Auf dem Platz vor dem Gebäude der Officia

  • "Es gibt hier einen Mercuriustempel. Soweit ich weiß, wären sie froh, einen Sacerdos dafür hier in Tarraco zu haben", schlug Valeria vor.
    "Und die Pontifex hat mir verraten, dass es kaum Ceres-Priester gibt. Tiberia Claudia ist Flaminca Minervae, also hast du hier in etwa die gleichen Chancen für deine Ausbildung wie in Rom...denke ich. Naja, wir haben noch keinen Ceres-Tempel hier, aber es ist glaub einer in Planung."


    Valeria taute langsam auf. Irgendetwas an dieser jungen Frau (die zugleich älter war als sie) schien vertrauenswürdig. Das machte das Reden leichter. Sie seufzte und lehnte sich auf der Steinbank zurück.


    "Oh, dann alles Gute nachträglich", wünschte sie Arria.

  • Arria lächelte sie an. Über die Götter reden, endlich ein Thema, das Valeria nicht zu verletzten schien. Innerlich atmete Arria auf. Die erste (gleichaltrige) Frau, die sie kennenlernte, wollte sie nicht sofort wieder verschrecken.


    "Ich werde noch einmal mit ihm reden. Vielleicht kann ich ihn ja überzeugen, doch zu bleiben. Ich hoffe es sehr", antwortete Arria und betrachtete sie. Die Züge kamen ihr aber auch zu bekannt vor, das ließ sie nicht mehr los. "Ich brauche nicht unbedingt einen Tempel, um Ceres zu dienen. Sie ist die Göttin der Felder, dort kann ich sie ehren", erwiderte sie ernst und bedankte sich dann leicht rot für die Glückwünsche.

  • Valeria runzelte die Stirn. Sie hatte noch nie einen Priester gesehen, der die Riten an einer Statua unterzogen hatte - auf einem Feld. So nickte sie nur verhalten, sagte aber nichts dazu.

  • Hatte sie wieder etwas falsches gesagt? Unsicher blickte Arria Valeria an. Dass sie aber auch immer die richtigen Worte verfehlte!


    "Wie alt bist du?", fragte sie deswegen in der Hoffnung, einmal keine flaschen Worte zu gebrauchen. Und immer noch betrachtete sie die Züge, um sich endlich daran zu erinnern, woran sie sie erinnerten.

  • "Siebzehn", sagte Valeria.
    Ihr fiel selbst auf, wie ungesprächig sie war. Das machte ihr ein schlechtes Gewissen, deswegen entschloss sie sich, folgendes zu fragen:
    "Hm...em...du sagt mal, du redest immer nur von deinem Vater. Was ist mit deiner Mutter, mag sie diesen..Ambrosius?"

  • Arria staunte nicht schlecht, sie hätte Valeria um mindestens zwei Jahre älter geschätzt. Dann jedoch verwirrte sie die Frau vollends. Ambrosius? Was für ein Ambrosius bitte?


    "Ich weiß nicht genau, was du meinst, aber es ist sowieso egal, ich kenne Mutter nicht, sie starb wenige Tage nach meiner Geburt", antwortete Arria mit einem traurigen Beigeschmack in der Stimme.

  • Es war klar, dass Arria sie älter geschätzt hatte. Das konnte sie an Arrias Mimik erkennen. Valeria lächelte traurig. Sie sah wohl deswegen älter aus als sie in Wirklichkeit war, weil sie in letzter Zeit so viel hatte durchmachen müssen.


    "Oh, das tut mir leid. Ich wollte nicht unhöflich sein. Meine Mutter ist auch vor ein paar Wochen gestorben. Hm...."

  • Ohne wirklich darüber nachzudenken, legte Arria Valeria einen Arm um die Schulter und drückte sie leicht.


    "Ich kannte meine Mutter nicht, Valeria. Ich hätte gerne eine Mutter gehabt, aber so bin ich bei meinem Vater aufgewachsen. Für dich muss es viel härter gewesen sein", antwortete sie leise und ruhig. "Aber in unseren Herzen leben sie weiter", fügte sie überzeugt hinzu.

  • Valeria sah Arria überrascht an. Für eine Fremde baute sie ziemlich fix Körperkontakt auf. Ihr selbst war das in diesem Moment nicht so ganz recht; sie versteifte sich etwas und straffte sich, so dass Arrias Arm langsam herunterrutschte.


    "Ja, du hast recht. Aber ich fand nicht, dass es schwer war. Meine Mutter war Geburtshelferin; ich belege zur Zeit den Cursus Medicinae an der Schola und hoffe, ihr damit nacheifern zu können. Das hätte sie sicher gewollt. Und was meinen Vater angeht: Um ehrlich zu sein, kenne ich ihn nicht. Meine Mutter hat nie sonderlich gern von ihm geredet. Er wollte mich nicht. Wohl, weil sie eine Peregrina war."

  • Einen Moment blickte Arria Valeria mit gemischten Gefühlen an. Sie hatte sie doch nur trösten wollen. Und irgendwie klangen ihre ersten Worte nur halb so ehrlich, wie sie wohl waren. Es musste doch sehr schwer sein, seine Mutter zu verlieren, wenn man sie gekannt hatte. Dennoch nickte Arria leicht.


    "Ich glaube auch, dass es ihr gefallen würde. Und wenn du sowohl Priesterin als auch Geburtshelferin bist, kannst du sicherlich vielen Frauen das Leben retten durch dein medizinisches Wissen und deiner Verbindung zu den Göttern. Und was deinen Vater angeht... Hast du irgendeinen Hinweis, wer er ist? Vielleicht haben es die Umstände nur unmöglich gemacht, dich anzuerkennen und später hat er dich nicht mehr gefunden? Oder nicht den Mut gehabt, dir gegenüber zu treten?", mutmaßte sie ins Blaue hinein. "Wenn du ihn finden willst, helfe ich dir dabei", versprach Arria sofort. Auch wenn sie die Frau nicht kannte, fühlte sie sich aus unerfindlichen Gründen für sie verantwortlich, oder besser hegte sie gewisse geschwisterliche Gefühle für sie und wollte sie gerne einmal glücklich lächeln sehen.

  • "Ich möchte mich nicht auf die Frauenheilkunde versteifen, sondern generell Medica werden. Mal sehen, die Prüfung ist Ende nächster Woche..."


    Valeria verengte die Augen zu Schlitzen und musterte Arria prüfend. Sprach sie da die Wahrheit? Und wieviel von dem war dran, was sie über ihren Vater vermutete? Sie schüttelte den Kopf.


    "Hm, ich weiß nicht. Wie gesagt, meine Mutter redete nicht sonderlich gern über ihn. Ich hatte immer den Eindruck, dass sie ihn geliebt hat und er sie nur ausnutzte - solange, bis ich dann ankam. Ich bin mir auch gar nicht so sicher, ob ich ihn überhaupt finden will.... Das würde alles nur noch unnötiger komplizieren, glaube ich."

  • Arria blickte Valeria einen Moment an und lächelte dann sanft.


    "Du wirst irgendwann selbst zur Peregrina, wenn der Pater Familias erfährt, dass du keine Decima bist und dich verstößt. Und dann ist es sicher besser, wenn du eine Familia hast, in die du adoptiert werden kannst und die deine eigene ist. Sicherlich macht sich dein Vater auch Vorwürfe, so einfach vergisst man sein Kind sicherlich nicht. Und wenn er Römer ist wie du, hat er dich sicher das eine oder andere Mal gesehen."

  • "Meridius weiß es schon. Und nach dem, was ich weiß, muss mein Vater mich nur annehmen, wenn ich ihn finde. Dann trete ich in seine Gens ein", sagte Valeria ohne große Überzeugung.


    "Und Rom ist groß, ich denke nicht, dass er mich überhaupt erkennt. Er könnte inzwischen ja sonstwo leben. Außerdem... Arria? Schwöre bei Ceres, dass du keinem verrätst, was ich dir gerade über Meridius gesagt habe, hörst du? Ihm und mir zuliebe muss ich eine Decima spielen. Ich würde sonst die Familia entehren."

  • Arria nickte sofort.


    "Das ist doch selbstverständlich, Valeria! Wenn etwas über meine Lippen käme, würde ich dich ja quasi aus der Familia verstoßen. Oh nein, sei dir gewiss, dass ich nichts davon sage. Zu keinem", antwortete sie und lächelte sie an. "Gibt es jemanden, der dich unterstützt? An den du dich anlehnen kannst?", fragte sie dann, um das Thema nicht zu weit auszutreten.

  • Valeria zog eine bittere Grimasse. Es wurden immer mehr Leute, denen sie sich anvertraute. Sie sollte nicht so schnell damit sein. Also seufzte sie.


    "Arria, ich glaube dir, aber... Ich kann dir das jetzt alles noch nicht erzählen. Sagen wir so: ich befinde mich in einer mehr als schlechten Position. Die Decima leiden mehr unter mir, als dass sie Nutzen von mir hätten. Es tut mir leid, aber ich kann dir das jetzt noch nicht sagen."
    Sie seufzte tief.
    "Ich rede mit Helena, manchmal. Sie versucht mir zu helfen."

  • "Dann solltest du deinen Vater erst Recht suchen! Die Möglichkeit, dass er dich anerkennt, besteht immer noch und dann würdest du den Decima nicht mehr zur Last fallen", antwortete Arria sanft und nickte dann. "Ja, Helena ist eine wunderbare Frau. Sie kann einem mit ein paar Worte alle Zweifel ausreden."

  • "Ich will aber nicht aus der Casa gehen müssen", sagte Valeria langsam und ernst. Dabei sah sie Arria an. Vielleicht verstand sie, was Valeria sagen wollte, ohne, dass sie es sagte.

  • Arria blickte sie eine Weile an und nickte schließlich.


    "Vielleicht musst du das ja auch gar nicht. Vielleicht erkennt dich dein Vater an und lässt dich dennoch in der Casa wohnen."


    Nur Vermutungen, natürlich, unwahrscheinliche Vermutungen sprach Arria aus, aber vielleicht konnte sie Valeria so ein wenig Mut machen, sich auf die Suche zu begeben.


    "Es gibt jemanden, den du liebst und von dem du dich nicht trennen willst, oder?", fragte sie vorsichtig und erwartete schon, dass sich ein riesiger Fettnapf vor ihr auftat.

  • "Lässt dein Vater dich bei deinem Ambrosius wohnen? Nein. Also, warum sollte das meiner tun?" fragte Valeria mürrisch.
    Das machte ihr keinen Mut, das hielt ihr nur wieder die ausweglose Lage vor Augen, in der sie sich befand. Sie legte den Kopf in den Nacken und blies die Luft aus, die sich vor ihrem Gesicht zu einer kleinen Dunstwolke zusammenballte, um dann zu vergehen.


    "Ja", antwortete sie schlicht auf Arrias Frage.

  • "Er heißt Imperiosus", antwortete Arria müde. "Und in gewisser Weise tut er das wohl. Ich bin die Zeit, bis ich hierher kam, bei ihm gewesen und jetzt sind wir auch gemeinsam in der Casa Iulier, die viel zu riesig ist. Ich verlaufe mich noch mal in den vielen Zimmern und Gängen."

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