• "Da war ich wohl nciht sehr glücklich drüber," murmelte ich leicht bitter. Warum erinnerte ich mich nur an nichts? Es schien, trotz der Lücken alles klar gewesen zu sein bis vor wenigen Minuten. Ich war Helenas Dienerin und Freundin, eine Art Amme für die Kinder, ihr Kindermädchen und nun, nun war ich nur noch die Sklavin.
    Meine Augen schimmerten leicht, aber ich liess keine Tränen zu. Hatte ich in all der Zeit, an die ich mich erinnern konnte nicht.
    "Erzähl mir alles, bitte..."

  • "Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Aber das Gefül des Sandes unter deinen Füßen, das kommt aus deiner Heimat. Du kommst aus der Gegend von Syria, warst in einem Nomadenvolk. Erinnerst du dich an Syria?"


    Ich strich ihr mit meinem Daumen sanft über den Handrücken. Ich machte mir Vorwürfe und ganz besonders Sorgen, denn ich hätte es ihr wirklich nicht erzählen dürfen. Doch nun war es zu spät. Ich rückte näher an sie heran und legte meinen Arm um sie und zog sie sacht an mich.

  • "Nabataei...." kam es beinahe tonlos über meine Lippen. "Nabataei..."
    Nun lief mir doch eine Träne über die Wange. "Bitte... wenn Du mir schon nicht von der Zeit davor erzählen kannst, erzähl mir von meiner Zeit bei Euch, bitte."

  • Ich wischte die Träne meiner Freundin sacht fort.


    "Zu Anfang war es keine besonders schöne Zeit. Maximus war strenger als ich, aber er ist eben Patrizier. Er hat es nicht anders gelernt, wobei er schon sehr verständnisvoll war. Das hieß allerdings dass ihr euch oft gestritten habt und da er dir standesmäßig gesehen weit überlegen war, musstest du oft Strafen einstecken. Das konnte ich nicht gut leiden, auch wenn es berechtigt war. Als dann Minervina kam wurdest du ruhiger und hast mir geholfen, denn sie und ich waren beide sehr geschwächt. Als wir so weit wieder standen, bist du eines Nachts verschwunden und ich ließ nach dir suchen, hoffend, dass Maximus nichts bemerkte."


    Ich hielt kurz inne. Es war so schwer an damals erinnert zu werden, doch nun musste ich ihr helfen und das konnte ich nur so, da es ihrem Wunsch entsprach. Maximus... 'Wo bist du nur? Warte ich mit gutem Grund oder... habe ich dich tatsächlich verloren?' ging es mir in diesem Moment durch den Kopf.


    "Als du wieder da warst, kehrte eine ziemlich ruhige Zeit ein, er hatte nichts von deiner Abwesenheit bemerkt. Die Zeit verging auch schnell, wir haben uns immer mehr angefreundet, doch es hat lange gedauert bis das Vertrauen wieder hergestellt war. Dann zog Maximus los und.. naja kehrte nicht mehr zurück. Und dann verschwandest auch du, wenige Wochen darauf, als ich in Rom als Aedil war. Bis ich dich wieder traf."


    Ich strich ihr sanft über die Schulter.


    "Das war damals schon was. Als Minervina geboren war und du sie in deinen Armen hieltst. Als ich sie das erste Mal gesehen habe. Sie mochte dich vom ersten Augenblick an, aber Kinder bemerken ohnehin meist zuerst wer ein guter Mensch ist. Noch viel früher als wir Erwachsenen..."

  • ICh hörte ihr zu und plötzlich begannen meine Hände zu zittern. In mir machte sich das irrationale Gefühl von Panik, von Platzangst breit und einen Moment sah ich beinahe panisch zum Haus, ehe ich mich zur Räson brachte, irgendwie.
    "Ich war bei Minervinas Geburt dabei?" Ich versuchte mich zu erinnern, aber nun bekam ich wirklich nur Kopfweh davon. "Ruhige Zeit.. ich hab mich abgefunden, wieder bei Euch zu sein?" Wieso bekam ich wieder diese Panikattacke in genau dem Moment?

  • "Shht..."


    Ich bemerkte ihr Zittern und versuchte weiterhin beruhigend auf sie einzureden. Irgendwie machte sich in mir tatsächlich die Ahnung breit, dass ich sie verloren hatte.


    "Du warst es, die sie zur Welt gebracht hat, und ich bin froh dass du es warst und niemand anderes, der das nur zum Zeitvertreibt macht!"

  • ICh nickte und hielt mir kurz den Kopf, der wieder zu hämmern begann. "Und wieso ruhig?"
    Ich war langsam viel zu verwirrt um noch wirklich klar zu denken. "Und wieso habe ich plötzlich bei dem Gedanken an Häuser ein beklemmendes Gefühl?" Murmelte ich, ohne zu merken, dass ich es aussprach.

  • Ich hörte ihre Fragen, doch ich antwortete auf beide nicht. Zweiteres hatte ich mich auch schon oft gefragt. Und ich konnte es mir nur erklären, dass sie es wegen ihrer Herkunft hatte.


    "Ich hätte dir das alles besser nicht erzählen sollen, oder?"


    Ich begann mich über mich selbst zu wundern. Hatten Metellus und Agrippa mich mittlerweile soweit zurückgeformt, dass ich jede patrizische Redensart vergessen hatte? Es schien beinahe so. Und das obwohl ich dort 5 Jahre lang, nein, 6 Jahre gelebt hatte.

  • Ich sah sie an und eine weitere Träne ran, aber kein Vorwurf war in meinen Augen, nur Fragen und etwas Verwirrtheit. "Ich weiss es nicht, Helena, ich weiss es wirklich nicht. Ich weiss nur, dass plötzlich alles anders ist. Eben noch war ich jemand, der trotz allem über sich entscheiden kann und dann plötzlich bin ich nichts weiter als ein Gegenstand. Obwohl ich weiss, dass ich lebe, das ich ein Mensch bin."

  • "Nein, Pentesilea. Du bist meine Freundin, kein Gegenstand. Gleich wo ich war habe ich Sklaven immer als Menschen behandelt und in dieser Familie wirst du auch nicht anders behandelt werden. Es wird sich nichts für dich ändern."


    Ich strich ihr auch diese Träne von der Wange.


    "Und wenn es dich tröstet, dann werde ich dich in die Freiheit entlassen, damit zu deinen eigenen Pfaden folgen kannst."


    meinte ich leise.

  • Ich musste lächeln, während die Augen dennoch sich weiter füllten.
    "Helena, es mag sein, dass Du nicht so bist und mich als Freundin siehst, aber vor dem Gesetz ändert es nichts und selbst wenn Du mich frei lässt... auch das wird nicht viel ändern."
    Ich atmete tief durch. "Ich muss das erst einmal verdauen. Bitte verzeih, wenn ich nicht anders reagieren kann, aber ich bin verwirrt und so viele Fragen... warum hast Du es mir nur nie eher erzählt? Ichbin die ganze Zeit im Glauben gewesen...."
    Ich sah sie an, aber immer noch nicht mit Vorwurf nur einem großen Fragezeichen. "Nein... ich weiss schon..."

  • "Weil ich Angst vor diesem Anblick hatte. Ich wusste es war nicht gerecht, es dir zu verschweigen, doch ich kann doch meiner besten Freundin nicht ins Gesicht sagen, dass sie eigentlich meine Sklavin ist."


    Ich sah wieder weg und auf den Boden. Mein Blick war ein wenig starr, denn die Erinnerungen an Maximus und die ganze Situation war auch nicht besonders erfreulich, wenn auch erforderlich.


    "Eine Freilassung wird einiges ändern. Es wird dich nicht hindern in deine Heimat zurückzukehren, du kannst aber auch hier als mein Klient und als jener der Gens Matinia bleiben. Ich werde deine Freilassung gleich verfügen."

  • Ich schüttelte nur den Kopf und schwieg. Lange, sehr lange. Dann schüttelte ich wieder den Kopf.
    "Wozu," kam es leise über meine Lippen, kaum zu hören und leicht zitternd. "ICh kann mich ja doch nicht erinnern."

  • "Vielleicht kehren deine Erinnerungen durch eine Rückkehr zurück. Und deine Freiheit hast du dir nach meiner Meinung schon lange verdient. Du gehörst nicht in die Sklaverei und ich kann meine beste Freundin nicht als Sklavin sehen. Wirklich nicht!"

  • Ich schüttelte wieder den Kopf. "Wenn sie so lückenhaft und schmerzhaft sind wie diese, dann verzichte ich lieber darauf. Ich hab ja sogar plötzlich Angst wiede rzurück in das Haus da zu gehen, was mir in letzter Zeit zu einer Heimat wurde.
    Es tut mirleid, Helena, Du meinst es gut und es ist ungemein lieb von Dir, aber ich ... ich habe Angst."
    Von der damaligen Pentesilea war schon lange nicht mehr viel über, aber nun schien sie ganz weg und eine andere dafür da.

  • "Wovor hast du Angst?"


    Ich war ein wenig verwirrt und machte auch kein Geheimnis daraus. Besorgt sah ich sie an und strich ihr weiterhin sacht über die Wange.


    "Hast du Angst Dinge zu sehen, die dir nicht gefallen?"

  • "Ich habe Angst nicht mehr zurück zu finden und für immer verloren zu sein," gestand ich leise. "Was, wenn ich mich nicht mehr erinnere, nicht einmal mehr an den Namen, den man mir gab? Wer sagt, dass mein Name der ist, der mir von Geburtsrecht gehört? Was, wenn ich meine Familie nicht finde? Wenn es sie nicht einmal mehr gibt..."
    Ich sah traurig drein, doch nun hielt ich ihre Hand ebenso, wie sie meine und liess sie nicht mehr schlaff hängen.

  • "Du sprichst wahr, Pentesilea. Aber du wirst sie finden, wenn du sie auch wirklich finden möchtest. Ich weiß nicht, was mit deiner Familie ist und ich würde es gerne herausfinden - doch ich weiß nicht wie. Fahrendes Volk findet man nicht so schnell, vorallem wenn man sie nicht kennt."


    Ich seufzte kurz.


    "Aber du kannst hierbleiben und versuchen dich zu erinnern. Vielleicht kehrt die Erinnerung zurück und du bist eines Tages bereit, zurückzukehren. Niemand verlangt von dir, dass du gehst und schon gar nicht sobald du frei bist. Du kannst dir alle Zeit der Welt nehmen!"

  • Ich schüttelte den Kopf.


    "Ich habe nichts getan wofür du mir danken bräuchtest, als dir die Wahrheit zu erzählen. Und ich weiß nicht ob es nicht besser gewesen wäre, es dir weiter zu verheimlichen. Mittlerweile glaube ich es."


    Ich stand auf und stellte mich lächelnd vor sie.


    "Möchtest du spazieren gehen? Oder kann ich sonst etwas für dich tun? Du bist frei zu entscheiden."


    Dann schwieg ich kurz und sah sie ein wenig ernster an.


    "Ich würde mich sehr freuen, wenn du bei mir bleiben würdest."

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