Im ersten Moment schaute Narcissa noch böse, dann immer überraschter. Silanus war sauer! Und das nicht mal zu knapp, beinahe hätte sie gelächelt, hielt sich im letzten Moment aber noch zurück und schaffte es, ein ausdrucksloses Gesichtchen zu machen. Sie hatte es geschafft und ihn so gereizt, dass er aus der Haut fuhr. Ihr Gefühl von Überlegenheit verhinderte, dass sie allzu genau auf seine Worte achtete, einen Moment noch wollte sie ihren Sieg auskosten. Doch besonders der letzte Teil seines Appells (oder war es eine Zurechtweisung?) kam deutlich bei ihr an. Heimliche Wünsche. Bedürfnisse. Sie machte ein nachdenkliches Gesicht und lehnte sich wieder an die Cline, ihre Arme nicht länger verschränkt.
Sie hatte begehrliche BLicke schon gesehen, auch welche die ihr galten und das nicht nur hier im Castellum. Eigentlich waren ihr hier noch keine geschenkt worden, wenn sie so darüber nachdachte. Wahrscheinlich lag es daran, dass ihr Verlobter die Männer vor ihr gewarnt hatte. Kein Wunder, dass Einar und Merowech sie so überstürzt verlassen hatten anstatt mit ihr zu Würfeln. Hatte er etwa die Anweisung gegeben, dass die Männer sie meiden sollten? Sie wußte wie Frauen auch gegen ihren Willen genommen wurden, sie hatte es ja bereits befohlen und dabei zugesehen! Was Silanus wohl von ihr denken würde, wenn er das wüßte? Nichts Gutes, soviel stand fest. Silanus gab ja sogar zu, dass die Germanen hier unzivilisierter waren als Römer! Dabei hatte man ihr wochenlang erzählt, dass es hier keine Barbaren gab und sie sich keine Sorgen zu machen brauche. Und jetzt reichte eine nackte Wade aus, dass sie in Scharen über sie herfallen würden?
Doch hinter all diesen Argumenten sah Narcissa noch etwas mehr, etwas, dass Silanus zum Schluss auch ganz offen sagte. Er machte sich Sorgen um sie, um ihre Sicherheit, um ihre Unberührtheit. Sie glaubte ihm, dass er ihr eigentlich nichts böses wollte, sondern sie beschützen. Nur machte es das nicht wirklich einfacher für sie. Sein eindringlicher Blick wurde zuerst trotzig erwidert, doch ihre Wut war verflogen, je länger Silanus sprach. Die Hoffnung auf eine Reitstunde musste sie anscheinend wirklich begraben. Aber sie war froh, dass Silanus endlich mal seinen Mann gestanden und ihr etwas verboten hatte. Anscheinend war er längst nicht so weich wie sie gedacht und befürchtet hatte, denn dann wäre ihr Leben zwar weitaus einfacher gewesen, aber auch weitaus unspannender.
Und wie sollte sie jetzt reagieren!? Verständnisvoll, einsichtig, sich entschuldigen? Oder weiter nörgeln und schmollen? Vielleicht aufspringen und die cena unvollendet verlassen?
Er fand sie hübsch. Sie grinste leicht.
"Ich danke dir, dass du sich um mich sorgst. Anscheinend bist du der einzige Ehrenmann hier." meinte sie etwas spitzfindig und griff zu ihrem Becher mit Wein, von dem sie nippte. Sie spannte ihn absichtlich noch etwas auf die Folter und ließ sich mit ihrer weiteren Antwort Zeit. Sie wäre wirklich gerne geritten, aber im Grunde war es ihr darum gegangen ihren Kopf durchzusetzen. Wahrscheinlich war ihnen das beiden klar. "Wenn es dir soviel bedeutet, dann fahre ich eben im Wagen. Und mach die Vorhänge zu."