Vic verzieht das Gesicht. "Ja, wenn die Bahn durch den Nebel aufgeweicht ist oder sogar durch den Circus Maximus der Wind pfeift, dann sind das wirklich keine optimalen Bedingungen." Nach einem Schluck Wein grinst er wieder. "Andererseits sind das Herausforderungen, die man sonst nur irgendwo am Ar... öhm, Ende der Welt hat. Von daher is es manchmal gar nicht so schlecht, das auszunutzen. Aber wir werden den Winter dann wohl noch etwas an unserer Technik feilen, falls sich nicht doch noch irgendwer irgendwo erbarmt."
[Domus] Factio Veneta
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Immer wenn das Gespräch auf Technik kam, war sich Macer nicht ganz sicher, ob es die anderen nicht zu genau nahmen oder ob seine Factio da tatsächlich ihre Chancen mit verschenkte, indem sie relativ wenig auf die Technik achtet.
"Da haben wir selten mehr als die nötige Bastelei reingesteckt in unsere Wägen. Zwei oder drei erfahren Wagenbauer, die an der Russata hängen, die machen das. Einmal hat ein Meister seinen besten Lehrling zum Abschluß der Ausbildung einen Wagen bauen lassen, das war aber dann schon das größte technische Experiment, seit ich dabei bin. Den haben wir aber auch nur im Training benutzt.
Wir werden uns wohl den Winter über nochmal nach einem neuen Fahrer umschauen. Hoffentlich bleibt mal genug Zeit, um in Ruhe die Ergebnisse von kleineren Provinzrennen zu studieren, die immer mal wieder nach Rom gemeldet wurden, und die dann erstmal auf dem großen Stapel hinten links landen."
Macer schaute sich um, ob die Factio Veneta auch so einen berüchtigten Stapel von Wachstafeln hinten links oder in einer anderen Ecke hat, entdeckte aber nichts. Wahrscheinlich befand er sich in einem anderen Raum.
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"Hrhr, jo, so einen Stapel haben wir auch. Aber bei uns liegt er rechts vorne, direkt neben der Tür. Damit man die Tafel gleich draufwerfen kann, wenn man reinkommt, oder besser, noch bevor man reinkommt und direkt wieder raus und die Tür zumachen kann. Allerdings haben wir momentan auch wenig Bedarf an einem neuen Fahrer. Wenn wir Diokles und Dareios soweit kriegen, dass sie mal nen ersten Platz einfahren, dann wärn wir glücklich. Und auf lange Sicht arbeiten wir mit Rothar und Hermes, wobei Rothar langsam an dem Punkt angekommen ist, wo er den Großen Druck machen kann. Beziehungsweise sollte er langsam mal da ankommen, denn ein Frischling ist er auch nich mehr gerade. Irgendwann kanns auch für ihn nur noch bergab gehen." Vic will zwar nicht den Hades an die Wand malen, doch er fürchtet, dass Rothar eher die Puste ausgehen wird, bevor er ein paar erste Plätze einfahren kann. Er ist einfach schon zu lange im hinteren Feld als Blockadefahrer gefahren.
"Vielleicht solltet ihr auch einfach mal nen Wagen an die Wand setzen, hrhr. Dann ist der Kaiser ja recht spendabel. Ich behaupte, mit diesem Felix haben die Weißen jetzt sogar wieder Chancen die Gelben zu überrunden. Das is zwar für alle anderen nicht schwer, aber sie selbst waren ja bisher nichtmal dazu in der Lage. Wobei die Aurata auch ziemlich abgebaut hat. Nuja, kein Wunder, nach dem sie ne Weile lang die Führung in Italia ner Frau übertragen hatten. Wer macht das jetzt eigentlich? Also ne Factio ohne Organisation in Rom, da braucht sich echt keiner Wunder, wenn das nix wird, die verpassen ja die Hälfte aller Rennen."
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Das großzügige Geschenk des Kaisers an die Factio Albata hatte Macer tatsächlich recht erfolgreich verdrängt, aber Victor zerrte es unerbittlich in die Diskussion. "Ja, super. Die schaffen es nicht mal, dass vier Pferde in die gleiche Richtung laufen und bekommen dafür vom Kaiser auch noch Geschenke. Ehrlich, er ist ein guter Herrscher, aber er sollte sich nicht in den Sport einmischen."
Die Sache schien Macer ziemlich geärgert zu haben, dass er sich davon so die Laune verderben ließ. Eine Schlucke Wein später sah es aber schon wieder besser aus und die Aurata gab ein vergnüglicheres Thema ab.
"Keine Ahnung, wer das bei der Aurata jetzt macht. Meridius wird von Germania aus praktisch nichts machen können. Das geht einfach nicht, musste ich selber erleben, als ich dort tätig war. Von dieser Aurelia Deandra hat man auch lange nichts gehört. Vielleicht hat sie geheiratet. Sie schien auch eher Pferdepflegerin als Rennsportexpertin zu sein, soweit ich sie kennenlernen konnte. Von mir aus können sie noch mehr Rennen verpassen. Andererseits waren sie immer ganz dankbare Gegner."
An die gelegentlichen ärgerlichen Ergebnisse, wo die Aurata in entscheidenden Rennen vor ihnen gelandet war, wollte er dann auch nicht zurück denken und nahm einen weiteren Schluck Wein und einen Happen zu essen.
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Vic nickt energisch auf die Worte über den Kaiser und trinkt darauf einen Schluck. Bisher hatte er geglaubt, dass der Imperator in Bezug auf die Factiones neutral ist. Zumindest klatscht er den besten Fahrern zu, egal von welcher Factio sie kommen. Dass er die Albata so großzügig beschenkt hat, lässt tief blicken. "Solang nicht die Praetorianer auf der Bahn stehen und dafür sorgen, dass die Weißen als erste durchs Ziel fahren werden ihnen auch die neuen Gespanne nichts nutzen. Und wenn es soweit is, dann können wir sowieso mit dem Sport aufhörn."
Wenn es soweit kommen würde, dann würde Vic seine Koffer packen und zurück nach Malaca gehen, das steht fest. "Hrhr, joah, Aurelia Deandra ... ne merkwürdige Person." Grinsend denkt Vic an die letzten Saturnalien zurück. Beinahe hätte er sie aufgerissen, aber an ihrer Männer-und-Mäntel-Theorie ist er doch gescheitert. "Ne Patrizierin eben, dat kann ja nich gut gehen. Sollen sie Politik machen, die Religio leiten und das Reich regieren, aber von Pferden und Wägen sollen sie die Finger lassen." Frauen gleich zwei mal. "Dat is und bleibt unsere Sache."
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"Wie ist das eigentlich mit euch, ihr geltet doch als die Kaisertreuen", fällt Macer spontan ein, als sie über den Kaiser sprechen. "Macht sich das eigentlich irgendwie bemerkbar oder ist das eher so ein Image, was sich irgendwann ingrauer Vorzeit aus unbekannten Gründen gebildet hat und was mit dem heutigen Kaiser nichts mehr zu tun hat?"
Macer konnte sich das zwar nicht so recht vorstellen, aber je älter eine Factio, umso eher wusste man wohl nicht mehr, wo sie her kam. Er war froh, die Geschichte der Factio Russata halbwegs erklären zu können.
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"Das ist natürlich schon eine ziemlich alte Geschichte, ich hab auch keine Ahnung, von welchem Kaiser das noch kommt." Er schaut sich nach dem Princeps Quarto um, der weiß das sicher. Da er ihn aber gerade nirgends entdecken kann, fährt er fort. "Aber es ist trotzdem immernoch aktuell. Nicht, dass wir nur bei der Veneta wären, weil wir dem Kaiser treu sind. Also ich zum Beispiel bin hier, weil für mich nichts anderes in Frage käme. Wenn man im Herzen blau ist, dann ist das so. Aber gleichzeitig bedeutet es irgendwie auch, dass man ziemlich kaisertreu ist. Das eine bedingt das andere, aber nicht umgekehrt." Diese doch ziemlich philosophische Sichtweise verlangt nach einem guten Schluck Wein.
"Das ist wohl so, wie die Russata das Image hat, eine Militär-Factio zu sein. Gibts dafür denn ne stichhaltige Grundlage?"
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Macer folgte Victors Blicken durch den Raum, konnte aber auch niemanden entdecken, der ihnen mit einem Vortrag über die Geschichte der Veneta aushelfen wollte. Überall wurde getrunken, gegessen, geredet und gelacht, wie es sich für ein Vereinsfest eben so gehörte.
"Naja, die Russata ist die rote Factio und die mit dem Stier im Wappen", setzte er zu einer Erklärung an. "Der rote Stier gehört zu Mars und der beschützt nicht nur uns, sondern auch die Soldaten. Wobei er letzteres sehr viel ernster zu nehmen scheint, wenn ich die Zahl erfolgreicher Schlachten mit der Zahl von Russata-Siegen vergleiche. Nun, was ist schon der militärische Erfolg eines Reiches gegen das Glück einer handvoll Rennsportanhänger in Rom? Du warst doch mal Marspriester - mag Mars überhaupt Wagenrennen?"
Fragend blickt Macer über den Rand seines Bechers hinweg und dann in den Becher hinein. Roter Wein ist drin und fließt wenig später durch seine Kehle.
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Die Russata wäre tatsächlich auch noch was für Vic. Das ist sozusagen die 'Mars-Facito'. Aber nachdem ihm schon der Mars-Kult genommen wurde, wird Vic bei der Veneta bleiben. Sonst würden ihm auch noch die Freuden des zweiten oder seltenen ersten Platzes genommen. Das wär einfach zu viel.
"Ou ja, Mars steht total auf Wagenrennen, da bin ich sicher. Neptun und er sind immerhin die Schirmherren über alle Pferde und Pferderennen. Also ich persönlich seh es so, Neptun mag ja der Beschützer der Rennbahnen sein, aber Mars is derjenige, dem die Rennen gefallen. Nich umsonst werden Mars zu Ehren die beiden Equirria und das Euquus October ausgerichtet." Er senkt seine Stimme und bring verschwörerisch seinen Kopf näher zu Macer. "Alle anderen Rennen sind doch sowieso nur nen billiger Abklatsch."
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Da hatte Macer tatsächlich wieder mal etwas gelernt. Dass Neptun der Beschützer der Rennbahnen war, hatte er sich irgendwann einmal gehört, aber längst wieder vergessen gehabt. Auf seiner geistigen Wachstafel notierte er deshalb ausdrücklich, beim nächsten Factiotreffen über ein Opfer an Neptun nachzudenken. Vielleicht lag es ja immer an der Bahn, dass die Russata nicht gewann und nicht an den Pferden oder Lenkern.
"Als blaue Factio müsstet ihr dann eigentlich Neptun nahe stehen, oder? Bietet sich irgendwie an. Ist ja schon komisch, dass man ihm, der im Wasser lebt, auch die staubtrockenen Rennbahnen zuschiebt..."
Die Ausführungen zu den Equirra erwiderte er mit einem ebenso verschwörerischen Grinsen. Immerhin wusste er noch, wer die letzten Equirra-Rennen organisiert hatte und das die Veneta ihre Sache dort als Ausrichter vorbildlich gemacht hatte.
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So langsam driftet das Gespräch in religionsphilosophische Gefilde ab, denen Vic so langsam nicht mehr folgen kann. Er hat noch nie darüber nachgedacht, welchem Gott die Veneta zugetan sein müsste. Das hat weniger mit der Veneta zu tun als damit, dass für Vic sowieso der einzig wahre Gott feststeht. Natürlich glaubt er an alle Götter und als Septemvir kümmert er sich auch um alle. Bei der passenden Gelegenheit dankt er allen Göttern und bei Notwendigkeit bittet er alle Götter. Aber Mars ist der Gott um den er sich persönlich zuerst kümmert, dem er zuerst dankt und den er zuerst bittet. Das war schon immer so und das wird auch immer so sein.
Blau und Neptun täte natürlich schon gut passen. Blaues Wasser, blaue Factio. Möglicherweise gehört das sogar zusammen, aber da Vic keine Ahnung hat, äußert er sich nicht dazu. "Nuja, das mit den Rennbahnen kommt von den Pferden. Neptun sind die Pferde heilig, daher. Aber woher das mit den Pferden kommt, das darfste mich nun nicht fragen. Vielleicht von den Seepferdchen, hrhr. Das mit den Rennbahnen könnt noch vom Circus Flaminius kommen. Da hat Neptun nen Altar, wegen der Nähe zum Wasser und weil das Gebiet da öfter ma unter Tiberwasser steht. Vielleicht hat es auch nen ganz anderen Grund, nen völlig plausiblen, den nur keiner mehr weiß. Das is wie mit den vielen uralten Opfergebeten, ständig werden sie von Sacerdotes runtergebetet und dabei weiß kein Mensch mehr, was sie bedeuten."
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Macer folgte den Spekulationen grinsend, ersparte sich aber eine Antwort. In religiösen Fragen würde er ohnehin nie mit einem Septemvir mithalten können, da machte er sich gar keine Hoffnung. Außerdem waren sie heute zum Feiern hier und nicht zum Philosophieren.
"Dann trinken wir einfach auf Mars und Neptun, würde ich sagen", schlug er vor und erhib sein Trinkgefäß. "Auf dass unsere Pferde immer auf der Welle des Erfolgs rennen werden!"
Er prostete nicht nur Victor, sondern auch allen anderen Leuten aus der Factio Veneta und der russata in seiner Nähe zu. Soweit er das erkennen konnte, waren inzwischen auch die von der Russata mitgebrachten Amphoren Wein im Umlauf und die anfangs noch etwas in Factiogruppen zusammen hockenden Feiergäste hatten sich inzwischen kräftig durchmischt.
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Beim Anstoßen lässt sich Vic natürlich nicht lange bitten. "Auf Mars und Neptun! Mögen die Rennbahnen nie unter Wasser stehen!" Ein halber Becher Wein landet auf dem Boden für die Götter, die andere Hälfte gönnt sich Vic in einem Zug.
Auch der Rest der Factiones ist gut dabei. Die Amphoren leeren sich immer mehr, während die Männer und Frauen immer voller werden. Und wenn sie nicht gegangen sind, dann saufen sie noch heute.
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Manche Entscheidungen musste man einsam treffen. Es waren dies nicht immer die gewichtigsten und nicht jeder dieser "einsamen Entschlüsse" war so Aufsehen erregend, als das er später groß in Erinnerung geblieben wäre. Dennoch war es oft besser, dass man etwas anpackte, ohne zuvor lange mit zu vielen Menschen beratschlagt zu haben.
Andererseits gab es auch Vieles, das musste in der Gemeinschaft diskutiert und entschieden werden…So und so ähnlich sinnierte Aelius Quarto, der Princeps Factionis, während er auf Narcissus wartete, der sich – wie immer eigentlich – ein Übermaß an Zeit ließ, bis er dem Ruf seines Herrn folgte.
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Da kam er endlich angeschlurft, zum Glück bereits mit einer Schreibtafel und einem Griffel bewaffnet.
“Herr, du hast gerufen? Etwas zu diktieren, nehme ich an?“, fragte er in einem Tonfall, der seine Unlust kaum verbarg.
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“Genau so ist es.“, sagte Aelius Quarto und wirkte dabei keineswegs irritiert.
“Eine gleich lautende Einladung an alle Mitglieder der Factio. Du wirst sie vielfach ausfertigen, die Namen der Mitglieder und ihre Anschriften eintragen und dann dafür sorgen, dass sie den Brief erhalten.“ -
Die Aussicht auf diese doch recht umfangreiche Arbeit ließ Narcissus' Gesicht noch etwas mürrischer wirken als ohnehin von ihm gewohnt.
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Auch davon ließ sich der Princeps nicht weiter irritieren und so begann er sein Diktat ohne Mitleid für den "armen", "geplagten" Sklaven der Factio:
An
…
Casa …
…, …Salve …, verehrtes Mitglied der ruhmreichen Factio Veneta!
Bereits ein Jahr ist seit der letzten Vollversammlung der Factio Veneta vergangen. Anlass für mich, erneut zu einem Zusammentreffen aller eingeschriebenen Mitglieder zu rufen.
Sei deshalb herzlich eingeladen zur:
Als wichtigste Tagesordnungspunkte stehen eine Nachbetrachtung des vergangenen Jahres an, eine Aussicht auf das vor uns liegende, sowie die Wahl eines neuen Princeps Factionis.
Ich würde mich sehr über Dein Erscheinen freuen und verbleibe bis dahin mit einem herzlichen VENETA VICTRIX!
gez. Lucius Aelius Quarto
PRINCEPS FACTIONIS - FACTIO VENETA[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Veneta/Siegel_Veneta06.jpg]
ROMA - ANTE DIEM IV KAL FEB DCCCLVII A.U.C.
(29.1.857/104 n.Chr.)"Hast du alles?"
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“Jaja…, nicht so schnell! …bis dahin mit einem herzlichen VENETA VICTR…“
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“Gut, ich verlasse mich dann auf dich.“, beschloss Quarto das Diktat, wobei er geflissentlich übersah, dass der Sklave den letzten Satz noch gar nicht beendet hatte.
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