[Domus] Factio Veneta

  • Macer zückte eine weitere, diesmal leere Wachstafel und machte sich eine Notiz.


    "Das ist ja schon einmal eine klare Aussage. Ich notiere mir das und sofern ihr mir bis zum meldeschluß nicht noch etwas anderes mitteilt, sehe ich das schon mal als Anmeldung an.


    Rothar ist mit elf Einsätzen nicht startberechtigt, das ist richtig. Er gehört ja schon zu den etablierten Fahrern."


    Zumindest meinte Macer, den Namen schon mehrmals unter den Teilnehmern von Endläufen großer Rennen gesehen zu haben.

  • “Rothar wird noch einiges zu lernen haben, aber ich bin guten Mutes, dass er einmal ein würdiger Nachfolger für Diokles sein wird.“, fachsimpelte Quarto ein wenig.


    “Es wird nur einen Durchlauf geben, sehe ich das richtig?“

  • "Ja, nur einen Lauf", bestätigte Macer. "Mehrere Läufe nur mit den Jungfahrern ist nicht praktikabel und außerdem will ich nicht unbedingt in indirekte Konkurrenz zu den großen Rennveranstaltungen wie den Equirra oder ähnlichem treten. Dazu habe ich mich auch ein wenig zu kurzfristig dafür entschlossen, die Ludi Martiales auszurichten."


    Außerdem ging Macer davon aus, dass die Factiones nach ihren Einsätzen in Germania nicht unbedingt sofort wieder eine große Veranstaltung bestreiten wollten.

  • “Sehr schön. Also… du kannst unseren Lenker Hermes mit seinem Gespann auf jeden Fall als Vertreter der Veneta in deine Anmeldeliste aufnehmen. Ich danke dir für die Auskünfte. Das wird mit Sicherheit eine sehr interessante Veranstaltung.“

  • Macer klappte seine Tafel wieder zusammen und steckte sie ein. "Ich habe zu danken für die Anmeldung. Ich bin als Rennausrichter ja auf euch angewiesen."


    Wie er gesagt hatte, wollte er nicht zu lange bleiben und erhob sich deshalb, um sich zu verabschieden.

  • ... im Frühsommer, nur zwei Tage nach dem Gespräch mit Vibius Valerius Victor und Manius Tiberius Durus bei den Ludi Martialis.


    Ein recht ungewöhnliches Paar - zumindest für die Zielsetzung - bewegte sich in Richtung des Factiohauses der Veneta, während die beiden miteinander plauderten. In bester Stimmung näherten sich die Geschwister dem Haus, in welches sie eingeladen worden waren, um sich einer neuen möglichen Leidenschaft zu stellen, dem Rennsport. Das Versprechen, auf einem Streitwagen mitfahren zu dürfen und sich auch bei einem Rundgang im Factiohaus umsehen zu können, war einfach zu verlockend, um es nicht zu nutzen, zudem war Iulia Helena einfach nur neugierig. Das Gespräch beim Marstempel war ihr in Erinnerung geblieben, nicht nur, weil keiner der beiden Männer sich dazu hatte hinreißen lassen, sie auf irgendeine recht billige Art und Weise davon zu überzeugen, dass sie vor Männern stand, die eine Frau suchten.


    Vibius Valerius Victor hatte ihr geduldig erklärt, worauf es beim Rennsport ankam, und für einige Momente lang hatte sie sich an ihren verstorbenen Gemahl erinnert gefühlt, der bei so vielen Dingen, wenn er denn die Lust dazu gefunden hatte, es zu erklären, ähnlich gut die Dinge dargelegt hatte - so, dass sie es verstehen konnte, ohne viel über die Rahmenbedingungen zu wissen. Es hatte ihr imponiert, dass er weder Standesdünkel noch Vorurteile zu haben schien, was das Interesse einer Frau an einer so männlich besetzten Sportart anging, und sie freute sich darauf, das Gespräch vielleicht fortsetzen zu können - Constantius zu ihrer Begleitung zu überreden, war nicht weiter schwer gewesen, auch er schien Gefallen am Wagenlenken und -rennen gefunden zu haben.
    So erreichten die Geschwister die Türe des Gebäudes und sie ließ ihrem Bruder lächelnd den Vortritt, dass er an die Tür klopfen konnte ...

  • Bei dem Gedanken an die beeindruckenden Szenen des Rennens schienen die Augen von Constantius immer wieder zu leuchten. Und jetzt, wo er vielleicht einmal in einem Streitwagen mitfahren durfte, schien sein Herz in der Brust zu tanzen.
    Der Gedanke, dass dies zu gefährlich sein würde für Helena war zwar kurz in ihm aufgekeimt, doch schnell wieder verstorben. Helena hatte noch nie eine Herausforderung gescheut. Und der Götter Segen galt stets den Mutigen und Standhaften. Also würde sie sicher den Wagen wieder verlassen. Und wenn jemand Mut besaß, dann Helena. In seiner Kindheit hatte seine Schwester bereits ständig mit dieser Gabe beeindruckt. Und wenn er sich nciht täuschte, dann hatte sie nicht einen Funken davon eingebüßt während ihrer Trennung.
    So klopfte er erwartungsvoll an die Tür. Bald würde er die Geschwindigkeit am eigenen Leibe erfahren.

  • Grummelnd geht Victor zur Tür und kommt sich vor wie zuhause. Narcissus ist auch nie da, wenn man ihm mal braucht, genau wie Hulc auch nie da ist, wenn es klopft. Seine Laune hebt sich schlagartig, als er die Besucher erkennt. Im Prinzip hat er zwar niemand anderen erwartet, aber es hätte auch ein Lieferant sein können, der den Hintereingang nicht findet.


    "Salvete!" begrüßt er die Iulier erfreut. "Willkommen im altehrwürdigen Factiohaus der Veneta. Normal macht hier auch ein altehrwürdiger Sklave auf aber fragt mich nicht, wo es den wieder hinverschlagen hat. Also müsst ihr wohl mit mir vorlieb nehmen." Er grinst und weist in den Gang hinein. "Kommt rein und schaut euch um. Auch wenns hier noch nicht so viel zu sehen gibt, die wirklich interessanten Sachen sind drüben im Circus Maximus. Möchtet ihr was trinken? Verdünnten Wein?"

  • Als sie in dem öffnenden Mann den Septemvir erkannte, lächelte sie ebenso erfreut und neigte sachte den halb vom Schleier bedeckten Kopf - doch dieses Mal schien sie bei der Wahl ihrer Kopfbedeckung darauf geachtet zu haben, dass das Gesicht frei blieb und das Gesicht gut zu erkennen war.
    "Salve, Valerius Victor," sprach sie lächelnd in die Richtung ihres Gastgebers und betrachtete ihn einige Momente lang wohlwollend. Wirklich ein stattlicher Mann, dachte sie für einen Moment und schalt sich dann amüsiert innerlich für diesen Gedanken - schließlich waren sie nicht gekommen, um Männer zu betrachten, sondern sich etwas kundiger im Wagenlenken zu machen.


    Und Constantius würde es nicht schaden, Männer zu finden, mit denen er ausser seiner Arbeit ein gemeinsames Gesprächsthema haben würde. "Ein Becher Wasser wäre sehr freundlich, aber es eilt nicht. Nach dem Rundgang sind wir sicher alle bedeutend durstiger, dann musst Du nicht zweimal laufen ... bei diesem schönen Wetter scheinen sich die Sklaven immer doppelt soviel zu verstecken wie sonst ..." fügte sie mit einem amüsierten Schmunzeln an. Das Problem der unauffindbaren Bediensteten war wohl für keinen Haushalt etwas neues.

  • „Salve“ sprach Constantius in einem höflichen Tonfall.
    „Ich danke dir für deine freundliche Einladung“


    Constantius bemühte sich weiterhin nicht wie ein kleines Kind vor Vorfreude ständig zu grinsen. Doch ein beständiges lächeln konnte er nicht unterdrücken. Selbst der Anblick des Hauses faszinierte ihn, als er durch die geöffnete Tür eintrat.


    So erfolgte seine Antwort auf die Frage, ob der Wunsch nach einem Getränk besteht auch relativ spät.


    „Etwas gewässerter Wein wäre nicht schlecht. Oder ein einfacher Becher mit Wasser“

  • Da scheinen sich die Geschwister dann doch mal nicht einig zu sein. Er schaut zu Helena, die ihr schönes Gesicht heute nicht hinter einem Schleier verbirgt und zieht einen Mundwinkel nach oben. "Das macht gar nichts. Solange die Gäste nicht von der Praesina sind, gehe ich Wein und Wasser auch noch selber holen."


    Sie betreten den Gang, der zur großen Halle führt und man sieht deutlich, dass in der Veneta einige der bestverdienendsten Männer Roms sitzen. Rechts und Links an den Wänden sind Marmorbüsten aufgereiht. "Das sind berühmte aurigae welche die Veneta hervorgebracht hat. Hier vorne beispielsweise Fernandus Alonsus, unvergessen bei seinem großartigen Sieg bei den Equirria DCCCLV." Einige Büsten weiter. "Nikias Laudatus, gennannt 'der Grieche'. Einer der aurigae mit den meisten Rennen überhaupt und nicht nur das, mit vielen Siegen kann er ebenfalls aufwarten. Er beherrschte die Kurvenfahrt in Perfektion, keiner beherrschte seinen Wagen und seinen Körper so wie er. Er nahm jede Kurve nur immer auf einem Rad, was einiges an Körpereinsatz von einem Lenker abverlangt. Der Grad zwischen beiden Rädern auf dem Boden halten und umkippen ist ziemlich dünn. Laudatus schaffte es jedoch immer, sogar mit fremden Gespannen."


    Als sie schon fast den Versammlungssaal erreicht haben, bleibt Victor vor einer Büste stehen, die einen blauen Helm trägt. "Und das hier ist Albertus Ascarius und dieser Helm, das ist das Original. Ascarius hat tatsächlich seine ganze Karriere lang ein und den selben Helm getragen." Er streicht liebevoll über eine Delle am Hinterkopf des Helms und schaut dann strahlend zu den beiden Iuliern "Diese Delle hier ist von dem großen Sturz bei den Ludi Apollonaris DCCCIV. Es war in der dritten Runde, alle sieben Gespanne auf fast gleicher Höhe. Dann, die konkave Kurve kommt näher und die Wägen schieben sich immer weiter zusammen. Natürlich wusste am Ende keiner mehr, welches der Gespanne der Auslöser war, darüber streitet man heute noch, doch plötzlich trieben die Pferde auf der Innenbahn aus der Spur. Räder verkeilten sich, Pferde gerieten aneinander, die aurigae versuchten in all dem Durcheinander die Konkurrenz aus der Bahn zu drängen, die Kurve kam immer näher, es kam, was kommen musste! Die ersten Wägen überschlugen sich, wurden von den anderen mitgezogen, das gesamte Knäuel donnerte um die Kurve und kam auf der Längsseite der Bahn mit mords Geschepper zur Ruhe! Doch die Götter hatten einen guten Tag an diesem Tag, keiner der Fahrer ist dabei umgekommen." Natürlich ist Vic nicht dabei gewesen, doch entgegen seiner sonstigen Lesefaulheit verschlingt er jeden Bericht, den er von einem Rennen in die Finger bekommt. Und wenn ab und zu einer von den wirklich alten Mitgliedern im Factiohaus vorbei schaut, dann sitzt Victor wie ein kleines Kind in der ersten Reihe und lauscht begeistert ihren Erzählungen von vergangenen Venetahelden und großen Rennen der Geschichte.

  • Für einige Momente erwiederte sie den Blick des Septemvir, bevor sie sich eilends wieder umblickte, immerhin blickten nur sehr schamlose Frauen einem Mann für eine halbe Ewigkeit neugierig ins Gesicht. Und diesen Eindruck sollte er schließlich nicht von ihr gewinnen. Für einen Moment ertappte sie sich bei dem Gedanken, warum ihr die Meinung eines eigentlich Fremden wichtig sein mochte, aber diese Überlegung schob sie schnell beiseite, hatten sie den Rundgang doch begonnen. Als sie bei Nikius Laudatus' Büste vorbeikamen, meinte sie sinnierend:


    "Ist dies nicht der auriga, der seine Karriere nach einem sehr schweren Unfall beenden musste und seitdem jüngere aurigae trainiert? Mein verstorbener Gemahl erwähnte ihn einmal und meinte, es sei sehr schade, dass er nicht weiterfahren könne, eben wegen jener besonderen Kurventechnik ... aber ich gestehe, damals habe ich dem nicht sehr viel Aufmerksamkeit gezollt, weil wir in der Provinz ohnehin nicht die Gelegenheit hatten, Wagenrennen zu besuchen."


    Doch die Erzählung Victors riss auch sie von ihrer Erinnerung - bei der sie über sich selbst amüsiert feststellte, dass sie hier erwähnt hatte, dass Titus längst nicht mehr unter den Lebenden weilte, bei anderen Unterhaltungen war dieser Punkt immer dezent unter die Kline gefallen - und sie folgte seinen Worten gebannt. Die Wagenrennen schienen ihn wirklich zu faszinieren, mit einem solchen Elan sprach man nur, wenn man etwas sehr mochte. "Das klingt, als hätte die Veneta wirklich viele herausragende aurigae hervorgebracht - es überrascht mich, dass Hermes dann nicht unter den ersten Dreien war, oder fehlt ihm etwa noch die Übung und Erfahrung?"

  • Der junge Mann war sichtlich beeindruckt von dem was er zu Gesicht bekam. Und die Erzählungen Vibius Valerius Victor lieferten ihren wohlverdienten Beitrag, um diese Begeisterung des jungen Mannes noch zu steigern.


    Ebenso beeindruckt war Constantius von der Begeisterung, die Helena offenbarte. Und dem Fachwissen. Sie schien sich wirklich für den Rennsport zu interessieren. Und der eine oder andere Blick verriet Constantius, dass Helena die Gesellschaft ihres Gastgeber alles andere als unangenehm empfand.


    Selbst wenn Constantius sich etwas dabei dachte, so vermochte es doch an diesem Tag sehr gut zu verbergen. Keine Bewegung, keine Gesichtsausdruck verriet ihn heute. Nur sein sichtliches Interesse für die ausgestellten Stücke führte dazu, dass er oft einen oder zwei Schritte hinter den Beiden herlief.

  • Victor starrt Helena für einige Sekunden lang fasziniert an. Nicht nur, dass sie sich für den Rennsport begeistert, sie kennt auch noch Nikius Laudatus. So eine Frau ist ihm sein Lebtag noch nicht untergekommen. Die beiden Iulier würden sich noch ziemlich doof anstellen müssen, als dass er sie am Ende des Tages nicht in die Factio einladen würde. Er blickt wieder auf die Büste und nickt, noch immer beeindruckt. "Genau der Laudatus ist es. Er sitzt irgendwo im Süden Italias auf einem Landgut und trainiert Nachwuchstalente aus dem ganzen Imperium."


    Sie verlassen den Gang und betreten den Versammlungsraum. Auch hier wurde nicht gespart, das Mobiliar ist edel, besser, als in mancher römischen Casa. An einer der Wände ist eine Szene aus dem Cicus Maximus als Malerei angebracht, ganz so, als würde man von der Ehrenloge des Kaisers aus hinab auf die Bahn blicken, wo die Wägen durch den Staub preschen. Natürlich ist die führende Quadriga auf dem Gemälde eine von der Veneta. Victor steuert den Tisch an, auf welchem natürlich schon Becher und Kannen mit Wein und Wasser bereit stehen. Er schenkt Helena Wasser, und Constantius und sich selbst eine leichte Weinmischung ein und reicht den beiden die Becher.


    "Dass Hermes noch nicht da ist, wo er längst sein könnte, das liegt an seiner Disziplinlosigkeit und Ungeduld. Er schafft es einfach nicht, seine Kräfte und die seiner Pferde konstant einzuteilen. Außerdem fehlt ihm die richtige Starttechnik. Meist ist es ein Trauerspiel, wie er sich aus der Box schiebt. Beim Start ist es unglaublich wichtig, sich nicht von den anderen Wägen in eine Richtung drängen zu lassen. Entweder man ist vorne und bestimmt das Feld, oder bleibt eben hintendran hängen. Hermes braucht meist ein, zwei Runden bis er sich freigekämpft hat, dann treibt er die Pferde an wie ein Verrückter, nimmt die Kurven wie ein Wahnsinniger und spätestens in der sechsten Runde sind die Pferde dann vollkommen erschöpft. Und was man ihm auch sagt, der Junge lässt sich einfach nichts sagen. Aber er wirds schon noch lernen."

  • Für einige Momente dankte sie insgeheim ihrem verstorbenen Gemahl, dass er sich überhaupt für Wagenrennen interessiert hatte - und darüber bisweilen gesprochen hatte, sodass der Name hängen geblieben war, doch gleichzeitig wandte sie den Blick wieder von Valerius Victor ab. Dass der Versammlungsraum sich mit Leichtigkeit mit der Pracht verschiedener Häuser reicherer Familien in Rom messen konnte, nahm sie erst nur sehr verzögert zur Kenntnis, dennoch verfehlte es nicht eine gewisse respektgebietende Wirkung. Die Veneta musste entweder über reiche Gönner verfügen oder derzeitig erfolgreiche Fahrer besitzen - anders war die Pracht der Möblierung kaum zu erklären. Dass sie durch einen puren Zufall auf gleich zwei Anhänger dieser Factio getroffen waren, schien gleichermaßen überraschend wie verwirrend, aber manches Mal waren Zufälle ein weit besserer Weg, sich selbst seiner Ziele und Wünsche bewusst zu werden denn reine Berechnung und Planung.


    "Ich danke Dir," sagte sie leise, als der Septemvir ihr den Wasserbecher übergab, und die kurze Berührung beider Finger ließ sie innerlich fast zusammenzucken. Wie töricht, sagte sie sich fast sofort selbst, versuche Dich auf das zu konzentrieren, was er sagt, nicht was Du Dir vielleicht erträumst. Sie überließ Constantius das Gespräch, zumindest für den Augenblick, und trat etwas näher an die Wandmalerei heran, um sie genauer zu betrachten und dabei ihre Gedanken zu ordnen. Es schien von der Hand eines geschickten Malers gefertigt, die Pferde wirkten lebensecht, selbst die jubelnden Zuschaueri m Hintergrund hatte man nicht vergessen - wie es wohl sein mochte, von der Kaiserloge aus ein wirkliches Rennen zu beobachten? Aber auch dieser Gedanke konnte sie kaum ablenken, während ihr Blick immer wieder zu ihrem Bruder, dann zu ihrem Gastgeber schweifte. Hätten in diesem Augenblick Engelchen und Teufelchen - oder höchstwahrscheinlich Cupido und sein böser Zwilling aus dem Hades - existiert, hätte sich ihre Unterhaltung wohl folgendermaßen angehört:


    Jetzt starr' doch nicht wieder so in die Richtung dieses Mannes, Du wirkst bald wie eine Hafenhure aus Ostia! - Wenn er mich aber interessiert? Schauen wird ja wohl noch erlaubt sein. - Und dann stürzt Du Dich die nächste Treppe herunter, damit er Dich rettet? Du bist doch keine Sergia Messalina! - Nein, aber er kann doch ruhig sehen, dass er mich nicht unberührt lässt. - Der ist bestimmt sowieso verheiratet, schlag es Dir aus dem Kopf! - Hat das jemals irgendwen gehindert? - Ja, mich. Ausserdem haben wir in der nächsten Zeit ohnehin viel mehr damit zu tun, eine passende Frau für Constantius zu finden! - Und wir dürfen nicht glücklich sein? - Macht Dich eine aussichtlose Schwärmerei glücklich?


    Bevor die inneren Stimmen jedoch zu laut werden konnten, wandte sie den Blick eilig von der Malerei ab und nahm einen Schluck Wasser aus ihrem Becher.

  • Nachdem Helena sich der Wand widmet wendet sich Vic an ihren Bruder. "Aus welcher Provinz stammt ihr? Ich stamme selbst aus Malaca, in Hispania. Bevor ich nach Rom gekommen bin, hatte ich auch kaum eine Chance, zu irgendwelchen Spielen zu kommen. Es ist schade, dass es so selten große Rennen in den Prvoinzen gibt, aber der Aufwand lohnt sich meist einfach nicht. Wir haben neulich zwei Gespanne nach Germania geschickt, aber mit den Gespannen allein ist es nicht getan. Was da für ein Tross dranhängt, und vor allem Kosten, das ist enorm."


    Aus den Augenwinkeln nimmt Victor Helenas Bewegungen wahr und schaut kurz zu ihr hinüber. Ihre Gestalt passt sich fast perfekt in die Malerei ein und es sieht aus, als würde sie in der Ehrenloge stehen und das Rennen betrachten. Victor kann sie sich ziemlich gut in der Ehrenloge vorstellen. Als sie sich eilig umwendet, schaut er grinsend zu Constantius. "Deine Schwester kann es anscheinend kaum abwarten, rüber zu den Ställen und Werkstätten zu kommen. Eine außergewöhnliche Frau."

  • Dankend nahm Constantius den Weinbecher entgegen und ließ seinen Blick durch den Versammlungsraum schweifen. Welch Prunk, welch Luxus sich ihm darboten.
    Er benötigte nur wenige Schritte um eine Position zu erreichen, die ihm einen ausgiebigen Ausblick erlaubte. Ein weiterer Vorteil seiner neuen Position, der sich rein zufällig ergab – ebenso zufällig trafen Bogenschützen die Mitte der Zielscheibe und ebenso zufällig kam ein Dieb auf dem Marktplatz zu einem fremden Geldbeutel – Jedenfalls bot seine jetzige Position ihm die Möglichkeit Helena und Victor aus den Augenwinkeln zu beobachten, ohne dabei auch nur den Anschein eines aufmerksamen Beobachters zu machen.
    Das was er so beiläufig nun unbeabsichtigt beobachtete erhärtete seine These, dass Helena ihrem Gastgeber nicht abgeneigt war. Es war eben dieser Blick in ihren Augen, den er zwar nur selten bei Helena gesehen hatte, aber dennoch zu deuten wusste.


    Der kräftige Schluck, den er aus dem Becher nahm, leerte den Kelch fast vollständig. Und der Seufzer, der danach folgte und dem Geschmack des Weines gelten sollte, hatte einen fast bekümmerten Unterton. Auch wenn die Worte, die Constantius folgen ließ, freundlich, höflich und - war es gespielt?- fröhlich klangen.


    „Welch beeindruckender Raum. Er ist selbst der Anwesenheit des Imperators würdig.“


    „Ja das war er. Und dieser Victor musste über ähnlich viel Geld verfügen.“, dachte sich Constantius. In diesem Moment rasten viele Gedanken gleichzeitig durch sein junges Hirn. Gedanken, die zunächst nur in Fragmenten hereinstürzten, ähnlich einem Wildbach, der gerade die Fesseln eines Dammes abgestreift hatte. Was würde er jemals Helena geben können. Das bisschen Sold, dass er erhielt würde kaum reichen um Helena ein ordentliches Leben zu gewährleisten, auch wenn er bereit war jede Sesterze abzugeben.
    Zwar hatte er schon lange nicht mehr so ein Gefühl des Glücks empfunden, als er mit Helena nach Rom gekommen war, doch auch wusste er, dass dieses Glück ihm nicht ewig vergönnt sein würde. Auch wenn sein Traum, den Ruhm der Iulier in Rom zu neuen Glanz zu verhelfen, noch nicht gestorben war, so ahnte Constantius inzwischen, dass es viel länger dauern würde, als er es sich erträumt hatte. Rom hatte ihn nicht mit Fanfaren empfangen. Nein gewiss nicht. Und man würde ihn wohl auch nie mit Fanfaren empfangen. Soviel war sicher. Nein er würde durch die dunkelsten Gassen Roms patrouillieren müssen und konnte dankbar sein, wenn sich kein Messer in seinen Rücken verirrte. Die Realität hat oft einen bitteren Beigeschmack und diesen Geschmack versuchte Constantius mit dem letzten Schluck Wein herunterzuspülen.
    Er hatte sein Leben dem Wohle und dem Glück seiner Schwester verschrieben. Ein Ziel, das er um jeden Preis erreichen wollte. Und manchmal hieß es wohl auch, trotz der besten Absichten, nicht im Wege zu stehen.


    Constantius ergriff das Wort.
    „Sag werter Valerius Victor. Wer wird den unsere Streitwagen lenken, wenn dein Angebot noch steht? Wäre es mir vielleicht vergönnt neben dem berühmten Hermes zu stehen? Und würdet ihr vielleicht den Wagen lenken, den meine Schwester besteigen wird? Es würde meine Sorge um meine geliebte Schwester deutlich beruhigen, wenn ein verantwortungsvoller Mann, den ich bereits kenne, das Gespann lenken würde.“


    Constnatius führte den bereits leeren Becher an seine Lippen und nahm einen imaginären Schluck. Und beobachte Victor mir einem aufmerksamen Blick. Constantius würde zwar zur Seite treten, doch nicht unaufmerksam werden, das schwor sich Constantius gerade jetzt.


    „Aus Hispania stamme ich, aus Tarraco um genau zu sein. Es gibt dort keine vergleichbare Rennen. Leider.“

  • Sie lauschte den gesprochenen Worten, hörte aber vielmehr dem Klang beider Stimmen zu denn dem genauen Wortlaut - irgend etwas in der Stimme ihres Bruders verriet eine gewisse Wehmut. Sie wusste, dass er sich Gedanken machte, über sich selbst, vielleicht auch über sie, aber dass er sich in einem solchen Moment auch seinen Gedanken hinzugeben schien, erstaunte sie, zumindest klang er danach. Sie würden darüber sprechen müssen, wenn sie wieder alleine waren, bis dahin konnte sie nur hoffen, dass er seine Freude zurückfinden würde. Dass ihm dieser Tag die Wehmut ein wenig lindern konnte ... sie hätte fast den Becher auf den Boden fallen gelassen, als er Valerius Victor fragte, ob dieser der Mann sein würde, der sie mit auf den Streitwagen nehmen würde. Hatte man ihr so deutlich angesehen ...? Schnell nahm sie einen weiteren Schluck aus ihrem Becher und wandte sich den beiden Männern wieder zu, die Miene wieder zu einem Lächeln geworden, das viel sagen konnte, aber wenig von dem verriet, was sie dachte.


    "Wir sind beide in Rom geboren, aber in Rom und Tarraco aufgewachsen, wo die gens Iulia ihren Stammsitz besitzt ... wobei Constantius mehr von Hispania gesehen hat als ich, da er dort blieb, als ich verheiratet wurde. Dafür kann ich nun mit einem umfassenden Wissen über alle möglichen Legionsstandortsstädte nah und fern aufwarten ... vom kleinsten Kuhdorf bis hin zum hm .. mittleren Kuhdorf," scherzte sie leichthin und näherte sich den beiden Männern wieder, denn die Antwort auf Constantius Wagenfahrtfrage wollte sie um nichts in der Welt versäumen.

  • Victor schüttelt leicht lachend den Kopf. "Ich fühle mich wirklich geehrt, dass du mir deine Schwester anvertrauen würdest, aber ich fürchte, mit mir als Lenker wird das eine ziemlich langweilige Fahrt. Wenn wir die Zeit dazu finden, dann liefer ich mir zwar gerne mit meinem Bruder ein Duell, aber ein sehr professioneller Fahrer bin ich nicht gerade." Natürlich wäre das für ihn sicher eine angenehme Fahrt, doch Helena ist schließlich hierher gekommen, um die großen Helden der Veneta zu sehen. Nachdem sie ihn bereits mit ihrem Fachwissen beeindruckt hat, möchte Vic ihr die Gelegenheit mit einem Profi zu fahren auf keinen Fall nehmen.


    Er wendet ihr seinen Blick zu und das Lachen wandelt sich zu einem Schmunzeln. "Außerdem werde ich wohl kaum gegen die berühmten Lenker der Veneta ankommen." Er stellt seinen Becher auf dem Tisch ab und wendet sich wieder Constantius zu. "Wenn du es möchtest, dann kannst du eine Fahrt mit Hermes riskieren. Deiner Schwester würde ich eher die mit Diokles oder Dareios nahelegen. Sie sind vielleicht etwas moderater und jagen nicht so schnell um die Kurven, aber sie wissen genau, worauf es ankommt. Bei den großen Equirria dieses Jahr haben sie den zweiten und dritten Platz geholt."

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