte, dass es lächerlich war, sondern in dem es sich auch so anfühlte. Zutiefst. Der Wagen gefiel ihr tatsächlich, schon allein, weil Faustus so begeistert davon war, aber im Grunde war es doch nicht das, worüber sie reden sollten. Dennoch, irgendwie bekam sie auch nicht die Worte hervor, die sie eigentlich sagen wollte. Sie wollte nicht schon wieder streiten. Aber sie wollte auch nicht zu Kreuze kriechen, wollte nicht sagen, was er hören wollte, oder was sie meinte, dass er hören wollte – dass sie alles falsch gemacht hatte, dass es ihr unendlich leid tat und sie sich entschuldigte… Himmel, ja, es tat ihr ja irgendwie leid, dass es so gelaufen war, aber es tat ihr nicht leid, dass sie ihre eigenen Entscheidungen traf, und das wollte sie auch nicht aufgeben, und… sie bemerkte, wie sie sich wieder in Gedankengängen verhedderte. Sie wusste ja noch nicht einmal mit Sicherheit, was er überhaupt hören wollte von ihr.
Langsam drehte sie sich zu ihm um, lehnte sich mit dem Rücken an die Boxentür der Apfelschimmelstute, die hinter leicht schnaubte und ihre Haare damit nach oben blies. „Das ist ein gutes Gespann. Wenn du nichts dagegen hast, dann würd ich gern mal… mitfahren.“ Sie lächelte versuchsweise. Nicht ideal, aber besser als das, was sie bisher gebracht hatte, fand sie. Und dann hielt sie es nicht mehr aus, ihn anzusehen. Sie drehte sich wieder um und tätschelte der Stute den Hals, drückte ihr Gesicht kurz an sie, und mehr zu ihr gewandt, mehr in ihre Mähne genuschelt wohl eher, rutschte ihr plötzlich heraus: „Es tut mir leid.“ Ob Faustus diese Worte überhaupt verstanden hatte, wussten wohl nur die Götter – und er.
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Dass Seiana mein Gespann so würdigte, das ließ die Anspannung, die da zwischen uns in der Luft hing, ein wenig abflauen.
"Mhm. Ich hoffe nur, man hält mich damit nicht für einen Albata-Anhänger." Das wäre ja peinlich. "Ich denke, ich werde hier und hier noch Aurata-Wimpel anbringen..."
Ich bemalte weiter die Leisten, als Seiana zu meinen schönen Pferden ging, und sich mit ihnen bekannt machte. Die Apfelschimmel-Stute schien sie zu mögen.
"Klar kannst du mitfahren." meinte ich großzügig, und vielleicht auch etwas großspurig "Kein Problem."
Das war doch nett, das sie das gefragt hatte. Ich sah auf, und mein Groll begann schon wieder dahinzuschmelzen, als ich ihr zögerliches Lächeln sah. Vielleicht war der Streit doch nicht ganz so katastrophal wie ich gedacht hatte. Ebenso zögerlich verzog auch ich den Mund, jedenfalls den rechten Mundwinkel, zu dem Anflug einer Erwiderung.Dann tropfte mir Farbe auf die Sandalen. Ich kniete mich hin und wischte sie weg, wusch dann den Pinsel in einem Napf aus. Dabei hörte ich Seiana etwas murmeln. Hatte sie da gerade wirklich gesagt, dass es ihr leid tat? Vielleicht hatte sie auch gesagt, "Braves Pferd, gutes Pferd", und ich hörte einfach nur das was ich hören wollte. Wenn ich jetzt sagen würde "Mir tut es auch leid.", und sie hatte sich gar nicht entschuldigt, dann würde das nach Schwäche meinerseits aussehen. Es war ja auch ein Machtkampf. Ich musste ihn einfach mal zeigen, dass ich nicht mehr der kleine Bruder war – also, natürlich war ich immer noch ein bisschen jünger, aber ich war nicht mehr der kleine Bruder, der heulend zu ihr gelaufen kam, weil die bösen Fischerjungs ihm die Mütze geklaut hatten, und die große Schwester sie zurückerobern musste. Zum Glück war ich das nicht mehr!
Ich wischte mir die Hände an einem fleckigen Lappen ab, und ging auch zu den Boxen rüber. Aus einem Fass nahm ich mir einen Apfel, dann lehnte ich mich neben Seiana an den Verschlag und gab der Stute den Leckerbissen auf der flachen Hand. Sie nahm ihn mit weichen Lippen und zermalmte ihn zwischen ihren großen Zähnen. Ich hob die Hand, und streichelte langsam ihren Hals, auf der entgegengesetzten Seite wie Seiana.
"Ich hatte so einen Scheiß-Tag heute. Ich muss zur Zeit einen Kerl verhören, der wahrscheinlich wen umgebracht hat. Natürlich gibt ers nicht zu. Der ist so widerlich... und zugleich... so jämmerlich, dass er einem echt leid tun kann."
Ich fuhr mir über den Nacken und blickte Seiana schief an.
"Hast du Lust, was mit mir zu rauchen?" Aus meiner Gürteltasche nestelte ich ein kleines, tönernes Haschischpfeifchen, und einen Beutel mit Gras. Es war gutes Zeug, und der Duft stieg auch der Stute in die Nüstern. Sie reckte den Hals und haschte mit den Lippen danach.
"He, das ist kein Heu!" Grinsend entzog ich den Beutel ihrer Reichweite. -
„Nicht mit unserem Familienwappen drauf“, versicherte sie ihm. „Aber in paar Aurata-Wimpel würden sich trotzdem gut machen.“ Ihr zaghaftes Lächeln wurde sogar noch ein wenig deutlicher, als Faustus zusagte, dass sie würde mitfahren können, dann widmete sie sich erst mal der Stute. Und hatte plötzlich ein wenig Mühe, Luft zu holen. Sie hatte es gesagt… aber Faustus hatte es entweder nicht gehört, oder aber ignoriert. Und Seiana wusste nicht so recht, ob sie noch mal sagen sollte, dass es ihr leid tat. Wenn er es ignoriert hatte – was sie nicht so ganz glauben wollte, aber wenn –, dann machte sie sich doch vollkommen lächerlich, wenn sie es noch mal sagte. Es reichte ihr schon, dass sie das zuerst gesagt hatte, aber es noch mal zu sagen und dann zu riskieren, dass er es erneut ignorierte oder gar etwas sagte wie: das reicht mir nicht, das wollte sie ganz sicher nicht. Zumal sie sich nicht aufrichtigen Herzens für alles entschuldigen konnte. Es tat ihr leid, was sie ihm hinterher gebrüllt hatte, es tat ihr leid, dass sie von irgendwelchen alten Sachen angefangen hatte, und es tat ihr vor allem leid, dass sie gestritten hatten. Es tat ihr sogar leid, wie die ganze Sache mit ihrer Verlobung gelaufen war. Aber es tat ihr nicht leid, dass sie sich verlobt hatte. Oder dass sie ihren eigenen Weg ging. Schon gar nicht, weil sie doch immer versucht hatte darauf zu achten, der Familie keine Schande zu bereiten. Dass Faustus – von einem Tag auf den anderen, wie ihr zumindest erschien – plötzlich den Mann in sich entdeckte, der auf seine Schwester und ihre Ehre und die Ehre der Familie aufpassen wollte und musste, hatte sie ja nicht ahnen können, und es war auch ein bisschen unfair von ihm, jetzt damit anzufangen, wo sie erwachsen waren, und nicht schon vor Jahren, wo sie viel leichter so etwas hingenommen hätte, weil sie noch nichts anderes gewohnt war von ihren Eltern. Nein. Sie hatte gesagt, dass es ihr leid tat, und sie würde das nicht noch einmal wiederholen. Nicht jetzt sofort, jedenfalls.
Stattdessen sah sie Faustus, der inzwischen herüber gekommen war, dabei zu, wie er der Stute einen Apfel gab, hörte, wie das kräftige Gebiss die Frucht zermalmten, und spürte, wie ein paar Spritzer ihre Haut trafen. Sie hob ihre Hand und kraulte die Stute hinter den Ohren. „Oh… das… klingt übel“, meinte sie, und in ihrer Stimme schwang Betroffenheit mit. Sie hatte sich nie so wirklich Gedanken gemacht, was Faustus tat bei den Urbanern. „Das… mit so was hast du wohl öfter zu tun, hm? Ich mag mir das gar nicht vorstellen, ehrlich gesagt. Mit Mördern zu tun haben zu müssen…“ Sie erwiderte Faustus’ Blick und sah dann, ein wenig überrascht, zu dem Beutel, den er hervorzog. „Äh“, machte sie, schon im Begriff abzulehnen, eingedenk dessen, was Ehre und Anstand und… Dann machte sie den Mund wieder zu. Was wollte sie mit Ehre und Anstand? Noch dazu hier? Sie wollte endlich mal wieder loslassen können, nicht mehr nachdenken müssen, nicht mehr… ständig… Selbstbeherrschung ausüben. Sie begann, schief zu grinsen. „Ähm. Warum nicht? Klar“, antwortete sie dann, als Faustus den Beutel etwas weiter weghielt, damit die Stute nicht daran heran kam. Seiana musterte ihn, zum ersten Mal etwas ausgiebiger, während ihr Bruder begann, sich mit der Pfeife zu beschäftigen. „Du siehst gut aus“, meinte sie plötzlich. „Deine Haare. Dass du sie wieder ein bisschen länger trägst, das steht dir.“
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Einen Moment lang fürchtete ich, Seiana würde jetzt empört ablehnen, an meinem lasterhaften Vorhaben teilzunehmen – aber nein. Sie war nicht abgeneigt. Ich grinste verschwörerisch zurück, dann ließ ich mich kurzerhand auf dem Boden nieder, im Schneidersitz und begann meine Utensilien vorzubereiten. Das Gras zerrieb ich grob zwischen den Händen, fein zwischen den Fingerspitzen, atmete einen Augenblick lang genießerisch den verheissungsvollen Duft ein, stopfte dann sorgsam den tönernen Pfeifenkopf, wobei ich gut Acht gab, nichts zu vergeuden.
"Oh, findest du echt? Danke." Ich blickte von meinem Werk auf, zu Seiana, und freute mich über das Kompliment. Meine Schwester hatte Stil, ich schätzte sie als arbiter elegantiarum. Mit der rechten Hand fuhr ich mir übers Haar und strich ein paar Strähnen zurecht.
"Dieses ganz Kurzgeschorene hab ich ja nie gemocht. Und mein neuer Barbier, er ist wirklich fabulös, er meint man könne es jetzt, unter dem neuen Kaiser, durchaus etwas länger tragen. Dieser Schnitt nennt sich ein 'schräg gestufter Germanicus', also, nach dem Feldherrn natürlich, nicht nach der Gens!" Sonst würde ich das natürlich nicht tragen. "Ich habe mir auch überlegt, mir einen Bart stehen zu lassen, macht ja auch älter, und ich habe schon immer noch das Problem dass ich halt recht jung bin für einen Centurio, und manche dann komisch gucken sobald ich den Helm abnehme, aber ich weiß nicht so recht ob ein Bart zu mir passen würde.... Was meinst du?"
Das war eine Frage, die mich ernsthaft beschäftigte. Ich nahm meine Zunderbüchse, und schlug ein paar Funken, aber vorsichtig. Eigentlich war es nicht erwünscht, hier im Stall zu rauchen, aber drüben im Haus würde der Duft uns womöglich verraten, und ich wollte nicht, dass Livianus oder Venusia davon was mitbekamen.Ein kleines Flämmchen flackerte auf, ich ließ es auf einen Span wandern und steckte die Pfeife an, zog ein paar mal daran, bis die Glut weit genug vorgedrungen war, und sog den kratzigen Rauch tief in meine Lungen. Natürlich war die Wirkung nicht zu vergleichen mit der meiner liebsten Droge, aber es war doch ein ganz passabler Ersatz. Ich fläzte mich auf einen Haufen von Stohballen und nahm noch ein paar tiefe Züge, bevor ich die Pfeife an Seiana weiterreichte.
"Hier..."
Den Kopf auf die Hände gestützt, betrachtete ich meine Schwester. Schön ruhig war es hier. Der Geruch der Pferde, von Heu und frischer Farbe mischte sich angenehm mit dem süßlichen Rauch, man hörte nur mal ein Schnauben, oder Knistern, oder Scharren eines Hufs am Boden.
"Also, meistens habe wir nicht mit Mördern zu tun. Eher mit Schlägern, Besoffenen, Zechprellern und Eseldieben... aber halt nicht nur...", begann ich dann zu erzählen, und sobald ich einmal damit angefangen hatte, brachen die Worte nur so aus mir heraus.
"Es gibt eben diese Ecken, wo wir kaum was machen können, in der Subura, auf dem Aventin, in Trans Tiberim, und bei den Elendshütten vor der Stadt... Das ist echt deprimierend. Ständig werden da Menschen überfallen, erpresst, umgebracht und ausgeraubt, und alles was wir machen können ist morgens die neuen Leichen zu Protokoll zu nehmen.... Du musst mir versprechen, dass du nicht ohne Leibwächter in diese Gegenden gehst, ja? - Die sind wie ein Sack Ratten, die Leute dort, aber uns gegenüber halten sie zusammen und haben nie was gesehen oder gehört. Verbrechen ist halt lukrativ, und wir sind einfach zu wenige, dazu ist die Hälfte der Soldaten korrupt... Es gibt Strassenzüge, da ist es wie Krieg...
Die allermeisten Verbrechen bleiben ungesühnt. Dieser Mörder, den ich da verhöre, dem war ich ewig hinterher, aber es war nur möglich, dafür soviel Zeit und Ressourcen aufzuwenden, weil er ein Mitglied des Ordo Senatorius umgebracht hat."
Ich lachte bitter auf. "Sonst hätte das überhaupt keinen interessiert. Und die grausamsten Dinge, nämlich wie die Leute ihre Sklaven übelst mißhandeln, das ist ja nicht mal verboten..." -
Einen Moment zögerte Seiana noch, dann sank sie ebenfalls auf den Boden und setzte sich, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und zog die Knie an den Körper, während sie sie zugleich mit den Armen umschlang. Bei den Göttern, sie hatte erst vor kurzem… wie viel Wein?… hinuntergekippt, bevor Elena gekommen war und sie aufgehalten hatte. Sie war bei weitem nicht so anständig, wie sie gerne tat. Wie sie sich gerne sah. Wenn es darauf ankam, tat sie ja doch, was sie wollte – was sie wollte, wohlgemerkt, was noch nicht einmal notwendigerweise immer das war, was sie für richtig hielt im Sinne von dem, was einer Römerin zustand –, also warum sich ständig etwas vormachen. „Dein Barbier versteht was von seinem Handwerk.“ Ihr Lächeln wurde offener. Der Streit, den sie mit ihrem Bruder gehabt hatte, kaum dass sie angekommen war, geriet immer mehr in den Hintergrund, wurde merkwürdig… surrealer. „Hm“, machte sie, legte den Kopf leicht schräg und musterte ihn. Dann musste sie plötzlich grinsen. „Also, ehrlich gesagt kann ich mir dich mit Bart nur schwer vorstellen. Ich versteh schon, was du meinst… dass du dann älter wirken würdest… aber…“ Sie zuckte die Achseln, während ihr Blick dem Funkenflug folgte. „Du kannst es ja vielleicht mal ausprobieren. Ein Bart ist ja zum Glück schnell wieder ab.“ Dann hob sie die Brauen. „Wie, heißt das die respektieren dich nicht? Nach allem was du geleistet hast?“
Seiana ließ ihre Knie los und streckte eins ihrer Beine aus, dann nahm sie von Faustus die Pfeife entgegen und zog daran, vorsichtig zunächst. Vor Jahren hatte sie mal was geraucht gehabt, in Tarraco, bevor Faustus endgültig verschwunden war. Das war auch das letzte Mal gewesen, dass sie sich daran erinnern konnte, tatsächlich zu viel getrunken zu haben, heimlich selbstverständlich, wenn sie eine Amphore Wein hatten stibitzen können. Sie war gar nichts gewohnt, und das wusste sie auch. Merkwürdigerweise war ihr das völlig egal in diesem Moment – genauso wie die Möglichkeit, dass irgendjemand hereinkommen könnte. Nachdem sie jetzt schon so lange hier drin war, würde sich Elena kaum noch draußen rumtreiben. Aber… egal. Sie nahm einen tieferen Zug, versuchte diesmal zu inhalieren, was ihr auch anstandslos gelang, nur einen Hustenreiz musste sie im ersten Augenblick unterdrücken. Ein dritter Zug, dann ließ sie die Pfeife sinken und starrte stattdessen Faustus an, als Worte wie ein Wasserfall aus diesem hervorbrachen. Der Rauch drang langsam aus ihren Nasenlöchern und kringelte sich davon. Eine ganze Weile schwieg sie. Dann reichte sie Faustus die Pfeife wieder zurück. „Das… klingt furchtbar“, murmelte sie. Es klang vor allem so… hoffnungslos. Was er sagte. Wie er es sagte. Seiana war kein schlechter Mensch, aber wie die meisten besser situierten Römer ignorierte sie meistens, was sich in den ärmeren Vierteln der Stadt abspielte. Weil es nicht anders ging, weil es zu deprimierend war, die ganze Zeit darüber nachzudenken, und weil sie nichts tun konnte. „So ein Riesenreich… und im Zentrum sieht es so aus.“ Ihre Mundwinkel verzogen sich in einem bitteren Zug. „Mach dir wegen mir keine Gedanken, ich hab nicht mal einen Grund, dorthin zu gehen. Pass lieber auf dich auf.“ Und damit meinte Seiana nicht einmal so sehr seine körperliche Unversehrtheit. Dass Faustus nicht leicht verarbeitete, was er Tag für Tag erlebte, war deutlich geworden. „Du musst dir das jeden Tag antun. Ich würd das gar nicht aushalten, glaub ich.“ Aber sie war auch eine Frau, vielleicht lag es daran. Dann runzelte sie leicht die Stirn, als er von Sklaven anfing. Auch wenn sie ebenso wenig wie er in Ordnung fand, was manche mit ihren Sklaven taten, hatte Faustus recht: es war nicht unbedingt verboten. Was hieß, dass er mit so etwas eigentlich gar nichts zu tun hatte. „Was ist mit den Sklaven? Hast du damit etwa auch zu tun?“
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"Mhm, vielleicht versuch ich's einfach mal." Leider dauerte es eine ganze Weile bei mir, bis ein Bart nach was aussah. "Doch doch, die respektieren mich schon. Die, die mich eine Weile kennen, und sehen, dass ich was draufhabe, auf jeden Fall. Ansonsten greift halt die Hierarchie. Aber ich kann das schon verstehen, dass es für die Altgedienten erst mal komisch ist, von jemandem, der so viel jünger ist, kommandiert zu werden." Ich zuckte die Schultern. "Muss ich mit leben." Eigentlich war ich stolz darauf, schon jetzt diesen Rang innezuhaben, auch wenn mir bewusst war, dass es, zum Teil jedenfalls, einfach daran lag, dass ich das Glück gehabt hatte, einer derjenigen zu sein, die entscheidende Augenblicke des Feldzuges mit- und zudem auch überlebt hatten.
Seiana war eine gute Zuhörerin. Ich hatte das Gefühl, das sie mich wirklich verstand... aber irgendwie schien es mir fast wie etwas verbotenes, sie hier so voll zu quatschen, so zu lamentieren. Ein guter Soldat tat so was nicht, ein guter Soldat riss sich zusammen, und machte solche Dinge allein mit sich selbst aus. Ich war mal wieder kein guter Soldat.
"Es ist so sinnlos was wir da machen! Wir sind wie... ein Feigenblatt, damit keiner den Autoritäten nachsagen kann, sie täten ja nichts! Aber im Grunde macht es nicht wirklich einen Unterschied, in diesem verrotteten alten Moloch..."
Seiana sah aus wie ein Drache, als sie den Rauch durch die Nase blies. "Ach, du würdest das sicher auch können. Es ist nur Trainingssache. Das ganze... es ist nur Übung, Disziplin und nicht zu viel nachdenken... - Ach, und ich glaube, was ich gerade erzähle, klingt viel dramatischer, als es eigentlich ist, es kommt halt immer darauf an wo man eingesetzt wird, und wie es an dem Tag gerade läuft... - Hey, du hast ja einen guten Zug. Übst du das hier auch öfter?" Mein Grinsen blieb flach, meine Gedanken kreisten immer noch um die verdammte Sinnlosigkeit meines Tuns, und kamen einfach nicht los davon.Endlich war ich wieder dran, begierig ergriff ich die Pfeife, umschloss das Mundstück mit den Lippen und sog mit geschlossenen Augen den Rauch ganz tief ein. Ich öffnete die Augen wieder, als Seiana das mit den Sklaven fragte, und starrte sie fast erschrocken an. Ja, sie war eine gute Zuhörerin, zu gut vielleicht.
"Nein." sagte ich schnell, mit jedem Wort den Rauch ausatmend. "Wir sind ja nicht zuständig dafür... ich krieg das immer nur am Rand mit. Wenn einer wegläuft, kümmern sich die Vigiles drum. Es ist nur... ich hab einen gekannt, der..." Ich stockte, und spielte fahrig mit der Pfeife, ließ den Stiel unruhig zwischen Daumen und Zeigefinger auf und ab schwingen. "... ich meine, gekannt, als Mensch... wenn auch nicht wirklich gekannt, aber.... na ist auch egal... aber er war jemand besonderes... und sein Herr hat ihn... getötet. Einfach so. Kannst du dir das vorstellen? Ohne dass er einen Prozess gehabt hätte, oder sonst irgendeine Chance! ... Am Kreuz."
Da war es wieder, schnürte mir die Kehle zu, ließ meine Unterlippe erbeben und eine verräterische Feuchte in meine Augen treten. Ich schluckte schwer, nebelte mich in eine schützende Rauchwolke ein, und gab die Pfeife mit einer abrupten Bewegung an Seiana zurück. -
Seiana nickte verhalten, während sie zu spüren meinte, wie der Rauch über ihre Lunge in ihre Blutbahnen und von dort in ihren Kopf vordrang. Und dort begann, seine Nebelschwaden auszubreiten. Sie konnte sich vorstellen, dass es den älteren Soldaten nicht unbedingt leicht fiel, von einem jüngeren – noch dazu einem deutlich jüngeren – befehligt zu werden, aber sie war überzeugt davon, dass Faustus diesen Posten verdient hatte. Und dann hatten sie ihn auch zu respektieren, fand sie. Er war ihr Bruder, und irgendwie brach in ihr dann doch immer der Beschützerinstinkt hervor, den sie früher immer gehabt hatte, als er einfach noch deutlich kleiner gewesen war als sie und auch nicht so… schlagfertig… Seiana grinste bei der Erinnerung daran, aber sie sagte nichts dazu. Die Zeiten waren vorbei, endgültig, das hatte wohl spätestens Faustus’ so deutlich dargelegte – und in ihren Augen recht neu gewonnene – Einstellung gezeigt, dass er meinte ein Mitspracherecht zu haben, was ihre Zukunft anging. „Solange sie dir die Chance geben zu zeigen, dass du nicht zu Unrecht auf dem Posten bist… Nein, dann würd ich an deiner Stelle auf den Bart verzichten“, kommentierte sie lieber die eigentliche Frage, um die sich das Gespräch gerade drehte.
Seiana hätte Faustus vermutlich den Kopf gewaschen, hätte er seine Gedanken laut geäußert. Sie hielt nicht viel von der Einstellung: dass muss ich alleine ausmachen.“ Ironisch daran war, dass sie selbst genau dazu tendierte, aber das lag auch daran, dass sie ihre eigenen Sorgen eher… nun ja, nicht so wichtig fand. Aber bei ihrem Bruder beispielsweise fand sie diese Denkweise ausgemachten Schwachsinn. Genau dafür war eine Familie doch da – und wie sollte er Tag für Tag mit dem fertig werden, wovon er gerade erzählte, wenn er nie jemanden hatte, mit dem er es teilen konnte. Während die Nebelschwaden in ihrem Kopf weiter um sich greifen zu schienen, sah sie ihn betroffen an. Sinnlos. So wie Faustus gerade sprach, schien es ihr, dass er an dieser Arbeit kaputt gehen würde – oder dass sie ihn verändern würde, zum Schlechteren. Dass es ihn auf ungesunde Weise abhärten würde. Sie mochte gar nicht daran denken, wie er werden würde. „Nein. Muss noch von früher sein, so was verlernt man offenbar nicht.“ Auch ihr Grinsen war eher flach. „Ich weiß gar nicht, ob ich das können will, ob ich die Übung haben will, Disziplin hin oder her. … Versprich mir, dass du aufpasst. Dass du aufhörst, bevor dich das kaputt macht. Oder verändert“, sprach sie ihre Befürchtungen aus, während sie sich ein wenig vorlehnte und ihn ansah. Es war ohnehin schon zu viel los, lief zu viel schief, gab zu viel Ärger – Ärger, an dem sie mitschuldig war. Aber so lange sie beide so blieben, wie sie waren, würden sie das schon irgendwie regeln können. Aber wenn Faustus sich vergiften ließ von seiner Arbeit… Seiana schob den Gedanken weg, weil sie einfach nicht weiterdenken wollte.
Sie lehnte den Kopf zurück an die Wand, blinzelte dann aber gleich wieder zu Faustus hinüber, als aus seinem Mund ein schnelles Nein kam auf ihre Frage hin. Wie sie gedacht hatte, hatte er mit Sklaven nicht wirklich zu tun, nur wenn einer fortlief – und das war Erklärung genug für sie. Sie hielt das Thema schon für erledigt, ordnete es für sich zu den anderen Dingen, die Faustus während seiner Arbeit erlebte und die ihm zu schaffen machten, als er weitersprach. Jetzt musterte sie ihn wieder aufmerksam, und ihre Stirn runzelte sich leicht. Faustus schien so… Sie konnte es nicht wirklich benennen, aber die Tatsache, wie häufig er stockte, wie er neu ansetzte, wie er davon sprach diesen Sklaven zu kennen, als Mensch, und dann doch wieder nicht… irgendwie war das seltsam. So sprach man nicht von einem Sklaven, nicht von einem anderen Menschen, den man nur flüchtig gekannt hatte, egal wie betroffen einen dessen Schicksal machte. Und wie Faustus reagierte, wie seine Finger mit der Pfeife spielten und sein Gesichtsausdruck sich veränderte, durch minimale Anzeichen, die Seiana einzeln gar nicht wirklich wahrnahm, schienen ebenfalls zu verraten, dass das hier ein Thema war, das ihm wirklich nahe ging. Allerdings konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum. Etwas unschlüssig, wie sie nun reagieren sollte, nahm sie die Pfeife von ihm entgegen, dann erhob sie sich kurz auf die Knie und krabbelte zu Faustus hinüber, um sich neben ihn zu setzen, hinein in die Wolke, in die er sich gehüllt hatte, bevor sie auch wieder an der Pfeife sog und ihren Teil beitrug zu den Schwaden. „Das klingt schrecklich“, murmelte sie. „Ich kann mir nicht vorstellen, was irgendjemand getan haben könnte, dass er so etwas verdient. Ich meine, ohne Prozess.“ Er war etwas Besonderes gewesen, hatte Faustus gesagt. Seiana schwieg einen Moment, setzte dann zu der Frage an, die ihr auf der Zunge lag, und formulierte sie im letzten Moment neu: „Wie war er?“
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