Casa Germanica - Atrium

  • Allein bei der Vorstellung, dass Calvenas Mann es sich mit dem zur Zeit mächtigsten Mann in Rom noch mehr verderben könnte, wurde es Serrana schon ganz schlecht und sie fiel vehement in das Nicken ihres Mannes ein. "Ja, genau das wollte ich damit auch sagen. Ich kann ohnehin nicht verstehen, wie ein Mann in der Position des Praefectus Urbi sich so aufführen kann. Einen verdienten Praetorianer aus Rom zu vertreiben, nur weil er wegen einer Frau beleidigt ist, also wirklich...Da müsste er doch meilenweit drüberstehen." Serrana hatte in den Monaten seit ihrer Ankunft in Rom bereits einiges von ihrer Blauäuigkeit eingebüßt, aber so ganz war die Vorstellung, dass ein hohes Amt zwangsläufig an hohe moralische Tugenden und Prinzipien gekoppelt war, noch nicht verschwunden.

  • "Ich werde mein Bestes geben", versprach Valerian und meinte es auch genau so. Niemals würde er wollen, daß es Calvena schlecht ging. Er wußte nur zu gut, daß es nun wirklich an ihm war, sich zusammen zu reißen.


    Es war geradezu rührend, wie naiv Serrana war. "Leider ist nicht jedes hohe Amt mit Männern besetzt, die Deinen Ansprüchen genügen. Um genau zu sein, gibt es davon sogar nur wenige. Die meisten nutzen ihre Macht gnadenlos aus, um reicher zu werden, um noch mächtiger zu werden - oder einfach, weil es Spaß macht. Er fühlte sich beleidigt, also zerquetschte er mich. - Weil er es kann." So war das Leben und es war müßig, sich darüber aufzuregen. Man mußte einfach damit leben und diese Tatsache in seine Planungen fest mit einbeziehen.

  • Sedulus sah seine Frau und meinte dann.


    Er kann es, weil er es eben kann. Wer sollte ihn denn daran hindern?


    Vom Imperator war ja schon eine Ewigkeit nichts mehr zu sehen gewesen. Er würde es vielleicht noch können.


    Da muß ich Quintilius Valerian recht geben. Es gibt immer Männer die noch mehr Macht haben wollen und die wird es auch immer geben...


    Es war eine traurige Tatsache an der es nichts zu rütteln gab.

  • War ihre Anmerkung dumm gewesen? Wahrscheinlich, und ebenso wahrscheinlich hatte sie damit mal wieder unter Beweis gestellt, wie sehr immer noch das weltfremde Landei in ihr steckte, auch wenn sie mittlerweile die feinen Stoffe und das Geschmeide einer wohlhabenden Senatorengattin trug. Serrana ärgerte sich nicht zum ersten Mal über sich selbst, stellte aber wieder einmal fest, das manche Dinge auch leichter gewesen waren, als sie noch komplett arglos durchs Leben gegangen war. Sie seufzte einmal tief auf und zuckte dann mit den Schultern.


    "Hindern wird ihn wohl niemand, schließlich ist er der Stellvertreter des Kaisers. Aber wenn es wirklich so ist, wie ihr sagt, dann ist es einfach nur traurig, weil es beweist, dass alles, was über die Tugenden und Ideale unserer Vorfahren geschrieben wurde, heute keine Gültigkeit mehr hat." Serrana seufzte erneut und wandte sich dann an den Mann ihrer Freundin. "Gibt es denn irgendetwas, wie Quintus und ich dich in dieser Sache unterstützen können?" Sie sah an sich hinunter und lächelte ein wenig schief. "Ich bin im Moment ja nicht mehr die Allerschnellste, aber vielleicht kann ich ja mit irgend jemandem reden oder Briefe schreiben. Seit ich Aeditua bin, hören mir die Leute viel aufmerksamer zu als früher, und Quintus ist schließlich Senator und hat einflussreiche Freunde."

  • "Nein, ich würde die Tugenden und Ideale unserer Vorfahren nicht als vollkommen verloren betrachten. Es gibt immer noch Männer, die danach streben und sich auch immer mal wieder gegen die anderen durchsetzen. Auf diese sollten wir hoffen." Natürlich wußte Valerian, daß es sinnlos war zu glauben, daß je solche Männer das Leben in Rom bestimmen würden. Doch er hielt es nicht für richtig, Serrana ganz den Glauben daran zu nehmen. Sie war eine liebenswerte Frau, die Hoffnung haben sollte und auch ihren Kindern ein wenig dieser Hoffnung mit auf den Weg geben sollte.


    "Ich befürchte, ihr würdet euch nur ebenfalls in die Mißgunst Salinators begeben. Vielleicht, eines Tages, wird er bereit sein, zuzuhören. Und wenn ihr dann für mich sprechen würdet, das wäre mir eine wirkliche Hilfe. Ich danke euch auf jeden Fall für dieses Angebot. Im Moment, liebe Serrana, würde es mir helfen, wenn Du meiner Frau recht oft schreibst. Sie vermißt ihre Freundinnnen so sehr. Jeder Brief aus Rom ist für sie eine solche Freude. Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du ihr diese Freude so oft wie möglich bereiten würdest." Ein wenig zögernd erhob sich Valerian. "Ich würde gerne noch länger bleiben. Aber es gibt noch so vieles, was ich in der kurzen Zeit, die ich hier in Rom bin, zu erledigen habe. Es war wirklich schön, mal wieder mit euch zu sprechen."

  • Nachdem man nun am Tor die Förmlichkeiten gewechelst hatte geleitet Aculeo den Iunier ins Atrium und bat diesen Platz zu nehmen. Zudem wies er einen der Sklaven an etwas zu Trinken und eine Kleinigkeit zu Essen bereitzustellen um die Wartezeit zu verkürzen.


    All das geschah in einem Atemzug und auch die Suche nach Iunia Serrana war da inbegriffen.

  • Priscus bedankte sich bei Aculeo und setzte sich auf eine der Bänke, die hier standen. Vor lauter Nervosität saß er auf der Kante und rutschte unruhig hin und her. Vor dieser Begegnung hatte er sich am meisten gefürchtet, nun wartete er auf Serrana.


    Durch seinen Kopf schossen dutzende Fragen, die er stellen wollte. Wie war Narcissa gestorben, musste sie leiden, was war mit ihrer Asche passiert... In Gedanken betrachtete er das Wasserbecken in der Mitte des Atriums und wurde weggetragen in die heimatliche Casa, wo er mit Narcissa als Kind gespielt hatte....

  • Kaum hatte Aculeo ihr Bescheid gesagt, dass ihm Atrium ein Iunier auf sie warte, hatte Serrana sich bereits auf den Weg gemacht. Dort angekommen, blieb sie jedoch einen Augenblick überrascht im Eingang stehen, denn der junge Mann im Atrium war nicht, wie erwartet, ihr Vetter Seneca sondern ein Fremder. Ob es wider Erwarten doch noch weiter lebende Familienangehörige ausser Seneca und Axilla gab? Eigentlich kaum zu hoffen...


    Mit einem ein klein wenig unsicheren Lächeln näherte sich Serrana dem jungen Mann. "Salve, und willkommen in der Casa Germanica. Ich bin Iunia Serrana."

  • Priscus erhob sich sofort, als er die junge Frau auf sich zukommen sah, um sie zu begrüßen. Er musterte sie einen Augenblick von Kopf bis Fuß und sah ein freundlichen Gesicht mit wachen Augen. Bestimmt hatte Narcissa sich gut mit ihr verstanden.
    Ein wenig nervös nickte er ihr. "Salve, vielen Dank, dass du mich empfängst, Iunia Serrana. Mein Name ist Titus Iunius Priscus...", stellte er sich vor und spürte, wie der Kloß in seinem Hals schon wieder wuchs. Seit er in Rom war passierte das ständig. Er räusperte sich. "Bitte verzeih mein unangemeldetes Auftauchen, aber ich bin nicht lange in Rom, ich bin gekommen, um dich nach Narcissa zu fragen....meiner Schwester", setze er noch hinzu und schluckte schwer.

  • Priscus...Priscus....Irgendwie kam ihr der Name bekannt vor, doch erst als ihr Besucher einen weiteren Namen nannte, setzten sich in Serranas Kopf einige Puzzlestücke zusammen. Narcissa...Götter, war es lange her, dass sie ihrer so stolzen und schönen Cousine zum letzten Mal begegnet war, beinahe schon zwei Jahre. Die Zeit hatte einige Erinnerungen verschwommener gemacht, und doch tauchte vor ihrem Auge jetzt die hochgewachsene Gestalt einer jungen Frau mit blitzenden blauen Augen und schwarzen Haaren auf. Priscus' Haar war etwas heller und seine Augen nicht blau sondern braun, trotzdem meinte Serrana in seinem Gesicht einige von Narcissas Zügen wieder zu erkennen.


    "Oh, setz dich doch bitte wieder." sagte sie schnell, auch um ihre eigene Überraschung ein wenig zu überspielen und nahm dann ebenfalls Platz. "Und mach dir keine Gedanken, Narcissas Bruder ist mir immer willkommen. Was genau möchtest du denn von mir wissen?"

  • Mit einem nervösen Lächeln setzte sich Priscus wieder, faltete die Hände und sah ihr in die Augen. Dann blickte er wieder auf seine Hände, die verkrampft einander umschlangen. Er überlegte sich genau, was er fragen wollte, bevor er zu sprechen begann.
    "Ich komme gerade aus Griechenland, die Nachricht von Narcissas Tod erreichte uns schon vor einer ganzen Weile, aber sie war recht kurz gehalten. Iunia Axilla konnte mir keine Auskunft geben und hat mich zu dir geschickte." Er blickte auf, das Gesicht starr, nur die Augen verrieten den inneren Aufruhr, den er zu bekämpfen suchte.


    "Sie sagte mir, du seist ihre Freundin gewesen. Kannst du mir erzählen...wie sie zu den Göttern gegangen ist? Musste sie leiden?" fragte er mit gepresster Stimme.

  • Narcissa....seltsam fern war diese Erinnerung schon, dabei waren seit ihrem Tod noch keine zwei Jahre vergangen. Für Serrana würde sie vermutlich immer eng mit ihrer eigenen ersten Zeit in Rom verknüpft bleiben. Zwei etwa gleichaltrige junge Mädchen, die sich in dem zu dieser Zeit verlassenen Casa Iunia kennengelernt hatten, und deren Gemeinsamkeiten sich auf das gleiche Blut beschränkten. Die auf dem Land abgeschottet aufgewachsene Serrana war damals extrem schüchtern und leicht zu ängstigen gewesen und hatte ihre selbstbewusste und weltgewandte Cousine förmlich angebetet. Wie eine unscheinbare kleine Maus hatte sie sich manches mal neben der schönen Narcissa gefühlt, und dennoch: sie lebte noch, hatte mittlerweile einen Mann und zwei Kinder, während die Asche ihrer Cousine schon lange erkaltet war. Seltsam, in welche Richtung das Schicksal manchmal ging.


    "Narcissa und ich haben uns nur wenige Monate gekannt, aber ich denke schon, dass wir befreundet waren." begann Serrana schließlich und ließ sich neben Priscus nieder. Der Schmerz in den Augen des jungen Mannes war unübersehbar und ließ auch sie schlucken, obwohl sie, wenn sie ehrlich war, nur noch ab und zu an ihre verstorbene Cousine dachte. Zu kurz war die gemeinsame Zeit gewesen, und zuviel anderes war in der Zwischenzeit geschehen. "Sie wurde plötzlich krank, weißt du, von einem Tag auf den anderen, und wir haben niemals herausgefunden, woran es lag. Zum ersten Mal unwohl hat sie sich auf einem Fest gefühlt, das wir gemeinsam in der Casa Iunia für einige Freunde gegeben haben. Mitten während der Cena ist sie verschwunden, vermutlich weil sie niemanden beunruhigen wollte, und als sie im Laufe der Tage immer schwächer wurde, hat sie sich schließlich auf ein Landgut zurückgezogen, das unserem Verwandten Silanus gehört." Serrana seufzte und starrte angestrengt auf ihre im Schoß gefalteten Hände, als es ihr jetzt doch ein wenig den Hals zuschnürte. "Eine zeitlang sah es so aus, als würde ihr die Luft dort gut tun, aber dann bekam sie plötzlich einen Rückfall und starb. Ich war nicht dort als....als es passierte, aber der Verwalter hat uns geschrieben, dass Narcissa friedlich eingeschlafen ist." Serrana biss sich auf die Unterlippe und spürte, wie ihr jetzt doch die Tränen kamen. Sie wischte sie mit dem Handrücken weg und zwang sich, Priscus wieder anzusehen. "Es tut mir wirklich leid, dass ich dir nicht mehr sagen kann. Ich hatte Narcissa wirklich sehr gern. Sie war so voller Leben und konnte unglaublich mitreissend sein. Am Anfang konnte ich kaum glauben, dass sie wirklich tot war."

  • Wortlos hörte Priscus zu, nur einige Male nickte er. Ja, das passte zu seiner Schwester. Nur nie Schwäche zeigen, schon als Kind war sie immer schon die Mutige gewesen, hatte beim Spielen immer das Kommando gehabt und war auch nicht vor Streit zurückgeschreckt. Schließlich war sie Vaters Liebling, dachte er wehmütig. Wie konnte man ihr auch etwas abschlagen, wenn sie mit großen Augen zu ihrem Gegenüber aufsah...
    Priscus schluckte schwer, als Serrana geendet hatte. Eine zeitlang hing er noch den Erinnerungen nach, dann räusperte er sich. Als er die Tränen in Serranas Augen sah, legte er ihr seine Hand auf die ihre. "Du hast sie sehr gerne gehabt, nicht? Weist du, wo man sie begraben hat? Ich hoffe doch mit den nötigen Vorkehrungen? " fragte er. Es wäre schlimm, hätten nicht genug Klageweiber ihren Tod betrauert oder wären die Grabbeigaben zu gering ausgefallen. Sie hatte nur das Beste verdient, dachte er.
    "Es freut mich, dass du noch etwas Zeit mit ihr verbringen konntest, " entgegnete Priscus und ließ ihre Hand wieder los. "Ich glaube sie hätte sich gewünscht, dass wir nur ihre fröhliche Seite in Erinnerung behalten...", sagte er und musste lächeln. Ja, seine Schwester war ein Wildfang gewesen, schon von klein an.

  • Serrana war derart in ihren Erinnerungen versunken, dass ihr Priscus' Hand auf der ihren erst in dem Moment auffiel, als er sie bereits wieder wegzog. Und auch da störte es sie nicht, die Berührung fühlte sich tröstlich an und und hatte nichts an sich, das sie in Verlegenheit hätte bringen können."Ja, ich mochte sie wirklich sehr." bestätigte sie erneut und wischte sich ein wenig verlegen die letzten Tränen aus dem Gesicht. "Dabei war Narcissa ganz anders als ich, aber vielleicht lag es auch gerade daran." Als Priscus nach Narcissas Grabstätte fragte, war es nun Serranas Hand, die sich ganz kurz auf seine legte. "Wegen ihres Begräbnisses brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Deine Schwester ist mit allen Ehren ins Elysium eingegangen, es hat an nichts gefehlt, glaub mir bitte. " Serrana nickte bekräftigend. "Ihre Urne ist im Grabmal der Iunier bestattet, an der Via Appia, ganz in der Nähe von Rom. Wenn...." Serrana zögerte einen kurzen Moment und fuhr dann fort,".....wenn du magst, können wir ja vielleicht mal gemeinsam dorthin gehen, die Asche meines Vaters liegt auch dort." Und sie hatte diesen Ort in den nun fast zwei Jahren, seit sie in Rom lebte, so gut wie möglich vermieden, eine Erkenntnis, die Serrana plötzlich mit Scham und schlechtem Gewissen erfüllte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass ihr ein Besuch leichter fallen würde, wenn Priscus dabei war, aber wer wusste schon, ob der darauf überhaupt Wert legte.

  • Priscus atmete einige Male tief durch. Es rührte ihn, Serrana so ergriffen zu sehen und die Berührung ihrer Hand empfand er als warm und tröstend. Er freute sich, dass Narcissa eine gute Freundin gefunden hatte und nicht ganz alleine in dieser großen Stadt gewesen war... Die schmerzlichen Gefühle würden hoffentlich irgendwann nachlassen, vielleicht wenn er ihr Grab besucht hatte, um ihre verstorbene Seele zu besänftigen. "Ich danke dir, dass du mir die Sorgen nimmst, sie wäre nicht richtig bestattet worden." Er hielt einen Moment lang inne, führte einen inneren Kampf mit sich.


    Schließlich umfasste er das Amulett, das er um seinen Hals trug und sprach weiter. "Manchmal wache ich nachts auf... Im Traum sehe ich sie deutlich vor mir, es ist immer wieder derselbe. Ich warte in unserem Haus auf sie, doch sie kommt nicht. Der Vater sitzt mit seinem blutigen Schwert und voller Rüstung auf der Bank vorm Haus und sagt nie ein Wort. Ich laufe zum Hafen von Nikopois, wo ich wieder warte... Doch die Sonne verfinstert sich, es wird dunkel und Nebelschwaden wabern über das Wasser. Alles ist kalt, so kalt... Und nur ein Schatten ist da, der nach mir ruft, immer wieder, immer mit der gleichen Stimme..." er brach ab und schüttelte den Kopf. "Ich dachte vielleicht findet sie keine Ruhe oder sie will mich noch einmal sehen... oder aber sie ruft mich zu sich. Kein schöner Gedanke, wenn man bedenkt, dass ich mich in ein paar Tagen bei der Legion melden will." Er konnte Serranas Blick kaum erwidern, sie sollte nicht den Eindruck erhalten, dass er böse Geister ihn ihr Zuhause mitbrachte.


    Als sie ihm anbot, ihn zu begleiten, hob er den Kopf. "Das wäre mir sehr recht, ich glaube ich kann das nicht alleine... Dein Mann wird nichts sagen?" fragte er noch, hatte er doch keine Lust, sich mit einem eifersüchtigen Ehemann herumzuschlagen, auch wenn Priscus verwandt war und keine Gefahr bedeutete.

  • Auf Priscus' Dank hin hatte Serrana energisch den Kopf geschüttelt um ihm zu zeigen, dass es in diesem Fall keines Dankes bedurfte, um ihm dann wieder aufmerksam zuzuhören. Anfangs war ihre Miene noch unbedarft, doch mit jedem weiteren Wort stellten sich die kleinen Härchen in Serranas Nacken mehr auf und auf ihren Armen bildete sich eine unübersehbare Gänsehaut. Axilla hätte derlei Erlebnisse vermutlich kurzerhand als Superstitio verbucht und nicht weiter ernstgenommen, und in diesem Moment beneidete Serrana ihre Cousine um diese rationale Sicht der Dinge. Sie selbst dagegen spürte sofort, wie sich die Unruhe und Beklommenheit, die von ihrem Verwandten ausgingen, auf sie übertrugen, auch wenn sie sich alle Mühe gab, sich das nicht anmerken zu lassen.


    "Das ist ein schrecklicher Traum...." sagte sie leise und sah Priscus aufrichtig mitfühlend an. Sofort stiegen Erinnerungen an ihre eigenen Albträume in Serrana auf, in denen sie ihre Mutter wieder und immer wieder hatte verbluten sehen. Seit der Geburt ihrer Kinder waren sie nicht wieder aufgetaucht, und Serrana hoffte inständig, dass sie auch bei einer eventuellen erneuten Schwangerschaft endgültig vor ihnen verschont bleiben würde. "Mir fällt kein Grund ein, warum Narcissa keinen Frieden finden sollte, aber vielleicht ist ja irgendetwas mit ihr geschehen, was ich nicht weiß." Sie atmete einmal tief ein und aus, dann gelang ihr sogar so etwas wie ein aufmunterndes Lächeln. "Es gibt sicher eine Möglichkeit, ihren Geist zu besänftigen, durch ein Opfer zum Beispiel. Wir werden sicher einen Weg finden, mach dir bitte keine Sorgen. " Im Zweifel würde sicher Romana eine Lösung wissen, allerdings war die Vestalin in letzter Zeit sehr beschäftigt gewesen, und Serrana hatte sie kaum zu Gesicht bekommen. Einen Versuch war es trotzdem wert, schließlich war die Claudia ausgesprochen hilfsbereit. "Und daran, dass du vielleicht sterben musst, darfst du nicht mal denken. Nichts ist jemals unabwendbar beschlossen, und es gibt immer Möglichkeiten, sich die Götter gewogen zu machen. Ausserdem kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Narcissa sich so etwas wünschen würde, das passt einfach nicht zu ihr." Seltsam, wie einfach es war, zu rationalen Erkenntnissen zu kommen, wenn es um die Ängste eines anderen und nicht um die eigenen ging. Aber vielleicht, ja vielleicht würde Serrana das irgendwann ja auch noch lernen.
    Bei der nächsten Frage verbreitete sich deren Lächeln endlich wieder und wurde deutlich entspannter.


    "Mein Mann? Oh nein, ich glaube nicht, dass er irgendetwas dagegen haben wird. Er hat Narcissa damals auch noch kennengelernt und wird sich sicher freuen, deine Bekanntschaft zu machen."

  • Priscus hörte Serrana konzentriert zu. Sie hatte einen wachen Verstand, bemerkte er, sie sprach Gedanken aus, die auch er schon gehabt hatte. Auch er konnte sich keinen Grund für die nächtlichen Träume denken, zumal er nun Gewissheit hatte, dass bei ihrer Bestattung an alles gedacht worden war und ihre Seele bestimmt den Weg in die elysischen Gefilde gefunden hatte.
    Ein wenig hilflos hob er die Schultern. "Die gleichen Gedanken hatte ich auch schon, ich dachte auch schon, dass mich Apollo vielleicht mit Wahnsinn strafen will, doch habe ich keinen Grund, die anzunehmen, habe ich doch nie etwas getan, was ihn beleidigt haben könnte," meinte er niedergeschlagen. Doch ihre nächsten Worte nährten seine Hoffnung nun doch wieder.
    "Ich würde deinen Mann sehr gerne kennen lernen und freue mich, gemeinsam mit dir Narcissas´ Grab zu besuchen. An was für ein Opfer hast du dabei gedacht?" fragte er erleichtert.

  • "Dass Apollo dich in irgendeiner Weise strafen will, glaub ich nicht." sagte Serrana im Brustton der Überzeugung. In dieser Hinsicht war sie sich tatsächlich sicher, und das, obwohl sie ihren neugewonnenen Verwandten im Grunde bislang kaum kannte. Strenggenommen konnte dieser durchaus bereits einige Leichen im Keller haben, aber Serrana hatte keinerlei Zweifel an seiner moralischen und charakterlichen Integrität. Das gründete zum Teil in ihrer allmählich besser werdenden Menschenkenntnis, aber auch schlichtweg in der Freude darüber, ein neues Familienmitglied gewonnen zu haben. Noch dazu eins, mit dem sie sich ernsthaft über solche Dinge wie die Götter, Vorbestimmung, oder Träume unterhalten konnte, und das nicht gleich zu schmunzeln begann oder sie insgeheim oder auch ganz offen für abergläubisch hielt. Und das darüber hinaus Narcissas Bruder war.
    "Was hältst du davon, wenn wir Morpheus, dem Gott der Träume, ein Opfer darbringen? Vielleicht genügt es ja schon, ihn uns gewogen zu machen, und er befreit dich von deinen bösen Träumen. Und falls das nicht funktionieren sollte, können wir uns immer noch über mögliche andere Gründe nachdenken und uns überlegen, wie sie zu beheben sind." Sie wandte sich zurück zu ihrer Leibsklavin Adula, die schweigend im Hintergrund wartete. "Adula, geh zum Officium meines Mannes und schau nach, ob er einen Moment Zeit hat. Ich würde ihm gern jemanden vorstellen. Wann würde es dir denn passen, die Grabstätte der Iunier zu besuchen? Morgen vielleicht? Oder wäre dir das zu kurzfristig?" fragte sie, nachdem sie sich wieder zu Priscus umgedreht hatte.

  • Es dauerte wirklich nur ein paar Minuten, dann stand Sedulus ein wenig herausgeputzt wie es sich für einen Senator gehörte im Atrium.


    Salve zusammen.


    Grüßte er allgemein gehalten und ging auf seine Frau und den Gast zu den er noch nicht kannte. Serrana bekam ein kleines Küsschen auf die Wange, dem Gast nickte Sedulus freundlich zu.


    Adula meinte du wolltest mir jemanden vorstellen.


    Erwartungsvoll blickte Sedulus seine Frau an. Wer war wohl Serranas männlicher Gast? Irgendein Verwandter? Oder ein alter Freund aus der ehemaligen Nachbarschaft? Wohl kaum...

  • Einen Moment lang überlegte Priscus und sah ein, dass er einen Fehler gemacht hatte. "An Morpheus habe ich noch garnicht gedacht," meinte er ein wenig erschrocken, "ich fand diese Träume so schlimm, dass ich gleich annahm, Apollo höchstselbst für meine Pein verantwortlich ist... Und den Gott des Schlafes ließ ich völlig außer acht... Ich werde ihm ein Opfer bringen, das ihn hoffentlich gewogen macht." Ein Hoffnungsschimmer zeichnete sich ab, bei der Vorstellung, dass er nur dem richtigen Gott opfern musste.
    Die Tatsache, dass Serrana ihn begleiten wollte, rührt ihn noch immer und er nickte. "Ich werde morgen früh nach Sonnenaufgang bei dir sein, Serrana. Vielen Dank, dass du diesen Weg mit mir gehst, zum einen, weil ich mich nicht so gut auskenne, zum anderen kann ich ein wenig Rückhalt aus der Familie gut gebrauchen," meinte er lächelnd.


    Kurz nachdem Serrana ihre Leibsklavin weggeschickt hatte, erschien ein Mann, tadellos gekleidet. Priscus schluckte. Das musste der Senator Sedulus sein, mit dem Serrana verheiratet war, dachte er. Gehört hatte er schon von ihm. Ein wenig nervös stand er da, kam sich schäbig und bäurisch vor, angesichts eines so einflussreichen Mannes. Stumm wartete er, bis man ihn vorstellte.

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